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VwGH vom 20.11.2018, Ro 2018/12/0016

VwGH vom 20.11.2018, Ro 2018/12/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des RI M I in A, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W122 2146852- 1/11E, betreffend Feststellungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Kärnten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Am beantragte er, die Dienstbehörde möge mit Bescheid feststellen, dass die ihm gegenüber von seinem Vorgesetzten - dem Kommandanten des Bezirkspolizeikommandos - mit Weisung vom erfolgte Aufhebung der Zuteilung zum Grenzübergang rechtswidrig sei, und die Weisung, wonach er in seiner Stammdienststelle bis auf Widerruf Außendienst nicht allein verrichten dürfe, eine qualifizierte Verwendungsänderung darstelle.

3 Mit Bescheid der belangten Dienstbehörde vom wurde in der Folge festgestellt, dass die schriftliche Weisung der Landespolizeidirektion Kärnten (LPD), womit die Dienstzuteilung des Revisionswerbers zur PI X mit Ablauf des aufgehoben wurde, rechtmäßig sei sowie die Weisung, wonach der Revisionswerber keinen Außendienst versehen dürfe und er im Streifendienst nicht "Streifenkommandant" sei, keine qualifizierte Verwendungsänderung darstelle.

4 Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) dahingehend entschieden, dass der Bescheid aufgehoben und der Antrag vom zurückgewiesen wurde. Das BVwG stellte fest, dass mit den bekämpften Weisungen der Revisionswerber einerseits von seiner vorübergehenden Zuteilung zum näher genannten Grenzübergang vorzeitig abberufen und andererseits angewiesen worden sei, den Außendienst nicht alleine zu verrichten. Der Revisionswerber habe gegen diese beiden Weisungen nicht remonstriert. Er wäre jedoch in der Lage gewesen, zu remonstrieren und könne dies auch noch an seiner Stammdienststelle durchführen. Sowohl an seiner Stammdienststelle als auch während der vorübergehenden Verwendung am Grenzübergang habe der Arbeitsplatz des Revisionswerbers die Wertigkeit E2b gehabt; eine besoldungsrechtliche Schlechterstellung sei nicht eingetreten. Das BVwG erläuterte seine Beweiswürdigung und führte rechtlich aus, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig sei, wenn die Möglichkeit der Remonstration bestehe. Durch die Befolgung der Weisungen habe sich der Revisionswerber nicht der Möglichkeit der Remonstration begeben, da beide Weisungen bei der täglichen Dienstverrichtung immer wieder aufs Neue zu befolgen seien. Es sei daher keine Konstellation einer befolgten Weisung gegeben, gegen die nicht mehr remonstriert werden könne. Weder die Beschwerde noch die Kritik des Revisionswerbers stelle eine Remonstration dar. Aufgrund der Subsidiarität des Feststellungsbescheides gegenüber einer Remonstration sei der Antrag des Revisionswerbers zurückzuweisen.

5 Das BVwG sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil "die Aussage des (Revisionswerbers) ‚unrichtige Anschuldigungen' und ‚nicht seinem Ausbildungsstand entsprechend eingesetzt' einerseits Willkür und andererseits Verwendung entgegen der Ernennungsvoraussetzungen implizieren hätte können." Selbst mit anwaltlicher Unterstützung sei es dem Revisionswerber jedoch "nach Ansicht des erkennenden Senates nicht" gelungen, den Weisungen Rechtswidrigkeit zu unterstellen. Ein "Hinweis auf unrichtige Anschuldigungen im Vorfeld einer Weisung und unpassende Ausbildungsstandards" hätten nicht hinreichend auf die Rechtswidrigkeit einer Weisung gezeigt. Zudem habe der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung verneint, remonstriert zu haben.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Antragstellers. Zur Zulässigkeit bringt der Revisionswerber vor, das BVwG sei insoweit von näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es den Feststellungsantrag des Revisionswerbers mangels Remonstration als unzulässig qualifiziert habe: Ein Beamter habe vor der Befolgung der Weisung die Möglichkeit zu remonstrieren; die Remonstration sei eine Präventivmaßnahme, die den Vollzug einer als gesetzwidrig erachteten Weisung vor ihrer (erstmaligen) Umsetzung verhindern solle. Werde jedoch - wie im vorliegenden Fall - die Weisung befolgt, komme die Remonstration als Rechtsbehelf zur Klärung der Zweifel betreffend die Gesetzwidrigkeit nicht mehr in Frage. Der Feststellungsbescheid stehe dem Beamten auch noch nach Befolgung der Weisung zur Verfügung. Selbst wenn man die Eingaben des Revisionswerbers nicht als Remonstration werte - wie das BVwG - stehe dennoch das Rechtsinstitut des Feststellungsbescheides zur Klärung der Rechtsmäßigkeit der in Rede stehenden Weisungen offen. Die vom BVwG zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes seien aus näheren Gründen nicht einschlägig.

7 Die belangte Dienstbehörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

8 Die Revision erweist sich jedenfalls aufgrund der vom Revisionswerber aufgezeigten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig.

9 Die Revision ist auch berechtigt.

10 § 44 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333 idF BGBl. I Nr. 10/1999, lautet:

"Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."

