VwGH vom 21.06.2018, Ro 2018/01/0001

VwGH vom 21.06.2018, Ro 2018/01/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-101/073/11358/2017-4, betreffend Strafregistergesetz 1968 (mitbeteiligte Partei: A R S, vertreten durch Mag. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Theresianumgasse 29), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Schriftsatz vom stellte der Mitbeteiligte, vertreten durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt (den nunmehrigen Rechtsvertreter vor dem Verwaltungsgerichtshof) im Postweg bei der Amtsrevisionswerberin, der Landespolizeidirektion Wien (LPD), den Antrag auf Übermittlung einer Strafregisterbescheinigung nach § 10 Strafregistergesetz 1968. Diesem Schriftsatz war eine Kopie eines auf den Mitbeteiligten ausgestellten österreichischen Reisepasses angeschlossen.

2 Mit Bescheid der LPD vom wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 3 erster Satz Strafregistergesetz 1968 abgewiesen.

3 Begründend führte die LPD im Wesentlichen aus, § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 habe ohne Zweifel den Sinn, dass die Identität des Antragstellers in jedem Fall festzustellen und von der Behörde im Zuge des Ausstellungsverfahrens zu überprüfen sei, damit sichergestellt sei, dass der Antrag nur von einer antragslegitimierten Person im Sinn des § 10 Strafregistergesetz 1968 eingebracht werde. "In Übereinstimmung mit den herrschenden Denkgesetzen" sei eine solche Ausweisleistung daher zwangsläufig mit der Anwesenheit des Antragstellers bei der Behörde verbunden, soferne es sich nicht um ein - hier nicht gegenständliches - Verfahren im elektronischen Rechtsverkehr nach dem E-Government-Gesetz (E-GovG) handle. Im Falle einer Antragstellung nach dem E-GovG durch Verwendung einer mit Personenbindung versehenen Bürgerkarte oder Karte mit Bürgerkartenfunktion bzw. einer Handysignatur sei vom zwingenden Erfordernis des persönlichen Erscheinens des Antragstellers vor der Ausstellungsbehörde zwecks Identitätsfeststellung abzugehen.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

Angefochtenes Erkenntnis

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dieser Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben, der genannte Bescheid der LPD behoben und dem Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 eine Strafregisterbescheinigung ausgestellt (I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt (II.).

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 und 3 Strafregistergesetz 1968 aus, die Ausweispflicht eines Antragstellers zur Identitätsfeststellung sei im Interesse des Datenschutzes gelegen. Der Argumentation der LPD, wonach diese Identitätsfeststellung - außer im Falle der elektronischen Antragstellung nach dem E-GovG - ausschließlich von der Behörde vorgenommen werden könne, weshalb ein zumindest einmaliges Erscheinen des Antragstellers vor dieser erforderlich sei, könne nicht gefolgt werden.

7 Die erläuternden Bemerkungen zum Strafregistergesetz 1968 verwiesen auf die gleichlautende Bestimmung des § 7 Passgesetz 1951, BGBl. Nr. 57/1951. Das Passgesetz 1992 nenne in § 14 Abs. 1 Z 1 als Versagungsgrund, "wenn der Passwerber seine Identität nicht nachzuweisen vermag". Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei unter Identität im Sinne dieser Bestimmung die einwandfreie Feststellung von Namen und Geburtsdatum zu verstehen. Weshalb es einem Rechtsanwalt nicht möglich sein sollte, die Identität eines Mandanten anhand dessen Reisepasses festzustellen, sei nicht ersichtlich.

8 Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/04/0014, sei davon auszugehen, dass in dem Fall, in dem ein Auskunftswerber von einem Rechtsanwalt vertreten werde und dieser für ihn gemäß § 26 Abs. 1 DSG 2000 einschreite, neben dem Nachweis der Bevollmächtigung ein weiterer Identitätsnachweis nicht erforderlich sei, da ein Rechtsanwalt, wenn er nach dieser Bestimmung einschreite, auch verpflichtet sei, im Sinne derselben die Identität des Auskunftswerbers zu überprüfen.

