VwGH vom 26.04.2017, Ro 2017/10/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des P G in G, vertreten durch Mag. Daniel Ewald Jahrmann, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Dittrichstraße 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-10/001-2012, betreffend Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen; mitbeteiligte Partei:
P B in B, vertreten durch Dr. Thomas G. Eustacchio, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währingerstraße 26), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom erteilte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dem Mitbeteiligten - aufgrund dessen als Beschwerde zu wertenden Berufung gegen den Bescheid der belangten Behörde vom - die Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Gloggnitz mit einem näher umschriebenen Standort. Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht zu.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Kern die Auffassung zugrunde, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere zuletzt dessen Beschlusses vom , Rechtssache C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), verbleibe - wie beispielsweise auch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom , Zl. LVwG-050013/47/GF/Mu, entschieden habe - für die Anwendung des § 10 Abs. 2 Z. 3 Apothekengesetz (ApG) kein Raum. Es seien daher - neben den persönlichen Voraussetzungen und dem Nachweis der Verfügungsbefugnis der Konzessionswerberin - lediglich die in § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 ApG genannten Bedarfskriterien zu prüfen.
3 Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf dessen Beschluss vom , Rechtssache C-581/14 ("Naderhirn")), erscheine die "bisherige Judikatur der Höchstgerichte zur vorübergehenden Weitergeltung EU-widriger Normen für eine Übergangszeit und bei ausschließlich inlandsbezogenem Sachverhalt" als "nicht mehr anwendbar".
4 Die Zulassung der Revision "zur Frage des verbleibenden Regelungsinhaltes des § 10 Apothekengesetz" begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Österreichischen Apothekenkammer vom . (Darin wurde unter anderem unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , VfSlg. 19.529, und Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen unionsrechtswidrige Bestimmungen bei rein inlandsbezogenen Sachverhalten vorerst weiter anzuwenden seien.)
5 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
6 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
7 1. Vorweg ist zum Einwand des Mitbeteiligten, die Revision sei deshalb zurückzuweisen, weil sie von P G, nicht aber von der "S P G KG", deren unbeschränkt haftender Gesellschafter P G sei, erhoben worden sei, Folgendes auszuführen:
8 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Recht auf Nichterteilung der von einer mitbeteiligten Partei beantragten Apothekenkonzession dem Inhaber des Apothekenunternehmens im Sinne des § 48 Abs. 2 ApG zukommt. Als Inhaber im Sinne dieser Bestimmung ist im Falle des Betriebes durch eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft diese Gesellschaft, vertreten durch den Konzessionär als vertretungsbefugten Gesellschafter, zu verstehen und nicht ein Gesellschafter, der Konzessionär oder der Leiter der Apotheke im eigenen Namen. In Fällen, in denen ein vertretungsbefugter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft "als Konzessionär" (nunmehr:) Revision erhebt, ist es allerdings möglich, diese Revision der Gesellschaft zuzurechnen; dies trifft nicht zu, wenn die Gesellschaft selbst als Revisionswerberin auftritt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0218, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 99/10/0143, und vom , Zl. 2006/10/0006).
9 Entgegen der Auffassung des Mitbeteiligten lässt sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten, dass eine Zurechnung einer vom vertretungsbefugten Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft erhobenen Revision zur Gesellschaft "nur dann (erfolgen kann), wenn der Konzessionsinhaber ausdrücklich erklärt, die ... Revision ... in seiner Funktion als Konzessionsinhaber zu erheben". Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung vielmehr davon aus, dass die enge Verflechtung zwischen Konzessionsinhaber und Personenhandelsgesellschaft sowie die Stellung des Konzessionsinhabers in der Personenhandelsgesellschaft es geboten erscheinen lassen, eine vom Konzessionsinhaber erhobene (nunmehr:) Revision der Personenhandelsgesellschaft zuzurechnen, sofern nicht im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Zurechnung ausschließen, wie etwa eine ausdrückliche Erklärung des Konzessionsinhabers, die Revision nicht namens der Personenhandelsgesellschaft erheben zu wollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0214). Nichts anderes gilt in einer Konstellation wie der hier vorliegenden, in der der Konzessionär und vertretungsbefugte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft Revision - ohne Bezugnahme darauf, als Konzessionär einzuschreiten - erhebt und keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die eine Zurechnung zur Personenhandelsgesellschaft ausschließen würden, wie etwa eine ausdrückliche Erklärung, die Revision nicht namens der Personenhandelsgesellschaft erheben zu wollen.
10 Die Revision erweist sich aus diesem Grund daher nicht als unzulässig.
11 2. Der Revisionswerber bringt in seiner Revision unter anderem vor, das Verwaltungsgericht hätte nicht von einer Unanwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG ausgehen dürfen, sondern hätte diese Bestimmung iVm § 10 Abs. 6a ApG - dies ohne die dort vorgesehene Einschränkung auf "ländliche und abgelegene Regionen" -
anwenden müssen.
12 3. Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2016/10/0141, hat der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-050013/47/GF/Mu, auf welches sich die Begründung des vorliegend angefochtenen Erkenntnisses unter anderem stützt, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
13 Der vorliegende Fall gleicht in seinen maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen jenem, der dem genannten Erkenntnis zur Zl. Ra 2016/10/0141 zugrunde lag. Aus den dort ersichtlichen Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ist auch das vorliegend angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
14 Entgegen der vom Verwaltungsgericht erkennbar vertretenen Auffassung kann auch aus dem , keineswegs abgeleitet werden, die im angeführten Erkenntnis referierte Rechtsprechung des VfGH (vgl. dort Rz 30), welche sich auf rein innerstaatliche, somit nicht unmittelbar dem Unionsrecht unterliegende Sachverhalte bezieht, wäre "nicht mehr anwendbar".
15 3. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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