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VwGH vom 04.04.2019, Ro 2017/11/0003

VwGH vom 04.04.2019, Ro 2017/11/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. T U in W, vertreten durch Dr. Adrian Hollaender, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Wehrgasse 28, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W170 2140135- 1/2E, betreffend Unzuständigkeit zur Behandlung einer Beschwerde iA. Streichung aus der Ärzteliste (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident der Österreichischen Ärztekammer in 1010 Wien, Weihburggasse 10-12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 I.1. Mit Bescheid vom verfügte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (die belangte Behörde) - unter einem aussprechend, dass der Revisionswerber nicht über die gemäß § 4 Abs. 2 Z. 2 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) zur Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit verfüge und die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 59 Abs. 1 Z. 1 ÄrzteG 1998 erloschen sei - die Streichung des Revisionswerbers aus der Ärzteliste. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen.

2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, die bei der belangten Behörde eingebracht wurde.

3 I.2. Mit Beschluss vom sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen werde. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, weil es an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit in Verfahren nach § 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998 fehle und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes oder des örtlich zuständigen Landesverwaltungsgerichtes nicht offenkundig sei.

4 Das Bundesverwaltungsgericht begründet seinen Beschluss, auf das Wesentliche zusammengefasst, damit, das ÄrzteG 1998 stütze sich im vorliegenden Zusammenhang auf den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG, der einer Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden nicht zugänglich sei. Bei der Vollziehung des ÄrzteG 1998 durch den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes handle es sich um keine Besorgung einer Angelegenheit der (unmittelbaren) Bundesvollziehung iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG, weshalb eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht bestehe.

5 I.3.1. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, vom Bundesverwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens und einer Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vorgelegte Revision. Die Revision vertritt zusammengefasst den Standpunkt, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer sei, wenn er im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes zur Bescheiderlassung berufen werde, als Bundesbehörde anzusehen. Im Übrigen komme die Zurückweisung der Beschwerde einer unzulässigen Verweigerung einer Sachentscheidung gleich, zu der das Bundesverwaltungsgericht auch im Falle der zutreffenden Verneinung seiner Zuständigkeit nicht ermächtigt sei. Vielmehr hätte es diesfalls in sinngemäßer Anwendung des § 6 AVG die Beschwerde an das für zuständig gehaltene Landesverwaltungsgericht weiterzuleiten gehabt.

6 I.3.2. Die belangte Behörde trat in ihrer Revisionsbeantwortung hinsichtlich der Zuständigkeit der Auffassung der Revision bei.

7 I.4. Aus Anlass der Behandlung der Revision sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des die Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer regelnden § 59 ÄrzteG 1998 und damit im Zusammenhang stehender Teile des ÄrzteG 1998 entstanden.

8 I.5. Mit Erkenntnis vom , G 242/2018-16, hat der Verfassungsgerichtshof nunmehr - über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes in mehreren Anlassverfahren - im ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169 idF. BGBl. I Nr. 56/2015 folgende Teile als verfassungswidrig aufgehoben:

§ 27 Abs. 10, die Wort- und Zeichenfolge "1 und" in § 59 Abs. 3 Z 1, § 59 Abs. 3 Z 2, die Wort- und Zeichenfolgen "1 und" und "2", "§ 4 Abs. 2 oder" und "Eintragung in die oder" in § 117c Abs. 1 Z 6 und die Wort- und Zeichenfolge "10 und" in § 125 Abs. 4.

Die Aufhebung trete mit Ablauf des in Kraft.

Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Entscheidung - auf das Wesentliche zusammengefasst - wie folgt:

Ein mit hoheitlichen Aufgaben betrauter Selbstverwaltungskörper sei iSd. Art. 120b Abs. 2 B-VG ausdrücklich an Weisungen des zuständigen obersten Organs der Vollziehung zu binden (Hinweis VfSlg 17.023). Da § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 eine Weisungsbefugnis des (zuständigen) Landeshauptmannes nicht ausdrücklich anordne, sie vielmehr ausdrücklich (nur) dem Bundesminister für Gesundheit (jetzt:

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) zuweise, könne eine unausgesprochene Zuständigkeit des Landeshauptmannes, die im Ergebnis eine Besorgung von Aufgaben der Bundesverwaltung in Unterordnung unter diesen und damit in mittelbarer Bundesverwaltung bewirken würde, nicht angenommen werden. Da das ÄrzteG 1998 normiere, dass der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die Eintragung in die und die Streichung aus der Ärzteliste - als eine Angelegenheit des Gesundheitswesens - nur unter Bindung an Weisungen des zuständigen Bundesministers vollzieht, umgehe es den in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zentralen Landeshauptmann schlechthin. Dies wäre nur mit Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zulässig. Da eine solche Zustimmung fehle, erweise sich die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion als ein Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung (Hinweis VfSlg 11.403). Ein solcher Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht zulässig und belaste die aufgehobenen Passagen des ÄrzteG 1998 mit Verfassungswidrigkeit.

