VwGH vom 11.12.2019, Ro 2018/05/0018

VwGH vom 11.12.2019, Ro 2018/05/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der V GmbH in W, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG- 2018/37/0060-13, betreffend Versagung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Mit Eingabe vom beantragte die Revisionswerberin beim Landeshauptmann von Tirol (im Folgenden: Landeshauptmann) die Erteilung einer Genehmigung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 zur Errichtung und zum Betrieb der (näher beschriebenen) Bodenaushubdeponie R. Zu diesem Antrag führte die Revisionswerberin in dem als Anlage beigefügten Schreiben vom (u.a.) aus, dass es sich bei der gegenständlichen Deponie um eine solche, in der ausschließlich Bodenaushub bzw. Materialien gemäß § 5 Abs. 1 Deponieverordnung 2008 abgelagert würden, handle und im Hinblick darauf, dass das Gesamtvolumen < 100.000 m3 betrage, das vereinfachte Verfahren (§ 37 Abs. 3 Z 1 iVm § 50 AWG 2002) anwendbar sei.

2 Laut dem in den Einreichunterlagen enthaltenen "Technischen Bericht" vom ("Projektseinlage 1", vgl. Punkte 3. und 4.) würden durch das Projekt "Untere T.-Bachüberleitung" die Wässer zweier (näher genannter) Bäche ca. 3,5 km vor der bestehenden Ausleitung der Kraftwerke "T.-Bach" und "B." gefasst und über einen ca. 8,6 km langen Stollen über das neu zu errichtende Kleinkraftwerk "S." in den bestehenden Speicher "S."

geleitet. Im Zuge der Projektumsetzung werde Ausbruchmaterial mit einem Gesamtvolumen von rund 160.000 m3 ("lose") anfallen. Davon sollten rund 60.000 m3 auf der Deponie T.-Bach und ebenfalls rund 60.000 m3 ("d.e. rd. 78.000m3 lose") auf der gegenständlichen Deponie R. deponiert werden. Die verbleibende restliche Menge werde einem Verwerter übergeben. Die geplante Deponiefläche ergebe sich mit rund 14.500 m2, die maximalen Abmessungen betrügen rund 160 m x 130 m (l x b). Im Westen befinde sich eine Weidefläche. Der Deponiekörper werde an das bestehende Gelände angeglichen. Für den Transport des Deponiematerials bis zur Einbaustelle werde der bestehende Weg verwendet, der für die Phase des Deponiebetriebes adaptiert und mit Schottermaterial befestigt werde. Die Flächen der vorgesehenen Deponie würden derzeit als Weidefläche genutzt. Für den Einbau des Deponiematerials seien drei Schüttphasen vorgesehen.

3 Das Projektgebiet liege am Rand innerhalb des ausgewiesenen Ruhegebietes Zillertaler und Tuxer Hauptkamm sowie des Hochgebirgsnaturparkes Zillertaler Alpen (vgl. den in den Einreichunterlagen enthaltenen "ökologische Begleitplanung Bericht" vom , Punkt 4.2).

4 Mit Schreiben des Landeshauptmannes vom wurden gemäß § 38 Abs. 6a AWG 2002 der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (im Folgenden: Bezirkshauptmannschaft) die Zuständigkeit zur Durchführung des gegenständlichen abfallwirtschaftsrechtlichen Verfahrens mit der Ermächtigung, in diesem Verfahren im eigenen Namen zu entscheiden, und die Zuständigkeit zur Vollziehung der § 53 Abs. 2, 57 bis 64 und 75 AWG 2002 in Bezug auf die gegenständliche Bodenaushubdeponie übertragen.

5 Mit Eingabe vom legte die Revisionswerberin der Bezirkshauptmannschaft eine Projektergänzung vor. Unter anderem wurden die Fahrten von und zum Deponiestandort auf die Werktage (Montag bis Freitag, 08:00 bis 18:00 Uhr) eingeschränkt (vgl. dazu auch die Stellungnahme der Revisionswerberin an die Bezirkshauptmannschaft vom ).

6 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom wurden der Revisionswerberin (unter Spruchpunkt I.) gemäß § 37 Abs. 1 und 3 Z 1, § 38 Abs. 1, 1a und 3, § 43 Abs. 1, 2 und 4, § 47 Abs. 1 und 2, § 48 Abs. 1 und 4 sowie § 50 Abs. 1 und 2 AWG 2002 unter Mitanwendung von (näher angeführten) Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, des Wasserrechtsgesetzes 1959 und des Forstgesetzes 1975 die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für das (näher beschriebene) Projekt nach Maßgabe der (näher bezeichneten) Projektunterlagen sowie (unter Spruchpunkt II.) gemäß § 11 Abs. 3 lit. d und § 29 Abs. 2 lit. b Z 2 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005 iVm § 3 Abs. 1 lit. d der Verordnung der Landesregierung vom über die Erklärung eines Teiles der Zillertaler Alpen im Gebiet der Marktgemeinde Mayrhofen und der Gemeinden Brandberg, Finkenberg und Tux zum Ruhegebiet (Ruhegebiet Zillertaler und Tuxer Hauptkamm), LGBl. Nr. 108/2016 (im Folgenden: Ruhegebietsverordnung), die naturschutzrechtliche Bewilligung, jeweils unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen (Spruchpunkt B), erteilt.

