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VwGH vom 25.07.2018, Ro 2018/13/0005

VwGH vom 25.07.2018, Ro 2018/13/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des S in W, vertreten durch die TPA Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104468/2015, betreffend u.a. Haftung für Lohnsteuer 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Haftung für Lohnsteuer 2013) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde u.a. ausgeführt, der Revisionswerber habe seit 2004 das Ehepaar MS und HS als Hausangestellte in seinem privaten Haushalt beschäftigt. Im Dezember 2013 hätten der Revisionswerber sowie MS und HS eine Selbstanzeige erstattet. Darin sei u.a. erklärt worden, dass MS und HS neben den über die Lohnverrechnung abgewickelten Zahlungen (pro Person zwischen 14.000 EUR und 20.000 EUR brutto pro Jahr) vom Revisionswerber weitere Zahlungen auf ein deutsches Bankkonto erhalten hätten (insgesamt 2.000 EUR bis 5.000 EUR pro Monat); diese Bezüge seien nicht erklärt und nicht versteuert worden. Es handle sich dabei um Vorteile aus dem Dienstverhältnis. Weiters habe der Revisionswerber im Jahr 2007 an MS ein Darlehen über 1 Mio EUR gewährt. Dieses Darlehen (samt Zinsen) sei im Juli 2013 vom Revisionswerber an MS geschenkt worden. Auch beim Verzicht auf Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens handle es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2 Mit Bescheid des Finanzamts vom wurde der Revisionswerber zur Haftung für Lohnsteuer 2013 in Anspruch genommen. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf den Bericht vom .

3 Der Revisionswerber erhob (u.a.) gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte insbesondere geltend, zwischen ihm und Frau MS habe ab dem Jahr 2004 ein sehr inniges Verhältnis bestanden; die Beziehung dürfe keinesfalls auf ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis beschränkt werden. Der Revisionswerber habe durch die Schenkung Frau MS eine Freude machen und vielleicht auch seinen Dank ausdrücken wollen. Keinesfalls habe er die Absicht gehabt, MS im Zusammenhang mit dem (nebenbei) bestehenden Dienstverhältnis zu entlohnen. Dies erschließe sich auch daraus, dass der Revisionswerber nicht nur von MS, sondern auch von HS betreut worden sei; er habe die beiden für ihre Dienste immer gleich entlohnt. Hätte die Schenkung auch nur im Entferntesten eine Entlohnung dargestellt, wäre sie an beide Ehegatten ergangen. Da die Schenkung aufgrund der persönlichen Beziehung erfolgt sei, stelle sie keinen steuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass betreffend Heranziehung zur Haftung für Lohnsteuer für das Kalenderjahr 2013 die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe die Hingabe des Darlehens am mit folgenden Worten festgehalten:

"(...) Sehr geehrte Frau (S)

Hiemit bestätige ich Ihnen meine Zusage über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von Euro eine Million. Das Darlehen wird mit 2,2% p.a. verzinst. Die Zinsen sind zusammen mit der Hauptschuld fällig. Die Verwendung des Darlehens geschieht derart, dass ich Ihnen 17,7 Anteile des offenen Immobilienfonds (...) aus meinem Besitz auf ein Depot in Ihrem Namen bei der (...) übertragen werde. Ich bin sicher, dass (...) dieser Geldbetrag Erfolg haben wird. Zur Besicherung meiner Darlehensforderungen verpfänden Sie die (...) Fondsanteile an mich."

6 Dieses Schriftstück sei sowohl vom Revisionswerber als auch von MS unterschrieben worden.

7 Den Verzicht auf die Darlehensforderung habe der Revisionswerber am mit folgenden Worten festgehalten:

"(...) Liebe Frau (S)

vor einigen Tagen bin ich 81 Jahre alt geworden. Damit habe ich ein Alter erreicht, in dem man sich mit seinem Tod zu befassen beginnt, und zwar besonders mit den Dingen, welche unbedingt vor Abgang von dieser Welt noch zu erledigen sein müssen. Seit fast zehn Jahren betreuen Sie und Ihr Mann mich bereits in Wien in einer sehr liebenswerten Weise. Ich möchte Ihnen deshalb bereits jetzt, wo ich noch im vollen Besitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte bin, die Euro 1 Million plus die aufgelaufenen Zinsen per schenken. Ich hoffe, ich mache Ihnen damit eine Freude und bitte Sie als Zeichen Ihrer Annahme dieses Geschenks dies Schreiben rechts unten zu unterzeichnen.