11 Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Revisionswerber zulässigerweise einen Feststellungsantrag bezüglich zweier ihn betreffenden Weisungen gestellt hat.

12 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bejaht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Erlassung eines Feststellungsbescheides auch in Bezug auf Weisungen (Dienstaufträge) ein rechtliches Interesse an der Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides. Gegenstand eines solchen Feststellungsverfahrens kann einerseits die Frage sein, ob die Befolgung einer Weisung zu den Dienstpflichten des Beamten gehört, das heißt, ob er verpflichtet ist, diese Weisung zu befolgen. Eine Pflicht zur Befolgung einer Weisung ist danach dann zu verneinen, wenn einer der in Art. 20 Abs. 1 dritter Satz B-VG genannten Tatbestände vorliegt, wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt wurde oder wenn ihre Erteilung gegen das Willkürverbot verstößt (vgl. z.B. und 2007/12/0199, , 2008/12/0011). Andererseits kann Gegenstand eines Feststellungsverfahrens aber auch die "schlichte" Rechtswidrigkeit der Weisung sein, also eine solche, die die Pflicht zu ihrer Befolgung nicht berührt; ein Recht auf eine solche bescheidmäßige Feststellung der Rechtmäßigkeit von Dienstaufträgen besteht jedoch bloß dann, wenn durch einen Dienstauftrag die Rechtssphäre des Beamten berührt wird (vgl. ).

13 Demgegenüber räumt nach seinem unmissverständlichen Wortlaut § 44 Abs. 3 BDG 1979 dem Beamten die Remonstrationsmöglichkeit vor Befolgung der Weisung ein. Dementsprechend schließt auch die Unaufschiebbarkeit der mit Weisung angeordneten Maßnahme bei Gefahr im Verzug die Remonstration aus (§ 44 Abs. 3 leg. cit.). Auch der Zusammenhang mit der Dienstpflicht, den Vorgesetzten zu unterstützen (§ 44 Abs. 1 leg. cit.), und die "Aussetzungswirkung" einer Remonstration bis zur schriftlichen Bestätigung der Weisung (§ 44 Abs. 3 BDG 1979) sind ein Indiz dafür, dass die Remonstration als eine Präventivmaßnahme (gleichsam eine Art "Frühwarnsystem") gedacht ist, die den Vollzug einer als gesetzwidrig erachteten Weisung vor ihrer (erstmaligen) Umsetzung verhindern soll. Wird jedoch die vom Vorgesetzten erteilte Weisung befolgt, kommt die Remonstration als Rechtsbehelf zur Klärung der Zweifel betreffend die Gesetzwidrigkeit - jedenfalls im Regelfall - nicht mehr in Frage. Damit besteht auch keine Unsicherheit über die (weitere) Befolgung einer bereits umgesetzten Weisung, da die nachträgliche Mitteilung gesetzlicher Bedenken - jedenfalls im Regelfall - mangels Wertung als Remonstration nicht zur Aussetzung der Gehorsamspflicht führt (so , zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 20 Wr. Dienstordnung; zu den Unterschieden von Remonstration und Feststellungsbescheid vgl. ebenfalls dieses Erkenntnis).

14 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des BVwG hat der Revisionswerber gegen die beiden an ihn gerichteten Weisungen nicht remonstriert; vielmehr hat er die Weisungen befolgt. Damit scheidet die Möglichkeit der Remonstration im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des BVwG aus, da nur vor der (ersten) Befolgung der Weisung remonstriert werden darf. Die Tatsache, dass der Revisionswerber nicht (rechtzeitig) remonstriert hat, steht jedoch dem Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht entgegen: Die Remonstrationsmöglichkeit schließt gerade nur für jenen Zeitraum, für den sie offen steht, wegen der Subsidiarität des Feststellungsbescheides den Antrag des Beamten auf Feststellung aus. Wird die Weisung jedoch - wie im Revisionsfall - befolgt, steht die Remonstration (jedenfalls im Regelfall) nicht mehr zur Verfügung. Die Unterlassung ihrer zeitgerechten Erhebung schließt aber ein Feststellungsbegehren der Art, wie es der Revisionswerber gestellt hat, nicht auf Dauer aus (vgl. hiezu , mwH).

15 Der Verwaltungsgerichtshof ist von dieser ständigen Rechtsprechung auch nicht mit dem vom BVwG genannten Beschluss vom , Ra 2016/12/0094, abgewichen: Zwar hat das BVwG auch im dort angefochtenen Erkenntnis die Rechtsauffassung vertreten, die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei unzulässig, wenn der Revisionswerber die Remonstration verabsäumt habe; der dortige Revisionswerber hat dieses Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht vorgebracht. Da das allein maßgebliche Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwarf, war diese Revision zurückzuweisen.

16 Die vom BVwG vertretene Rechtsauffassung, im vorliegenden Fall scheide die Erlassung eines Feststellungsbescheides deshalb aus, weil der Revisionswerber auch nach bereits erfolgter Befolgung der Weisungen gegen diese weiterhin remonstrieren dürfe, erweist sich vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als rechtswidrig.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018120016.J00
Schlagworte:
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4 Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

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