VwGH vom 19.12.2018, Ro 2017/15/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Braunau Ried Schärding in 4910 Ried im Innkreis, Friedrich-Thurner-Straße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100196/2017, betreffend Einkommensteuer 2015 (mitbeteiligte Partei: B W in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei bezog nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts vom bis sowie vom bis und vom 2. April bis einen als steuerfrei behandelten Pensionsvorschuss (Notstandshilfe) von Seiten des AMS. Mit Bescheid vom stellte die Pensionsversicherungsanstalt fest, dass keine dauerhafte, sondern (lediglich) eine vorübergehende Berufsunfähigkeit der mitbeteiligten Partei vorliege. Als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten. Ab dem bestehe für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung.
2 Die Gebietskrankenkasse brachte auf Grund der Legalzession gemäß § 23 Abs. 6 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 den vom AMS bevorschussten Betrag von der Nachzahlung des Rehabilitationsgeldes in Abzug und überwies den verbleibenden Restbetrag an die mitbeteiligte Partei.
3 Im Einkommensteuerbescheid 2015 erfasste das revisionswerbende Finanzamt auch das für das Jahr 2014 gewährte und im Jahr 2015 an das AMS bzw. die mitbeteiligte Partei überwiesene Rehabilitationsgeld als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
4 Die von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung mit der Begründung ab, dass der Zufluss von Einnahmen nach § 19 EStG 1988 in jenem Jahr erfolge, in dem der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich die Verfügungsmacht über die Einnahmen erhalte. Da das Rehabilitationsgeld für den Zeitraum März bis Dezember 2014 am an die mitbeteiligte Partei überwiesen worden sei, seien die Bezüge zu Recht dem Kalenderjahr 2015 zugeordnet worden.
5 Über Vorlageantrag gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, im Handbuch Lohnsteuer 2016 von Hofbauer/Kramer fänden sich auf S 207 f unter Pkt. 208 Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG) folgende Ausführungen:
"RZ 1228: Das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG ersetzt seit die Invaliditätspension bzw. Berufsunfähigkeitspension in jenen Fällen, in denen eine vorübergehende, voraussichtlich mindestens 6 Monate dauernde Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit vorliegt und eine berufliche Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar ist. Die bescheidmäßige Festsetzung über die Zuerkennung sowie die Entziehung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld erfolgt durch die Pensionsversicherungsanstalt. Die Finanzierung der Mittel erfolgt ebenso über diese. Die Berechnung der Höhe und die Auszahlung erfolgt über die jeweils zuständige GKK.
RZ 1229: Das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG stellt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG Abs. 1 Z 3 lit. a EStG) dar.
RZ 1230: Steuerrechtlich gilt das Rehabilitationsgeld als ein vorübergehender Bezug iSd § 69 Abs. 2 EStG. Der im § 69 Abs. 2 EStG vorgesehene Freibetrag von EUR 30,00 steht pro Tag zu. Im Falle einer monatlichen Abrechnung sind immer 30 Tage anzunehmen. Daraus ergibt sich, dass monatlich ein Freibetrag von EUR 900,00 zusteht. Übersteigt das Rehabilitationsgeld den Freibetrag, ist vom übersteigenden Betrag eine Pauschalsteuer in Höhe von 25% einzubehalten.
Wird innerhalb eines Kalenderjahres Rehabilitationsgeld bezogen, liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand iSd § 41 Abs. 1 EStG vor. Im Zuge der Steuerberechnung durch das FA wird der Freibetrag von EUR 30,00 täglich nicht mehr berücksichtigt."
6 Das Bundesfinanzgericht teile die Rechtsansicht des zitierten Handbuchs, wonach das Rehabilitationsgeld unter den Begriff der Pension iSd § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 falle. Dafür spreche nicht nur, dass diese Leistung als Ersatz der Pension wegen Invalidität und Berufsunfähigkeit eingeführt worden sei, sondern auch deren Zuerkennung und Finanzierung durch die Pensionsversicherungsanstalt. Das Rehabilitationsgeld gelte daher iSd Bestimmung des § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 als in dem Jahr zugeflossen, für das der Anspruch entstanden sei.