Zur Herstellung eines Rechtszustands, gegen den die geltend gemachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit nicht bestehen, genüge die Aufhebung der im Spruch genannten Passagen des ÄrzteG 1998. § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 normiere hingegen iSd. Art. 120b Abs. 2 B-VG die Bindung an Weisungen des zuständigen obersten Verwaltungsorgans für Angelegenheiten, die die Österreichische Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich vollzieht. Durch die Aufhebung der Zuständigkeitszuweisung zur Eintragung in die und die Streichung aus der Ärzteliste sei ein verfassungskonformer Zustand hergestellt.

Diese dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom Gesetzgeber des Ärztegesetzes übertragenen Aufgaben seien - in der durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes fortgeltenden Fassung (Hinweis auf Art. 140 Abs. 7 B-VG) - der unmittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen, woraus im Fall der Bekämpfung von Akten der Vollziehung die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes folge (Hinweis auf Art. 131 Abs. 2 B-VG und VfSlg 19.953).

9 II. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

10 II.1. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des ÄrzteG 1998, dieses idF. BGBl. I Nr. 75/2016, lauten (auszugsweise; die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Passagen sind unterstrichen):

"Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen:

...

(9) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat ihn die Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihm einen mit seinem Lichtbild versehenen Ausweis (Ärzteausweis)

auszustellen. ... .

(10) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht, so hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer dies im Rahmen des Verfahrens gemäß § 117c Abs. 1 Z 6 mit Bescheid festzustellen.

...

Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung, Streichung aus der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung

erforderlichen Voraussetzung,

2. wenn hervorkommt, daß eine für die Eintragung in die

Ärzteliste erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht

bestanden hat,

3. auf Grund einer länger als sechs Monate dauernden

Einstellung der Berufsausübung, wobei

...

4. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die

Berufsausübung befristet untersagt worden ist,

5. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die

Streichung aus der Ärzteliste ausgesprochen worden ist, oder

6. auf Grund eines Verzichtes auf die Berufsausübung.

...

(3) Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 117b Abs. 1 oder § 117c Abs. 1

1. in den Fällen des Abs. 1 Z 1 und 5 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

2. im Fall des Abs. 1 Z 2 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht bestanden hat und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

...

Übertragener Wirkungsbereich

§ 117c. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:

...

6. Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens

oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß § 4 Abs. 2 oder § 59 Abs. 1 Z 1 und 2 für die damit verbundene Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste,

...

Präsident und Vizepräsidenten

§ 125.

...

(4) Der Präsident leitet die Geschäfte und fertigt die Geschäftsstücke. Er entscheidet mit Bescheid in den Verfahren gemäß § 15 Abs. 6, § 27 Abs. 10 und 11 und § 59 Abs. 3 sowie gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 ÄsthOpG. ... .

...

Weisungsrecht gegenüber der Österreichischen Ärztekammer

§ 195f. (1) Die Österreichische Ärztekammer sowie Dritte, derer sich die Österreichische Ärztekammer zur Aufgabenerfüllung bedient, sind im übertragenen Wirkungsbereich bei der Vollziehung der Angelegenheiten einschließlich der Erlassung von Verordnungen an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden.

..."

11 II.2. Die Revision ist mangels einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Angelegenheiten der Führung der Ärzteliste zulässig.

12 II.3. Die Revision ist jedoch im Ergebnis unbegründet. 13 II.3.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein

wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz im Anlassfall auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden.

14 Der Revisionsfall ist Anlassfall (Antrag des Verwaltungsgerichtshofes vom , A 2018/0006).

15 II.3.2. Vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage ist davon auszugehen, dass § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (die belangte Behörde) in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer nicht dem Landeshauptmann, sondern nur dem zuständigen Bundesminister unterstellt (so auch der Verfassungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis vom ). Diese Unterstellung bezieht sich freilich nur auf den übertragenen Wirkungsbereich.

16 Infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist im Revisionsfall davon auszugehen, dass die Feststellung mit Bescheid, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, sowie die Streichung aus der Ärzteliste (§ 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 in der bereinigten Fassung) infolge der Aufhebung der Wort- bzw. Zeichenfolgen "1 und" und "2" in § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 nicht (mehr) zu den Aufgaben des übertragenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer zählen.

17 Der angefochtene Beschluss des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (der belangten Behörde) ist folglich als Tätigwerden im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer und nicht als Tätigwerden in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt wird, zu qualifizieren (vgl. die Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (RV 1618 BlgNR 24. GP, 15)). Für die Entscheidung über die Beschwerde dagegen ist somit das Landesverwaltungsgericht zuständig.

18 Die Zurückweisung der Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss erweist sich demnach im Ergebnis nicht als rechtswidrige Verweigerung einer Sachentscheidung über die Beschwerde. Zur Ermächtigung der Verwaltungsgerichte, ihre Unzuständigkeit durch förmlichen Beschluss zum Ausdruck zu bringen, genügt es, auf die ständige hg. Judikatur zu verweisen (vgl. ; , Ra 2015/04/0035; , Ra 2017/11/0173; , Ko 2017/03/0004).

19 II.3.3. Die Revision war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017110003.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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