VwGH vom 18.03.2022, Ro 2018/04/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der S GmbH in K, vertreten durch die SchneideR'S Rechtsanwalts-KG in 1010 Wien, Ebendorferstraße 10/6b, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. 1. W157 2006170-1/38E und 2. W157 2118772-1/25E, betreffend Feststellung der Kosten, der Zielvorgaben und des Mengengerüstes gemäß § 48 ElWOG 2010 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizität- und Erdgaswirtschaft; mitbeteiligte Parteien: 1. Wirtschaftskammer Österreich in 1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63; 2. Bundesarbeiterkammer in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
11. Die revisionswerbende Partei ist eine für ein näher bezeichnetes Gebiet in der Steiermark konzessionierte Verteilernetzbetreiberin im Sinn des § 42 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) iVm § 44 Steiermärkisches Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (Stmk. ElWOG 2005).
2Das gegenständliche Revisionsverfahren betrifft die durch Bescheide der belangten Behörde (Vorstand der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft [E-Control]) gegenüber der revisionswerbenden Partei erfolgte Festsetzung der Kosten, der Zielvorgaben und des Mengengerüstes gemäß §§ 48 und 59 ElWOG 2010.
32. Mit Bescheiden vom (für das Jahr 2014) und vom (für das Jahr 2016) stellte die belangte Behörde jeweils in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren gegenüber der revisionswerbenden Partei den Kostenanpassungsfaktor mit 4,365 % (Spruchpunkt 1.), die Kosten für die Systemnutzung (Spruchpunkt 2.), die Kosten für Netzverluste (Spruchpunkt 3.), das der Entgeltermittlung für die Netznutzung und Netzverluste zu Grunde zu legende Mengengerüst (Spruchpunkt 4.) sowie die Mengenbasis für den Bezug aus dem vorgelagerten Netz sowie für zusätzlich vorgelagerte Netzkosten (Spruchpunkt 5.) fest und wies die von den festgestellten Kosten und Werten abweichenden Anträge ab (Spruchpunkt 6.).
43.1. Die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Partei wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom (mit einer hier nicht relevanten Maßgabe) als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
53.2. Das Bundesverwaltungsgericht legte in seiner Begründung den bisherigen Verfahrensgang dar und führte aus, dass mit Einbringungsvertrag vom der bis dahin von der Stadtgemeinde K geführte Betrieb Energieversorgung rückwirkend per ausgegliedert und auf die revisionswerbende Partei übertragen worden sei. Teil des Einbringungsvorganges sei das Personalübereinkommen gewesen, mit dem die zuvor im Betrieb Energieversorgung beschäftigten Gemeindebediensteten der revisionswerbenden Partei unter Wahrung aller ihrer bisherigen Ansprüche gegen Übernahme der Personalkosten zur Dienstleistung zugewiesen worden seien.
Die Zielvorgaben sowie die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate würden ausschließlich auf die von der revisionswerbenden Partei beeinflussbaren Kosten wirken. Die nicht beeinflussbaren Kosten würden daher aus der dem Regulierungspfad unterliegenden Kostenbasis ausgeschieden. § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 stelle eine Position in einer nur demonstrativen Aufzählung von Kostenarten dar, die für die Zwecke der Tarifierung als unbeeinflussbar gelten würden. Allerdings lasse die Bestimmung angesichts ihrer systematischen Stellung erkennen, dass es bei der Frage, ob Kosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit „Ausgliederungen“ von Netzbetreibern stünden, als unbeeinflussbar gelten sollten, darauf ankomme, ob diese Kosten auf Grund einer Verpflichtung nach einem Gesetz anfielen, das spezielle Regelungen über diesen Ausgliederungsvorgang treffe. Dass eine ohne spezielle gesetzliche Regelung erfolgte Ausgliederung bereits Kosten verursacht habe, genüge nicht, um diese Kosten nach dieser Bestimmung als unbeeinflussbar anzusehen.
6Im vorliegenden Fall sei die Ausgliederung nicht auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt. Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen sehe zwar gewisse Pflichten des Übernehmers eines Betriebes vor, die auch in Fällen von Ausgliederungen anwendbar sein mögen. Diese Richtlinie sei allerdings eindeutig keine spezielle, verpflichtende Regelung der hier in Rede stehenden Ausgliederung.
Die Beschwerde, die sich gegen die Nichtanerkennung der Personalkosten als unbeeinflussbare Kosten wendet, sei daher (insoweit) abzuweisen gewesen.
7Die ordentliche Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil zu § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 und der Frage der Anerkennung bestimmter Personalkosten in Zusammenhang mit einer Ausgliederung als unbeeinflussbare Kosten keine Rechtsprechung vorliege und die genannte Bestimmung auch nicht als eindeutig anzusehen sei.
84. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
9Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.
II.
10Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
111. Die Revision verweist zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf die vom Verwaltungsgericht angeführte grundsätzliche Rechtsfrage und rügt, dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Auslegung des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 zu eng sei, weil damit der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf einen einzigen Fall (die Ausgliederung der Wiener Stadtwerke) beschränkt wäre.
12Die Übernahme des Personals des Betriebes gewerblicher Art der Stadtgemeinde durch das Personalübereinkommen vom ergebe sich zwingend aus der Richtlinie 2001/23/EG. Diese sehe in Art. 3 vor, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrages oder Arbeitsverhältnisses im Zuge des Übergangs eines Unternehmens, Betriebes, oder Unternehmens- oder Betriebsteiles auf den Erwerber übergehen würden. Diese Richtlinie sei unmittelbar anwendbar, weil Österreich mit der Umsetzung in Verzug geraten sei. Für die revisionswerbende Partei habe daher die Pflicht bestanden, das Personalübereinkommen zur Übernahme aller im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer mit deren Ansprüchen zu übernehmen. Da die revisionswerbende Partei beim Abschluss des Personalübereinkommens faktisch über keinen Spielraum verfügt habe und die Stadtgemeinde die Ausgliederung ohne Übernahme aller Dienstnehmer durch die revisionswerbende Partei nicht vorgenommen hätte, seien die aus der Übernahme resultierenden Personalkosten unbeeinflussbare Kosten im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 und somit bei der Ermittlung der Zielvorgaben außer Acht zu lassen.
132. Die Revision erweist sich in Hinblick auf die vom Bundesverwaltungsgericht und von der revisionswerbenden Partei aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig und - aus nachstehenden Erwägungen - auch als berechtigt.
143.1. § 48 und § 59 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110, beide in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2013, lauten (auszugsweise) wie folgt:
„Feststellung der Kostenbasis
§ 48. (1) Die Regulierungsbehörde hat die Kosten, die Zielvorgaben und das Mengengerüst von Netzbetreibern mit einer jährlichen Abgabemenge an Entnehmer von mehr als 50 GWh im Kalenderjahr 2008 von Amts wegen periodisch mit Bescheid festzustellen. Die Kosten und das Mengengerüst der übrigen Netzbetreiber können von Amts wegen mit Bescheid festgestellt werden.
(2) Der Wirtschaftskammer Österreich, der Landwirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ist vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Regulierungsbehörde hat deren Vertretern Auskünfte zu geben und Einsicht in den Verfahrensakt zu gewähren. Wirtschaftlich sensible Informationen, von denen die Vertreter bei der Ausübung ihrer Einsichtsrechte Kenntnis erlangen, sind vertraulich zu behandeln. Die Wirtschaftskammer Österreich sowie die Bundesarbeitskammer können gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde gemäß Abs. 1 wegen Verletzung der in § 59 bis § 61 geregelten Vorgaben Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie in weiterer Folge gemäß Art. 133 B-VG Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
Kostenermittlung
§ 59. (1) Die den Entgelten zugrunde liegenden Kosten haben dem Grundsatz der Kostenwahrheit zu entsprechen und sind differenziert nach Netzebenen zu ermitteln. Dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten sind zu berücksichtigen. Der Netzsicherheit, der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien, der Marktintegration sowie der Energieeffizienz ist Rechnung zu tragen. Die Bestimmung der Kosten unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung, die von einem rationell geführten, vergleichbaren Unternehmen ausgeht, ist zulässig. Investitionen sind in angemessener Weise ausgehend von den ursprünglichen Anschaffungskosten sowie den Finanzierungskosten zu berücksichtigen. Außerordentliche Aufwendungen oder Erträge können über einen mehrjährigen Zeitraum anteilig verteilt werden. Die bei einer effizienten Implementierung neuer Technologien entstehenden Kosten sind in den Entgelten unter Berücksichtigung der beschriebenen Grundsätze und der Nutzung von Synergieeffekten angemessen zu berücksichtigen. Internationale Transaktionen und Verträge für den Transport von Energie gemäß § 113 Abs. 1 sind bei der Kostenermittlung zu berücksichtigen.
