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VwGH vom 05.03.2020, Ro 2018/15/0011

VwGH vom 05.03.2020, Ro 2018/15/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100470/2018, betreffend Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2011 und 2012 (mitbeteiligte Partei: J GmbH in H, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen. In den Streitjahren 2011 und 2012 erwarb sie nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts u.a. Rohstoffe von einem österreichischen Unternehmen, der Ö GmbH, und verkaufte diese weiter an eine konzernzugehörige Produktionsgesellschaft in Tschechien.

2 Für diese Erwerbe verwendete sie ihre österreichische Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID). Die Ö GmbH stellte der mitbeteiligten Partei für ihre Lieferungen österreichische Umsatzsteuer in Rechnung, die die Mitbeteiligte in der Folge als Vorsteuer in Abzug brachte. Die Weiterverkäufe an die tschechische Produktionsgesellschaft behandelte die Mitbeteiligte als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen, welche sie als solche in den Zusammenfassenden Meldungen erklärte. 3 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung kam die Prüferin zum Ergebnis, dass die Lieferungen der Ö GmbH an die mitbeteiligte Partei als innergemeinschaftliche Lieferungen nach Tschechien zu werten seien und die mitbeteiligte Partei durch die Verwendung ihrer österreichischen UID in Österreich Erwerbsteuer gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 schulde, welche nicht als Vorsteuer abgezogen werden dürfe. Der Vorsteuerabzug hinsichtlich der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer sei "entsprechend der Verwaltungspraxis" zu gewähren.

4 Das Finanzamt nahm die Verfahren wieder auf und setzte die Umsatzsteuer der Jahre 2011 und 2012 im Sinne der Prüfungsfeststellungen neu fest.

5 In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde wandte sich die mitbeteiligte Partei gegen die Festsetzung von Erwerbsteuer gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994. Die Betriebsprüfung vertrete die Ansicht, dass nach österreichischem Umsatzsteuergesetz nur der erste Lieferer in einer Lieferkette derjenige sei, dem die steuerfreie Lieferung zugeordnet werden könne. Dies widerspreche der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die diese Einschränkung nicht vorsehe und welche auch in nahezu allen europäischen Ländern nicht bestehe. Dessen ungeachtet habe sich die mitbeteiligte Partei bemüht, den "Rechnungsweg dieser Lieferkette" zu ändern, was jedoch nach tschechischem Recht - welches eine Rechnungskorrektur nur innerhalb von drei Jahren nach Ausführung der Lieferung zulasse - für das Jahr 2011 nicht mehr möglich gewesen wäre. Aus tschechischer Sicht sei überdies der "Rechnungsweg der Lieferkette" ohnedies korrekt, weil der mittlere Unternehmer in Tschechien ein Wahlrecht habe, wenn er zugleich Abnehmer und Lieferer sei. Da überdies eine Erwerbsbesteuerung in Tschechien seitens des tschechischen Unternehmens erfolgt sei, sei in der gesamten Lieferkette kein Umsatzsteueraufkommen "verloren" gegangen. Eine Festsetzung von Erwerbsteuer in Österreich widerspreche damit auch dem Grundsatz, wonach letztlich nur der Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet sein solle. 6 Das Finanzamt wies die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Verfahren und die geänderten Umsatzsteuerbescheide mit Beschwerdevorentscheidungen ab. Erst im Zuge der Betriebsprüfung seien die genaue Geschäftsabwicklung und die Abrechnungsmodalitäten dem Finanzamt bekannt geworden. Es sei unstrittig, dass der Transportauftrag von der mitbeteiligten Partei als mittlerer Unternehmerin erteilt worden sei. Sie habe die Versendung veranlasst, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass die mitbeteiligte Partei zu diesem Zeitpunkt bereits die Verfügungsmacht über die Wirtschaftsgüter gehabt habe und die Lieferungen der Ö GmbH an sie nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 als dort ausgeführt gelten würden, wo die Versendung oder Beförderung begonnen habe (somit in Österreich). Es seien keine "besonderen Umstände" iSd Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/14/0107, erkennbar, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegenstünden. Dass die Übertragung der Verfügungsmacht an den tschechischen Unternehmer bereits in Österreich stattgefunden habe, ergebe sich aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht. Die Anführung der österreichischen UID in den Rechnungen der Ö GmbH anstelle der tschechischen UID könne für sich allein noch keinen "besonderen Umstand" darstellen, der einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Verkäufers an den Zwischenerwerber entgegenstünde. Ein diesbezügliches Wahlrecht kenne das UStG 1994 nicht. 7 In ihrem Vorlageantrag legte die mitbeteiligte Partei dar, dass die Warenbewegung - im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes - der Lieferung der mitbeteiligten Partei zugerechnet werden könne. Auch wenn die Verwendung der österreichischen UID für sich allein nicht ausschlaggebend sei, dürften die subjektiven Kriterien (die Absichten der Erwerber) zum Zeitpunkt der Lieferung nicht zur Gänze außer Acht gelassen werden. Da die mitbeteiligte Partei auch über eine deutsche UID verfügt habe, lasse die Verwendung der österreichischen UID darauf schließen, dass dies bewusst geschehen sei. Darüber hinaus habe die mitbeteiligte Partei der Ö GmbH mitgeteilt, dass sie die Ware an das tschechische Unternehmen weiterverkaufe. Dieser Umstand sei aus den vorgelegten Versandanzeigen ersichtlich. Der Ö GmbH seien das Vorliegen eines Reihengeschäftes und der Weiterverkauf der Ware an das tschechische Unternehmen bekannt gewesen. Anhand dieser objektiven Gesichtspunkte lasse sich ableiten, dass die Gegenstände im Rahmen eines Reihengeschäftes weiterveräußert worden seien. Zwischen der Ö GmbH und der mitbeteiligten Partei sei die Klausel "FCA Arnoldstein" vereinbart gewesen. Dies bedeute, dass die mitbeteiligte Partei nicht nur für den Transport von Arnoldstein bis nach Tschechien verantwortlich gewesen sei, sondern auch das Transportrisiko getragen habe. Zwischen der mitbeteiligten Partei und dem tschechischen Unternehmen sei die Lieferkondition "frei Haus (Tschechien)" vereinbart gewesen, was bedeute, dass nach dem hier anwendbaren deutschen Recht das tschechische Unternehmen das Transportrisiko getragen habe. Der Gefahrenübergang auf das tschechische Unternehmen sei damit bereits mit Übergabe der Ware an den Frachtführer in Arnoldstein erfolgt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, bereits in Österreich auf das tschechische Unternehmen übergegangen sei und somit die innergemeinschaftliche Lieferung nach der Rechtsprechung des EuGH der mitbeteiligten Partei in Österreich zugeordnet werden könne.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht die Wiederaufnahmebescheide ersatzlos auf. Die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012 wurde mit nicht streitgegenständlichem Beschluss vom als gegenstandslos erklärt.

