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VwGH vom 20.05.2020, Ro 2018/11/0005

VwGH vom 20.05.2020, Ro 2018/11/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Militärkommandos Vorarlberg in 6900 Bregenz, Reichsstraße 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W122 2175779-1/11E, betreffend Aufschub des Grundwehrdienstes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Militärkommando Vorarlberg; mitbeteiligte Partei: M H, in B (Schweiz), vertreten durch die Pichler Rechtsanwalt GmbH in 6850 Dornbirn, Marktstraße 33), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1Mit Schreiben vom stellte der Mitbeteiligte folgenden Antrag an die belangte Behörde:

„Hiermit möchte ich [Mitbeteiligter] geb. am , höflichst um AUFSCHUB bitten, da mein Lebensmittelpunkt seit bis B (Schweiz) ist. Zuvor seit bis D und bis A.

Zudem bin ich aktiver hauptberuflicher Eishockeyspieler beim EHC B und habe dort einen laufenden Spielervertrag bis .

Aus diesen oben genannten Gründen kann ich den Wehrdienst am nicht antreten!

Ich bitte um Kenntnisnahme.“

2Mit Bescheid vom wies die nunmehrige Revisionswerberin (belangte Behörde) den Antrag des Mitbeteiligten auf Aufschub des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 3 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) ab. Begründend führte sie zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte habe in seinem Antrag vom ausgeführt, er sei aktiver hauptberuflicher Eishockeyspieler beim EHC B und habe dort einen laufenden Spielervertrag bis . Der Mitbeteiligte sei am der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden. Er sei im Besitz eines Einberufungsbefehls, welcher (nach einer Abänderung) den Einrückungstermin vorsehe. Er habe in seinem Antrag keine Ausbildungsgründe geltend gemacht, sondern nur auf seinen Auslandsaufenthalt und seinen Beruf als Eishockeyspieler hingewiesen.

3Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (an der der Mitbeteiligte nicht teilnahm) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt und gewährte dem Mitbeteiligten gemäß § 26 Abs. 3 Z 1 WG 2001 einen Aufschub des Grundwehrdienstes bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres. Weiters sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der Mitbeteiligte habe den Grundwehrdienst nicht angetreten. Er habe im Alter von vier Jahren begonnen, auf sein Ziel als Profi-Eishockeyspieler hinzuarbeiten. Die Ausbildung finde aktuell bei einem Eishockeyclub in der Schweiz statt und sei bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres des Mitbeteiligten nicht abgeschlossen. Um sein Leistungsniveau zu steigern und seine Berufsausbildung zum Profisportler abzuschließen, müsse er tägliche Trainingseinheiten absolvieren, was ihm während des Grundwehrdienstes nicht möglich sei. Die Ableistung des Grundwehrdienstes würde die bislang erworbene Aussicht des Mitbeteiligten auf eine Berufsausübung als Profisportler zerstören.

Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die Feststellungen ergäben sich aus der eindeutigen Aktenlage und dem glaubwürdigen Vorbringen des Mitbeteiligten und seines Rechtsvertreters. Die Entgegnung, dass sich der Ausbildungsvertrag nunmehr als Spielervertrag bezeichne, ändere nichts an der Tatsache, dass der Mitbeteiligte weiterhin am Ausbildungsweg zum Profispieler sei. Die Unmöglichkeit, als Profispieler eingesetzt zu werden, ergebe sich aus den ärztlich belegten Darlegungen des Mitbeteiligten und seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung sowie aus der allgemeinen Lebenserfahrung.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, der Fall des Mitbeteiligten sei vergleichbar mit dem dem hg. Erkenntnis vom , 2012/11/0187, zugrundeliegenden Fall eines Balletttänzers, der seine Ausbildung mit sieben Jahren begonnen habe. Die Revisionszulässigkeit wurde damit begründet, dass das zitierte hg. Erkenntnis zwar einen „Profisportler“ betreffe, aber nicht zum Abschluss der Ausbildung ergangen sei, sondern zur Ausübung des Berufs Aussagen treffe. Vergleichbarkeit sei jedoch hinsichtlich eines mit der Ausübung des Grundwehrdienstes verbundenen Trainingsrückstands eines Sportlers gegeben. Auch wenn der Mitbeteiligte im Gegensatz zum genannten Balletttänzer körperlich in der Lage wäre, den Grundwehrdienst unbeschadet auszuüben, hätte er während des Grundwehrdienstes nicht die Möglichkeit, sich in der technischen Ausbildung des Eishockeyspielens weiterzuentwickeln oder auch nur sein Niveau zu halten. Damit würde er ebenfalls einen bedeutenden Nachteil erleiden. Darüber hinaus werde die Revision deshalb zugelassen, weil es sich im Fall des Mitbeteiligten um einen Aufschub und nicht, wie im Fall des Balletttänzers, um eine Befreiung handle.

4Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte ordentliche Revision der belangten Behörde, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.

5In der Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Judikatur zur Frage, „ob es sich bei der Tätigkeit als Eishockeyspieler um eine ‚sonstige Berufsvorbereitung‘ im Sinne des § 26 Abs. 3 Ziffer 1 WG 2001 handelt“. Die Frage eines bedeutenden Nachteils iSd. genannten Bestimmung stelle sich nicht, weil im Revisionsfall schon die Tatbestandsvoraussetzung der sonstigen Berufsvorbereitung fehle. Eine Vergleichbarkeit mit dem dem hg. Erkenntnis vom , 2012/11/0187, zugrundeliegenden Fall eines Balletttänzers liege nicht vor, weil jenes Erkenntnis nicht zum Abschluss der Ausbildung, sondern zur Aufrechterhaltung der für die Berufsausübung unerlässlichen antrainierten physischen Voraussetzungen ergangen sei und überdies keinen Aufschub, sondern eine Befreiung betroffen habe.

Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, so die weitere Revisionsbegründung, sei der Mitbeteiligte nach seinen eigenen schriftlichen Angaben „von Beruf Eishockeyspieler“ und verfüge somit bereits über eine Berufsausbildung, weshalb es irrelevant sei, ob er diesen Beruf als Amateur oder als Profi ausübe. Er habe im Jahr 2012 mit dem Eishockeyclub D einen „Ausbildungsvertrag“ abgeschlossen, welcher mit April 2016 geendet habe. Bereits die weiteren Verträge mit den Eishockeyclubs A und B hätten ausdrücklich auf „Spielervertrag“ gelautet.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7§ 26 des WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001, in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 181/2013, lautet:

Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1.von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2.auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1.hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2.während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.

(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn

1.sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder

2.sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.

Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.

(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam.“

8Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Mitbeteiligte befinde sich bis zur Vollendung seines 26. Lebensjahres in einer „sonstigen Berufsvorbereitung“ gemäß § 26 Abs. 3 Z 1 WG 2001. Demgegenüber macht die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung der Revision geltend, dies treffe nicht zu, und verweist dazu in den Revisionsgründen auf die im Akt einliegenden Ausbildungs- und Spielerverträge des Mitbeteiligten.

9Die Revision ist aus den in ihr ausgeführten Gründen zulässig und begründet.

10Das Verwaltungsgericht ist in dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis aufgrund „der eindeutigen Aktenlage und dem glaubwürdigen Vorbringen des Mitbeteiligten und seines Rechtsvertreters“ sowie „der ärztlich belegten Darlegungen des Mitbeteiligten und seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung“ davon ausgegangen, der Mitbeteiligte befinde sich nach wie vor in Ausbildung und die Ableistung des Grundwehrdienstes würde seine Aussicht auf eine Profikarriere zerstören.

11Die Feststellung, der Mitbeteiligte befinde sich „nach wie vor in Ausbildung“, ist anhand der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht nachvollziehbar. Diese bestätigen vielmehr das Revisionsvorbringen, dass die Verträge mit dem EHC A (für die Zeit von bis ) und mit dem EHC B (für die Zeit von bis ) jeweils ausdrücklich als „Spielervertrag“ bezeichnet seien. In diesen Verträgen ist u.a. die Rede von einer Entlohnung und der Verpflichtung, Militärdienste rechtzeitig anzukündigen. Aus dem Vertrag mit dem EHC A sind überdies Meldepflichten betreffend „andere berufliche Tätigkeiten“ ersichtlich. In einem ebenfalls im Akt einliegenden Schreiben des EHC B vom an die belangte Behörde wird bestätigt, dass der Mitbeteiligte für die Saison 2017/2018 als Stammspieler unter Vertrag stehe und für das Team und sein persönliches Berufsziel, Profispieler zu werden, unabkömmlich sei. Er erhalte dort die beste Unterstützung und stetige Weiterbildung, um seine Berufsziele zu erreichen. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, an der lediglich der Rechtsvertreter des Mitbeteiligten teilnahm, ist das auf das zitierte Erkenntnis vom , 2012/11/0187, gestützte Vorbringen ersichtlich, die Ausbildung sei „als ein über die gesamte Lebenszeit bestehender Komplex zu betrachten“, weshalb der Mitbeteiligte, der sein Training bereits im Alter von vier Jahren begonnen habe, seiner Harmonisierungspflicht nicht nachkommen könne. Weiters wurde vorgebracht, die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Eishockeyspieler sei „seine einzige berufliche Grundlage“, die bei der Ableistung des Präsenzdienstes wegfiele und seine Aussicht auf eine Profikarriere gefährden würde. Ärztliche Belege für dieses Vorbringen werden entgegen der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts weder in der Verhandlungsschrift erwähnt noch finden sie sich in den vorgelegten Akten.

12Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Verwaltungsgerichtes, der Mitbeteiligte werde seine Ausbildung bzw. sonstige Berufsvorbereitung erst mit Vollendung des 26. Lebensjahres (im Jahr 2022) abgeschlossen haben, nicht nachvollziehbar. Vielmehr stützt die Aktenlage das Revisionsvorbringen, dass der Mitbeteiligte ab dem Vertrag mit dem EHC A im Jahr 2016 bereits berufstätig war. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich der Mitbeteiligte in ständiger Weiterbildung und täglichem Training befindet, weil dies, wie von der Revision richtig aufgezeigt, auf nahezu alle Berufssportler zutrifft. Ob der Mitbeteiligte ohne den beantragten Aufschub „einen bedeutenden Nachteil“ iSd. § 26 Abs. 3 Z 1 WG 2001 (nur um diese Ziffer geht es nach dem angefochtenen Erkenntnis) erleiden würde, war - mangels Vorliegens einer Ausbildung oder „sonstigen Berufsvorbereitung“ - nicht mehr zu prüfen.

13Gleiches gilt für die im (vom Mitbeteiligten ins Treffen geführten) Erkenntnis vom , 2012/11/0187, gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 für die Befreiung eines Balletttänzers vom Grundwehrdienst maßgebend gewesenen „besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen“, nicht zuletzt, weil es gegenständlich nicht um einen Befreiungsantrag geht. Wie das Verwaltungsgericht im Übrigen aber festgehalten hat, wäre der Mitbeteiligte im Gegensatz zum erwähnten Balletttänzer in der Lage, den Grundwehrdienst körperlich unbeschadet zu absolvieren.

14Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018110005.J00

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Fundstelle(n):
OAAAE-94618