VwGH vom 29.11.2017, Ro 2017/18/0002

VwGH vom 29.11.2017, Ro 2017/18/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision 1. des K G, und 2. des N G, beide in L, beide vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das als Beschluss bezeichnete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. L515 2164182-1/6Z (zu 1.) und L515 2164184- 1/5Z (zu 2.), betreffend die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG in Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber ist der Vater des Zweitrevisionswerbers. Beide sind Staatsangehörige Georgiens. Der Erstrevisionswerber stellte am sowohl für sich als auch für seinen Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der Revisionswerber auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei.

3 In einem weiteren Spruchpunkt sprach die Behörde aus, dass einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) aberkannt werde.

4 In der dagegen erhobenen Beschwerde und Beschwerdeergänzung der Revisionswerber beantragten diese unter anderem, der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG (erkennbar gemeint § 18 Abs. 5 BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dies insbesondere aufgrund des äußerst labilen psychischen Gesundheitszustands der Revisionswerber und der Tatsache, dass sich der Erstrevisionswerber aus diesem Grund in stationärer psychiatrischer Behandlung befinde.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

6 Begründend führte das BVwG aus, die Revisionswerber stammten aus Georgien und somit einem sicheren Herkunftsstaat. Es sei weder ein Grund hervorgekommen, dass sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat ernsthaft in ihren nach Art. 2, 3 und 8 EMRK bzw. nach den Zusatzprotokollen Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention gewährleisteten Rechten bedroht, noch dass sie einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat ausgesetzt werden würden.

7 Weiters erklärte das BVwG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das BVwG einen Beschluss zu erlassen habe, wenn es zur Auffassung gelange, dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei, als uneinheitlich zu beurteilen sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

9 In ihr wird vorgebracht, dass entgegen den Ausführungen des BVwG eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gegeben sei, weil dieser (auch in den vom BVwG zitierten Entscheidungen) einheitlich die Pflicht des BVwG statuiert habe, im Falle der vorherigen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nach § 18 Abs. 1 BFA-VG über eine dagegen erhobene Beschwerde in jedem Fall binnen einer Woche zu entscheiden.

10 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege vielmehr deshalb vor, weil das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, indem die von ihm getroffene Entscheidung in der Begründung lediglich Textbausteine ohne Begründungswert anführe, denen jegliche Bezugnahme auf das Verfahren und Vorbringen der Revisionswerber fehle und sich somit mangels Offenlegung der ihr zugrunde liegenden Überlegungen einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entziehe. Damit werde die Begründung den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Anforderungen an die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nicht einmal ansatzweise gerecht. Die Revision sei daher schon aus diesem Grund zulässig.

11 Sollte davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausdrücklich auf die hier zu klärende Rechtsfrage Bezug nehme, weil noch keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art und Umfang der Begründungspflicht von auf § 18 Abs. 5 BFA-VG gegründeten Entscheidungen des BVwG vorliege, sei alternativ davon auszugehen, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ebendieser Rechtsfrage fehle, wodurch sich erneut eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stelle.

12 Das BFA erstattete keine Revisionsbeantwortung.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Die Revision ist im Sinne der Zulässigkeitsbegründung der Revisionswerber zulässig und begründet.

15 Im Hinblick auf den - missverständlichen - Spruch der angefochtenen Entscheidung sowie auf die gewählte Entscheidungsform ist voranzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/19/0284-0285, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die Auffassung vertritt, dass es für die Frage der Zulässigkeit der Revision, in einem Fall wie dem vorliegenden, keine Rolle spielt, ob das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in die tatsächlich zu wählende Form eines Erkenntnisses oder eines Beschlusses gekleidet hat und der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Revisionsverfahrens die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung der dem Gesetz entsprechenden Form zuordnet.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen habe, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt worden seien. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben.

17 Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. zum Ganzen ; daran anschließend etwa , und , mwN).

18 Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise dabei auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. , mwN).

19 Den genannten Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Ihre Begründung besteht nahezu ausschließlich aus allgemein gehaltenen Aussagen, ohne dass auf den konkreten Fall und das Vorbringen der Revisionswerber, die in der Beschwerde ausführlich darlegten, warum ihrer Auffassung nach Art. 2 oder 3 EMRK einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehe, Bezug genommen wird, sodass letztlich unklar bleibt, aufgrund welcher Erwägungen das BVwG zum Ergebnis gekommen ist, dass die in § 18 Abs. 5 BFA-VG festgelegten Voraussetzungen nicht gegeben seien.

20 Eine solche auf die Umstände des konkreten Falls überhaupt nicht Bedacht nehmende Begründung stellt sich letztlich als ohne jeglichen Begründungswert dar. Es wird damit weder der Partei die Rechtsverfolgung ermöglicht noch ist eine solche Entscheidung einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich (vgl. -0285).

21 Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass das BVwG seine Entscheidung betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß den Vorgaben des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu treffen hatte und prinzipiell von überflüssigen weitwendigen, nicht der Begründung dienlichen Ausführungen Abstand zu nehmen ist. Das entbindet das Verwaltungsgericht aber nicht davon, zumindest eine grundsätzliche fallspezifische Bezugnahme vorzunehmen (vgl. bis 0285, mwN).

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am