9 Die mitbeteiligte Partei sei gegenüber der Ö GmbH unter ihrer österreichischen UID aufgetreten, wobei die Ö GmbH Kenntnis vom Weiterverkauf gehabt habe. Im Revisionsfall hätten sowohl die Erstlieferantin als auch die mitbeteiligte Partei die erste Lieferung als umsatzsteuerpflichtige Lieferung in Österreich betrachten wollen und sei daher Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden. Aus dem , Euro Tyre, lasse sich ableiten, dass die Transportbeauftragung allein nicht entscheidend für die Zuordnung der Warenbewegung sein könne. Das Finanzamt gehe auf Grund seiner Zuordnung der bewegten Lieferung zum Erstlieferanten davon aus, dass die mitbeteiligte Partei jedenfalls einen Erwerb in Tschechien zu versteuern habe. Da die mitbeteiligte Partei nicht die UID des Bestimmungsmitgliedstaates verwendet habe, müsse sie gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 einen zusätzlichen Erwerb aus der Verwendung der österreichischen UID versteuern, wobei die vorzuschreibende Erwerbsteuer nach der Rechtsprechung des EuGH nicht abzugsfähig sei. Damit verkenne das Finanzamt allerdings, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung innerhalb Österreichs schon begrifflich ausgeschlossen sei, weshalb die Verwendung der österreichischen UID auch nicht zu einem fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 führen könne. Der Zweck dieser Bestimmung liege darin, die Besteuerung des Erwerbs wenigstens in einem Mitgliedstaat sicherzustellen. Da der Lieferer in der Zusammenfassenden Meldung die UID jedes Erwerbers, die diesem in einem anderen Mitgliedstaat erteilt und unter der die innergemeinschaftliche Lieferung an ihn ausgeführt worden sei, anzugeben habe und diese Information in den Mitgliedstaat gelange, welcher die UID erteilt habe, sei die Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat gewährleistet. 10 Eine Doppelqualifikation einerseits als steuerpflichtiger Umsatz des Erstlieferanten und andererseits als innergemeinschaftlicher Erwerb des Erwerbers im gleichen Staat sei mit diesen Überlegungen nicht vereinbar und dürfte aus einer reinen Wortinterpretation herrühren. Die zusätzliche Erwerbsbesteuerung nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 im Abgangsland Österreich sei rechtswidrig, widerspreche dem Regelungszweck und führe zu einer irreparablen Doppelbesteuerung (aufgrund der eingetretenen Verjährung in Tschechien sowie der tschechischen Rechtslage). Der EuGH habe in mehreren näher bezeichneten Urteilen wiederholt das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität hervorgestrichen und die Maßgeblichkeit der Erfüllung materieller Voraussetzungen bestätigt. Im Revisionsfall seien die Gegenstände der Lieferung unbestritten im Zuge der Versendung von Österreich nach Tschechien zum Zweitabnehmer gelangt, welcher den Erwerb besteuert habe. Es sei weder ein Missbrauch noch eine Steuerhinterziehung oder Vermeidung bewirkt worden. Für eine zusätzliche Besteuerung nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 bleibe daher kein Raum. 11 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Vorlage der UID des Abgangsortes bei einem Reihengeschäft den Tatbestand des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 erfülle.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

