VwGH vom 27.05.2019, Ro 2017/12/0004
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Landesschulrates für Steiermark, nunmehr der Bildungsdirektion Steiermark, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 49.31-4341/2014-21, betreffend Neufeststellung des Vorrückungsstichtages und besoldungsrechtliche Einstufung (mitbeteiligte Partei: W F in M, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Das Land Steiermark hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht seit dem als Landeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark.
2 Mit Antrag vom begehrte er gemäß § 113 Abs. 10 Gehaltsgesetz 1956 - GehG die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages.
3 Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom wurde aufgrund dieses Antrages mit Wirksamkeit vom der als Vorrückungsstichtag für die Verwendungsgruppe L2a2 festgesetzt. Es wurde ausgesprochen, dass dem Mitbeteiligten ab die Bezüge der Gehaltsstufe 13 in der Verwendungsgruppe L2a2 gebührten. Als Tag der nächsten Vorrückung komme der in Betracht.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) zunächst als unzulässig zurückgewiesen. Aufgrund der vom Mitbeteiligten erhobenen ordentlichen Revision wurde dieser Beschluss mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/12/0019, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzerkenntnis gab das LVwG der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und setzte "gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz iVm § 8, 12 und 113 Abs 10 Gehaltsgesetz 1956 idF BGBl. Nr. 1 82/2010 iVm Art 2 Abs 1 und 2, Art 6 Abs 2, Art 9 und 16 der Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom " mit Wirksamkeit vom den Vorrückungsstichtag des Mitbeteiligten für die Verwendungsgruppe L2a2 mit fest. Es sprach aus, dass dem Mitbeteiligten daher unter Berücksichtigung aller bis dahin angefallenen Hemmzeiten und Überstellungsverluste die Bezüge der Gehaltsstufe 14 in der Verwendungsgruppe L2a2 gebührten, sowie, dass ab Wirksamkeit als nächster Vorrückungsstichtag gemäß § 8 Abs. 1 und 2 Gehaltsgesetz - GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 der in Betracht komme. 6 Konkret rechnete das LVwG folgende Zeiten zur Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages an:
".1971 (Ende der Schulpflicht) bis zum - 3 Jahre zu(r) Gänze (§ 12 Abs 1 Z 2 lit b sublit aa Gehaltsgesetz)
.1975 bis - Präsenzdienst - 8 Monate (§ 12 Abs 2 Z 2 Gehaltsgesetz)
.1982 bis - Handelsakademie für Berufstätige zur Gänze - 3 Jahre und 10 Monate (§ 12 Abs 2 Z 6 Gehaltsgesetz)
4. 19.10.1976 bis - Berufspraxis - 2 Jahre (§ 12 Abs 2 Z 7 lit a Gehaltsgesetz)
5. Alle sonstigen Zeiten (die nicht zur Gänze berücksichtigt wurden) zwischen dem und dem Anstellungstag () zur Hälfte - 3 Jahre 10 Monate 6 Tage (§ 12 Abs 2 (gemeint: Abs 1) lit b sublit bb iVm § 113 Abs 14 Gehaltsgesetz, Obergrenze drei Jahre entfällt).
.1988 bis - Lehrerdienstzeiten zur Gänze - 4 Jahre 3 Monate 19 Tage (§ 12 Abs 2 Z 1 lit b Gehaltsgesetz)
7. Alle Zeiten zwischen dem und dem Berechnungsdatum - 11 Jahre (§ 12 Abs 2 lit b Gehaltsgesetz)
Ein Überstellungsverlust von 2 Jahren ist in Abzug zu bringen (§ 12 Abs 7 Gehaltsgesetz)."
