VwGH vom 24.04.2018, Ro 2018/10/0004
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des Stadtschulrats für Wien in 1010 Wien, Wipplingerstraße 28, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W227 2173374-1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Schulpflichtgesetz (mitbeteiligte Partei: M H in W, vertreten durch die Mutter J H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Stadtschulrats für Wien (des Revisionswerbers) vom wurde die Teilnahme der mitbeteiligten Partei an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2017/2018 gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz (SchPflG) untersagt und die diesbezügliche Anzeige abgewiesen. Gleichzeitig wurde die mitbeteiligte Partei gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG verpflichtet, ihre Schulpflicht fortan an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen, und die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitigen und zulässigen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
2 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Teilnahme der mitbeteiligten Partei an häuslichem Unterricht auf der ersten Schulstufe (erste Klasse Volksschule) sei dem Revisionswerber am für das Schuljahr 2016/2017 gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG angezeigt und von diesem zur Kenntnis genommen worden. In weiterer Folge sei dem Revisionswerber anstelle eines von § 11 Abs. 4 SchPflG geforderten Zeugnisses einer in § 5 leg. cit. genannten Schule über den erfolgreichen Abschluss der ersten Schulstufe ein Zeugnis einer Privatschule mit vom zuständigen Bundesminister genehmigtem Organisationsstatut im Sinn des § 14 Abs. 2 lit. b Privatschulgesetz (PrivSchG) vorgelegt worden. Ein solches Zeugnis stelle aber keinen geforderten Nachweis des zureichenden Erfolges eines häuslichen Unterrichts im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG dar. Daher sei die Teilnahme der mitbeteiligten Partei an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2017/2018 gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG zu untersagen und die Anzeige abzuweisen gewesen. Der Mitbeteiligte habe daher gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG seine Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen. Die Erfüllung der Schulpflicht habe im Schuljahr 2017/2018 auf der ersten Schulstufe zu erfolgen.
3 Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom wurde der Bescheid des Revisionswerbers behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Prüfung der Anzeige der Teilnahme an häuslichem Unterricht nach § 11 Abs. 3 SchPflG zurückverwiesen. Die Revision gegen diese Entscheidung wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.
4 Dabei ging das BVwG davon aus, dass die Mutter des Mitbeteiligten am beim Stadtschulrat für Wien die Teilnahme des Mitbeteiligten an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2016/2017 angezeigt habe. Mit Schreiben vom habe der Revisionswerber bei der Mutter des Mitbeteiligten die Vorlage eines Externistenprüfungszeugnisses urgiert. In der Folge seien ein Zeugnis der W.-Schule vom über die vom Mitbeteiligten erfolgreich bestandene erste Schulstufe (Schuljahr 2016/2017) und eine Schulbesuchsbestätigung, wonach der Mitbeteiligte diese Schule von bis besucht habe, vorgelegt worden. Am habe die Mutter der mitbeteiligten Partei beim Revisionswerber die Teilnahme des Mitbeteiligten an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2017/2018 angezeigt.
5 Nach Darstellung der Rechtsgrundlagen führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe zwar zutreffend festgehalten, dass für die mitbeteiligte Partei kein Erfolgsnachweis im Sinn des § 11 Abs. 4 SchPflG vorgelegt worden sei, denn sie sei zu keiner Prüfung angetreten, die gemäß § 42 Abs. 14 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) und der darauf beruhenden Verordnung über die Externistenprüfungen durchgeführt worden sei. Jedoch sei für den Mitbeteiligten ein (positives) Zeugnis über das Schuljahr 2016/2017 einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht vorgelegt worden. Damit habe die mitbeteiligte Partei ihre Schulpflicht im Schuljahr 2016/2017 durch den Besuch einer privaten "Statutschule" mit Öffentlichkeitsrecht (§ 12 SchPflG) und nicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht (§ 11 SchPflG) erfüllt. Somit erweise sich der zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 nicht untersagte häusliche Unterricht im gegenständlichen Fall "letztlich als gegenstandslos". Nach Ansicht des BVwG erübrige sich damit die ex-post-Prüfung des zureichenden Unterrichtserfolges im Sinn des § 11 Abs. 4 erster Halbsatz SchPflG, weil sich der Mitbeteiligte faktisch nicht (mehr) im System des häuslichen Unterrichts befunden habe.
6 Die gegenständliche Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 4 SchPflG stehe jedoch nicht der Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 SchPflG entgegen, sodass der Revisionswerber berechtigt sei, drohenden Missbrauch der gesetzlichen Regelungen des häuslichen Unterrichts auch in Erwägungen der ex-ante-Prüfung der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nach § 11 Abs. 3 SchPflG einfließen zu lassen. Da die belangte Behörde keine Erhebungen zur Frage der Gleichwertigkeit nach § 11 Abs. 3 SchPflG vorgenommen habe, sei der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Es könne auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden sei. Folglich sei das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an den Revisionswerber zurückzuverweisen gewesen.