13 Das Finanzamt führt zur Zulässigkeit der Revision ergänzend aus, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts lasse sich nicht mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Reihengeschäften (Hinweis auf ) vereinbaren und sei zudem unzureichend begründet, weil das Bundesfinanzgericht den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe.

14 Die Revision ist schon im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch begründet.

15 Gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

16 Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.

17 Nach Art. 1 Abs. 1 UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt. Voraussetzung für einen innergemeinschaftlichen Erwerb ist u.a., dass ein Gegenstand bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt.

18 Nach Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist; im Fall des Nachweises gilt § 16 UStG 1994 sinngemäß.

19 Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die "bewegte Lieferung" bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen" (vgl. , mwN; sowie ).

20 Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. neuerlich , mit Hinweis auf C- 245/04, EMAG Handel Eder, Rn. 51).

21 Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen (vgl. C- 386/16, Toridas, Rn. 31).

22 In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden. Zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. neuerlich EuGH Toridas, Rn. 34 f).

23 Dabei ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. EuGH Toridas, Rn. 36; , Arex, Rn. 70). 24 Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (vgl. EuGH Arex, Rn. 74).

25 Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (vgl. neuerlich EuGH Arex, Rn. 75).

26 Im Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht als maßgebliche Umstände für die Beurteilung der Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung die Verwendung der österreichischen UID, die Absichtserklärungen der Vertragspartner und die Kenntnis der Ö GmbH vom Weiterverkauf angesehen. 27 Diese Feststellungen reichen für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht aus. Insbesondere kann aus den vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen nicht abgeleitet werden, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer zu verfügen, von der mitbeteiligten Partei bereits vor dem Zeitpunkt der Beförderung der Ware auf die tschechische Abnehmerin übertragen wurde oder nicht. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher in Würdigung der von den Vertragsparteien im Detail darzulegenden Vertragsgestaltung festzustellen sein, ob im Revisionsfall ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum bereits vor der Beförderung auf den letzten Abnehmer übertragen wurde. 28 Hatte die mitbeteiligte Partei diese Befugnis, wie ein Eigentümer zu verfügen, bereits vor der Beförderung übertragen, so handelte es sich bei der Lieferung der Ö GmbH an sie um die "ruhende Lieferung", die dort ausgeführt wurde, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung befand, also in Österreich. Die anschließende Lieferung der mitbeteiligten Partei stellte in diesem Fall die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an das tschechische Unternehmen dar (dies entsprach der tatsächlichen Behandlung der Umsätze durch die mitbeteiligte Partei und ihre Vertragspartner).

29 Wurde hingegen diese Befugnis erst danach übertragen, so ist die Lieferung der Ö GmbH an die mitbeteiligte Partei die "bewegte Lieferung", bei der die mitbeteiligte Partei als Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung zu beurteilen wäre. 30 Ob die Lieferung an die mitbeteiligte Partei die "bewegte Lieferung" war und Umsatzsteuer daher zu Unrecht ausgewiesen und zum Abzug zugelassen wurde, oder ob die mitbeteiligte Partei Empfängerin einer "ruhenden Lieferung" in Österreich war und die von ihr getroffene rechtliche Beurteilung zutraf, kann - wie bereits aufgezeigt - nicht abschließend beurteilt werden. 31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018150011.J00

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