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VwGH vom 17.12.2018, Ro 2018/05/0008

VwGH vom 17.12.2018, Ro 2018/05/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW- 111/082/3849/2016-4, betreffend Vorschreibung einer Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei:

T GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 8/2; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin der im Bauland gelegenen Liegenschaft S Weg 100. Die auf der gegenüberliegenden Straßenseite des hier 10 m breiten S Weges gelegene Liegenschaft weist die Widmung "Grünland - Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" ("Sww") auf. Diese Liegenschaft, die im Ausmaß von 23 m2 auch vor die Straßenfluchtlinie in den S Weg ragt, gehört einem Dritten.

2 Mit Antrag vom suchte die mitbeteiligte Partei für die Liegenschaft S Weg 100 beim Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) um Genehmigung der Abteilung zur Schaffung eines Bauplatzes an.

3 Im Akt befinden sich ein grundtechnisches Amtssachverständigengutachten vom sowie ein amtssachverständiges Schätzgutachten vom . Im grundtechnischen Gutachten wurde nach einer Darstellung der historischen Entwicklung der Bebauungsbestimmungen und der Grundstückskonfigurationen und der Aufzeigung der Notwendigkeit von Plankorrekturen, soweit hier relevant, ausgeführt, dass eine Verpflichtung zur Abtretung einer näher bezeichneten Teilfläche bestehe (es handelt sich hierbei um die 23 m2 große, in den S Weg ragende Teilfläche der Liegenschaft des Dritten). Im Schätzgutachten, das die Ermittlung des Grundwertes dieser Teilfläche zum Gegenstand hat, wurde ausgeführt, dass für die Bewertung die Bauplatzwidmung heranzuziehen sei. Auf Grund näher angeführter Vergleichswerte sei der derzeitige, örtliche, unparzellierte Baulandwert auf ca. 450,-/m2 zu schätzen.

4 Mit Bescheid des Magistrates vom wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 Abs. 4a Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) als Geldleistung für die Erfüllung ihrer unentgeltlichen Abtretungsverpflichtung in das öffentliche Gut ein Betrag von EUR 13.952,60 vorgeschrieben.

5 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine gemäß § 17 Abs. 4 BO unentgeltliche Abtretungsverpflichtung der näher bezeichneten Teilfläche im Ausmaß von 23 m2, die sich nicht im Eigentum der mitbeteiligten Partei befinde, bestehe. Da nach der Erklärung des Antragstellers die Abtretung nicht in natura stattfinden solle, sei dafür gemäß § 17 Abs. 4a BO eine Geldleistung in der Höhe des vollen Grundwertes zu erbringen. Das Schätzgutachten habe für die Grundfläche einen derzeitigen örtlichen Grundwert von insgesamt EUR 10.350,-- ergeben; für die der Gemeinde im Rahmen der Grundabtretung erwachsenden Kosten sei ein Betrag von EUR 3.602,60 angemessen (wurde näher ausgeführt).

6 Verkehrsflächen im Bauland stellten keine eigene Widmungskategorie dar; sie seien vielmehr - unabhängig von ihrer tatsächlichen Nutzung - widmungsmäßig den Liegenschaften zuzurechnen, zu deren Erschließung sie gedacht und von denen sie abzutreten seien. Im Bauland erfolge die Festlegung der Verkehrsflächen durch Baulinien im Bebauungsplan. Mangels eigener Widmungskategorie teile die ausgewiesene Fläche das Schicksal des angrenzenden Widmungsbereiches, sei also "nicht bebaubares Bauland".

7 Für Liegenschaften, welche als "Grünland - Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" gewidmet seien, bestehe keine Verpflichtung zur Grundabtretung. Das bedeute, dass gemäß § 17 Abs. 1 BO die gesamte Straßenbreite von der hier gegenständlichen Liegenschaft abzutreten sei. Aus diesem Grund sei die abzutretende Fläche auch der gegenständlichen Liegenschaft "zuzurechnen". Für die Bemessung der Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a BO sei folglich jene Widmung heranzuziehen, welche die abtretungsverpflichtete Liegenschaft aufweise.