7 Die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung

(Spruchpunkt II.) begründete die Bezirkshauptmannschaft (u.a.) damit, aus dem eingeholten naturkundefachlichen Gutachten des (in der Verhandlung am beigezogenen) Amtssachverständigen für Naturkunde (Mag. L.) gehe zusammengefasst hervor, dass für sämtliche Schutzgüter des TNSchG 2005 Beeinträchtigungen gegeben seien, wobei die Beeinträchtigungen der Schutzgüter "Naturhaushalt" und "Lebensraum" nicht so gravierend seien, wie dies z.B. auf einer ungedüngten Bergwiese/Bergweide der Fall wäre. Was das Schutzgut "Erholungswert" (im Zusammenhang mit der Schutzstellungsart Ruhegebiet) anlange, so sei diesem bei ca. 60.000 m3 und 6.000 LKW-Fahrten die möglichst kurze Transportstrecke zuträglich. Da sich die geplante Deponie im "Ruhegebiet Zillertaler und Tuxer Hauptkamm" befinde, sei eine Interessenabwägung durchzuführen:

8 Die gegenständliche Bodenaushub- und Stollenausbruchdeponie diene der Endlagerung von Aushubmaterial im Rahmen des bereits mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom genehmigten Projektes "Untere T.-Bachüberleitung". Der geplante Deponiestandort befinde sich zwar im Randbereich des Ruhegebietes, jedoch liege die unmittelbar angrenzende S.-Straße, über die der Transport des Aushubmaterials erfolgen solle, außerhalb des Ruhegebietes. Die Fahrten von und zur Deponie würden auf Werktage (Montag bis Freitag, 08:00 bis 18:00 Uhr) eingeschränkt, wodurch die Belastung für die Bevölkerung vor Ort soweit wie möglich reduziert werde. An den Wochenenden sollten keine Fahrten zum Deponiestandort stattfinden. Der Deponiestandort sei 7 km vom Tunnelausbruchportal "Untere T.-Bachüberleitung" entfernt, sodass kurze Transportwege gewährleistet werden könnten. In diesem Sinn sei das Projekt im öffentlichen Interesse gelegen. Dieses öffentliche Interesse an kurzen Transportwegen für Bodenaushub überwiege nach § 29 Abs. 2 lit. b Z 2 TNSchG 2005 die Beeintr��chtigung der Schutzgüter dieses Gesetzes, weshalb die naturschutzrechtliche Bewilligung habe erteilt werden können. 9 Gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides erhob der Landesumweltanwalt Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

10 Dieses holte das Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen Dr. L. vom ein, worin dieser (u.a.) ausführte, dass sich die geplante Maßnahme zur Gänze im Ruhegebiet und Naturpark befinde und die Errichtung der Deponie somit im deutlichen Widerspruch zum Schutzzweck des Gebietes stehe. Die zu erwartenden Lärmentwicklungen durch die zur Deponierung des Materials zum Einsatz kommenden Gerätschaften seien in der dreijährigen Deponierungsphase als relevant einzustufen. Ebenso würden ca. 5.200 LKW-Fahrten auf längerer Strecke unmittelbar entlang des Ruhegebietes geführt werden. Damit wären die Schutzziele des Ruhegebietes und des Naturparks für die Dauer der Deponierung erheblich betroffen. Während der Errichtung der Deponie und der damit verbundenen ca. 5.200 LKW-Fahrten würden sich durch die zusätzlich entstehende Lärm- und Staubentwicklung Beeinträchtigungen für den Erholungswert ergeben, weil das Z.-Tal von Frühjahr bis Herbst ein beliebtes Wandergebiet darstelle. Die Deponierungsphase würde vor allem die Hauptwanderzeit betreffen. 11 Am fand eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt, in der der naturkundliche Amtssachverständige Dr. L. unter anderem Folgendes ausführte:

"...

Zunächst ist relevant, dass sich der Standort der geplanten Deponie ‚R.' innerhalb des Ruhegebietes Zillertaler und Tuxer Hauptkamm befindet. Relevant ist daher, ob eine erhebliche Lärmentwicklung zu erwarten sein wird.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Angaben im Zusammenhang mit der abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung. Daraus geht hervor, dass auf der Deponie unter anderem ein Hydraulikbagger mit einer maximalen Schallemission von 106 Dezibel (db), ein Walzenzug mit einer maximalen Schallemission von 107 dB und Lastkraftwagen mit Schallemissionen von 62 dB eingesetzt werden. Aus diesen Angaben schließe ich, dass auf der Deponie Maschinen eingesetzt werden, die Lärm erzeugen. Diese Lärmerzeugung ist innerhalb eines Ruhegebietes jedenfalls von Relevanz.

...

Ich betone, dass meine Aussagen im Gutachten ... betreffend

die Lärmentwicklung sich vor allem auf die Lärmentwicklung durch die Maschinen auf der Deponie, also die Lärmentwicklung innerhalb des Ruhegebietes, bezogen hat. Richtig ist, dass in der Gesamtbetrachtung auch der Zubringerverkehr, also auch der Verkehr entlang des Ruhegebietes, berücksichtigt wurde."

