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VwGH vom 10.04.2019, Ro 2018/18/0006

VwGH vom 10.04.2019, Ro 2018/18/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. W237 2201315- 1/3E, W237 2201322-1/3E, W237 2201317-1/3E, W237 2201324-1/3E, W237 2201318-1/3E und W237 2201320-1/3E, betreffend Asylangelegenheiten (mitbeteiligte Parteien: 1. M N, 2. M N,

3. M N, 4. M N, 5. M N und 6. I N, alle vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Obrecht, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lederergasse 21/Ecke Kaisergasse), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligten Parteien, alle Staatsangehörige der Russischen Föderation, sind eine Familie. Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien sind Ehegatten, die dritt- bis sechstmitbeteiligten Parteien sind deren minderjährige Kinder. Sie alle stellten am Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, welche sie zusammengefasst damit begründeten, dass der Erstmitbeteiligte in den 1990er-Jahren Leibwächter des Präsidenten der "Tschetschenischen Republik Itschkerien" gewesen und deshalb verfolgt worden sei.

2 Mit Bescheiden vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 und 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Gegenüber den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien wurden zusätzlich Einreiseverbote erlassen. Weiters erkannte das BFA einer Beschwerde gegen sämtliche genannten Bescheide spruchförmig nach § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung ab, begründete dies hinsichtlich des Erstmitbeteiligten allerdings mit Ausführungen zu einer strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG.

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Parteien beantragten diese unter anderem, der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Teilerkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Bescheide des BFA hinsichtlich der Spruchpunkte betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und die Verhängung eines Einreiseverbots ersatzlos aufgehoben. Die Revision erklärte es für zulässig. Begründend führte das BVwG aus, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde könne vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom , Gnandi, C-181/16, keinen Bestand haben. Aus näher dargestellten Gründen sei daher die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG, auf die sich das BFA fallbezogen gestützt habe, unangewendet zu lassen.

5 Gegen dieses Teilerkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision des BFA, die - zusammengefasst und soweit entscheidungswesentlich - geltend macht, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nach § 18 Abs. 1 BFA-VG mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

6 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie den rechtlichen Ausführungen des BVwG beipflichteten.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit den vom BVwG und der Amtsrevision angesprochenen Rechtsfragen in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/18/0008, bereits auseinandergesetzt und gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass § 18 Abs. 1 BFA-VG entgegen der auch dort vertretenen Rechtsansicht des BVwG nicht generell unionsrechtswidrig ist und daher auch nicht unangewendet bleiben muss. Auf die nähere Begründung dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

10 Die rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes im erwähnten Erkenntnis vom stützten sich tragend auf die Regelungen der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), die nach ihrem Art. 51 Abs. 1 bis spätestens umzusetzen war. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/18/0001, hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr unter Bezugnahme auf das Ibrahim, C-297/17 u.a., festgehalten, dass diese Erwägungen auch in jenen Fällen maßgeblich sind, in denen ein Antrag auf internationalen Schutz - wie hier - schon vor dem gestellt wurde.

11 Das BFA hat sich zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG gestützt. Ausgehend von der unzutreffenden Rechtsansicht, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung infolge unionsrechtlicher Vorschriften von vornherein unzulässig sei, hat es das BVwG unterlassen, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, ob der herangezogene Aberkennungstatbestand fallbezogen und vor dem unionsrechtlichen Hintergrund rechtlich korrekt angewendet wurde.

12 Das angefochtene Teilerkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018180006.J00
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

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