VwGH vom 24.10.2019, Ro 2018/15/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100138/2015, betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für Jänner 2014 (mitbeteiligte Partei: M K in R, vertreten durch Mag. Markus Wagner, Steuerberater in 4261 Rainbach, Eibenstein 39) zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte unterlag auf Grund einer Optionserklärung gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 von bis mit den Umsätzen seiner Landwirtschaft der Regelbesteuerung und ab 2014 auf Grund des Widerrufs der Optionserklärung wieder der Pauschalbesteuerung nach § 22 UStG 1994.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für Jänner 2014 mit 3.044,73 EUR fest. Es berücksichtigte dabei die im Jahr 2013 erfolgten Milchlieferungen (Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen 6.727,26 EUR), deren Entgelt der Mitbeteiligte im Jänner 2014 vereinnahmt hatte. Weiters nahm es auf Grund von Feststellungen einer Außenprüfung eine Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 in Höhe von 2.372 EUR vor.
3 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde trat der Mitbeteiligte beiden Punkten entgegen. Eine Vorsteuerberichtigung sei nicht vorzunehmen, weil der am erworbene Erntewagen bereits "anlässlich des Kaufes" dazu verwendet worden sei, eine Fuhre Heu beim Verkäufer aufzuladen. Zur Versteuerung der Milchlieferungen wies der Mitbeteiligte darauf hin, dass er die Umsatzsteuer fünf Jahre nach vereinnahmten Entgelten berechnet habe und durch den Widerruf der Umsatzsteueroption keine Änderung hinsichtlich der Ist-Besteuerung eingetreten sei.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuerfestsetzung für Jänner 2014 insoweit ab, als es die Milchlieferungen nicht mehr der Besteuerung unterzog und lediglich die Berichtigung der Vorsteuer bestätigte. Nicht jede Benutzung eines Gegenstandes stelle eine erstmalige Verwendung als Anlagevermögen im Unternehmen dar. Ohne betriebsgewöhnlichen Einsatz zur Einnahmenerzielung liege keine erstmalige Verwendung oder Nutzung des Wirtschaftsgutes als Anlagevermögen iSd § 28 Abs. 39 Z 4 UStG 1994 vor. Das im Jahr 2013 erfolgte bloße Verbringen des Ladewagens zum Unternehmen der mitbeteiligten Partei sei noch dem Anschaffungsvorgang zuzuordnen, sodass der im Jahr 2013 in Anspruch genommene Vorsteuerabzug im Jänner 2014 gemäß § 12 Abs. 11 UStG 1994 zu berichtigen sei.
5 Zu dem stattgebenden Teil der Entscheidung wird begründend ausgeführt, für eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 4 UStG 1994 bleibe beim Wechsel zwischen Regelbesteuerung und Pauschalierung kein Raum. Nach dem Einleitungssatz dieser Bestimmung solle durch diese Bestimmung eine Doppel- oder Nichtbesteuerung vermieden werden, wie sie z.B. stattfände, wenn während der Istbesteuerungs-Phase die Leistungserbringung, aber noch kein Zufluss stattgefunden habe und es so letztlich zu keiner Besteuerung kommen würde. Zu dieser Doppel- oder Nichtbesteuerung komme es im Fall der durchgehenden Istbesteuerung beim Wechsel von der Regelbesteuerung zur Pauschalierung und umgekehrt nicht. Der Steueranspruch entstehe jeweils am Ende des Monats des Zuflusses und die Entrichtung erfolge für diesen Veranlagungszeitraum entweder in Form der Regelbesteuerung oder in pauschalierter Form. 6 Folge man den unionsrechtlichen Vorgaben und deren innerstaatlichen Umsetzungen müsse im Fall der durchgehend anwendbaren Istbesteuerung für das Entstehen des Steueranspruchs immer auf das Ende des Monats des Zuflusses des Entgelts abgestellt werden. Je nach anzuwendender Erhebungsform erfolge die Abfuhr der sich ergebenden Umsatzsteuer im Wege der Regelbesteuerung oder der Pauschalierung. Da im vorliegenden Fall im Veranlagungszeitraum des Zuflusses des Milchentgelts für Dezember 2013 bereits wieder die pauschale Besteuerung wirksam geworden sei, gelte auch die Umsatzsteuer für diesen Zufluss als pauschaliert entrichtet und könne nicht gesondert vorgeschrieben werden. Insoweit sei der Beschwerde zu folgen und der Bescheid des Finanzamtes abzuändern.
7 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision zu beiden Streitpunkten mit der Begründung für zulässig, dass dazu noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden sei. 8 Die Revision des Finanzamtes wendet sich ausschließlich gegen den der Beschwerde stattgebenden Teil des Erkenntnisses. Das Bundesfinanzgericht habe für die noch im Jahr 2013 erfolgten Milchlieferungen zu Unrecht die Pauschalbesteuerung nach § 22 UStG 1994 angewandt. Vom Bundesfinanzgericht sei dadurch in Kauf genommen worden, dass es zu einer mit der MwSt-RL 2006/112/EG nicht zu vereinbarenden doppelten Berücksichtigung des im Zusammenhang mit der Milcherzeugung stehenden Vorsteuerabzuges kommen könne.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 § 22 UStG 1994 enthält eine Vereinfachungsregelung für die Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen. Danach wird bei nichtbuchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen, die Steuer für diese Umsätze mit 10 % bzw. 12 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge werden jeweils in gleicher Höhe festgesetzt (§ 22 Abs. 1 UStG 1994).
