VwGH vom 04.07.2018, Ro 2018/10/0007

VwGH vom 04.07.2018, Ro 2018/10/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Salzburger Landesregierung in 5010 Salzburg, Mozartplatz 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zl. 405- 9/381/1/12-2017, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau; mitbeteiligte Partei: S A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wurde dem Mitbeteiligten - im Beschwerdeverfahren - für den Zeitraum bis gemäß § 10 Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) eine Geldleistung in der Höhe von EUR 844,46 zugesprochen.

2 Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, führte das Verwaltungsgericht unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/08/0021, begründend aus, dass eine dem Mitbeteiligten im Juni 2017 von einem Freund gegen spätere Rückzahlung gewährte Überbrückungshilfe in Höhe von EUR 400,-- nicht als bedarfsminderndes Eigenmittel des Mitbeteiligten anzusehen sei und daher die Mindestsicherungsleistung ungekürzt zuzusprechen sei.

3 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht mit der wesentlichen Begründung zu, dass die hg. Rechtsprechung zur Frage, ob sich Geldleistungen Dritter, die ausschließlich als Überbrückungshilfe gegen spätere Rückzahlung (also bloße Vorschussleistungen) gewährt würden, bedarfsmindernd auswirkten, nicht einheitlich sei (Hinweis auf , sowie das bereits genannte hg. Erkenntnis 96/08/0021).

4 2. Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der Salzburger Landesregierung gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm § 16 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz.

5 Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 1. Die Revision wendet sich (u.a.) gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, derzufolge eine von Dritten gegen spätere Rückzahlung gewährte Vorschussleistung bei der Bemessung von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu berücksichtigen sei.

7 Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

8 2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Sbg. MSG, LGBl. Nr. 63/2010 idF LGBl. Nr. 100/2016, lauten auszugsweise:

"Grundsätze

§ 2

(...)

(2) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind subsidiär. Soweit im Folgenden nicht Anderes bestimmt ist, sind die Leistungen vom Fehlen einer ausreichenden Deckung des jeweiligen Bedarfs durch eigenes Einkommen oder Vermögen oder durch Leistungen Dritter einschließlich des Bundes oder anderer Staaten sowie von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig.

(...)

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

§ 5

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der Bedarf der Hilfe suchenden Personen für den Lebensunterhalt, den Wohnbedarf und den Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei haben freiwillige Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer Betracht zu bleiben, es sei denn, sie sind nach Abs 2 anzurechnen oder erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich sind.

(...)"

9 3.1. Die §§ 2 Abs. 2 und 5 Abs. 1 erster Satz Sbg. MSG bringen zum Ausdruck, dass Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nur subsidiär zu erbringen sind, wenn der jeweilige Bedarf nicht (u.a.) durch Leistungen Dritter gedeckt wird.

10 Maßgeblich ist demnach, dass der Bedarf - wie im Revisionsfall - tatsächlich gedeckt wird. Darauf, ob Dritte diesen Aufwand aus jederzeit abänderbaren Gründen tragen, kommt es - unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes - nicht an (vgl. die auf das Sbg. MSG übertragbaren hg. Beschlüsse zum NÖ SHG Ra 2016/10/0143 sowie - zum Sbg. Sozialhilfegesetz - , jeweils mwN).

11 3.2. Daran ändert im konkreten Fall auch § 5 Abs. 1 zweiter Satz Sbg. MSG nichts, demzufolge (u.a.) von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbrachte Leistungen außer Betracht zu bleiben haben, es sei denn, diese erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich sind. Auch diese Bestimmung ist nämlich mit Blick auf den Grundsatz des § 2 Abs. 2 leg. cit. auszulegen, durch den der Nachrang der Mindestsicherung zum Ausdruck gebracht wird. Nach der somit gebotenen systematischen Auslegung stellt § 5 Abs. 1 leg. cit. auf sämtliche Zuwendungen von dritter Seite ab; diese sind jedenfalls insoweit anzurechnen, als sie Ausmaß oder Dauer aufweisen, die eine Gewährung von Mindestsicherung ausschließen bzw. einschränken (vgl. , mwN).

12 3.3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die gegenständlich dem Mitbeteiligten gewährte "Überbrückungshilfe" als eine Geldleistung, die bei der Zuerkennung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung jedenfalls zu berücksichtigen ist.

13 4. In dem - dem angefochtenen Erkenntnis vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten (zum Wiener Sozialhilfegesetz 1973 ergangenen) - hg. Erkenntnis 96/08/0221 wurde zwar ausgesprochen, eine gegen spätere Rückzahlung gewährte Vorschussleistung durch eine dritte Person berechtige die Behörde nicht zu einer Kürzung der Sozialhilfeleistung; diese Aussage wurde allerdings in einer die aufhebende Entscheidung des Gerichtshofes nicht tragenden Weise getroffen, weshalb es schon aus diesem Grund für die vorliegende, auf die unter Punkt 3. dargelegte Rechtsansicht gestützte Entscheidung keiner Verstärkung des Senates gemäß § 13 Abs. 1 VwGG bedarf (vgl. dazu , sowie , 97/08/0569).

14 5. Nach dem Gesagten ist das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

15 Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war. Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018100007.J00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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