7 Begründend führte das LVwG aus, dass die Festsetzung der gehaltsrechtlichen Einstufung mit der Maßgabe erfolge, dass § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 nicht angewendet werde und für die Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe ein Zeitraum von zwei Jahren zugrunde gelegt werde; dies ergebe sich aus näherer Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH). Die Zeiten des Besuches der berufsbegleitenden Handelsakademie seien ebenfalls anzurechnen, da es nicht darauf ankomme, in welcher Lebensphase der Bedienstete diese Ausbildung absolviere; faktisch erhielten sonst all jene Bediensteten einen ungünstigeren Vorrückungsstichtag, die die höhere Schule nicht schon im regulären Schulverlauf, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens absolviert hätten. Damit läge aber zwangsläufig jedenfalls mittelbar eine altersbedingte Ungleichbehandlung vor, die nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2000/78/EG verboten sei. Da eine richtlinienkonforme Auslegung möglich sei, sei dieser der Vorzug zu geben. Bestimmte Zeiten der Berufstätigkeit seien aus näheren Gründen nicht zur Gänze anzurechnen. Die Revision wurde zugelassen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision unter Zuspruch von Kosten zurückbzw. abzuweisen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision erweist sich entsprechend der Zulassungsbegründung des LVwG zur Klärung der Frage, ob die Wortfolge "bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beamte den Abschluss dieser Ausbildung auf Grund schulrechtlicher Vorschriften frühestens hätte erreichen können" in § 12 Abs. 2 Z 6 GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 die Anrechnung einer berufsbegleitend absolvierten Schulausbildung ermöglicht, als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet:
11 Die gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 auf Landeslehrer anwendbaren Bestimmungen des GehG idF der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 lauteten auszugsweise wie folgt:
"§ 8. (1) Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag maßgebend. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, beträgt der für die Vorrückung in die zweite in jeder Verwendungsgruppe in Betracht kommende Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre.
(2) Die Vorrückung findet an dem auf die Vollendung des zwei- oder fünfjährigen Zeitraumes folgenden 1. Jänner oder 1. Juli statt (Vorrückungstermin), sofern sie nicht an diesem Tage aufgeschoben oder gehemmt ist. Die zwei- oder fünfjährige Frist gilt auch dann als am Vorrückungstermin vollstreckt, wenn sie vor dem Ablauf des dem Vorrückungstermin folgenden 31. März beziehungsweise 30. September endet."
"§ 12. (1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:
die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,
sonstige Zeiten, die
die Erfordernisse der Abs. 3 oder 3a erfüllen, zur Gänze,
die die Erfordernisse der Abs. 3 oder 3a nicht erfüllen,
-
bis zu 3 Jahren zur Gänze und
bis zu weiteren 3 Jahren zur Hälfte.
(1a) Das Ausmaß der gemäß Abs. 1 Z 2 lit. b sublit. aa und Abs. 2 Z 6 voran gesetzten Zeiten und der gemäß Abs. 2 Z 4 lit. d voran gesetzten Lehrzeiten darf insgesamt drei Jahre nicht übersteigen. Wurde jedoch
1. eine Ausbildung gemäß Abs. 2 Z 6 abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften mehr als zwölf Schulstufen erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um ein Jahr für jede über zwölf hinaus gehende Schulstufe;
2. eine Lehre gemäß Abs. 2 Z 4 lit. d abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen Vorschriften eine Lehrzeit von mehr als 36 Monaten erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um einen Monat für jeden über 36 Monate hinaus gehenden Monat der Lehrzeit.
(2) Gemäß Abs. 1 Z 1 sind voranzusetzen:
1. die Zeit, die
a) in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen
Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband oder
b) im Lehrberuf
aa) an einer inländischen öffentlichen Schule, Universität
oder Hochschule oder
-
an der Akademie der bildenden Künste oder
an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten
inländischen privaten Schule, Universität oder Hochschule oder
dd)an einer Pädagogischen Hochschule oder Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien
zurückgelegt worden ist:
2.die Zeit der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienste nach dem Wehrgesetz 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146, und des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986, BGBl. Nr. 679, sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983;
...
...