8 Bei den vorgeschriebenen Kosten handle es sich um keine Verfahrenskosten, sondern um den in § 17 Abs. 4a BO vorgesehenen angemessenen Beitrag zu den Kosten, die der Gemeinde im Rahmen des Grundabtretungsverfahrens erwachsen würden.

9 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

10 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Beschwerde Folge gegeben, der Bescheid des Magistrates vom aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen (Spruchpunkt I.); die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

11 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Bewertungs- und Entschädigungsgrundsätzen im Wesentlichen aus, dass bei der Bewertung der Teilfläche zunächst von der "Qualität (nicht notwendigerweise der Widmung)" des Grundstückes auszugehen sei, die es besessen habe, unmittelbar bevor die Abteilung erfolgt sei. Daraus ergebe sich, dass es nicht auf die Widmung der abtretungsverpflichteten Liegenschaft ankommen könne. Es sei aber auch nicht allein auf die aktuelle Widmung des die Teilfläche beinhaltenden Grundstückes abzustellen. Vielmehr seien die aktuelle tatsächliche Verwendung sowie auch die bestehenden, in naher Zukunft realistischer Weise in Betracht kommenden Verwendungsmöglichkeiten maßgeblich. Für die von der Behörde herangezogene Vergleichswertmethode bedeute dies, dass nicht ohne Weiteres (nämlich ohne absehbare baulandähnliche Nutzung) die Verkaufspreise für Baugrundstücke heranzuziehen seien, sondern es seien ähnlich gelegene und annähernd vergleichbare Grundstücke unter gedanklicher Ausblendung des geplantes Bauprojektes und des Grundabteilungsverfahrens heranzuziehen.

12 Dies stehe im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach Wertsteigerungen eines Grundstückes außer Betracht zu bleiben hätten, die als direkte Folge ausschließlich bei dem von der Enteignung betroffenen Grundstück (nicht aber bei anderen vergleichbaren Grundstücken als Ausfluss einer Aufwertung der gesamten Umgebung) durch das die Enteignung verursachende Bauprojekt entstünden (Hinweis auf ).

13 Da auf dieser Grundlage das gesamte Ermittlungs- und Bewertungsverfahren neu durchzuführen sei, sei der Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen.

14 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Heranziehung der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Bemessung von Enteignungsentschädigungen in Verfahren zur Bemessung von Geldleistungen gemäß § 17 Abs. 4a BO gebe.

15 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrates mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

16 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Bemessung von

Geldleistungen nach § 17 Abs. 4a BO zulässig.

18 In der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die

Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hätten und eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an enge Voraussetzungen gebunden sei. Das Verwaltungsgericht habe die Zurückverweisung nicht schlüssig begründet. Es habe zwar weitere Ermittlungen für notwendig erachtet, eine Unterlassung der Ermittlungstätigkeit durch die Behörde, die zu einer Zurückverweisung berechtigte, liege jedoch nicht vor.

19 Zur Frage der Bewertung der Geldleistung nach § 17 Abs. 4a BO wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BO keine Widmungskategorie "Verkehrsfläche" kenne. Für die Bewertung einer Grundfläche, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a BO festzusetzen sei, sei daher die Widmung und Nutzungsmöglichkeit der mit der Abtretungsverpflichtung belasteten Liegenschaft maßgeblich.

20 Für die Widmung "Grünland - Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" bestehe keine Verpflichtung zur Grundabtretung. Im gegenständlichen Fall sei die gesamte Straßenbreite von der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei abzutreten. Entscheidend sei nicht die Frage, "ob" (gemeint wohl: wo) die Widmungsgrenze zwischen Bauland und Grünland liege, sondern in welchem Widmungsgebiet sich die mit der Abtretungsverpflichtung belastete Liegenschaft befinde.

21 Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes sei nicht zielführend, zumal sich die Nutzbarkeit von den zu Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bereits durch die Festsetzung der Fluchtlinien im Bebauungsplan verändere und zur Folge hätte, dass der Grundwert "gleich null" wäre. Der Wert der abzutretenden Grundfläche sei am Wert des geschaffenen Bauplatzes zu messen. Dies gelte im Sinne der Gleichbehandlung auch dann, wenn der Abtretungsverpflichtung nicht in natura, sondern durch die Entrichtung einer Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a BO nachgekommen werde. Es dürfe wertmäßig keinen Unterschied machen, ob ein Liegenschaftseigentümer in natura abtrete oder stattdessen eine Geldleistung entrichte.