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde unter Spruchpunkt 1. der Beschwerde mit dem (weiteren) Ausspruch Folge gegeben, dass Spruchpunkt II. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom aufgehoben und dahingehend abgeändert werde, dass die beantragte Errichtungs- und Betriebsbewilligung einer Bodenaushubdeponie (Deponie R.) gemäß § 38 Abs. 1 AWG 2002 iVm § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 sowie § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung versagt werde. Unter Spruchpunkt 2. wurde eine ordentliche Revision für zulässig erklärt.

13 Dazu stellte das Verwaltungsgericht (u.a.) fest, dass für den Transport des Deponiematerials bis zur Einbaustelle der bestehende Weg auf zwei (näher bezeichneten) Grundstücken verwendet werde, der adaptiert und befestigt werde. Derzeit würden die für die Deponie vorgesehenen Flächen als Weide genutzt, wobei das bestehende Gelände im Bereich des geplanten Deponiekörpers eine Mulde zeige. Für den Einbau des Deponiematerials seien drei Schüttphasen vorgesehen. Um die vorgesehenen Flächen für den Deponiebetrieb nutzen zu können, seien vor allem als Maßnahmen die Rodung des Deponiebereiches, das Abschieben des Humus und dessen seitliche Zwischenlagerung im Bereich der ebenen Geländeflächen entlang des Zufahrtsweges und die Herstellung der Manipulationsflächen notwendig. Unabhängig davon sei die Zufahrtsstraße zu adaptieren und seien entlang des Weges Rodungen durchzuführen.

14 Weiters traf das Verwaltungsgericht unter Punkt

"2.4. Maschineneinsatz und Betriebszeiten:" die folgenden

Feststellungen:

"Die Betriebszeiten der Deponie ‚R.' sind:

Montag bis Freitag: 07:30 Uhr bis 19:00 Uhr

Samstag: 07:30 Uhr bis 12.00 Uhr

Zum Einbau der Materialien auf der Deponie werden ein Hydraulikbagger, ein Walzenzug und Lastkraftwagen eingesetzt.

Die dabei entstehenden Emissionen lassen sich wie folgt ansetzen:

Emissionsansatz


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Schallquelle
LW,A/LW,A'
Anpassungswertenach ÖAL3/2008
Betriebszeit
durchschnittlicherBetrieb
1 Hydraulikbagger
106 dB
+ 5 dB
7:30 -19:00
3 h/Tag
1 Walzenzug
107 dB
+ 5 dB
7:30 -19:00
1,6 h/Tag
LKW
62 dB
+ 5 dB
7:30 -19:00
11 LKW/Tag

Für Personen, die sich im Nahbereich der Deponie aufhalten,

sind die durch die angeführten Maschinen erzeugten

Schallemissionen wahrnehmbar.

Es sind allerdings keine zusätzlichen Schallimmissionen zu erwarten, die geeignet wären, die akustische IST-Situation bei den nächstgelegenen Nachbarn in einem relevanten Ausmaß zu verändern."

15 Weiters führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, dass das geplante Vorhaben in der Herstellung einer dauerhaften Deponie für Bodenaushub- und Stollenausbruchmaterial mit einem Gesamtvolumen von 78.000 m3 ("lose") bestehe und die vorgesehene Betriebszeit ca. 3 Jahre betrage. Die geplante Schüttfläche umfasse 14.500 m2. Zusätzlich würden im Nahbereich der Deponie eine asphaltierte Betankungsfläche für die erforderlichen Fahrzeuge und eingesetzten Maschinen und entlang des Weges Manipulations- und Zwischenlagerflächen geschaffen. Der Transport des Deponiematerials vom Tunnelportal würde bis zur Einbaustelle auf dem bestehenden Weg erfolgen. Der Transportweg zur geplanten Deponie verlaufe in diesem Bereich unmittelbar entlang der Grenze des Ruhegebietes, und es würden ca. 2.000 LKW-Fahrten benötigt. Zum Einbau des angelieferten Materials auf der Deponie sei der Einsatz technischer Geräte mit Schallemissionen (Hydraulikbagger max. 106 dB, Walzenzug max. 107 dB und Lastkraftwagen max. 62 dB) erforderlich. Das geplante Vorhaben betreffe hauptsächlich eine landwirtschaftlich genutzte Weidefläche, die durch zwei Wirtschaftswege erschlossen sei. Zusätzlich berührten die geplanten Maßnahmen stellenweise die angrenzenden Waldbestände. Der Landschaftsraum der Deponiefläche präsentiere sich als stark strukturierte und mit vielen Felsen und Steinen durchwachsene Weidefläche, die durch ihre Lage direkt oberhalb der S.-Straße gut einsehbar sei. Die Errichtung der Deponie und die damit verbundenen ca. 2.500 LKW-Fahrten bewirkten auch zusätzlich entstehende Lärm- und Staubentwicklungen, die sich nachteilig auf den Erholungswert auswirkten.

16 In rechtlicher Hinsicht vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine Deponie im Sinne des § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002 handle, welche dem Bewilligungstatbestand des § 3 Abs. 1 lit. a der Ruhegebietsverordnung unterliege. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung scheide deren Anwendung aus, wenn die jeweilige Anlage unter die Verbotstatbestände des § 2 lit. a und b dieser Verordnung falle. Zu klären sei, ob die gegenständliche Deponie als "lärmerregender Betrieb" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung zu qualifizieren sei.

