TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 31.01.2018, Ro 2017/15/0015

VwGH vom 31.01.2018, Ro 2017/15/0015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision 1. der S P, 2. der M R, 3. des Dr. N R, alle in L, 4. der J S in N, und 5. der J R in L, vertreten durch die KPMG Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatung GmbH in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100071/2014, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 2003 bis 2006), Einkommensteuer 2003 bis 2006 sowie Anspruchszinsen 2003 bis 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind - zum Teil mittelbar - Rechtsnachfolger (Erben) des im Jahr 2011 verstorbenen Dr. X. Dieser hatte in den Jahren 2003 bis 2011 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Die Veranlagung erfolgte jeweils erklärungsgemäß.

2 Mit Schriftsatz vom teilten die Revisionswerber (gemäß § 29 FinStrG und § 15 Abs. 1 BAO) dem Finanzamt mit, Dr. X habe im Mai 2005 eine Stiftung in Liechtenstein errichtet. Das Vermögen, das der Stiftung gewidmet worden sei, sei bereits zuvor auf Konten und Depots bei einer Bank in Liechtenstein als "Notfallgroschen" gelegen; diese Konten und Depots seien 1978 eröffnet worden. Die Stiftung habe seit ihrer Errichtung im Jahr 2005 ebenfalls Konten und Depots bei dieser Bank in Liechtenstein unterhalten. Die Einkünfte aus den ausländischen Kapitalveranlagungen seien von Dr. X wohl irrtümlich nicht in Österreich erklärt worden. Grund für die Kontoeröffnung sei wohl die Einrichtung eines Kontos außerhalb Österreichs als "Notgroschen" in politisch unsicheren Zeiten gewesen. Angemerkt wurde, dass die von Dr. X erzielten Kapitaleinkünfte - bis einschließlich 2006 - bereits verjährt seien. Der Grund für die Nichtangabe der Einkünfte in der österreichischen Steuererklärung liege wohl darin, dass Dr. X der irrigen Meinung gewesen sei, die ausländischen Quellensteuern auf die ausländischen Kapitaleinkünfte hätten eine Endbesteuerungswirkung (vergleichbar der österreichischen Kapitalertragsteuer). Die Stiftung sei aus der Sicht des österreichischen Abgabenrechts als "transparent" einzustufen; die Vermögenswerte und Einkünfte seien daher bis zum Ableben von Dr. X diesem zuzurechnen gewesen. Dr. X sei wohl irrtümlich der Meinung gewesen, dass die Stiftung sämtliche Steueragenden wahrgenommen habe. Da Dr. X wohl einem Irrtum unterlegen sei, sei von der Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 erster Satz BAO auszugehen. Eine Nachversteuerung betreffend die Veranlagungseinkünfte des Dr. X habe daher nur für die Jahre ab 2007 zu erfolgen.

3 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2003 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer für dieses Jahr neu fest. Weiters setzte das Finanzamt für dieses Jahr Anspruchszinsen fest. In der - gesonderten - Bescheidbegründung wurde insbesondere ausgeführt, gemäß § 207 Abs. 2 BAO betrage die Verjährungsfrist zehn Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen sei. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein Vermögen verfüge und sich dazu entscheide, dieses statt in Österreich im Ausland, konkret im Fürstentum Liechtenstein, mit einem erheblichen Mehraufwand zu veranlagen und sich diesbezüglich auch ausreichende Informationen beschaffe, auch von der Steuerpflicht anfallender Erträge in Österreich Kenntnis habe. Da für das Veranlagungsjahr 2003 der Sachverhalt nicht bzw. nicht vollständig offen gelegt worden sei, sei es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen worden, dass dadurch Abgaben hinterzogen würden. Im Hinblick auf den vorliegenden bedingten Vorsatz sei die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren anzuwenden.

4 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2006 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer für diese Jahre neu fest; weiters ergingen auch Bescheide betreffend Anspruchszinsen für diese Jahre.