7 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung abhänge. Es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur fraglichen Zulässigkeit der (alternativen) Erfüllung der Schulpflicht (hier: Teilnahme am Unterricht an einer privaten Schule mit Öffentlichkeitsrecht) anstelle der ursprünglich angestrebten Teilnahme an häuslichem Unterricht sowie zur Frage, ob eine Schulbehörde auch dann verpflichtet sei, die Teilnahme an häuslichem Unterricht für das folgende Schuljahr zu untersagen, wenn ein Schüler anstelle eines Erfolgsnachweises nach § 11 Abs. 4 SchPflG eine (positive) Bestätigung über die tatsächlich wahrgenommene und im Sinn des Schulpflichtgesetzes gleichwertige Alternative zum häuslichen Unterricht vorlege.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision unter anderem vor, es sei nicht geklärt, welche Verpflichtungen für das schulpflichtige Kind bestünden, wenn es in einem Schuljahr sowohl teilweise häuslich unterrichtet worden als auch zeitweise an einer in § 12 SchPflG genannten Schule, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entspreche, unterrichtet worden sei, ob die Schulbehörde auch dann verpflichtet sei, die Teilnahme an häuslichem Unterricht für das folgende Schuljahr zu untersagen, wenn das schulpflichtige Kind anstelle eines Externistenprüfungszeugnisses im Sinn des § 11 Abs. 4 SchPflG iVm § 42 Abs. 14 SchUG eine "Schulerfolgsbestätigung" einer Privatschule im Sinn des § 12 SchPflG, welche keiner gesetzlich geregelten Schulart entspreche, vorlege, und ob bei Nichtuntersagung eines angezeigten häuslichen Unterrichts die Schulpflicht anstelle des angezeigten häuslichen Unterrichts auch an einer Privatschule, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entspreche, im Sinn des § 12 SchPflG erfüllt werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist schon im Hinblick auf die vom
Revisionswerber geteilte Zulassungsbegründung des BVwG zulässig.
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des SchPflG,
BGBl. Nr. 76/1985 (wv) idF BGBl. I Nr. 56/2016, lauten:
"B. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den
Besuch von öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen
Öffentliche und mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen
§ 4. Unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen sind öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.
Schulbesuch in den einzelnen Schuljahren§ 5. (1) Die allgemeine Schulpflicht ist durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
...
C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht
Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann - unbeschadet des § 12 - auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnischen Schule - mindestens gleichwertig ist.
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist.
(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Landesschulrat anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.
Besuch von Schulen, die keiner gesetzlich geregelten
Schulart entsprechen
§ 12. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann durch den
Besuch von Schulen, die keiner gesetzlich geregelten Schulart
entsprechen, erfüllt werden, wenn
1. dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen vorgesehen
ist, oder
2. in dem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder
genehmigten Organisationsstatut (§ 14 Abs. 2 lit. b des Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962, in der jeweils geltenden Fassung) die Schule als zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet anerkannt wird und die Schule das Öffentlichkeitsrecht besitzt.
(2) Der Abschluß solcher zwischenstaatlicher Vereinbarungen beziehungsweise eine solche Anerkennung darf nur erfolgen, wenn der Unterricht im Wesentlichen jenem an einer der im § 5 genannten Schulen gleichkommt. Soweit es sich um die Erfüllung der Schulpflicht durch Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft handelt, ist die Erreichung des Lehrzieles einer entsprechenden österreichischen Schule Voraussetzung."
Die maßgeblichen Bestimmungen des PrivSchG, BGBl. Nr. 244/1962 idF BGBl. I. Nr. 56/2016, lauten:
"ABSCHNITT III.
Öffentlichkeitsrecht.
§ 13. Rechtswirkungen des Öffentlichkeitsrechtes.
(1) Durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes wird einer Privatschule das Recht übertragen, Zeugnisse über den Erfolg des Schulbesuches auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen ausgestattet sind wie Zeugnisse gleichartiger öffentlicher Schulen.
(2) ...
§ 14. Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes.
(1) Privatschulen, die gemäß § 11 eine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen, ist das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn
a) der Schulerhalter (bei juristischen Personen dessen vertretungsbefugte Organe), der Leiter und die Lehrer Gewähr für einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bieten und
b) der Unterrichtserfolg jenem an einer gleichartigen öffentlichen Schule entspricht.