In steter Dankbarkeit

immer Ihr (Revisionswerber)"

8 Auch dieses Schriftstück sei sowohl vom Revisionswerber als

auch von MS unterfertigt worden.

9 Nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählten Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Als Vorteil aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zähle auch ein vom Dienstgeber gewährtes zinsenfreies Darlehen oder der Verzicht des Dienstgebers auf die Rückzahlung eines Dienstgeberdarlehens. Entscheidend sei, ob der Vorteil seine Wurzel im Dienstverhältnis habe.

10 Der Revisionswerber habe in dem von ihm verfassten Schreiben vom den Beweggrund für die Schenkung dargelegt ("Seit fast zehn Jahren betreuen Sie und Ihr Mann mich bereits in Wien in einer sehr liebenswerten Weise. Ich möchte Ihnen deshalb bereits jetzt (...) die Euro 1 Million (...) schenken."). Demnach habe er den Betrag Frau MS deshalb geschenkt, weil diese und ihr Mann ihn seit fast zehn Jahren in sehr liebenswerter Weise betreut hätten. Unstrittig sei, dass diese Betreuung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt sei. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass auch die Schenkung des Betrages von 1 Mio. EUR in diesem Dienstverhältnis ihre Wurzel habe.

11 Dass es zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer neben dem Dienstverhältnis noch weitere (gesonderte) Rechtsbeziehungen geben könne, werde nicht in Zweifel gezogen. Im Hinblick darauf, dass - wie aus dem Schreiben vom eindeutig hervorgehe - der Revisionswerber MS deshalb den Betrag geschenkt habe, weil diese und ihr Mann den Revisionswerber seit fast zehn Jahren - unstrittig im Rahmen eines steuerrechtlichen Dienstverhältnisses - betreut hätten, scheide eine gesonderte neben dem Dienstverhältnis bestehende Rechtsbeziehung hinsichtlich des Verzichtes auf die Rückzahlung des Arbeitgeberdarlehens aus.

12 Der Revisionswerber habe eingewendet, dass es der Lebenserfahrung widerspreche, dass gut bezahlte Dienstnehmer zusätzlich eine Million Euro als Abgeltung für ihre Tätigkeit erhalten würden. Dem sei entgegenzuhalten, dass Arbeitslohn nicht nur eine Zahlung sein könne, für die eine Arbeitsleistung Grundlage sei. Entscheidend sei nämlich nur der Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis, der hier zweifelsohne vorliege. Da alle Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen, sei es auch unerheblich, ob ein Vorteil in Relation zur erbrachten Arbeitsleistung stehe oder ob das nicht der Fall sei.

13 Da zur Frage, ob den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zurechenbare Bezüge/Vorteile der Höhe nach in einer (bestimmten) Relation zu den Einkünften aus dem Dienstverhältnis stehen müssten, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, sei die Revision zulässig.

14 Gegen dieses Erkenntnis (betreffend Haftung für Lohnsteuer für 2013, soweit es die "Umqualifizierung der Schenkung des Darlehens als Vorteil aus dem Dienstverhältnis" betrifft) wendet sich die Revision.

15 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Die Revision ist zulässig und begründet.

18 Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind u.a. Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

19 Nach § 25 Abs. 2 EStG 1988 ist es dabei unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht oder ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen.

20 Zur Herstellung des Veranlassungszusammenhanges mit nichtselbständigen Einkünften genügt es, wenn die Einnahmen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben (vgl. , VwSlg. 8839/F, mwN). Unter dieser Voraussetzung zählt auch ein vom Dienstgeber gewährtes zinsenfreies Darlehen oder der Verzicht des Dienstgebers auf die Rückzahlung eines Dienstgeberdarlehens zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. , VwSlg. 7864/F).