(2) Für die Ermittlung der Kosten sind Zielvorgaben zugrunde zu legen, die sich am Einsparungspotential der Unternehmen orientieren. Dabei sind die festgestellten Kosten sowohl um generelle Zielvorgaben, die sich an Produktivitätsentwicklungen orientieren, als auch um die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate anzupassen. Individuelle Zielvorgaben können aufgrund der Effizienz der Netzbetreiber berücksichtigt werden. Die dabei anzuwendenden Methoden haben dem Stand der Wissenschaft zu entsprechen. Bei der Ermittlung der individuellen Zielvorgaben können neben einer Gesamtunternehmensbetrachtung bei sachlicher Vergleichbarkeit auch einzelne Teilprozesse herangezogen werden. Dabei ist sicher zu stellen, dass für die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber Anreize bestehen, die Effizienz zu steigern und notwendige Investitionen angemessen durchführen zu können.
(3) und (4) [...]
(5) Zur Abdeckung der netzbetreiberspezifischen Teuerungsrate ist ein Netzbetreiberpreisindex zu berücksichtigen. Dieser setzt sich aus veröffentlichten Teilindices zusammen, die die durchschnittliche Kostenstruktur der Netzbetreiber repräsentieren.
(6) Zielvorgaben gemäß Abs. 2 sowie die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate gemäß Abs. 5 wirken ausschließlich auf die vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten. Nicht beeinflussbare Kosten sind insbesondere Kosten
1.die mit der Umsetzung von Maßnahmen entstehen, die auf Grund von Netzentwicklungsplänen von der Regulierungsbehörde genehmigt worden sind;
2.für die Nutzung funktional verbundener Netze im Inland;
3.zur Deckung von Netzverlusten auf Basis transparenter und diskriminierungsfreier Beschaffung;
4.für die Bereitstellung von Primär- und Sekundärregelung auf Basis transparenter und diskriminierungsfreier Beschaffung;
5.für Landesabgaben zur Nutzung öffentlichen Grundes (Gebrauchsabgabe);
6.aufgrund gesetzlicher Vorschriften im Zuge von Ausgliederungen, welche dem Grunde nach zum Zeitpunkt der Vollliberalisierung des Elektrizitätsmarktes mit bestanden haben. Die näheren Kostenarten sind spätestens nach Ablauf von 3 Monaten ab Inkrafttreten dieses Gesetzes durch eine Verordnung der Regulierungskommission festzulegen.“
(7) und (8) [...]“
153.2. Die Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, mit der nähere Kostenarten gemäß § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 bestimmt werden (Strom-NBK-VO), BGBl. II Nr. 273/2013, normiert in ihrem § 2, dass Personalkosten und Finanzierungskosten zu den Kostenarten der nicht beeinflussbaren Kosten zählen.
16Damit sind unter anderem langfristige Verpflichtungen im Personalbereich, insbesondere Pensionsverpflichtungen, angesprochen (vgl. zur insoweit gleichlautenden, auf Grund des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 erlassenen Gas-NBK-VO, BGBl. II Nr. 39/2012, Helmreich/Kuhlmann, Kostenverfahren in zweiter Instanz - was bisher geschah ..., ZTR 2013, 220 [225]).
174. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 48 ElWOG 2010 bereits ausgesprochen hat, sind von der Regulierungsbehörde die Kosten, die Zielvorgaben und das Mengengerüst von Netzbetreibern mit einer jährlichen Abgabemenge an Entnehmer von mehr als 50 GWh im Kalenderjahr 2008 von Amts wegen periodisch mit Bescheid festzustellen und müssen dabei die den Entgelten zugrundeliegenden Kosten gemäß § 59 Abs. 1 ElWOG 2010 dem Grundsatz der Kostenwahrheit entsprechen und differenziert nach Netzebenen ermittelt werden. Nach § 49 Abs. 1 ElWOG 2010 werden in weiterer Folge die Systemnutzungsentgelte auf Basis der festgestellten Kosten und des Mengengerüstes mit Verordnung bestimmt. Die dem Grunde und der Höhe nach angemessenen Kosten sind zu berücksichtigen, wobei als Ausgangspunkt geprüfte Jahresabschlüsse heranzuziehen sind. Es sind nur jene Kosten über Netzentgelte zu verrechnen, die ursächlich mit der Netztätigkeit verbunden sind; dadurch wird dem Grundsatz der Kostenwahrheit entsprochen (vgl. zuletzt , mwN).
18§ 59 ElWOG gilt als das Herzstück der Preisfestsetzung im ElWOG und dokumentiert die gesetzliche Grundlage für das sogenannte Anreizregulierungssystem. Die Bestimmung enthält ausführliche Vorgaben zur Kostenermittlung. Besondere Bedeutung wird dabei dem weit auszulegenden Kostenbegriff beigemessen, der sämtliche Aufwendungen abdeckt, die ein Netzbetreiber bei der Tätigkeit der Stromverteilung bzw. -übertragung in Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben zu tragen hat (vgl. Hauenschild/Micheler/K. Oberndorfer/P. Oberndorfer/Schneider ElWOG-Kommentar2 [2013] § 59 Anm. B 1).