5 Die Revisionswerber erhoben gegen diese Bescheide Beschwerden. Sie machten geltend, es sei Verjährung eingetreten. Insbesondere liege kein Vorsatz des Verstorbenen vor. Betreffend Einkommensteuer 2003 seien einzelne Fonds, deren Erträge in einer ursprünglichen Berechnung nach § 42 Abs. 2 InvFG 1993 pauschal geschätzt worden seien (sogenannte "schwarze Fonds"), inzwischen "weißgerechnet" worden, wodurch sich eine Verringerung der Bemessungsgrundlage ergebe.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme (Einkommensteuer 2003 bis 2006), Einkommensteuer 2004 bis 2006 sowie Anspruchszinsen 2003 bis 2006 als unbegründet ab. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2003 gab es teilweise Folge. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hinsichtlich des Abspruches über die Anspruchszinsenbescheide unzulässig, im Übrigen aber zulässig sei.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, Dr. X habe im Jahr 1978 bei einer Bank in Liechtenstein Konten und Depots eröffnet. Im Jahr 2004 habe er seinem Sohn Vermögenswerte im Ausmaß von etwa 1 Mio. EUR übertragen. Im Jahr 2005 habe er eine Stiftung, bei der es sich im Sinne des österreichischen Abgabenrechts um eine "transparente" Stiftung handle, errichtet und dieser das bisher auf dem liechtensteinischen Privatkonto gehaltene Vermögen (ca. 4 Mio. EUR) gestiftet. Die aus den liechtensteinischen Kapitalanlagen resultierenden Erträge und sonstigen Einkünfte seien in den eingereichten österreichischen Abgabenerklärungen des Dr. X nicht ausgewiesen worden; eine Offenlegung sei erst mit der Selbstanzeige vom erfolgt. Die Höhe der Einkünfte - nach "Weißrechnung" - sei zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.

8 Strittig sei - auch betreffend die Wiederaufnahme - lediglich die Frage, ob der Abgabenfestsetzung hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2006 Verjährung entgegenstehe.

9 Die Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungspflichten (durch Dr. X) und die dadurch eingetretene (objektive) Abgabenverkürzung seien unstrittig. Nach Lehre und Rechtsprechung könne bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden. Im Hinblick auf die akademische Ausbildung des Dr. X sowie Anzahl und Umfang der Vermögenstransaktionen könne auch im vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Dr. X habe Einkünfte aus verschiedenen Quellen erzielt; es sei ihm daher bekannt gewesen, dass die aus unterschiedlichen Quellen stammenden Einkünfte für Zwecke der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zusammengerechnet würden. Er habe auch im Inland über Wertpapierdepots, Verrechnungskonten und ein Sparbuch verfügt; ihm sei folglich auch bekannt gewesen, dass Kapitalerträge dem Kapitalertragsteuerabzug unterlägen.

10 In Anbetracht des Umfangs der Vermögenstransaktionen und der bei der liechtensteinischen Bank veranlagten Vermögenswerte könne es als Erfahrungstatsache angesehen werden, dass Dr. X von der Bank entsprechend beraten worden sei. Insbesondere gelte dies auch im Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung im Jahr 2005. Dass dabei die steuerliche Behandlung der Erträge kein Thema gewesen wäre, könne im Hinblick auf die Höhe der erzielten Erträge nur als abseits jeder Lebenserfahrung stehend angesehen werden. Ein wirtschaftlich denkender Anleger beziehe in seine Überlegungen auch die steuerliche Belastung mit ein. In diesem Zusammenhang sei auch zu bedenken, dass Liechtenstein jedenfalls in den Streitjahren für sein strenges Bankgeheimnis und die u.a. dadurch bewirkte "Abschirmwirkung" gegenüber ausländischen Steuerbehörden bekannt gewesen sei. Dass Vermögen in diesen Jahren in Liechtenstein in großem Umfang angelegt worden sei, um es dem Zugriff der inländischen Steuerbehörde zu entziehen bzw. die daraus resultierenden Erträge "steuerschonend" zu lukrieren, könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, sei dies doch auch immer wieder Gegenstand entsprechender Medienberichte gewesen. Belegt werde dies auch durch die zahlreichen Selbstanzeigen, die in Folge der sogenannten "Datenklau-Affäre" im Jahr 2008 erfolgt seien.

11 Würden Vermögenswerte in einem solchen Umfang in ein als Steueroase bekanntes Land transferiert und die Vermögensveranlagung im Ausland bzw. die daraus erzielten Erträge der Abgabenbehörde ebenso gänzlich verschwiegen wie die Vermögenswidmung an eine vom Abgabepflichtigen beherrschte Stiftung, liege es nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf der Hand, dass die Vermögensveranlagung im Ausland zum Zwecke der Steuervermeidung erfolge, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor.