21 Auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber neben dem Dienstverhältnis gesonderte Rechtsbeziehungen bestehen. Sie sind dann steuerlich grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Einkünfte, die auf diesen Rechtsbeziehungen beruhen, sind der in Betracht kommenden Einkunftsart zuzurechnen (vgl. , VwSlg. 8853/F, mwN). Insoweit liegt kein Arbeitslohn vor (vgl. , mwN).

22 Bei Erlass einer Verbindlichkeit ist zu unterscheiden:

Sind die Motive des Schulderlasses in den Leistungen des Schuldners begründet, dann liegt insoweit zusätzliches Leistungsentgelt vor. Bei Erlass einer Verbindlichkeit aus privaten Motiven liegen hingegen keine Einnahmen vor (vgl. Mayr/Hayden, in Doralt u.a., EStG19, § 15 Tz 21; vgl. hiezu auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 25 Tz 11, "Letztwillige Verfügung").

23 Für die Abgrenzung, ob ein entgeltlicher oder ein unentgeltlicher Vorgang vorliegt, ist auch die Wertrelation zu beachten (vgl. , VwSlg. 7349/F; , 2008/13/0056, mwN). Beträge, die nahen Angehörigen zufließen, können nur insoweit als Entgelt (Entlohnung) für die Dienstleistung angesehen werden, als sie unter gleichen Voraussetzungen auch Fremden gezahlt worden wären; trifft diese Voraussetzung aber nicht zu, so stellt der Bezugsteil kein Entgelt für die Dienstleistung dar und kann nicht als Bezug oder Vorteil aus einem Dienstverhältnis angesehen werden (vgl. ).

24 Die Frage, ob dem Erlass der Verbindlichkeit ein privates Motiv (im Sinne eines "Bereichernwollens") zu Grunde liegt, ist eine Tatfrage, welche das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. ).

25 Dabei kann im geschäftlichen Verkehr grundsätzlich vermutet werden, dass zwei unabhängige Vertragspartner einander "nichts schenken wollen". Bei Zuwendungen zwischen nahen Angehörigen wird das subjektive Element des "Bereichernwollens" hingegen vermutet; das Vorliegen des Bereicherungswillens kann aus dem Sachverhalt erschlossen werden (vgl. , mwN). Eine vergleichbare Situation wie bei nahen Angehörigen kann auch dann gegeben sein, wenn ein besonders enges, persönliches Verhältnis, wie etwa mit Hausangestellten, vorliegt (vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG - KStG, Lfg. 261, § 19 EStG Anm 195; zu Freundschaften vgl. auch , VwSlg. 8903/F).

26 Der Revisionswerber behauptete in der Beschwerde das Vorliegen eines besonders engen, persönlichen ("innigen") Verhältnisses zwischen ihm und Frau MS (nicht hingegen mit Herrn HS); dies sei auch der Grund für die Zuwendung an MS gewesen, während an Herrn HS eine derartige Zuwendung nicht erfolgt sei. Zu diesem behaupteten Verhältnis hat das Bundesfinanzgericht - wie die Revision zutreffend rügt - keine Feststellung getroffen. Eine Feststellung zu diesem Thema wäre aber erforderlich, da ein derartiges Verhältnis Auswirkungen auf die Annahme eines "Bereichernwollens" haben kann. Vor diesem Hintergrund ist auch die - wohl als Sachverhaltsannahme zu verstehende - Darlegung des Bundesfinanzgerichts, es scheide eine gesonderte Rechtsbeziehung hinsichtlich des Verzichtes auf die Rückzahlung des Darlehens aus, als mangelhaft zu beurteilen. Beweiswürdigende Erwägungen hiezu können dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnommen werden (abgesehen von einer - im gleichen Satz enthaltenen - verkürzten Darstellung des Schreibens vom ). Eine derartige Sachverhaltsannahme würde aber wiederum eine Auseinandersetzung mit der Frage voraussetzen, ob das - behauptete - innige Verhältnis bestand und dieses allenfalls Ursache für den Verzicht gewesen sei.

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher - im angefochtenen Umfang - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Kostenmehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018130005.J00

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