9 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes habe dies auch im vorliegenden Fall hinsichtlich einer Auskunft aus dem Strafregister zu gelten, zumal der Nachweis der Identität dem Datenschutz diene. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Auskunft nach dem DSG 2000 weniger strengen Anforderungen unterliegen solle als eine solche nach dem Strafregistergesetz 1968.

10 Zwar sei - abgesehen in Angelegenheiten des § 8b RAO - in der RAO nicht ausdrücklich normiert, dass ein Rechtsanwalt die Identität seines Mandanten zu überprüfen habe. Jedoch sei der Rechtsanwalt gemäß § 9 Abs. 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen, woraus sich im konkreten Fall eine (gemeint: Verpflichtung zur) Feststellung der Identität seines Mandanten ergebe.

11 Daher liege gegenständlich kein Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 vor.

12 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Rechtsfrage fehle.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der LPD, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

14 Sowohl das Verwaltungsgericht als auch die Amtsrevision führen zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision aus, zur Frage, ob gemäß § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 ein im Verfahren zur Ausstellung einer Strafregisterauskunft rechtsanwaltlich vertretener Antragsteller zumindest einmal vor der Behörde persönlich erscheinen und sich dort ausweisen müsse, oder es genüge, dass nur der ausgewiesene Rechtsanwalt die Identität seines Mandanten überprüfe, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

15 Die Revision ist zulässig.

Rechtslage

16 § 10 Strafregistergesetz 1968, BGBl. Nr. 277 in der

Fassung BGBl. I Nr. 195/2013, lautet auszugsweise:

"Strafregisterbescheinigungen

§ 10. (1) Die Bürgermeister, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion, sowie die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland haben auf Antrag auf Grund der bei der Landespolizeidirektion Wien gesammelten Unterlagen Bescheinigungen über die im Strafregister enthaltenen Verurteilungen des Antragstellers mit Ausnahme von Daten gemäß § 2 Abs. 1 Z 7, 8 und Z 9 oder darüber auszustellen, daß das Strafregister keine solche Verurteilung enthält (Strafregisterbescheinigungen).

...

(3) Der Antrag ist abzulehnen, wenn sich der Antragsteller über seine Person nicht auszuweisen vermag. ..."

Identitätsfeststellung zur Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung

17 In der vorliegenden Rechtssache stellt sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Identitätsfeststellung zur Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung nach § 10 Strafregistergesetz 1968 im Falle eines nichtelektronischen Antrages das persönliche Erscheinen samt Ausweisleistung vor der Ausstellungsbehörde erfordert oder ob es genügt, dass der ausgewiesene und bevollmächtigte Rechtsanwalt die Identität seines Mandanten überprüft.

18 Die Kommentarliteratur zu § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 führt aus, dass es nach herrschender Meinung im Verfahren über die Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung erforderlich sei, dass der Antragsteller - außer bei Online-Anträgen mittels Bürgerkarte (E-Signatur) - zumindest einmal persönlich bei der Behörde erscheine, da er nach § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 seine Identität nachzuweisen habe. Dies könne bei der Antragstellung oder bei der Abholung sein. Nach einer anderen Ansicht habe der Antragsteller zwar seine Identität nachzuweisen. Er müsse dies aber nicht zwingend durch persönliches Erscheinen unter Vorweis von Dokumenten machen, sondern es bliebe dem Betroffenen überlassen, wie er den Beweis führe, soferne es ihm nur gelinge, die Behörde vom Vorliegen des maßgeblichen Sachverhaltes zu überzeugen. Es käme nämlich einer Rechtsverweigerung gleich, einer Person, die nicht fähig sei, bei der Behörde persönlich zu erscheinen, eine Strafregisterbescheinigung nur bei persönlichem Erscheinen auszustellen. Letztlich werde jedoch die Identität des Antragstellers nur durch persönlichen Kontakt zwischen ihm und der Behörde festgestellt werden können, um jeglichen Missbrauch der sensiblen Informationen zu vermeiden (vgl. zu allem Kert in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung (2015), Rz. 12 und 13 zu § 10 Strafregistergesetz 1968, 33, mit Verweis auf Ellinger/Schnabl, Strafregister- und Tilgungsrecht, 31, sowie Szirba/Fessler, Tilgung 119).