19Besteht die Kostenbasis zur Ermittlung der Entgelte ausschließlich aus in der Vergangenheit angefallenen Kosten, besteht kein Anreiz für Netzbetreiber, ihre Effizienz in Zukunft zu verbessern. Es sind daher individuelle Effizienzziele für Netzbetreiber auf Basis ihrer festgestellten Effizienz über eine bestimmte Regulierungsperiode hinweg vorzugeben.
Da aber nicht sämtliche Kostenkomponenten durch die Netzbetreiber selbst beeinflussbar sind, werden nicht beeinflussbare Kosten bei der Ermittlung von Zielvorgaben nicht berücksichtigt und in der tatsächlichen Höhe in die Kostenermittlung aufgenommen (vgl. RV 994 BlgNR 24. GP 23).
20Damit ist klargestellt, dass Zielvorgaben nur hinsichtlich der vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten anzuwenden sind. Dies bedeutet einerseits, dass beim Netzbetreiber hier keine Produktivitätsabschläge (resultierend aus Zielvorgaben) vorgenommen werden dürfen, andererseits aber auch, dass diese nicht beeinflussbaren Kostenbestandteile einer gesonderten Würdigung im Rahmen des von der Regulierungsbehörde durchzuführenden Effizienzvergleichs (Benchmarking) bedürfen (vgl. dazu weiterführend Hauenschild/Micheler/K. Oberndorfer/P. Oberndorfer/Schneider, aaO, § 59 Anm. B.8). Vor allem darf eben keine Zielvorgabe hinsichtlich der nicht beeinflussbaren Kosten festgelegt werden. Dies ist auch sachlich geboten, weil bei diesen Kosten für den betroffenen Netzbetreiber kein Einsparungspotential besteht. Damit sind all jene Kosten gemeint, auf die der Netzbetreiber keinen Einfluss hat. Dem Netzbetreiber darf somit im Rahmen des Regulierungssystems der Umstand, dass er nicht beeinflussbare Kostenpositionen hat, nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr ist es auch verfassungsrechtlich geboten, Netzbetreiber nur insoweit zu einem effizienten Wirtschaften anzuhalten, als immer nur tatsächlich mögliche Produktivitätssteigerungen vorgegeben werden dürfen (vgl. Schneider, Regulierungsrecht der Netzwirtschaften I [2013] 727).
21Die Notwendigkeit zur Differenzierung in beeinflussbare und unbeeinflussbare Kosten ergibt sich aus § 59 Abs. 6 ElWOG, wonach Zielvorgaben nur auf jene Kostenbestandteile wirken dürfen, die vom jeweiligen Netzbetreiber zu beeinflussen sind (vgl. Görlich/Rührnössl/Ennser, Anreizregulierung 3.0, ecolex 2014, 472 [474]).
§ 59 Abs. 6 ElWOG 2010 enthält eine demonstrative Aufzählung (arg: „insbesondere“) von Kosten, die der Gesetzgeber als unbeeinflussbar angesehen hat und die somit auf die Zielvorgaben im Sinn des § 59 Abs. 2 ElWOG nicht wirken (vgl. Schneider, aaO, 727). Den aufgezählten Kostenarten ist gemeinsam, dass sie dem Grunde und der Höhe nach außerhalb des Einflussbereiches des Netzbetreibers liegen.
225.1. Bei dem im Zuge der gegenständlichen Ausgliederung abgeschlossenen Personalübereinkommen, mit dem eine Zuweisung der zuvor bei der Stadtgemeinde beschäftigten Bediensteten zur revisionswerbenden Partei unter Wahrung aller ihrer bisherigen Ansprüche gegen Übernahme der Personalkosten vereinbart worden ist, handelt es sich zwar - wie vom Bundesverwaltungsgericht festgehalten - um eine vertragliche Vereinbarung.
235.2. Die revisionswerbende Partei hält dem jedoch - in der vorliegenden Revision, aber auch schon in ihren Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde - entgegen, dass sich die Übernahme des Personals der Stadtgemeinde durch das Personalübereinkommen vom zwingend aus der unmittelbar anwendbaren Richtlinie 2001/23/EG ergeben habe. Auf Grund der dortigen Vorgaben sei der revisionswerbenden Partei beim Abschluss des Personalübereinkommens faktisch kein Spielraum verblieben, weshalb die aus der Übernahme resultierenden Personalkosten als unbeeinflussbare Kosten im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 zu qualifizieren seien.