22 Bei sämtlichen Ersatzleistungs- und Entschädigungsverfahren werde bei der Bemessung auf die Widmung der verpflichteten oder berechtigten Liegenschaft abgestellt. Es würde der Systematik der BO widersprechen, würde man bei der Bemessung von Geldleistungen gemäß § 17 Abs. 4a BO andere Bewertungsgrundsätze gelten lassen als bei Entschädigungen nach § 17 Abs. 5 und § 58 BO.

23 Das Abstellen auf die tatsächliche Verwendung der Grundflächen, die in öffentliche Verkehrsflächen fielen, hätte zur Folge, dass ein sehr niedriger Wert festzusetzen sei. Würde dieselbe Verkehrsfläche aber verschmälert oder aufgelassen werden, wäre bei der Rückabwicklung ein jedenfalls höherer Wert anzusetzen, weil die Fläche im Zeitpunkt der Rückstellung nicht mehr in der Verkehrsfläche läge und somit wieder eine der Widmung entsprechende Verwendung möglich wäre. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes würde bei Aufeinandertreffen einer Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a BO und einer Rückabwicklung aufgrund einer Änderung des Bebauungsplanes gemäß § 58 Abs. 2 lit. d BO zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen führen.

24 § 17 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO), LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:

"Grundabtretungen zu Verkehrsflächen bei Abteilungen im Bauland

§ 17. (1) Bei der Schaffung oder Änderung von Bauplätzen, Baulosen oder Teilen von solchen sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in das öffentliche Gut zu übertragen; eine Belastung durch Verpflichtungen, die der Herstellung, Erhaltung und Benützung öffentlicher Aufschließungsleitungen oder Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienen, hindert die Übertragung in das

öffentliche Gut nicht. ... Die Abtretungsverpflichtung entfällt,

wenn eine im Eigentum eines Dritten stehende Grundfläche gegen Entschädigung (Abs. 5) abzutreten wäre.

...

(4) Soweit die Verpflichtung zur Übertragung in das öffentliche Gut gemäß Abs. 1 besteht, sind hiebei entlang der Baulinien unbeschadet des Abs. 5 unentgeltlich abzutreten:

a) alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind, an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmals angebaut werden soll,

b) die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei Abteilung einer Grundfläche, die bisher unbebaut war und als Bauplatz beziehungsweise als Baulos noch nicht behördlich genehmigt worden ist.

(4a) Kann der Verpflichtung zur Übertragung von Grundflächen in das öffentliche Gut gleichzeitig mit der Grundabteilung nicht oder nicht zur Gänze entsprochen werden, weil sie im Eigentum eines Dritten stehen, gilt die Abtretungsverpflichtung als erfüllt, wenn der Abteilungswerber an die Gemeinde eine Geldleistung in der Höhe des vollen Grundwertes (§ 57 Abs. 3) sowie einen angemessenen Beitrag zu den Kosten, die der Gemeinde im Rahmen des Grundabteilungsverfahrens erwachsen, entrichtet. Zur Festsetzung dieser Geldleistung hat die Behörde das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Diese Leistung ist durch Bescheid vorzuschreiben und innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten; § 59 Abs. 8 gilt sinngemäß. Die Entrichtung dieser Leistung bildet eine Voraussetzung für die Erteilung der Abteilungsbewilligung; hievon kann die Behörde Abstand nehmen, wenn die Einbringlichkeit außer Zweifel steht.

...

(5) Beträgt die abzutretende Grundfläche mehr als 30 vH des zu schaffenden Bauplatzes oder Bauloses, ist für das darüber hinausgehende Ausmaß sowie für alle übrigen abzutretenden und nicht von Abs. 4 erfassten Grundflächen von der Gemeinde Entschädigung zu leisten. Hiebei finden die Bestimmungen der § 57 und 58 Anwendung. ...

..."