17 Der Begriff "Betrieb" sei weiter gefasst als der Begriff "Anlage". Ein Betrieb lasse sich als örtliche, technische und organisatorische Einheit zum Zweck der Erstellung von Gütern und Dienstleistungen, charakterisiert durch einen räumlichen Zusammenhang und eine Organisation, definieren. Die gegenständliche Deponie diene der Anlieferung und der geordneten Ablagerung von genau definierten Abfallarten, und die Zulieferung und der Einbau der angelieferten Abfallarten erfolgten unter Einhaltung von Vorschriften, um sicherzustellen, dass von den abgelagerten Materialien keine Gefahren ausgingen. Diese Deponie erfülle somit den Begriff des "Betriebs" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung.

18 Was das Tatbestandsmerkmal "lärmerregend" anlange, so seien für die Auslegung dieses Begriffes das Ausmaß der Emissionen und deren Dauer entscheidend. Zu berücksichtigen gelte es jedoch auch, ob zwischen den Emissionen und dem Zweck des Ruhegebiets allenfalls ein "Zusammenhang" bestehe. So lasse sich etwa aus § 11 Abs. 2 lit. e TNSchG 2005, aber auch aus § 3 Abs. 2 lit. e der genannten Verordnung ableiten, dass Gastgewerbebetriebe und damit auch der mit ihnen verbundene Lärm als mit den Schutzzielen von Ruhegebieten vereinbar angesehen würden. Der Tatbestand gemäß § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung stelle - anders als § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 - nicht darauf ab, dass Nachbarn nicht durch Lärm unzumutbar belästigt würden. Entsprechend den zitierten naturschutzrechtlichen Bestimmungen seien "lärmerregende Betriebe" unabhängig davon, ob dadurch Nachbarn unzumutbar belästigt würden, mit den Zielsetzungen eines Ruhegebietes nicht vereinbar. Auch den Vorgaben des § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 entsprechende Betriebe könnten daher "lärmerregende Betriebe" und somit innerhalb eines Ruhegebietes verboten sein. 19 Da die vom Vorhaben ausgehenden Schallemissionen über einen Zeitraum von drei Jahren zu erwarten seien, sei von einer für das Ruhegebiet unverträglichen Lärmbelastung auszugehen. Die geplante Deponie stelle daher einen "lärmerregenden Betrieb" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung dar und sei somit innerhalb des Ruhegebietes verboten, weshalb die naturschutzrechtliche Bewilligung nach den gemäß § 38 Abs. 1 AWG 2002 anzuwendenden naturschutzrechtlichen Bestimmungen zu versagen sei.

20 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Auslegung des Begriffes "lärmerregender Betrieb" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung bislang noch nicht auseinandergesetzt habe.

21 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

22 Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Die Revision erweist sich in Anbetracht der im angefochtenen Erkenntnis in Bezug auf die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision aufgeworfenen und in der Revision näher dargestellten Rechtsfrage der Auslegung des Begriffes "lärmerregender Betrieb" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 und des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung als zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.

24 Die Revision bringt im Wesentlichen vor, dass das Vorhaben entweder unter den Verbotstatbestand des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung (Verbot der "Errichtung von lärmerregenden Betrieben") oder den Bewilligungstatbestand des § 11 Abs. 3 lit. d TNSchG 2005 bzw. des § 3 lit. d der Ruhegebietsverordnung ("Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke") zu subsumieren sei. Da die gegenständliche Deponie als "Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke" zu qualifizieren sei, sei diese im Sinn einer lex specialis nicht als verbotener lärmerregender Betrieb anzusehen. Dies ergebe sich aus dem Begriffsverständnis des § 6 lit. h TNSchG 2005, wonach Geländeaufschüttungen grundsätzlich einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung bedürften. Diese Ansicht treffe allerdings nur dann zu, wenn die Geländeaufschüttung im Sinne des TNSchG 2005 als genehmigungspflichtige Deponie im Sinne des AWG 2002 und nicht bloß als genehmigungsfreie Verwertungsmaßnahme anzusehen sei. Folglich sei davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber Deponien, wie die gegenständliche, die über keine baulichen Anlagen verfügten (das sei bei Bodenaushubdeponien regelmäßig der Fall), ausschließlich von § 6 lit. h TNSchG 2005 habe erfassen wollen und dies auch für den inhaltsgleichen § 3 Abs. 1 lit. d der Ruhegebietsverordnung gelte. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die gegenständliche Deponie keine bauliche Anlage im Sinne des § 6 lit. a TNSchG 2005 darstelle, weil nach den Gesetzesmaterialien diesbezüglich auf das baurechtliche Begriffsverständnis und die einschlägige Judikatur (Hinweis auf ) zurückzugreifen sei. Vor diesem Hintergrund könne es dahingestellt bleiben, ob das gegenständliche Vorhaben (auch) als ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung zu qualifizieren sei.