12 Aus der Aktenlage ergäben sich keine Hinweise dafür, dass bei einer frühere Zeiträume betreffenden Betriebsprüfung in den vorgelegten Akten die Kapitalanlagen in Liechtenstein betreffende Unterlagen vorgefunden worden seien. Es sei somit davon auszugehen, dass Dr. X die die Vermögensveranlagung in Liechtenstein betreffenden Unterlagen streng von seinem sonstigen Belegwesen getrennt habe und ihm sein steuerliches Fehlverhalten durchaus bewusst gewesen sei. Damit im Einklang stehe, dass auch die Schenkung eines Betrags in Höhe von ca. 1 Mio. EUR an seinen Sohn im Jahr 2004 nicht erklärt worden sei.

13 Inwieweit betreffend das nach Liechtenstein transferierte Vermögen von einem "Notgroschen" für wirtschaftlich unsichere Zeiten auszugehen sei, könne dahingestellt bleiben, könne dies doch allenfalls ursprünglich ein Beweggrund für die Veranlagung des Vermögens in Liechtenstein gewesen sein. Dies erkläre nicht, weshalb die daraus resultierenden Erträge den inländischen Abgabenbehörden verschwiegen worden seien.

14 Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse könne daher nur der Schluss gezogen werden, dass Dr. X die im Inland bestehende Abgabenpflicht bekannt gewesen sei und er die erzielten Erträge der Abgabenbehörde durch Nichtoffenlegung bewusst verschwiegen habe. Er habe somit den Tatbestand der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung verwirklicht. Zumindest wäre aber davon auszugehen, dass Dr. X eine aufgrund der Nichterklärung der liechtensteinischen Einkünfte eintretende Abgabenverkürzung jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe.

15 Ein vorsätzliches Handeln ausschließender Irrtum habe nicht aufgezeigt werden können. Dass ein akademisch gebildeter und wirtschaftlich tätiger Abgabepflichtiger davon hätte ausgehen sollen, dass mit einem Quellensteuerabzug von 0,6% bis 1,6% eine dem inländischen Kapitalertragsteuerabzug von 25% entsprechende Abgeltungswirkung eintreten solle, könne nur als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Zudem wäre es unverständlich, weshalb er auch im Inland nicht unbeträchtliches Kapitalvermögen veranlage und insoweit eine wesentlich höhere Steuerbelastung in Kauf genommen haben solle, wenn er von einer solchen Endbesteuerungswirkung der ausländischen Quellensteuer ausgegangen wäre.

16 Die von Dr. X errichtete liechtensteinische Stiftung sei unbestritten als "transparent" zu beurteilen; die Einkünfte seien alleine Dr. X zuzurechnen gewesen. Angesichts des Umfangs des gestifteten Vermögens sowie seines unternehmerischen Sachverstandes könne es ausgeschlossen werden, dass er im Vorfeld der Errichtung der Stiftung nicht über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Ausgestaltung und die sich daraus ergebende unterschiedliche Zurechnung der Einkünfte informiert worden sei.

17 Im Hinblick auf seine Stellung als die hinter der Stiftung stehende bestimmende Person und den dadurch bedingten Wissensstand könnten sich die Revisionswerber auch nicht darauf berufen, dass Dr. X wohl von der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch die Stiftung ausgegangen sei.

18 Art. 6 Abs. 2 EMRK stehe der Annahme des Vorsatzes bei einem zwischenzeitig Verstorbenen nicht entgegen. Zu dem Zweck, Steuern oder steuerliche Nebenleistungen festzusetzen, könne auch noch nach dem Tod des Steuerpflichtigen festgestellt werden, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht worden sei.

19 Insgesamt habe das Finanzamt somit zu Recht die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben herangezogen, zumal es dem Sinn der Verjährungsbestimmungen entspreche, dass für die Durchsetzung von Abgabenansprüchen ein längerer Zeitraum zur Verfügung stehe, wenn der Abgabengläubiger - wie im Revisionsfall - keine Möglichkeit gehabt habe, das Bestehen eines Abgabenanspruches zu erkennen.

20 Der Beschwerde betreffend Einkommenseuer 2003 sei insoweit Folge zu geben gewesen, als die Ertragsanteile aus den ausländischen Investmentfonds entsprechend den Angaben der steuerlichen Vertretung - der Höhe nach unbestritten - zu berücksichtigen waren.

21 Da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob das Vorliegen vorsätzlichen Verhaltens und damit der Tatbestand einer verwirklichten Abgabeninterziehung auch noch nach dem Tod des Steuerpflichtigen festgestellt werden könne, sei betreffend Wiederaufnahme und Einkommensteuer 2003 bis 2006 eine ordentliche Revision zulässig.