25 Die Bestimmung des § 17 Abs. 4a BO wurde mit der Verfahrensnovelle 2005, LGBl. Nr. 41/2005, eingeführt. Die erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung, BlgLT 6/2005, 5, lauten auszugsweise wie folgt:

"..., führt die Verpflichtung zur Abtretung von im Eigentum eines Dritten stehenden Grundflächen in das öffentliche Gut in der Praxis zu erheblichen Verzögerungen des Grundabteilungsverfahrens und steht mit dem Grundsatz der Verwaltungsökonomie (§ 39 Abs. 2 AVG) nicht im Einklang. Durch den neuen Abs. 4a wird daher für den Abteilungswerber die Möglichkeit eröffnet, an Stelle des Erwerbes und der Abtretung solcher Flächen seine Abtretungsverpflichtung durch die Entrichtung einer Geldleistung in der Höhe des vollen Grundwertes zu erfüllen. Die Gemeinde hat die für den Straßenausbau benötigten Grundflächen in weiterer Folge selbst - sei es auf privatrechtlicher Basis oder mit hoheitlichen Mitteln (§ 39 Abs. 1) - zu erwerben."

26 § 39 BO regelt die Enteignung für Verkehrsflächen und öffentliche Aufschließungsleitungen.

27 § 57 BO in der Fassung LGBl. Nr. 24/2008 lautet auszugsweise:

"Entschädigungsgrundsätze

§ 57. ...

(3) Bei Ermittlung der Entschädigung für Grundflächen und deren Zugehör ist in einem eigenen Verfahren der Wert (§ 305 ABGB) nach Zeit, Lage, Beschaffenheit und jenem Nutzen festzustellen, den jedermann bei vernünftigem Gebrauch erzielen kann.

..."

28 § 58 BO enthält besondere Bestimmungen bei Änderung des Bebauungsplanes durch Verschmälerung, Verbreiterung, Auflassung oder Änderung der Verkehrsflächen, darunter auch "Rückübereignungsfälle".

29 § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

"4. Abschnitt

Erkenntnisse und Beschlüsse

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

  2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

..."

30 § 17 Abs. 1 BO sieht vor, dass bestimmte Grundflächen (unter anderem) bei Schaffung eines Bauplatzes für Verkehrsflächen in Anspruch genommen werden können, wobei es sich um einen Fall einer Enteignung handelt (vgl. , mwN). Entscheidend für diese Abtretungsverpflichtung ist, dass die betreffenden Grundflächen "nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallen", wobei es - wie schon die Bestimmung des § 17 Abs. 4a BO zeigt - nicht darauf ankommt, ob sie zur selben Liegenschaft wie der Bauplatz, dessen Schaffung die Abtretungspflicht auslöst, gehören.

31 Steht eine abzutretende Grundfläche im selben Eigentum wie der Bauplatz, ist die Grundfläche in natura in das öffentliche Gut zu übertragen. Befindet sich die abzutretende Grundfläche hingegen im Eigentum eines Dritten, ermöglicht § 17 Abs. 4a BO dem Abteilungswerber, seiner Abtretungsverpflichtung durch die Entrichtung einer Geldleistung nachzukommen.

32 Die Geldleistung nach § 17 Abs. 4a erster Satz BO ist "in der Höhe des vollen Grundwertes (§ 57 Abs. 3)" zu erbringen. Der Gesetzestext nimmt dabei systematisch auf jene Grundflächen Bezug, bezüglich derer der Verpflichtung zur Übertragung in natura wegen des Eigentums eines Dritten nicht entsprochen werden kann.

33 Der in der BO verwendete Begriff des "vollen Grundwertes" ist grundsätzlich mit dem Verkehrswert gleichzusetzen (vgl. ). Er ist gemäß § 57 Abs. 3 BO nach Zeit, Lage, Beschaffenheit und jenem Nutzen festzustellen, den jedermann bei vernünftigem Gebrauch erzielen kann.

34 Wie die Materialien zu § 17 Abs. 4a BO zeigen, hat die Gemeinde die benötigten Grundflächen selbst - auf privatrechtlicher Basis oder im Wege der Enteignung nach § 39 BO - zu erwerben. Die Geldleistung (sowie der Kostenbeitrag) nach § 17 Abs. 4a BO dient folglich dazu, der Gemeinde die ihr durch den Grunderwerb entstehenden Aufwendungen zu ersetzen. Dadurch wurde die bis zur Novelle LGBl. 41/2005 bestehende Regelung, wonach der Abteilungswerber die betreffenden Grundflächen jedenfalls, wenn nötig auch im Wege der Enteignung, zunächst selbst zu erwerben hatte, um sie anschließend in das öffentliche Gut zu übertragen, ersetzt.