25 Unabhängig davon gehe die Revisionswerberin davon aus, dass der nicht definierte Begriff des "Betriebes" im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung nicht erfüllt sei. Nach der allgemeinen Wortbedeutung verstehe man darunter eine Wirtschaftsgüter produzierende oder Dienstleistungen erbringende wirtschaftliche Einrichtung. Der Begriff "Betrieb" habe daher die Nutzung/Bewirtschaftung von Einrichtungen bzw. Anlagen zur Hervorbringung von Früchten vor Augen, die auf eine bestimmte Dauer angelegt seien. Folglich umfasse ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung neben (baulichen) Anlagen auch deren Nutzung. Ohne Anlage liege kein Betrieb vor, und auch eine Anlage ohne Nutzung stelle keinen solchen Betrieb dar. Das gegenständliche Vorhaben diene ausschließlich der Deponierung des bei der Realisierung eines Vorhabens der Revisionswerberin anfallenden Tunnelaushubmaterials. In diesem Sinn finde kein Betrieb, sondern ausschließlich eine rund dreijährige Errichtungsphase statt. Nach Fertigstellung der Geländeaufschüttung bzw. der Deponie habe die Maßnahme für die Revisionswerberin keinen Nutzen mehr und werde von ihr daher auch nicht betrieben.

26 Jedenfalls stelle jedoch die gegenständliche Deponie keinen lärmerregenden Betrieb dar. Das Tatbestandsmerkmal "lärmerregend" könne nämlich nicht jegliche wahrnehmbare Lärmentwicklung durch einen Betrieb umfassen, sondern nur eine solche von bestimmter Intensität. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen (Hinweis auf die Materialien zum Tiroler Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 15/1975) lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber in Ruhegebieten insbesondere eine unkoordinierte Erschließung durch technische Fremdenverkehrseinrichtungen, die den Massentourismus fördern, habe verhindern wollen. Nach ihrer Errichtung werde die gegenständliche Deponie weder Lärmemissionen verursachen noch als technische Erschließung im Sinne der Gesetzesmaterialien wahrgenommen werden. Insoweit werde von keinem lärmerregenden Betrieb auszugehen sein.

27 Schließlich habe das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung die durch den Transport des Materials zur Deponie mittels LKW auf der S.-Straße entstehenden Lärmemissionen bei der Bewertung der Lärmerregung berücksichtigt, obwohl sich diese Straße mit öffentlichem Verkehr bereits außerhalb des Ruhegebietes befinde. Die Revisionswerberin gehe - der gewerberechtlichen Judikatur folgend - davon aus, dass Fahrbewegungen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr nicht mehr als ein zum Betrieb gehörendes Geschehen zu werten und die damit verbundenen Auswirkungen daher nicht Gegenstand des gegenständlichen Genehmigungsverfahrens seien (Hinweis auf ). Durch die Berücksichtigung von Fahrbewegungen auf öffentlichen Verkehrswegen (ca. 2.500 LKW-Fahrten) habe das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

28 Ferner sei im behördlichen Verfahren zwar vom beigezogenen lärmtechnischen Amtssachverständigen dargelegt worden, dass der "planungstechnische Grundsatz" beim nächstgelegenen Nachbarn um 11 dB unterschritten werde. Ermittlungsergebnisse zu den Auswirkungen auf das Ruhegebiet fehlten jedoch. Hätte das Verwaltungsgericht zu dieser Frage Ermittlungen durchgeführt und einen lärmtechnischen Sachverständigen beigezogen, hätte es festgestellt, dass sich das Vorhaben nicht maßgeblich auf die Ist-Situation im Ruhegebiet auswirke und somit der in § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung normierte Verbotstatbestand nicht erfüllt werde.

29 Darüber hinaus liege ein wesentlicher Begründungsmangel vor, weil das Verwaltungsgericht mit keinem Wort begründet habe, warum die Deponie nicht als Geländeaufschüttung zu qualifizieren sei. Weiters fehle eine Begründung dafür, warum die temporäre, für "Personen, die sich im Nahbereich der Deponie befinden, (wahrnehmbare)" Maßnahme lärmerregend im Sinne des Verbotstatbestandes sein sollte und Fahrbewegungen außerhalb des Betriebes auf öffentlichen Verkehrsflächen bei der Beurteilung der maßgeblichen Lärmerregung zu berücksichtigen sein sollten. 30 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa , mwN).

31 Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses standen das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018 und das TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26, in der Fassung LGBl. Nr. 32/2017 in Geltung.

32 § 2 Abs. 7 Z 4 und § 38 Abs. 1 AWG 2002 haben folgenden

Wortlaut:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

...

(7) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

...

4. ‚Deponien' Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden. Nicht als Deponien gelten

a) Anlagen, in denen Abfälle abgeladen werden, damit sie für den Weitertransport zur Behandlung an einem anderen Ort vorbereitet werden können,

b) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Verwertung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung drei Jahre nicht überschreitet, und

c) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Beseitigung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung ein Jahr nicht überschreitet.

..."

"Konzentration und Zuständigkeit

§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung."

33 Die § 1, 6, 11 und 29 TNSchG 2005 lauten auszugsweise:

"§ 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

  1. ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,

  2. ihr Erholungswert,

  3. der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und

  4. deren natürliche Lebensräume und

  5. d)ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

  6. bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wesentliche Bestandteile der Natur bilden insbesondere auch die Gewässer und die von Wasser geprägten Lebensräume, denen besondere Bedeutung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt, den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, das Naturerlebnis und die Erholung zukommt. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

  7. ..."

  8. "§ 6

  9. Allgemeine Bewilligungspflicht

Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer Bewilligung, sofern hiefür nicht nach einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes, einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetze eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist:

a) die Errichtung von baulichen Anlagen mit einer zusammenhängend bebauten Fläche von mehr als 2.500 m2, sofern sie nicht dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 9/2011, unterliegen, und von Windkraftanlagen zur Erzeugung elektrischer Energie;

...

h) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke in einem Ausmaß von mehr als 5.000 m2 berührter Fläche oder mehr als 7.500 m3 Volumen, sofern sie nicht nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 bewilligungspflichtig sind;

..."