(2) Privatschulen, die keiner öffentlichen Schulart
entsprechen, ist das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn
a) die Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. a vorliegen,
b) die Organisation, der Lehrplan und die Ausstattung der
Schule sowie die Lehrbefähigung des Leiters und der Lehrer mit
einem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten
Organisationsstatut übereinstimmen und
c) die Privatschule sich hinsichtlich ihrer
Unterrichtserfolge bewährt hat.
(3) ..."
12 Unstrittig ist, dass die mitbeteiligte Partei den zureichenden Erfolg des für das Schuljahr 2016/2017 angezeigten und von der Schulbehörde nicht untersagten häuslichen Unterrichts nicht durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten Schule nachgewiesen hat. Fraglich ist jedoch, ob ein solcher Nachweis überhaupt erforderlich ist, wenn das betroffene schulpflichtige Kind seine Schulpflicht auf andere zulässige Weise erfüllt hat.
13 Soweit der Revisionswerber einen Hinweis im angefochtenen Beschluss auf das hg. Erkenntnis vom , 2000/10/0187, in dem Sinn versteht, dass das vorgelegte Zeugnis der von der mitbeteiligten Partei besuchten Privatschule als Nachweis eines zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts zu gelten habe, so steht dem die weitere Begründung des Beschlusses entgegen, wonach das BVwG die ex-post-Prüfung des zureichenden Unterrichtserfolges iSd § 11 Abs. 4 SchPflG ausdrücklich dahinstehen ließ, weil die mitbeteiligte Partei ihre Schulpflicht gerade nicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht, sondern durch den Besuch einer privaten "Statutschule" erfüllt habe. Dies stellt die allein tragende Beschlussbegründung dar.
14 Das BVwG ging - wie auch der Revisionswerber im verwaltungsbehördlichen Bescheid - davon aus, dass es sich bei der von der mitbeteiligten Partei besuchten Schule um eine private "Statutschule" mit Öffentlichkeitsrecht im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 SchPflG iVm § 14 Abs. 2 lit. b PrivSchG handelt. Des Weiteren ging das BVwG davon aus, dass die mitbeteiligte Partei ihren Schulbesuch für das Schuljahr 2016/2017 für die erste Schulstufe durch das vorgelegte Zeugnis samt Schulbesuchsbestätigung für den Zeitraum bis nachgewiesen habe.
15 Angesichts der eindeutigen Feststellungen des BVwG zum Schulbesuch der mitbeteiligten Partei, insbesondere zum Zeitraum des Schulbesuchs, kann dem Revisionswerber nicht gefolgt werden, dass diesbezüglich eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts vorläge. Wenn der Revisionswerber Ermittlungen dazu vermisst, was der genaue Inhalt des Organisationsstatuts sei und seit wann und für wie lange die Privatschule das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt erhalten habe, so wird mit diesen Ausführungen nicht konkret bestritten, dass es sich bei der von der mitbeteiligten Partei besuchten Schule um eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 SchPflG iVm § 14 Abs. 2 lit. b PrivSchG handelt, wovon der Revisionswerber im verwaltungsbehördlichen Verfahren im Übrigen selbst noch ausgegangen ist. Die vom Revisionswerber vorgebrachten Feststellungsmängel liegen ebenso wenig vor wie die behaupteten, aber nicht näher dargestellten Mängel der Beweiswürdigung.
16 Hervorzuheben ist, dass sowohl § 11 SchPflG, der mit "Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht" betitelt ist, als auch § 12 leg. cit., dessen Überschrift "Besuch von Schulen, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entsprechen" lautet, Regelungen zur "Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht" (so die Überschrift zum Abschnitt C des SchPflG) darstellen. Die Untersagung von häuslichem Unterricht und Anordnung der Schulpflichterfüllung an einer Schule iSd § 5 SchPflG durch den Revisionswerber für das Schuljahr 2017/2018 ist somit unter dem Aspekt der Erfüllung der Schulpflicht durch die mitbeteiligte Partei zu betrachten.
17 Nun regelt § 12 Abs. 1 Z 2 SchPflG, dass die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von Schulen, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entsprechen, erfüllt werden kann, wenn in dem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut (§ 14 Abs. 2 lit. b des PrivSchG) die Schule als zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet anerkannt wird und die Schule das Öffentlichkeitsrecht besitzt. Weitere Voraussetzungen für den Besuch einer solchen Schule, insbesondere Genehmigungs- oder Anzeigepflichten, sieht § 12 SchPflG nicht vor. Auch ist dieser Regelung - anders als bei Absolvierung häuslichen Unterrichts - keine Pflicht zu entnehmen, beim Besuch einer Schule, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entspricht, zum Nachweis des zureichenden Erfolgs jährlich eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten entsprechenden Schule abzulegen.