7 Da zur Rechtsfrage, ob das Rehabilitationsgeld (§ 143a Abs. 1 ASVG) eine Pension iSd § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 darstellt und deshalb die Ausnahme vom Zuflussprinzip nach § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilsatz EStG 1988 anwendbar ist, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, sei die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
8 Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Finanzamtes, zu der die mitbeteiligte Partei keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
9 Das revisionswerbende Finanzamt bringt vor, mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 sei das Ziel definiert worden, Personen unter 50 Jahren unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Entwicklung eine Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sei u. a. in § 117 Z 3 ASVG als "Leistungen der Krankenversicherung" das Rehabilitationsgeld "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit: Krankengeld (§§ 138 bis 143) oder Rehabilitationsgeld (§ 143a)" geschaffen worden. Beim Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG handle es sich demnach um eine Leistung aus der Krankenversicherung, die ihrer Zweckrichtung nach nur vorübergehend bis zu dem Zeitpunkt gewährt werden soll, zu dem die Arbeitsfähigkeit durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation wieder beseitigt ist. Im Gegensatz zu Leistungen aus der Pensionsversicherung, die an das Ende der Erwerbstätigkeit anschließen, stelle das Rehabilitationsgeld eine Überbrückung bei Arbeitsunfähigkeit bei gleichzeitiger Maßnahmensetzung zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit dar und verfolge daher den Zweck, das Ende der Erwerbstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Insbesondere der Zweck, die Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zu beseitigen, entspreche dem Charakter einer Krankenversicherung iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
12 Abweichend davon gelten Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug mit Bescheid abgesprochen wird, in dem Jahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. Diese Sonderregelung wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, (erstmals) in § 19 Abs. 1 EStG 1988 eingefügt.
13 Durch das AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, sollten ab der Veranlagung für das Jahr 2011 darüber hinaus sämtliche Nachzahlungen, über die bescheidmäßig abgesprochen wird, unabhängig vom Zahlungsfluss nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfasst werden. Die schon bisher geregelten bescheidmäßigen Pensionsnachzahlungen wären von dem verallgemeinerten Tatbestand mitumfasst gewesen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, 13. EL § 19 Anm. 35a).
14 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2011, erfolgte jedoch eine erneute Änderung dahingehend, dass die Sonderbestimmung des § 19 Abs. 1 (nunmehr untergliedert in) Z 2 EStG 1988 wiederum auf die Nachzahlung von Pensionen eingeschränkt wurde, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird. Zufolge § 124b Z 204 EStG 1988 ist die Bestimmung bereits ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden.
15 Somit gelten nach der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des § 19 Abs. 1 EStG 1988 weiterhin nur mit Bescheid zuerkannte Nachzahlungen von Pensionen in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht.
16 Im Zuge der Abschaffung der befristeten Zuerkennung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurden mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 3/2013, für Versicherte, die am das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt. Im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage ist nunmehr für jüngere Versicherte eine differenzierte Behandlung von Fällen geminderter Arbeitsfähigkeit vorgesehen, je nachdem, ob diese geminderte Arbeitsfähigkeit dauerhaft oder nur vorübergehend vorliegt. Versicherte, deren Arbeitsfähigkeit nicht dauerhaft gemindert ist, erhalten keine Pensionsleistung mehr, sondern berufliche und/oder medizinische Maßnahmen der Rehabilitation einschließlich Geldleistungen (vgl. RV 2000 BlgNR
24. GP 2, 24; Födermayr in SV-Komm § 143a, Rz 1). 17 Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG
wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet und zwar als Leistung "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit" (§ 117 Z 3 ASVG).
18 Das Rehabilitationsgeld ist der anspruchsberechtigten Person zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken (§ 99 Abs. 1a ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015).
19 Nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. C ASVG in der ab 2014 geltenden Fassung besteht für Bezieher von Rehabilitationsgeld im Sinne des § 143a ASVG eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung.
20 Der Steuergesetzgeber hat das Rehabilitationsgeld mit der Begründung, dass das anstelle einer befristeten Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension getretene Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger geleistet wird und es zudem funktional als eine Fortsetzung des Krankengeldbezuges anzusehen ist, in § 69 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 13/2014 dem Krankengeld gleichgestellt (vgl. AA 14 XXV. GP- Abänderungsantrag). Solcherart ist das Rehabilitationsgeld iSd § 143a ASVG dem § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 und nicht dem § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 zu subsumieren.
21 Dass das Rehabilitationsgeld vom Pensionsversicherungsträger zuerkannt und finanziert wird, kann für die steuerliche Beurteilung des Rehabilitationsgeldes als "Pension" entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Leistungskatalog der Pensionsversicherung nach § 222 Abs. 1 und 3 ASVG nicht nur die Gewährung von Pensionen umfasst, sondern auch Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation.
22 Bemerkt wird, dass das eigentliche Beschwerdebegehren (laut Vorlageantrag) offenbar auf die Berücksichtigung der einbehaltenen "AMS-Gelder" als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 gerichtet war. Nach § 23 Abs. 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 idF BGBl. I Nr. 68/2014, AlVG 1977, gilt der Vorschuss für den Fall, dass Rehabilitationsgeld nicht zuerkannt wird, als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird hingegen - wie im Revisionsfall - Rehabilitationsgeld zuerkannt, ist die Leistung des Arbeitsmarktservice gemäß § 23 Abs. 1 AlVG 1977 als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen. Dessen Rückzahlung (im Wege der Legalzession nach § 23 Abs. 6 AlVG 1977) ist gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu berücksichtigen.
23 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017150025.J00 |
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