VwGH vom 21.03.2018, Ro 2017/13/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der K GmbH in W, vertreten durch die Malainer Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8 / Top 25, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7100124/2014, betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied für das Jahr 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende GmbH ist Gruppenmitglied einer Unternehmensgruppe. Für das Streitjahr 2011 erklärte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb von rund EUR 2,8 Mio, darin Lizenzeinkünfte aus Japan in der Höhe von rund EUR 458.000,--, von denen in Japan eine Quellensteuer in der Höhe von 10% einbehalten worden war. Streitpunkt des Verfahrens ist die von der Revisionswerberin trotz hoher Vorgruppenverluste und der aus deren Abzug resultierenden Feststellung ihres Einkommens mit EUR 0,-- beantragte Erfassung der japanischen Quellensteuer als anrechenbare ausländische Steuer im Feststellungsbescheid Gruppenmitglied.
2 In der Berufung vom Jänner 2013 gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied vom Dezember 2012, in dem auch die anrechenbare ausländische Quellensteuer mit EUR 0,-- ausgewiesen war, und im Vorlageantrag vom August 2013 zur abweisenden Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vertrat die Revisionswerberin die auch der Revision zugrunde liegende Ansicht, die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages auf der Ebene des Gruppenmitglieds habe "ohne Berücksichtigung der Gruppenzugehörigkeit" zu erfolgen. Dies bedeute, dass statt der für Gruppenmitglieder in der Spezialbestimmung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 vorgesehenen Verrechnung von Vorgruppenverlusten "bis zur Höhe des eigenen Gewinnes des jeweiligen Gruppenmitglieds" bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages von der allgemeinen Vorschrift (im Streitjahr noch) des § 2 Abs. 2b EStG 1988 iVm § 7 Abs. 2 KStG 1988 auszugehen sei, wonach ein solcher Abzug nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte möglich sei. Damit verbleibe ein positiver Betrag, der im vorliegenden Fall hoch genug sei, um die Anrechnung der japanischen Quellensteuer voll wirksam werden und nicht, wie vom Finanzamt angenommen, auf der Ebene des Gruppenmitglieds scheitern zu lassen.
3 Hilfsweise machte die Revisionswerberin geltend, die Spezialbestimmung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 spreche "nicht von einer Verpflichtung" zur Verrechnung des Gewinns des Gruppenmitgliedes mit Vorgruppenverlusten.
4 Mit Schreiben vom hielt das inzwischen zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin, die sich im Vorlageantrag auf ein zu "einer ähnlichen Rechtsfrage" beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges Verfahren berufen hatte, vor, der Verwaltungsgerichtshof habe die in diesem Verfahren zu behandelnde Beschwerde eines Gruppenmitgliedes mit Erkenntnis vom , 2011/13/0055, unter Verweis auf das (die Beschwerde eines Gruppenträgers betreffende) Erkenntnis vom , 2011/15/0112, als unbegründet abgewiesen.
5 In der Beantwortung dieses Vorhalts mit Schreiben vom verwies die Revisionswerberin darauf, dass sie anders als die von dem zuletzt erwähnten Erkenntnis betroffene Gesellschaft im Streitjahr positive Einkünfte erwirtschaftet habe. Sie beantragte nun, ihr Einkommen im Jahr 2011 unter Berücksichtigung eines Verlustabzuges in genau der Höhe (von etwas mehr als 93% der Einkünfte aus Gewerbebetrieb) festzustellen, bei der die fiktive Steuerbelastung des Restbetrages mit der japanischen Quellensteuer übereinstimmen würde.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die von ihm als Beschwerde zu behandelnde Berufung als unbegründet ab. Es vertrat - wie schon das Finanzamt -
die Ansicht, es sei nicht ersichtlich, weshalb die für die Ermittlung des zuzurechnenden Ergebnisses des Gruppenmitgliedes u. a. maßgebliche Vorschrift des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 (Abzug u. a. der Vorgruppenverluste bis zur Höhe des eigenen Gewinnes) bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages unangewendet bleiben sollte, und aus dem Wortlaut der Bestimmung ("können") sei auch kein Wahlrecht des Gruppenmitgliedes abzuleiten.