"§ 11

Ruhegebiete

(1) Die Landesregierung kann außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur dadurch besonders geeignet sind, dass sie sich wegen des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, von Seilbahnen für die Personenbeförderung sowie von Straßen mit öffentlichem Verkehr durch weitgehende Ruhe auszeichnen, durch Verordnung zu Ruhegebieten erklären, wenn die Erhaltung dieser Gebiete für die Erholung von besonderer Bedeutung ist oder voraussichtlich sein wird.

(2) In Ruhegebieten sind verboten:

a) die Errichtung von lärmerregenden Betrieben;

...

d) jede erhebliche Lärmentwicklung; jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung gilt der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß;

...

(3) In Verordnungen nach Abs. 1 sind, soweit dies zur Erhaltung des Ruhegebietes erforderlich ist, entweder für den gesamten Bereich des Ruhegebietes oder für Teile davon an eine naturschutzrechtliche Bewilligung zu binden:

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung aller oder bestimmter Arten von Anlagen, soweit sie nicht unter Abs. 2 lit. a oder b fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

...

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

e) die Verwendung von Kraftfahrzeugen."

"§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

(1) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

...

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den § 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

...

darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

..."

34 Die § 2 und 3 der aufgrund des § 11 Abs. 1 und 3

TNSchG 2005 erlassenen Ruhegebietsverordnung, LGBl. Nr. 108/2016,

lauten auszugsweise:

"§ 2

Verbote

Im Ruhegebiet sind gemäß § 11 Abs. 2 des Tiroler

Naturschutzgesetzes 2005 verboten:

  1. die Errichtung von lärmerregenden Betrieben;

  2. die Errichtung von Seilbahnen für die Personenbeförderung;

  3. ...

  4. jede erhebliche Lärmentwicklung; jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung gilt der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß;

  5. ..."

  6. "§ 3

  7. Bewilligungspflichtige Vorhaben, Ausnahmen

(1) Im Ruhegebiet bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, sofern im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist:

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, soweit sie nicht unter § 2 lit. a oder b fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 berührt werden;

...

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

e) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

..."

35 Die Bezirkshauptmannschaft beurteilte die projektierte Deponie (u.a.) unter dem Blickwinkel des § 3 Abs. 1 lit. d der Ruhegebietsverordnung ("Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke"). Das Verwaltungsgericht qualifizierte die Deponie als Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a der Ruhegebietsverordnung und führte (u.a.) aus, dass es sich bei der Deponie um eine Abfallbehandlungsanlage im Sinne des § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002 handle.

36 Das TNSchG 2005 enthält - ebenso wie die Ruhegebietsverordnung - keine Definition des jeweils darin verwendeten Begriffes "Anlage". Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist unter einer "Anlage" im Sinne des TNSchG 2005 alles zu verstehen, was durch die Hand des Menschen angelegt wird (vgl. etwa , mwN). Im Sinne dieses weiten Begriffsverständnisses (vgl. dazu etwa auch , mwN) ist daher mit "Errichtung von Anlagen" nicht nur die Errichtung von Hochbauten und anderen, mit dem Grund und Boden in ähnlicher Weise fest verbundenen Anlagen gemeint, sondern bereits jede auf relative Dauer angelegte Herstellung von Einrichtungen auf einer Grundfläche erfasst (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das zum Steiermärkischen Naturschutzgesetz 1976 ergangene Erkenntnis , mwN). 37 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes soll Tunnelausbruchmaterial in einer Menge von rund 78.000 m3 ("lose") langfristig auf einer Fläche von rund 14.500 m2 abgelagert werden. Für den Einbau des Deponiematerials sind drei Schüttphasen vorgesehen. Um die vorgesehenen Flächen für den Deponiebetrieb nutzen zu können, sind als Maßnahmen vor allem die Rodung des Deponiebereiches, das Abschieben des Humus und dessen seitliche Zwischenlagerung im Bereich der ebenen Geländeflächen entlang des Zufahrtsweges und die Herstellung der Manipulationsflächen notwendig.

38 Daraus ergibt sich, dass durch diese Maßnahmen eine Einrichtung hergestellt werden soll, die auf Dauer eingerichtet ist und für die langfristige Lagerung von Abfällen genutzt werden soll, und dass dadurch nicht bloß eine (lediglich vorübergehende) Aufschüttung von Aushubmaterial in der Natur stattfinden soll. Auf dem Boden der oben zitierten Judikatur zum Begriff "Anlage" im Sinne naturschutzrechtlicher Vorschriften kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es die geplante Deponie als "Anlage" im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a der Ruhegebietsverordnung und nicht als "Geländeaufschüttung" im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. d dieser Verordnung qualifiziert hat. 39 In Bezug auf die relevierte Frage, ob die geplante Deponie einen "lärmerregenden Betrieb" darstellt und daher den Verbotstatbestand des § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bzw. des § 2 lit. a der Ruhegebietsverordnung erfüllt, ist Folgendes auszuführen:

