VwGH vom 30.01.2018, Ro 2017/08/0018

VwGH vom 30.01.2018, Ro 2017/08/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W238 2142939- 1/23E, betreffend Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei:

Dipl. Ing. I P in Wien, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Mitbeteiligten gemäß § 21 iVm § 36 AlVG vom 13. März bis Notstandshilfe in Höhe von täglich EUR 7,77 und ab Notstandshilfe in Höhe von täglich EUR 8,02 gebührt. Es stellte - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - fest, die Mitbeteiligte habe nach Ablauf der zuletzt gewährten Notstandshilfe am die Zuerkennung von Notstandshilfe ab beantragt. Sie habe eine minderjährige unterhaltsberechtigte Tochter und einen Ehemann, der über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von EUR 1.511,44 verfüge.

2 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, strittig sei, ob das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) den Ergänzungsbetrag gemäß § 21 Abs. 4 AlVG falsch berechnet habe bzw. ob und wie sich die in § 21 Abs. 5 AlVG vorgesehene Deckelung auf den Ergänzungsbetrag auswirke. Während die Mitbeteiligte unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/08/0028, die Auffassung vertrete, der Ergänzungsbetrag errechne sich auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 AlVG als Differenz zwischen dem Ausgleichszulagenrichtsatz und dem Grundbetrag, gehe das AMS davon aus, dass sich der Ergänzungsbetrag hier anders als nach § 21 Abs. 4 AlVG errechne, und zwar aus der 80%-Grenze des Nettoeinkommens minus Grundbetrag minus Familienzuschlag. Die vom AMS herangezogene Berechnungsmethode würde auch Fallkonstellationen zulassen, in denen sich gemäß § 21 Abs. 4 (iVm Abs. 5) AlVG kein Ergänzungsbetrag ergebe, obwohl der Grundbetrag den Richtsatz unterschreiten würde. Dies könnte die Anordnung des Gesetzgebers in § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG "zuzüglich 95 % des Ergänzungsbetrages" unterlaufen. Weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus der "Kommentierung der maßgeblichen Bestimmungen des AlVG" könne eine "Herausrechnung" des Ergänzungsbetrages aus der Nettoeinkommensgrenze des § 21 Abs. 5 AlVG abgeleitet werden. Die Deckelung iSd § 21 Abs. 5 AlVG sei nur ein Mal, und zwar erst nach Ermittlung des Gesamtanspruchs der Notstandshilfe, vorzunehmen. Auf die Höhe des Ergänzungsbetrages wirke sich § 21 Abs. 5 AlVG nicht aus. Zwar verweise § 21 Abs. 4 AlVG auf "die Obergrenzen gemäß Abs. 5". Dies sei jedoch lediglich ein Hinweis auf die absolute Beschränkung des - aus Grundbetrag, Familienzuschlägen und allfälligem Ergänzungsbetrag bestehenden - Arbeitslosengeldes auf 80 % des früheren Nettoeinkommens (für Personen mit Sorgepflichten) bzw. auf 60 % des früheren Nettoeinkommens (für Personen ohne Sorgepflichten). Eine Anordnung, wie sich der Ergänzungsbetrag errechne, werde dadurch nicht getroffen. Der Ergänzungsbetrag sei die Differenz zwischen Grundbetrag und Ausgleichszulagenrichtsatz. Im Fall der Notstandshilfe kämen die Deckelungsbestimmungen des § 21 Abs. 5 AlVG erst nach Ermittlung des Ausmaßes der täglichen Notstandshilfe gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG sowie nach Hinzurechnung gebührender Familienzuschläge zur Anwendung.

3 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil zur Frage, ob die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/08/0028, zu Grunde liegenden Erwägungen zur Ermittlung des Ergänzungsbetrages auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 AlVG maßgeblich seien, eine Rechtsprechung fehle.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision. Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Das revisionswerbende AMS bringt vor, zur Ermittlung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes sei im vorliegenden Fall zunächst gemäß § 21 Abs. 1 bis 3 AlVG aus der Jahresbeitragsgrundlage 2002 eine monatliche Bemessungsgrundlage von EUR 1.136,18 und daraus ein Nettoeinkommen der Mitbeteiligten in Höhe von EUR 932,59 monatlich bzw. von EUR 30,65 täglich errechnet worden.