7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Fragen für zulässig.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattete - erwogen:
9 Nach Artikel XIX Abs. 2 des im Revisionsfall maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommens mit Japan, BGBl. Nr. 127/1963, wird die von der Revisionswerberin für die Lizenzgebühren entrichtete Quellensteuer "zur Anrechnung auf die österreichische Steuer für diese Einkünfte zugelassen, aber mit einem Betrag, der den Teil der österreichischen Steuer nicht übersteigt, der auf diese Einkünfte (oder das gesamte, der österreichischen Steuer unterliegende Einkommen, wenn dieses niedriger ist) im Verhältnis zum gesamten, der österreichischen Steuer unterliegenden Einkommen entfällt".
10 In dem diese Abkommensbestimmung betreffenden Erkenntnis vom , 99/14/0012, VwSlg 7387/F, bestätigte der Verwaltungsgerichtshof zunächst ohne Bezugnahme auf den Klammerausdruck, eine Anrechnung könne nicht Platz greifen, wenn das Gesamteinkommen so niedrig sei, dass sich keine österreichische Steuer errechne, und auch eine Anrechnung in Folgejahren komme nicht in Betracht, weil sie nicht mehr die Steuer für dieselben Einkünfte betreffen könnte (vgl. insoweit jetzt - andere Abkommen betreffend - vor allem , VwSlg 8962/F). Er fügte hinzu, die in Klammer gesetzte Wortgruppe in Art. XIX Abs. 2 des Abkommens mit Japan treffe für den Fall eines die quellenbesteuerten Einkünfte unterschreitenden Gesamteinkommens auch eine besondere Regelung, was der Anrechnung in Folgejahren zusätzlich entgegenstehe.
11 Die damalige Beschwerdeführerin hatte geltend gemacht, die Lizenzeinkünfte kürzten den sonst für einen Vortrag zur Verfügung stehenden Verlust, sodass es letztlich nur zu einem Steueraufschub komme und man die Ansicht vertreten könne, dass in einer späteren Periode auf die japanischen Einkünfte eine österreichische Steuer erhoben werde. Ein solches Ergebnis würde Sinn und Zweck des Abkommens zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zuwiderlaufen und müsse daher in teleologischer Auslegung vermieden werden. Dieser Ansicht folgte der Verwaltungsgerichtshof nicht.
12 Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin - zur Vermeidung einer "zeitverschobenen Doppelbesteuerung" - die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 48 BAO. Die Beschwerde gegen deren Versagung wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2000/14/0172, VwSlg 7959/F, abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof legte dar, die Kürzung der als Sonderausgaben abzugsfähigen Verlustvorträge führe zwar zu einer höheren Steuerbelastung in den Folgejahren, aber nicht zu einer Nachversteuerung der zuvor in Österreich nicht besteuerten ausländischen Einkünfte. Eine Doppelbesteuerung im juristischen Sinne liege nicht vor, weshalb auch keine Entlastungsmaßnahme gemäß § 48 BAO erforderlich sei.
13 Soweit sich die vorliegende Revision auf den Gesichtspunkt einer "effektiven Doppelbesteuerung der japanischen Einkünfte" stützt, ist sie auf diese Rechtsprechung zu verweisen.
14 Durch Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch geklärt, dass es im Rahmen der Gruppenbesteuerung der Anrechnung der von einem Gruppenmitglied im Ausland entrichteten Quellensteuer entgegensteht, wenn für dieses Gruppenmitglied auf Grund seines eigenen Einkommens in dem betroffenen Jahr keine österreichische Steuer zu entrichten wäre (vgl. einen Gruppenträger betreffend , VwSlg 8953/F, und darauf für ein Gruppenmitglied verweisend ).