40 § 11 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 sieht ein absolutes Verbot für die Errichtung von lärmerregenden Betrieben in einem Ruhegebiet vor. Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff "Betrieb" ist dabei nicht auf Gewerbebetriebe beschränkt. Vielmehr ist dieser Begriff unter Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Ziele auszulegen (vgl. zur Auslegung nach dem Gesetzeszusammenhang und dem Zweck von naturschutzrechtlichen Regelungen etwa , mwN). 41 So hat das TNSchG 2005 zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit, ihr Erholungswert, der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden (vgl. § 1 Abs. 1 leg. cit.). Die in § 11 TNSchG 2005 erteilte Ermächtigung, Gebiete durch Verordnung zu Ruhegebieten zu erklären, hat zum Ziel, Gebiete, die sich durch weitgehende Ruhe auszeichnen, zum Zweck der Erholung von Menschen zu erhalten. Das Verständnis betreffend den in dieser Bestimmung verwendeten Begriff "lärmerregender Betrieb" hat sich daher insbesondere daran zu orientieren, dass durch eine Betriebstätigkeit nicht der Erholungswert des Ruhegebietes beeinträchtigt wird.

42 Das Verwaltungsgericht führte im Rahmen seiner Beurteilung, dass die gegenständliche Deponie den Begriff eines "Betriebs" im Sinne des TNSchG 2005 bzw. der Ruhegebietsverordnung verwirkliche, (u.a.) aus, dass sie der Anlieferung und der geordneten Ablagerung von genau definierten Abfallarten diene sowie die Zulieferung und der Einbau der angelieferten Abfallarten unter Einhaltung von Vorschriften erfolgten, um sicherzustellen, dass von den abgelagerten Materialien keine Gefahren ausgingen. Darüber hinaus bewirkten die Errichtung der Deponie und die damit verbundenen ca. 2.500 LKW-Fahrten zusätzliche Lärm- und Staubentwicklungen, die sich nachteilig auf den Erholungswert auswirkten. Das Verwaltungsgericht berücksichtigte damit neben der Ausgestaltung der Betriebsorganisation auch mögliche Beeinträchtigungen des Erholungswertes des Ruhegebietes. Dem Verwaltungsgericht kann nun nicht entgegengetreten werden, wenn es angesichts der mit der genannten Anlieferung und Ablagerung verbundenen Tätigkeit einen "Betrieb" im Sinne des TNSchG 2005 bzw. der Ruhegebietsverordnung als gegeben erachtete.

43 Das TNSchG 2005 enthält keine Definition des Begriffes "Erholung" bzw. "Erholungswert". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird mit "Erholung" die "Rückgewinnung verbrauchter körperlicher und/oder seelischer Kräfte durch Schlaf, Ruhe und Ausgleichstätigkeit (Freizeit, Urlaub)" verstanden (vgl. etwa Brockhaus, Enzyklopädie, Band 8, 21. Auflage, S. 282; im ähnlichen Sinn auch Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Band 10, 4. Auflage, S. 342).

44 Der Erholungswert von Ruhegebieten ist durch weitgehende Ruhe wegen des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, von Seilbahnen für die Personenbeförderung und von Straßen mit öffentlichem Verkehr gekennzeichnet (vgl. § 11 Abs. 1 TNSchG 2005). Zu diesem Erholungswert gehört auch das Fehlen von erheblichen Immissionen, wie z.B von Lärm, Staub, Abgasen (vgl. etwa ). Dabei geht es um die auf konkreten Umständen beruhende Eignung der Landschaft, dem Erholungsbedürfnis von Menschen zu dienen (vgl. etwa , mwN).

45 Die Beeinträchtigung des Erholungswertes eines Gebietes durch ein Vorhaben hängt nicht davon ab, ob sich Erholung Suchende tatsächlich dort aufhalten und sie durch dieses Vorhaben in ihrer Erholung tatsächlich gestört werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die Eignung des Gebietes, Erholung Suchenden Erholung zu bieten, durch das Vorhaben beeinträchtigt wird, das heißt, ob das Vorhaben in einem Gebiet, das geeignet ist, Erholung zu bieten, Erholung Suchende in ihrer Erholung beeinträchtigen würde (vgl. etwa ).

46 Der naturkundliche Amtssachverständige Dr. L. führte in seinem Gutachten vom (u.a.) aus, dass das Z.-Tal von Frühjahr bis Herbst ein beliebtes Wandergebiet darstelle und die Deponierungsphase vor allem die Hauptwanderzeit betreffe. Das Verwaltungsgericht stellte - gestützt auf die Ausführungen der naturkundlichen Amtssachverständigen - fest, dass die durch die eingesetzten Maschinen (Hydraulikbagger, Walzenzug, LKW) erzeugten Schallemissionen für Personen, die sich im Nahbereich der Deponie aufhielten, wahrnehmbar seien. Es seien allerdings keine zusätzlichen Schallimmissionen zu erwarten, die geeignet wären, die akustische Ist-Situation bei den nächstgelegenen Nachbarn in einem relevanten Ausmaß zu verändern. Die Lärmentwicklung durch den Einbau des angelieferten Materials stelle gegenüber der derzeitigen Situation jedenfalls eine relevante Änderung dar. Darüber hinaus sei mit ca. 2.500 LKW-Fahrten auf längerer Strecke unmittelbar entlang des Ruhegebietes zu rechnen.