...
bei Beamten, die in die Verwendungsgruppen A 1, A 2, B,
L 2b, M BO 1, M ZO 1, M BO 2, M ZO 2, H 2, PT 1 bis PT 4, K 1 oder
K 2 oder in eine der im § 12a Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Besoldungs- oder Verwendungsgruppen aufgenommen werden, die Zeit des erfolgreichen Studiums
an einer höheren Schule oder
- solange der Beamte damals noch keine Reife- und Diplomprüfung bzw. Reifeprüfung erfolgreich abgelegt hat - an einer Akademie für Sozialarbeit
bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beamte den Abschluss dieser Ausbildung auf Grund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können; mögliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht zu berücksichtigen. Als Zeitpunkt des möglichen Schulabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni und bei Studien, die mit dem Kalenderjahr enden, der 31. Dezember anzunehmen.
...
(8) Die mehrfache Berücksichtigung ein und desselben Zeitraumes ist - abgesehen von den Fällen des § 114 Abs. 1 - unzulässig. Nicht voranzusetzen sind ferner die in Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Zeiten, soweit sie in einen gemäß Abs. 2 Z 7 oder 8 zu berücksichtigenden Zeitraum fallen.
..."
12 Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom , ABl. Nr. L 303 vom , zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf lautet auszugsweise wie folgt:
"Artikel 1
Zweck
Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.
Artikel 2
Der Begriff ‚Diskriminierung'
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz', dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:
i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder
ii) der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.
...
Artikel 6
Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.
(2) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt."
13 Gemäß Art. 18 der Richtlinie war sie bis zum umzusetzen.
14 Hinsichtlich der Zulässigkeit des vom Mitbeteiligten gestellten Antrages auf Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages wird auf die ausführliche Begründung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/12/0025, verwiesen.
15 Die revisionswerbende Partei bringt zunächst vor, dass sich die Rechtslage nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses innerhalb der Revisionsfrist rückwirkend mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2016 geändert habe.
16 Damit wird jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt: Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom festgehalten hat, widerspricht eine rückwirkend in Kraft gesetzte Regelung (§ 169c GehG idF des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes BGBl. I Nr. 104/2016), die die diskriminierende Wirkung der alten Regelung perpetuiert, dem Unionsrecht. Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, den Rechtsschutz zu gewährleisten und gegebenenfalls widersprechende nationale Regelungen unangewendet zu lassen. Damit ist geklärt, dass der Verwaltungsgerichtshof das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz BGBl. I Nr. 104/2016, soweit es - auch in § 175 Abs. 79, Abs. 79a, Abs. 79b und Abs. 86 GehG - die Diskriminierung des Mitbeteiligten rückwirkend festzuschreiben versucht, wegen Widerspruchs zum Unionsrecht keinesfalls anzuwenden hat.
17 Folglich wäre auch nach Herausgabe des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes unionsrechtskonform inhaltlich über den Antrag des Mitbeteiligten zu entscheiden. Auf die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grunde des § 175 Abs. 79a GehG - wäre dieser nicht ohnedies infolge Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbar - das Besoldungsrechtsanpassungsg esetz ausnahmsweise auch bei Überprüfung bereits vor seiner Herausgabe ergangener Entscheidungen anzuwenden gehabt hätte, kommt es eben im Hinblick auf die Unanwendbarkeit des dort verankerten "Anwendungsverbotes" nicht an.
18 Zu klären ist weiters, ob dem Mitbeteiligten der Besuch der höheren Schule gemäß § 12 Abs. 2 Z 6 GehG auf den Vorrückungsstichtag anzurechnen ist, obwohl er diese Schule nicht unmittelbar anschließend an seine Lehrabschlussprüfung, sondern nach einigen Jahren Berufstätigkeit und der Absolvierung des Präsenzdienstes berufsbegleitend ab September 1982 besucht hat. Die Reifeprüfung hat er am bestanden. 19 Gemäß § 12 Abs. 2 Z 6 lit. a GehG ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags bestimmter Beamter die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt anzurechnen, an dem der Beamte den Abschluss dieser Ausbildung aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können; mögliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht zu berücksichtigen. Als Zeitpunkt des möglichen Schulabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni und bei Studien, die mit dem Kalenderjahr enden, der 31. Dezember anzunehmen.
20 Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Besuch einer höheren Schule auch dann für die Bestimmung des hier noch maßgeblichen Vorrückungsstichtages anzurechnen ist, wenn diese Ausbildung - zeitlich gesehen - nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt absolviert wurde.