7 Gemäß § 21 Abs. 3 AlVG gebühre als Grundbetrag des Arbeitslosengeldes 55 % des täglichen Nettoeinkommens, somit EUR 16,86 täglich. Die Mitbeteiligte habe gemäß § 20 Abs. 3 AlVG Anspruch auf einen Familienzuschlag für ihre Tochter in Höhe von EUR 0,97. Gemäß § 21 Abs. 4 AlVG gebühre zum Arbeitslosengeld ein Ergänzungsbetrag bis zur Höhe des täglichen Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende (2016: EUR 29,43 täglich), soweit dadurch die Obergrenzen des § 21 Abs. 5 AlVG nicht überschritten würden. Bei Arbeitslosen mit Anspruch auf Familienzuschläge sei das tägliche Arbeitslosengeld gemäß § 21 Abs. 5 AlVG mit 80 % des täglichen Nettoeinkommens begrenzt. Da die Mitbeteiligte für ihre Tochter einen Familienzuschlag erhalte, gebühre das Arbeitslosengeld daher maximal in Höhe von EUR 24,52 (80 % von EUR 30,65). Der Ergänzungsbetrag stelle den einzig variablen Bestandteil der gebührenden Leistung dar. Er errechne sich gemäß § 21 Abs. 4 AlVG in der Weise, dass vom Maximalbetrag des Arbeitslosengeldes (EUR 24,52) der Grundbetrag (EUR 16,86) und der Familienzuschlag (EUR 0,97) abzuziehen seien, sodass sich ein Ergänzungsbetrag von EUR 6,69 ergebe. Gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG betrage die Notstandshilfe 95 % des Grundbetrages zuzüglich 95 % des Ergänzungsbetrages des täglichen Arbeitslosengeldes. Zuzüglich würden Familienzuschläge gebühren, soweit dadurch die Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 AlVG nicht überschritten werde. Der Notstandshilfeanspruch der Mitbeteiligten vor Anrechnung eines Partnereinkommens betrage daher 95 % der Summe von Grundbetrag und Ergänzungsbetrag (sohin 95 % von EUR 23,55 = EUR 22,37) zuzüglich Familienzuschlag von EUR 0,97, woraus sich ein täglicher Notstandshilfeanspruch von EUR 23,34 (vor Anrechnung des Partnereinkommens) errechne.

8 Zur Neufassung des § 21 AlVG durch BGBl I Nr. 142/2000 finde sich in den Erläuterungen (RV 311 BlgNR 21. GP) unter anderem folgender Hinweis:

"Die soziale Abfederung niedriger Lohnempfänger erfolgt in der Art, dass bei Personen mit Sorgepflichten eine Anhebung auf den Ausgleichszulagenrichtsatz mit Beschränkung auf 80 Prozent des früheren Nettoeinkommens erfolgt."

9 Die Erläuterungen zur Neufassung des § 36 AlVG durch BGBl I Nr. 63/2010 würden davon ausgehen, dass sich die familienzuschlagsabhängigen Obergrenzen des § 21 Abs. 5 AlVG auf die Höhe des Ergänzungsbetrages auswirken könnten (RV 628 BlgNR 24. GP):

"Im Hinblick darauf, dass der Ergänzungsbetrag im Unterschied zum gleichbleibenden Grundbetrag variieren kann, weil dessen Höhe vom Bestehen eines Anspruches auf Familienzuschläge und von der Anzahl der Familienzuschläge abhängt, ist eine getrennte gesetzliche Anordnung für diese beiden Bestandteile der Leistung zur Vollziehbarkeit der Regelung erforderlich."