22 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 23 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

24 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25 Die Revision bringt ausdrücklich vor, dass Dr. X "Einkünfte aus ausländischen Kapitalanlagen" zuzurechnen gewesen seien, und formuliert als Revisionspunkt ausschließlich das Recht auf Berücksichtigung des Eintrittes der Verjährung.

26 Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

27 Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO u. a. bei der Einkommensteuer fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.

28 Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

29 Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zuletzt , mwN).

30 Der Zweck der Verjährungsbestimmungen liegt darin, dass infolge Zeitablaufes Rechtsfriede eintritt und dass Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, die insbesondere durch ein der Behörde zuzurechnendes Verstreichenlassen längerer Zeiträume entstehen, vermieden werden (vgl. Ritz, BAO5 § 207 Tz 5). Hatte aber der Abgabengläubiger infolge einer Abgabenhinterziehung keine Möglichkeit, das Bestehen seines Anspruches zu erkennen, so entspricht es dem Sinn des Instituts der Verjährung, dass die Durchsetzung der hinterzogenen Abgaben erst nach Ablauf einer längeren Frist unzulässig wird (vgl. Ritz, aaO Tz 14).

31 Entscheidend ist - nach dem Wortlaut des Gesetzes - dass eine Abgabe hinterzogen ist. Die (Verlängerung der) Verjährungsfrist bezieht sich demnach nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung (vgl. , mwN). Es kommt somit nicht darauf an, wer eine Abgabe hinterzogen hat (vgl. , VwSlg. 6979/F). Damit ist es aber auch unerheblich, ob jene Person, die (allenfalls) eine Abgabe hinterzogen hat, bereits verstorben ist (vgl. auch Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 207, 572).

32 Wenn die Revisionswerber - unter Hinweis auf Streck/Rainer, Feststellung der Steuerhinterziehung nach dem Tode des mutmaßlichen Hinterziehers, StuW 1979, 267 - ausführen, es sei das rechtliche Gehör verletzt, da nur der der Hinterziehung Verdächtige zum Hinterziehungsvorwurf gehört werden könne, so steht diesem Vorbringen schon entgegen, dass es - wie soeben dargelegt - nicht auf die Person des Hinterziehers ankommt. Auch der deutsche Bundesfinanzhof ist - in Auseinandersetzung mit der genannten Literaturmeinung - zum Ergebnis gelangt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht deshalb verletzt ist, weil der Steuerpflichtige wegen seines Todes nicht mehr gehört werden kann (vgl. BFH , VIII R 84/89, BStBl. 1992 II 9; vgl. auch Kruse in Tipke/Lang, (deutsche) Abgabenordnung, § 169 Tz 25; vgl. im Übrigen - zur Verjährungsbestimmung des § 1489 ABGB - auch , und Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1489 Rz 47).

33 Wenn die Revision dazu ergänzend auf das Fachgutachten Nr. 65 der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (1981) verweist, so hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit diesem Gutachten bereits im Erkenntnis vom , 2002/16/0190, VwSlg. 7802/F, unter Hinweis auf Baldauf, ÖStZ 1982, 134, eingehend auseinandergesetzt.

34 Dass hingegen das rechtliche Gehör der Verfahrensparteien (§ 115 Abs. 2 BAO) im vorliegenden Verfahren verletzt worden sei, wird auch in der Revision nicht geltend gemacht.

35 Die Revisionswerber machen weiters geltend, durch die Feststellung der Hinterziehung durch Dr. X sei dessen Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK, § 57 Abs. 7 FinStrG,§ 8 StPO) verletzt, da er sich gegen die Feststellung, schuldhaft Abgaben verkürzt zu haben, aufgrund seines Versterbens nicht mehr wehren könne. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Entscheidung in einem Strafverfahren getroffen wurde, es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung in einem Abgabenverfahren, in deren Rahmen auch eine Vorfrage zu beurteilen war (vgl. , VwSlg. 7802/F). Gerade die Beurteilung dieser Vorfrage, nämlich die Annahme, Dr. X habe Abgaben schuldhaft verkürzt, war aber im vorliegenden Verfahren durch die Rechtsnachfolger des Dr. X mittels Beschwerde und nunmehr durch Revision bekämpfbar.

36 In der Revision wird nicht aufgezeigt (und auch gar nicht aufzuzeigen versucht), dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zur Frage, ob eine hinterzogene Abgabe vorliegt (insbesondere auch zum Vorsatz des Dr. X), mangelhaft wäre.

37 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017150015.J00
Schlagworte:
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.