21 Vorauszuschicken ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 93/12/0298, mit der Frage ob der Zeitpunkt, an dem der Abschluss der Ausbildung "aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens" zu erreichen gewesen wäre, auf den konkreten Studienbeginn des jeweiligen Absolventen oder aber abstrakt auf die Ausbildungsmöglichkeit als solche zu beziehen ist, auseinander gesetzt hat. In dieser Entscheidung wurde festgehalten, dass bei Errechnung des Vorrückungsstichtags von einem fiktiven Studienverlauf ohne Berücksichtigung des aus persönlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen Studiums auszugehen sei. Es sei, weil das Gesetz keine Ausnahme zulasse, vom Regelfall einer gesetzlich vorgegebenen Schulausbildung der gewählten Art auszugehen, woraus sich nicht nur das früheste Antrittsalter, sondern auch die Ausbildungsdauer ergebe.
22 Für den Verwaltungsgerichtshof bestand zum Zeitpunkt dieser Entscheidung jedoch kein Anlass, sich mit der Frage einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit, - insbesondere einer (Alters-)Diskriminierung durch die so verstandene Bestimmung - auseinanderzusetzen, weil die maßgebliche Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erst am erlassen wurde und bis in nationales Recht umzusetzen war.
23 Sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78 ergibt sich, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder "in Beschäftigung und Beruf" gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter auch das Alter - bietet (so , Hütter, Rn. 33).
24 Da § 12 Abs. 2 Z 6 GehG regelt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Schulzeiten auf den das Gehalt bestimmenden Vorrückungsstichtag anzurechnen sind, wirkt sich diese Bestimmung auf das Arbeitsentgelt aus (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a und c RL 2000/78).
25 Vor dem Hintergrund dieser Richtlinie hat der Verwaltungsgerichtshof die strittige Rechtsfrage daher einer erneuten Prüfung zu unterziehen:
26 Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bedeutet der "Gleichbehandlungsgrundsatz", der mit ihr durchgesetzt werden soll, dass es "keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 (der Richtlinie) genannten Gründe geben darf". Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie liegt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Abs. 1 vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person (vgl. dazu auch Hütter, Rn. 37). 27 Im Urteil Hütter gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, dass der generelle Ausschluss von Zeiten vor der Vollendung des 18. Lebensjahres für die Anrechnung auf den Vorrückungsstichtag mit dem Unionsrecht unvereinbar ist: Dies konnte nämlich dazu führen, dass zwei Personen, die die gleiche Ausbildung abgelegt und die gleiche Berufserfahrung erworben haben, allein wegen ihres unterschiedlichen Alters ungleich behandelt wurden (Hütter, Rn. 38).
28 Im vorliegenden Fall ist die revisionswerbende Partei der Ansicht, § 12 Abs. 2 Z 6 GehG sei weiterhin so auszulegen, dass Schulzeiten an einer höheren Schule nur dann angerechnet werden könnten, wenn sie zum nach dem Lebensalter frühesten Zeitpunkt begonnen würden; der gleichen Ausbildung sei jedoch eine Anrechnung jedenfalls verwehrt, wenn sie später, also etwa im zweiten Bildungsweg abgeschlossen würde.
29 Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Z 6 GehG lässt mit dem Abstellen auf jenen Zeitpunkt, an dem der Abschluss der Ausbildung "aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens" zu erreichen gewesen wäre, in seinem systematischen Zusammenhang nicht nur das von der revisionswerbenden Partei vertretene Auslegungsergebnis zu (das dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Entscheidung 93/12/0298 entspricht), sondern auch das Verständnis, dass die Anrechnung eines erfolgreich absolvierten Studiums nur im Ausmaß der Mindeststudienzeit zu erfolgen hat. Die praktische Bedeutung davon wäre, dass danach etwa das Wiederholen eines Schuljahres zulasten des Schülers ginge.