11 Die unionsrechtliche Grundlage fand § 22 UStG 1994 ursprünglich in Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage und beruht nunmehr auf Art. 295 bis 305 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuer system (im Folgenden: MwStSystRL). Dort ist eine Pauschalregelung in Bezug auf den Vorsteuerabzug vorgesehen. Die Pauschalregelung gilt nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie (nunmehr) in Art. 295 der MwStSystRL in Verbindung mit den Anhängen VII und VIII festgelegt sind. Die anderen Umsätze von Landwirten unterliegen den allgemeinen Regelungen des Mehrwertsteuerrechts (vgl. - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Harbs, C-321/02, und , Stadt Sundern, C-43/04 - ; ,
Ro 2017/15/0013).
12 Das Finanzamt bringt u.a. vor, dass die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts Unionsrecht widerspreche, weil sie zur Folge habe, dass es bei einem Wechsel von der Regelbesteuerung zur Pauschalbesteuerung zu einer doppelten Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs kommen könne, einmal auf Grund der Rechnung im Regelbesteuerungszeitraum und einmal auf Grund des Pauschalausgleichs bei Anwendung der Pauschalbesteuerung auf die spätere Zahlung im Zeitraum der Pauschalbesteuerung. 13 § 22 Abs. 1 UStG 1994 spricht von im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätzen, für die die Umsatzsteuer mit 10 % (bzw. 12 %) der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird und ordnet diesen Umsätzen Vorsteuerbeträge in gleicher Höhe zu. Bereits aus dem klaren Wortlaut des § 22 Abs. 1 UStG 1994 ergibt sich, dass nur die im Pauschalierungszeitraum bewirkten ("ausgeführten") Umsätze der Pauschalbesteuerung unterliegen. § 22 Abs. 1 UStG 1994 knüpft nicht an die im Pauschalbesteuerungszeitraum vereinnahmten Entgelte an. Entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts kann daher auch keine Rede davon sein, dass die Pauschalbesteuerung eine
"Istbesteuerung" darstelle. Umsätze, die in Zeiträumen ausgeführt wurden, für welche der Landwirt zur Regelbesteuerung optiert hatte, fallen demzufolge auch dann nicht unter die Pauschalbesteuerung, wenn das Entgelt hiefür nach Übergang zur Pauschalbesteuerung vereinnahmt wurde.
14 Wenn das Bundesfinanzgericht der Beschwerde daher mit der Begründung Folge gegeben hat, dass die mitbeteiligte Partei "mit Wirkung Anfang des Jahres 2014 (...) wieder der pauschalierten Erhebungsform der Umsatzsteuer" unterliege und "sich aus diesen Vorgängen keine Umsatzsteuerschuld ergeben" könne, hat es die Rechtslage verkannt.
15 Die Pauschalierung nach § 22 UStG 1994 ist dem Grunde nach eine Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, weil sie auf die im Besteuerungszeitraum "bewirkten" Umsätze abstellt, womit die Erbringung der Lieferung oder sonstigen Leistung gemeint ist. Es ist somit mit Beginn 2014 ein Übergang von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auf die (wenn auch pauschalierte) Besteuerung nach vereinbarten Entgelten eingetreten. Solcherart sind auf der Grundlage der Bestimmung des § 17 Abs. 4 UStG 1994 die streitgegenständlichen - wie oben dargestellt nicht in der Pauschalierung erfassten - Milchlieferungen im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2014 steuerlich zu erfassen (wie dies im Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid des Finanzamtes vom betreffend Jänner 2014 erfolgt ist). 16 Zu Recht weist die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, dass sich dieselbe Abgrenzungsfrage auch bei Beginn der Option zur Regelbesteuerung, somit im Revisionsfall im Jänner 2009 gestellt habe. 17 Schon im Erkenntnis vom , 2007/15/0143, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei Übergang von der Pauschalbesteuerung zur Regelbesteuerung die Besteuerung der vor dem Übergang bewirkten Umsätze als abgeschlossen zu betrachten ist. Beim Übergang von der Pauschalbesteuerung zur Regelbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist daher sicher zu stellen, dass es nicht zu einer doppelten Erfassung derselben Umsätze kommt. Wenn dies im Fall der mitbeteiligten Partei - wie in der Revisionsbeantwortung vorgebracht wird - nicht beachtet wurde und das Milchgeld für den Leistungszeitraum Dezember 2008 (Übergang von der Pauschalbesteuerung auf die Regelbesteuerung im Jänner 2009) im Jänner 2009 nochmals besteuert worden sein sollte, hätte dieser Umstand mit Aussicht auf Erfolg nur gegen den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2009, nicht aber im nunmehrigen Verfahren eingewendet werden können.
18 Soweit sich die mitbeteiligte Partei im Rahmen der Revisionsbeantwortung auch gegen die vom Bundesfinanzgericht bestätigte Vorsteuerberichtigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorsteuerberichtigung nicht von der Anfechtungserklärung des Finanzamtes umfasst und daher nicht revisionsgegenständlich ist.
19 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich nach dem Gesagten als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150021.J00 |
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