47 Die Revision weist in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf hin, dass die S.-Straße, über welche das Aushubmaterial zur Deponie transportiert werden soll, außerhalb des Ruhegebietes liegt und deshalb nicht in die Beurteilung, ob die Deponie lärmerregend ist, miteinzubeziehen ist. 48 Das Verwaltungsgericht verkennt nämlich, dass das bloße Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr, welche sich nicht innerhalb des Ruhegebietes befindet, auch wenn es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handelt, nicht als zum Betrieb gehörendes Geschehen gewertet werden kann. Entscheidend ist hiefür, ob die befahrene Verkehrsfläche einen Teil der gegenständlichen Betriebsanlage bildet oder als (unter anderem) bloß der Zufahrt zu dieser Betriebsanlage dienende Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen ist. In diesem letzteren Fall sind verkehrsbedingte Immissionen nicht der Betriebsanlage zuzurechnen (vgl. in diesem Zusammenhang aus der zur Gewerbeordnung 1994 ergangenen hg. Judikatur etwa , mwN). Zwar genügt für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung der Errichtung einer Anlage "im" Ruhegebiet (§ 3 Abs. 1 lit. a der Ruhegebietsverordnung) nach der hg. Rechtsprechung die auch nur teilweise Lage des Projektes innerhalb des Ruhegebietes, weil das TNSchG 2005 eine Beurteilung des Vorhabens in seiner Gesamtheit und nicht der einzelnen, das Vorhaben bildenden (unselbständigen) Anlagenteile verlangt (vgl. etwa das zum Tiroler Naturschutzgesetz 1997, das als TNSchG 2005 wiederverlautbart wurde, ergangene Erkenntnis ). Im vorliegenden Fall geht jedoch bereits aus dem verfahrenseinleitenden Antrag hervor, dass die S.- Straße keinen Teil des Vorhabens bildet. Da die S.-Straße außerhalb des Ruhegebietes verläuft, kann somit die durch den Verkehr auf dieser Straße hervorgerufene Lärmentwicklung bei der Beurteilung, ob es sich bei der geplanten Deponie um einen "lärmerregenden Betrieb" handelt, nicht berücksichtigt werden. 49 Für die Beurteilung, ob eine erhebliche, weil die Erholung von Menschen in der freien Natur beeinträchtigende, "Lärmerregung" ausschließlich bereits durch die Betriebstätigkeit der projektierten Deponie innerhalb des Ruhegebietes hervorgerufen würde oder nur unter Mitberücksichtigung eines Verkehrslärms aufgrund der Zu- und Abfahrten der LKW auf der S.-Straße gegeben wäre, fehlen ausreichend konkrete Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis. In diesem Zusammenhang führte der naturkundliche Amtssachverständige Dr. L., auf dessen Gutachten sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis gestützt hat, in der mündlichen Verhandlung am aus, dass sich die Aussagen zur Lärmentwicklung in seinem Gutachten zwar vor allem auf die auf der Deponie eingesetzten Maschinen bezögen, in der Gesamtbetrachtung jedoch auch der Zubringerverkehr, also auch der Verkehr entlang des Ruhegebietes, berücksichtigt worden sei. 50 Da somit das Verwaltungsgericht verkannt hat, dass der Verkehrslärm aufgrund der Zu- und Abfahrten der LKW auf der nicht innerhalb des Ruhegebietes verlaufenden S.-Straße bei der Beurteilung, ob eine im Sinne des TNSchG 2005 erhebliche lärmerregende Betriebstätigkeit vorliegt, nicht zu berücksichtigen ist, und infolge Verkennung dieser Rechtslage keine ausreichend konkreten Feststellungen zum Ausmaß der nur durch die Betriebstätigkeit der projektierten Deponie innerhalb des Ruhegebietes hervorgerufenen Lärmentwicklung und deren Einfluss auf den Erholungswert für Erholung Suchende getroffen hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

51 Darüber hinaus bedarf es für eine abschließende Beurteilung, ob mit der hier in Rede stehenden Betriebstätigkeit eine Lärmerregung verbunden ist, die geeignet ist, Erholung Suchende in ihrer Erholung zu beeinträchtigen, auch konkreter Feststellungen, wie die nähere Umgebung der Deponie ausgestaltet ist, wofür insbesondere die Lage und Entfernung allfälliger Wanderwege oder sonstiger Erholungseinrichtungen zu berücksichtigen und diese in Beziehung zur Intensität des von der geplanten Deponie ausgehenden Lärmes zu setzen sind. Es ist zwar richtig, dass es für die Prüfung, ob es sich bei einem Vorhaben um einen "lärmerregenden Betrieb" handelt, nicht von entscheidender Bedeutung ist, dass Nachbarn durch den Lärm nicht beeinträchtigt werden. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass die durch die angeführten Maschinen erzeugten Schallemissionen für Personen, die sich im Nahbereich aufhielten, wahrnehmbar seien, genügt jedoch nicht, um das Vorliegen eines "lärmerregenden Betriebes" im Sinne des TNSchG 2005 bzw. der Ruhegebietsverordnung nachvollziehbar zu begründen. Dieser Aussage kann nämlich nicht entnommen werden, ob diese bloße Wahrnehmbarkeit von Schallemissionen geeignet ist, den Erholungswert für Erholung Suchende innerhalb des Ruhegebietes zu beeinträchtigen. 52 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018050018.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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