19 Die vorliegende Fallkonstellation zeichnet sich dadurch aus, dass der Mitbeteiligte durch einen von ihm - unstrittigermaßen - bevollmächtigten Rechtsanwalt bei der Behörde eingeschritten ist.

20 Zu einer solchen Konstellation hat der Verwaltungsgerichtshof - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend aufgezeigt - bereits im Zusammenhang mit einem Auskunftsbegehren nach § 26 DSG 2000 Folgendes festgehalten (vgl. , Rn. 20):

"Wird ein Auskunftswerber von einem Rechtsanwalt vertreten und schreitet dieser für den Auskunftswerber gemäß § 26 Abs. 1 DSG 2000 ein, so ist davon auszugehen, dass neben dem Nachweis der Bevollmächtigung ein weiterer Identitätsnachweis nicht erforderlich ist. So ist der Rechtsanwalt gemäß § 9 Abs. 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen. Damit verweist diese Bestimmung auf die gesetzlichen Schranken, die auch für die Vertretungstätigkeit des Rechtsanwaltes gelten (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom , 4 Ob 233/03y). In dieser Hinsicht ist der Rechtsanwalt, wenn er gemäß § 26 Abs. 1 DSG 2000 einschreitet, auch verpflichtet, im Sinne dieser Bestimmung die Identität des Auskunftswerbers zu überprüfen."

21 Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Konstellation nach § 10 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 zu übertragen.

22 Für diese Auslegung spricht zunächst die Bestimmung des § 9 RAO, die den Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen. Danach ist - worauf auch die Revisionsbeantwortung hinweist - der Rechtsanwalt bei einem Einschreiten nach § 10 Strafregistergesetz 1968 verpflichtet, die Identität des Antragstellers zu überprüfen und nur beim Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung an die Behörde heranzutreten.

23 Darüber hinaus wird dies durch den Umstand bestätigt, dass ein Rechtsanwalt im Hinblick auf sein rechtliches Fachwissen, verbunden mit der Verpflichtung, die Gesetze unverbrüchlich zu beobachten und übernommene Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen (§§ 7, 9 Abs. 1 RAO), eine besondere, nach dazu gefestigter Standesauffassung angestrebte Vertrauensstellung in der Öffentlichkeit genießt (vgl. = RIS-Justiz RS0117500).

24 Zum Vorbringen der Amtsrevision, der rechtsanwaltliche Parteienvertreter würde, wenn man der Auffassung des Verwaltungsgerichtes folgte, auch behördliche Aufgaben erfüllen, ist Folgendes festzuhalten: Das Einschreiten eines Rechtsanwalts enthebt die Behörde nicht von der Verpflichtung gemäß § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 3 erster Satz Strafregistergesetz 1968, die Identität des Antragstellers bei Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung festzustellen. Die Behörde hat lediglich die besondere Vertrauensstellung des Rechtsanwaltes nach der RAO und darauf aufbauend die Angaben desselben beweiswürdigend bei der Identitätsfeststellung zu berücksichtigen.

25 Letztlich spricht für diese Auslegung im Wege einer verfassungskonformen Interpretation auch die (oben angeführte) in der Literatur vertretene Überlegung, dass es wohl sachlich nicht gerechtfertigt werden könne, einer Person, die nicht fähig ist, bei der Behörde persönlich zu erscheinen, eine Strafregisterbescheinigung nur bei persönlichem Erscheinen auszustellen.

Ergebnis

26 Das Verwaltungsgericht ist daher im angefochtenen Erkenntnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 in der vorliegenden Fallkonstellation eine Strafregisterbescheinigung auszustellen ist.

27 Die Amtsrevision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Aufwandersatz

28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018010001.J00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.