245.3. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete dieses Vorbringen schon deshalb als nicht begründet, weil die Richtlinie 2001/23/EG „eindeutig keine spezielle, verpflichtende Regelung der hier in Rede stehenden Ausgliederung“ sei, wie es § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 aber verlange. Die gegenständlichen Personalkosten seien daher - so das Bundesverwaltungsgericht - keine unbeeinflussbaren Kosten im Sinn dieser Bestimmung.
255.4. Auch die belangte Behörde vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, die Richtlinie 2001/23/EG stelle keine gesetzliche Vorschrift im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 dar, weil sie nicht im Zuge der gegenständlichen Ausgliederung erlassen worden sei. Die Richtlinie befasse sich lediglich der Sache nach mit dem Übergang von Unternehmen bzw. Betrieben und sei schon aus diesem Grund keine spezifische Ausgliederungsvorschrift. Sie stelle auch (naturgemäß) nicht auf ein einzelnes Unternehmen ab, vielmehr handle es sich um eine - dem Charakter einer Richtlinie entsprechend - allgemeine, in hohem Maße umsetzungsbedürftige Regelung. Es handle sich zudem um keine inhaltlich hinreichend genaue Bestimmung, die unzweideutig eine Verpflichtung begründe und die rechtlich in sich abgeschlossen sei.
266. Ein derart enges Verständnis kann § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 aber nicht unterstellt werden.
27Das Bundesverwaltungsgericht und die belangte Behörde gehen offenbar davon aus, dass mit „gesetzlichen Vorschriften“ im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 ausschließlich das betreffende Ausgliederungsgesetz gemeint sei, also ein die Ausgliederung regelndes Maßnahmengesetz (vgl. zu diesem Begriff bzw. zu einer solchen Regelungstechnik Pürgy, Verwaltung und parlamentarische Rechtsetzung [2020] 23).
28Ein bloßes Abstellen auf jene Vorschriften, die aus Anlass einer konkreten Ausgliederung erlassen wurden und dem Ausgliederungsvorgang zu Grunde liegen, ergibt sich aber weder aus dem Wortlaut des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 (arg: „aufgrund gesetzlicher Vorschriften im Zuge von Ausgliederungen, welche dem Grunde nach zum Zeitpunkt der Vollliberalisierung des Elektrizitätsmarktes mit bestanden haben“) noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. RV 994 BlgNR 24. GP 23). Vielmehr sprechen die oben dargelegten Sachlichkeitserwägungen, wonach Produktivitätsabschläge nur Kosten betreffen dürfen, die die regulierten Unternehmen auch tatsächlich beeinflussen können, und somit hinsichtlich der nicht beeinflussbaren Kosten keine Zielvorgaben festgelegt werden dürfen, dafür, dass mit § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 auch (generell-abstrakte) Vorschriften angesprochen sind, die im Zuge einer Ausgliederung berücksichtigt werden müssen und damit zu Kostenpositionen führen können, die vom Netzbetreiber nicht beeinflussbar sind.
29Die von der revisionswerbenden Partei in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Richtlinie 2001/23/EG vom soll - wie schon ihre Vorgängerregelung (Richtlinie 77/187/EWG) - die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Diese Richtlinie soll so weit wie möglich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form gewährleisten, um eine Verschlechterung der Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein auf Grund des Übergangs zu verhindern (vgl. , mwN). In diesem Sinn ordnet etwa Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG - wie schon gleichlautend Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG - an, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnis auf Grund des Übergangs auf den Erwerber übergehen.
Ausgehend davon ist der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung nicht zu folgen, die hier eine unbedingte und hinreichend bestimmte Vorschrift nicht zu erkennen vermag.
30Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher das Vorbringen der revisionswerbenden Partei, ihr sei beim Abschluss des Personalübereinkommens angesichts der Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG faktisch kein Spielraum zugekommen, weshalb die aus der Übernahme resultierenden Personalkosten als unbeeinflussbare Kosten anzusehen seien, prüfen müssen und es nicht bereits mit der Begründung abvotieren dürfen, dass die Richtlinie 2001/23/EG keine spezielle, verpflichtende Regelung der gegenständlichen Ausgliederung bilde und damit nicht als gesetzliche Vorschrift im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 gelte (vgl. dazu , mwN, sowie in der Folge , und ; vgl. ferner auch EU 2021/0009).
317. Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und schon aus diesem Grund die gegenständlichen Personalkosten nicht als unbeeinflussbare Kosten im Sinn des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 ansah, hat es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
32Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
33Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2018040021.J00 |
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Fundstelle(n):
EAAAE-94575