30 § 12 Abs. 2 Z 6 GehG geht auf die Novelle BGBl. Nr. 245/1970 zurück. Bei der Errechnung des Vorrückungsstichtags war - damals unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten - die Zeit des erfolgreichen Besuchs einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, an dem der Beamte den Abschluss dieser Ausbildung aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können. Nach den Materialien RV 57 BlgNR 12. GP 19, sollte dadurch erreicht werden, dass "Zeiten eines durch schulrechtliche Vorschriften (nicht durch den Studierenden) bewirkten längeren, das heißt über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinausreichenden Ausbildungsganges zur Ablegung der Reifeprüfung einer bestimmten Schulart oder Zeiten der Normaldauer eines Hochschulstudiums zur Gänze in der Verwendungsgruppe B berücksichtigt werden".
31 Ausgeschlossen wurde damit die Anrechnung von nach dem 18. Lebensjahr liegenden Schuljahren, wenn sie ihre Ursache im Schüler haben, nicht aber, wenn die Ausbildung im Regelfall überhaupt erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen werden kann. Über die Anerkennung von Zeiten des Besuchs einer höheren Schule im zweiten Bildungsweg ist damit allerdings noch nichts gesagt. Die Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 bewirkte schließlich, dass die in Rede stehenden Schulzeiten - jedenfalls wenn das Studium zu dem nach dem Lebensalter frühesten Zeitpunkt begonnen wurde - in vollem Ausmaß der Mindeststudiendauer (also auch hinsichtlich der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten) anrechenbar wurden.
32 Anders als die revisionswerbende Partei vermeint, ist es für die Prüfung, ob § 12 Abs. 2 Z 6 GehG eine verpönte Diskriminierung nach dem Alter enthält, nicht ausschlaggebend, ob die Ablegung der Reifeprüfung für den Mitbeteiligten als Zeit des Erwerbs von Berufserfahrung zu qualifizieren ist oder ob der Mitbeteiligte statt der Reifeprüfung nach Absolvierung der Schuljahre auch eine Studienberechtigungsprüfung hätte ablegen können (zur Möglichkeit einer Diskriminierung durch die Anrechnung von Schulzeiten in Abhängigkeit von ihrer zeitlichen Lagerung vgl. , sowie Z 1 des dort zitierten - Schmitzer). Vielmehr ist zu beurteilen, ob § 12 Abs. 2 Z 6 GehG in der von der revisionswerbenden Partei vertretenen Auslegungsvariante zu einem diskriminierenden Ergebnis führt: Als Vergleichsmaßstab ist dabei ein Beamter mit Besuch einer höheren Schule unmittelbar nach Ende der Schulpflicht sowie ein Beamter, der die höhere Schule erst später - etwa nach einigen Jahren Berufstätigkeit - besucht, heranzuziehen.
33 Dabei zeigt sich, dass nach dem von der revisionswerbenden Partei favorisierten Auslegungsergebnis nur dem erstgenannten Beamten die Schulzeiten auf den Vorrückungsstichtag angerechnet würden, dem zweitgenannten jedoch nicht.
34 Hielte man an diesem bisherigen Verständnis des § 12 Abs. 2 Z 6 GehG fest, würde sich die unterschiedliche Berücksichtigung von Zeiten des erfolgreichen Besuchs an einer höheren Schule nicht unmittelbar aus dem Alter des Beamten ergeben, sondern aus dem scheinbar neutralen Kriterium des aufgrund schulrechtlicher Vorschriften frühestmöglichen Abschlusses einer höheren Schulbildung. Faktisch erhielten damit jedoch all jene Beamten einen ungünstigeren Vorrückungsstichtag, die die höhere Schule nicht schon im regulären Schulverlauf, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens absolviert haben.
35 Dies führt jedoch im Ergebnis aufgrund der unterschiedlichen Behandlung einer Ausbildungszeit nach dem Alter des Schülers zu einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung aufgrund des Alters, die nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2000/78 verboten ist (vgl. nochmals Hütter, Rn. 38). 36 Aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ergibt sich jedoch, dass solche Ungleichbehandlungen wegen des Alters "keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind".