35 Aus all dem folgt, dass auf Grund des § 17 Abs. 4a BO weder eine Bereicherung der Gemeinde noch auch ein "Schaden" für die Gemeinde eintreten darf. Nach objektiven Grundsätzen maßgeblich muss daher bezüglich der Geldleistung nach § 17 Abs. 4a BO sein, wieviel die Gemeinde im Fall der Enteignung an den Dritten zu zahlen hätte. Es liegt schon aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen auf der Hand, dass die von der Gemeinde an den Dritten zu leistende Enteignungsentschädigung anhand der ihm entzogenen Grundfläche und nicht anhand des aus seiner Sicht fremden Bauplatzes zu bemessen ist. Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend ausgeführt, dass die Ermittlung der Höhe der Geldleistung nach § 17 Abs. 4a BO nicht anhand der Eigenschaften des Bauplatzes, sondern anhand der Eigenschaften der abzutretenden Grundfläche, die im Eigentum des Dritten steht, zu erfolgen hat. Daran vermag auch der Hinweis der Revision auf die Vorgangsweise bei Entschädigungen gemäß § 17 Abs. 5 BO und bei Rückübereignungen gemäß § 58 BO nichts zu ändern, zumal es sich hier nicht um eine Rückübereignung handelt und, anders als bei § 17 Abs. 5 BO, die Entschädigung für eine Grundfläche eines Dritten zu leisten ist.

36 Bei der Bewertung der fremden, abzutretenden Grundfläche hat im Übrigen die Festlegung als Verkehrsfläche, die der Gemeinde ja erst die Enteignung gemäß § 39 BO ermöglicht, außer Betracht zu bleiben; mit anderen Worten ist auf diejenige fiktive Nutzungsmöglichkeit der betroffenen Grundfläche abzustellen, die sich ergeben hätte, wenn die Festlegung als Verkehrsfläche nicht erfolgt wäre (vgl. ; , 4 Ob 1570/92; vgl. auch ).

37 Was die Widmung der gegenständlichen Grundfläche betrifft, wird bei Vorliegen verschiedener Widmungen beiderseits der Verkehrsfläche im Zweifel davon auszugehen sein, dass die Widmungsgrenze in der Achse der Verkehrsfläche verläuft, sofern dem Flächenwidmungsplan keine anderen eindeutigen Festlegungen zu entnehmen sind (Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, § 39 Anm. 1; Kleewein, Abtretung von Fremdgrund und Geldleistung nach der Bauordnung für Wien, bbl 2005, 224 (226 f) FN 23). Auch der Verlauf einer Plangebietsgrenze wird zur Auslegung heranzuziehen sein, wenn, wie hier, verschiedene Flächenwidmungspläne verschiedene Widmungen beiderseits dieser Grenze festlegen.

38 Im Ergebnis erweist sich die Revision jedoch mit ihrem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht nicht mit einer kassatorischen Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG hätte vorgehen dürfen, als berechtigt:

39 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis , dargelegt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen ließen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden. Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass eine erforderliche Ergänzung eines Gutachtens bzw. Befragung von Sachverständigen oder überhaupt die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens im Allgemeinen nicht die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen (vgl. , mwN) .

40 Der Magistrat hat neben einem grundtechnischen Gutachten ein Schätzgutachten zum Wert der Grundfläche eingeholt. In Anbetracht des Umstandes, dass derartige Gutachten an sich geeignet sind, den hier maßgeblichen Sachverhalt festzustellen (wobei die Einholung des Schätzgutachtens nach § 17 Abs. 4a zweiter Satz BO geboten ist), kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder den Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hätte. Fallbezogen liegen die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung daher auch dadurch nicht vor, dass das Verwaltungsgericht auf Grund der von ihm angestellten Überlegungen zum Ergebnis gelangt ist, dass ein neues Gutachten einzuholen sein wird.

41 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018050008.J00
Schlagworte:
Planung Widmung BauRallg3 Gutachten Ergänzung

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