18 Gemäß § 13 Abs. 1 PrivSchG wird einer Privatschule durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts das Recht übertragen, Zeugnisse über den Erfolg des Schulbesuchs auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen ausgestattet sind wie Zeugnisse gleichartiger öffentlicher Schulen. Nun ist es zwar zutreffend, dass gerade bei Schulen, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entsprechen, eine Gleichartigkeit mit öffentlichen Schulen nicht in Betracht kommt, sodass die im letzten Satzteil des § 13 Abs. 1 PrivSchG normierte Rechtsfolge nicht eintreten kann. Dies ändert aber nichts daran, dass Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entsprechen, Zeugnisse über den Erfolg des Schulbesuchs ausstellen dürfen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden ausgestattet sind (vgl. in diesem Sinn auch die Materialien zur Stammfassung des § 13 PrivSchG, ErläutRV 735 BlgNR 9. GP 11). Soweit der Revisionswerber für seine gegenteilige Auffassung Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 (2015), FN 2 zu § 13 PrivSchG, ins Treffen führt, übersieht er, dass sich diese Belegstelle nur auf den letzten Satzteil des § 13 Abs. 1 PrivSchG bezieht, während der in Rede stehende Passus über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit einer anderen, auf die entsprechenden Bestimmungen der ZPO hinweisenden, Fußnote versehen ist.
19 Gemäß § 47 AVG iVm § 292 ZPO begründen öffentliche Urkunden den vollen Beweis dessen, was amtlich verfügt oder was darin bezeugt wurde, sie begründen also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit (vgl. , mwN). Wenn daher der mitbeteiligten Partei seitens einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht ein Zeugnis über den Erfolg des Schulbesuchs für die erste Schulstufe im Schuljahr 2016/2017 ausgestellt wurde, so ist dieser Schulbesuch an der betreffenden Privatschule aufgrund der diesem Zeugnis von Gesetzes wegen zukommenden Beweiskraft erwiesen, zumal der Revisionswerber keine konkreten Tatsachen angeführt hat, die die gesetzliche Vermutung des vollen Beweises als erschüttert erscheinen ließen.
20 Kann aber ein schulpflichtiges Kind ein Zeugnis einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht über den Erfolg des Schulbesuchs vorweisen, so ist damit iSd § 12 Abs. 1 SchPflG jedenfalls die Erfüllung der Schulpflicht nachgewiesen, und zwar unabhängig davon, ob für dasselbe Schuljahr die Teilnahme an häuslichem Unterricht angezeigt und nicht untersagt worden war.
21 Es kann dem SchPflG nämlich nicht entnommen werden, dass es eine nachträgliche Änderung der Art der Schulpflichterfüllung von vornherein ausschließen wollte. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit der gewählten Alternative ein dem Gesetz entsprechender Nachweis der Schulpflichterfüllung gelingt. Dies ist vorliegend der Fall.
22 § 11 Abs. 4 SchPflG regelt den Fall, in dem die Schulpflicht durch Teilnahme am häuslichen Unterricht anstelle des Besuches einer Schule erfüllt wird. Diese Regelung bezieht sich daher nicht auf den Fall, dass ein Schüler, statt am angezeigten und von der Behörde nicht untersagten häuslichen Unterricht teilzunehmen, eine der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienende Schule besucht.
23 Wie das BVwG zutreffend erkannt hat, unterliegt die mitbeteiligte Partei im Fall der anderweitigen Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr dem Regime des häuslichen Unterrichts. Es ist daher - entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Rechtsansicht - unzulässig, dennoch die - ebenfalls zum Nachweis der Erfüllung der Schulpflicht konzipierte - Ablegung der Externistenprüfung im Sinn des § 11 Abs. 4 SchPflG zu verlangen und mangels Nachweises deren Ablegung das schulpflichtige Kind zum Besuch einer in § 5 Abs. 1 SchPflG genannten Schule zu verpflichten. Wurde die Schulpflicht schon auf andere Weise erfüllt, so hat § 11 Abs. 4 SchPflG keinen Anwendungsbereich mehr.
24 Hat nach dem Gesagten keine auf der Grundlage des § 11 Abs. 4 SchPflG fußende Anordnung der Schulpflichterfüllung im Sinn des § 5 leg. cit. zu ergehen, so darf eine Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht für ein weiteres Schuljahr nicht ohne nähere Prüfung der Voraussetzungen dessen Gleichwertigkeit iSd § 11 Abs. 3 leg. cit. erfolgen.
25 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. 26 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, zumal schulrechtliche Angelegenheiten weder von Art. 6 EMRK noch von Art. 47 GRC erfasst sind (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018100004.J00 |
Schlagworte: | Beweismittel Urkunden Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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