37 Die revisionswerbende Partei hat selbst keine solchen legitimen Interessen an der Diskriminierung geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof kann unter Verweis auf die vom EuGH in der RS Hütter getroffenen Überlegungen keine solchen legitimen Interessen erkennen. Darüber hinaus waren etwa Hochschulstudien gemäß § 12 Abs. 2 Z 8 GehG - sofern sie Ernennungserfordernis für den Beamten waren - unabhängig davon anzurechnen, wann der Beamte diese absolviert hatte. Warum dies beim Besuch einer höheren Schule anders sein sollte, ist nicht ersichtlich (zur vergleichbaren Regelung des § 26 Abs. 2 Z 6 lit. a VBG 1948 vgl. ).
38 Dieses diskriminierende Auslegungsergebnis ist jedoch nicht zwingend; § 12 Abs. 2 Z 6 GehG lässt sich richtlinienkonform dahingehend auslegen, dass mit "bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beamte den Abschluß dieser Ausbildung auf Grund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können" gemeint ist, dass dies auch auf eine in einer späteren Lebensphase absolvierte höhere Schulbildung, die innerhalb der angegebenen Mindestdauer abgeschlossen werden muss, bezogen werden kann. 39 Das Wort "frühestens" in § 12 Abs. 2 Z 6 GehG ist daher unionsrechtskonform auf den tatsächlichen individuellen Ausbildungsbeginn bis zum dann nach den schulrechtlichen Vorschriften frühestmöglichen Ausbildungsende zu beziehen. 40 Die vom LVwG durchgeführte Anrechnung der im zweiten Bildungsweg absolvierten Schulzeiten auf den Vorrückungsstichtag erweist sich damit als rechtmäßig. 41 Die revisionswerbende Partei bringt weiters vor, das LVwG habe § 12 Abs. 8 GehG, wonach die mehrfache Berücksichtigung ein und desselben Zeitraumes - abgesehen von den Fällen des § 114 Abs. 1 - unzulässig sei, nicht berücksichtigt. Mit der Anrechnung der Zeiten der Handelsakademie für Berufstätige sei vielmehr gegen das Doppelanrechnungsverbot des § 12 Abs. 8 GehG verstoßen worden. Dieses Verbot sei auch nicht diskriminierend. 42 Im vorliegenden Verfahren sind die Zeiten der Berufserfahrung und die Zeiten des Besuchs der höheren Schule jedoch nicht gleichzeitig und daher nicht doppelt angerechnet worden: Das LVwG hat dem Mitbeteiligten die Zeiten der Handelsakademie vom bis zur Gänze im Ausmaß von drei Jahren und 10 Monaten angerechnet. Darüber hinaus hat es von der im Zeitraum vom bis zurückgelegten Berufspraxis einen - nicht auf den erstgenannten Zeitraum entfallenden - Teilzeitraum von zwei Jahren sowie im Zeitraum bis zum Anstellungstag am alle sonstigen Zeiten zur Hälfe (3 Jahre 10 Monate 6 Tage) angerechnet. Eine in der Revision nur behauptete, nicht jedoch substantiiert dargelegte doppelte Anrechnung ist daher nicht ersichtlich, sodass die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht vorliegt.
43 Da die Anrechnung der Schulzeiten bereits auf Grund des § 12 Abs. 2 Z 6 GehG vorzunehmen war, war auf das weitere Revisionsvorbringen, wonach der vom LVwG gar nicht herangezogene § 12 Abs. 3 GehG keine taugliche Anrechnungsgrundlage darstellen würde, nicht weiter einzugehen.
44 Von der Durchführung der von der revisionswerbenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 EMRK stand dem schon deshalb nicht entgegen, weil das LVwG ohnedies eine Verhandlung durchgeführt hat.
45 Einer Beschlussfassung in einem verstärkten Senat bedurfte es ungeachtet des vorzitierten Erkenntnisses vom nicht, weil § 12 Abs. 2 Z 6 GehG nach Ergehen des dort angefochtenen Bescheides novelliert wurde und überdies die Rechtslage durch das innerstaatliche Wirksamwerden der Richtlinie 2000/78 eine maßgebliche Änderung erfahren hat. 46 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere § 47 Abs. 3 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017120004.J00 |
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