15 Die Revisionswerberin hält dem ihr (vor Abzug von Vorgruppenverlusten) positives Ergebnis im Streitjahr entgegen und vertritt zunächst den Standpunkt, bei der Prüfung der hypothetischen Anrechnungsmöglichkeit im Ausmaß des der Abkommensbestimmung entsprechenden Anrechnungshöchstbetrages auf der Ebene des Gruppenmitgliedes sei außer den Ergebnissen anderer gruppenzugehöriger Körperschaften auch die Zugehörigkeit des betroffenen Gruppenmitgliedes zur Gruppe "auszublenden". Dies bedeute, dass die Sondervorschrift über die Verrechnung u.a. von Vorgruppenverlusten bis zur vollen Höhe des eigenen Gewinns hier nicht zur Anwendung zu kommen habe und es für die Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages auf der Ebene des Gruppenmitgliedes bei der (im Streitjahr 2011 noch in § 2 Abs. 2b EStG 1988 iVm § 7 Abs. 2 KStG 1988 vorgesehenen) Beschränkung des Verlustabzuges auf 75% der Summe der Einkünfte bleibe. Damit verbliebe im Streitjahr ein positives Einkommen, dessen fiktive Steuerbelastung die anzurechnende Quellensteuer deutlich überstiege.
16 Das Einkommen des Gruppenmitgliedes wäre demnach zweimal zu ermitteln, einmal als gemäß § 9 Abs. 6 KStG 1988 zuzurechnendes Ergebnis (mit dem dort in Z 4 vorgesehenen Abzug u.a. von Vorgruppenverlusten bis zur Höhe des eigenen Gewinnes) und ein zweites Mal für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages (unter Ausblendung der Gruppenzugehörigkeit). Das Ergebnis wäre widersprüchlich, weil sich die Anrechnung auf ein anderes als das der Besteuerung in weiterer Folge zugrunde zu legende Einkommen des Gruppenmitgliedes beziehen würde.
17 Alternativ dazu macht die Revisionswerberin geltend, § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 räume ihr beim Abzug von Vorgruppenverlusten ein Wahlrecht ein, das sich im Sinne des im Schreiben vom gestellten Antrages (Abzug in der Höhe von etwas mehr als 93% statt 100% der Einkünfte) mit der Folge auch der Zurechnung eines entsprechend höheren Einkommens im Rahmen der Gruppenbesteuerung (bei gleichzeitiger Anrechnung der Quellensteuer und ohne Verbrauch des Vorgruppenverlustes im Ausmaß der Differenz von nicht ganz 7%) ausüben lasse. Sie stützt dies auf den Wortlaut der Bestimmung ("Vortragsfähige Verluste (...) können bis zur Höhe des eigenen Gewinnes des jeweiligen Gruppenmitglieds verrechnet werden"). Von einer "Verpflichtung" sei darin nicht die Rede.
18 Dieser Argumentation hat schon das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung entgegengehalten, § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 bewirke eine Ausschaltung der Begrenzung des Abzuges mit 75% der Einkünfte, die in dem für das Streitjahr noch maßgeblichen § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988 nicht anders formuliert sei ("können nur im Ausmaß von (...) abgezogen werden"), wobei sich dort aus dem Folgesatz ("sind (...) in den folgenden Jahren (...) abzuziehen") jedoch ergebe, dass der Abzug bis zu dieser Grenze zwingend sei (vgl. nun § 8 Abs. 4 Z 2 lit. a KStG 1988). Mit Recht verwies das Bundesfinanzgericht in Anknüpfung an sinngleiche Ausführungen des Finanzamts auch darauf, dass die Annahme eines Wahlrechts "im Widerspruch zum gesamten System der Verlustverrechnung" stünde (vgl. zur Verneinung eines Wahlrechts beim Verlustabzug , VwSlg 8851/F, sowie - mit Hinweis darauf, dass es zum Verbrauch des Verlustvortrags auch kommen kann, wenn er keine Minderung der Steuerlast bewirkt - ).
19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017130002.J00 |
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