10 Eine Auslegung, der zufolge der Ergänzungsbetrag gemäß § 21 Abs. 4 AlVG immer - dh unabhängig von den Obergrenzen gemäß § 21 Abs. 5 AlVG - in der Differenz zwischen dem Grundbetrag des Arbeitslosengeldes und dem Ausgleichszulagenrichtsatz bestehe, stünde in Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien. Mit der Annahme eines fixen Ergänzungsbetrages, der aufgrund der Obergrenzen des § 21 Abs. 5 AlVG beim Arbeitslosengeld unwirksam sein könne, könnte der in § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck, die Notstandshilfe nur in einem Prozentsatz und nicht in voller Höhe des Arbeitslosengeldes zu gewähren, in einer nicht unbedeutenden Zahl von Fällen unterlaufen werden. Dies zeige sich in Fällen, in denen keine Familienzuschläge gebührten. Folge man der Argumentation des Verwaltungsgerichtes, müsste die Notstandshilfe in diesen Fällen 95 % des vor der Berücksichtigung der Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 AlVG (also auf Basis eines fiktiven Zwischenergebnisses) errechneten Arbeitslosengeldes betragen, auf das in dieser Höhe aber tatsächlich kein Anspruch bestünde und das damit auch nicht dem täglichen Arbeitslosengeld nach § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG entspräche. Dies hätte zur Folge, dass die Notstandshilfe in diesen Fällen regelmäßig in derselben Höhe wie das Arbeitslosengeld gebühren würde. Demgegenüber würde die Berechnungsmethode des AMS - mit wenigen Ausnahmen, die sich im Zusammenhang mit einer erhöhten Kinderzahl ergeben könnten - grundsätzlich sicherstellen, dass die Notstandshilfe geringer ausfalle als das zuvor bezogene Arbeitslosengeld. Nach Auffassung des AMS widerspreche die vom Verwaltungsgericht zur Feststellung des Ergänzungsbetrages gemäß § 21 Abs. 4 AlVG angewendete Berechnungsmethode dem Willen des historischen Gesetzgebers, weshalb das Erkenntnis in diesem Punkt bekämpft werde. Dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/08/0028, sei ein Sachverhalt zu Grunde gelegen, bei dem das Arbeitslosengeld die Obergrenze des § 21 Abs. 5 AlVG in Höhe von 80 % des täglichen Nettoeinkommens nicht überschritten habe. Folglich habe der Verwaltungsgerichtshof auch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und gegebenenfalls wie sich eine Deckelung gemäß § 21 Abs. 5 AlVG auf den für die weitere Berechnung der Notstandshilfe maßgeblichen Betrag ausgewirkt hätte.

11 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten

Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt:

12 §§ 20, 21 und 36 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 138/2013 lauten auszugsweise samt

Überschrift:

"Ausmaß des Arbeitslosengeldes

§ 20. (1) Das Arbeitslosengeld besteht aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen sowie einem allfälligen Ergänzungsbetrag.

(2) Familienzuschläge sind für Kinder und Enkel, Stiefkinder, Wahlkinder und Pflegekinder zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt des jeweiligen Angehörigen tatsächlich wesentlich beiträgt und für diesen ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

(3) (...).

§ 21. (1) (...)

(3) Als Grundbetrag des Arbeitslosengeldes gebühren täglich 55 vH des täglichen Nettoeinkommens, kaufmännisch gerundet auf einen Cent. (...).

(4) Das tägliche Arbeitslosengeld gebührt einschließlich eines allenfalls erforderlichen Ergänzungsbetrages mindestens in der Höhe eines Dreißigstels des Betrages, der dem Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a lit. bb ASVG entspricht, soweit dadurch die Obergrenzen gemäß Abs. 5 nicht überschritten werden, kaufmännisch gerundet auf einen Cent.

(5) Das tägliche Arbeitslosengeld gebührt Arbeitslosen mit Anspruch auf Familienzuschläge höchstens in der Höhe von 80 vH des täglichen Nettoeinkommens, kaufmännisch gerundet auf einen Cent. Das tägliche Arbeitslosengeld gebührt Arbeitslosen ohne Anspruch auf Familienzuschläge höchstens in der Höhe von 60 vH des täglichen Nettoeinkommens, kaufmännisch gerundet auf einen Cent.

(6) (...).

Ausmaß

§ 36. (1) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Richtlinien über das Vorliegen einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 zu erlassen. Vorbehaltlich einer Minderung des Anspruches durch anzurechnendes Einkommen beträgt das Ausmaß der täglichen Notstandshilfe:

1. 95 vH des Grundbetrages zuzüglich 95 vH des Ergänzungsbetrages des jeweils gebührenden täglichen Arbeitslosengeldes, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, wenn der tägliche Grundbetrag ein Dreißigstel des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, nicht übersteigt;

2. 92 vH des Grundbetrages des jeweils gebührenden täglichen Arbeitslosengeldes, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, in den übrigen Fällen, wobei 95 vH eines Dreißigstels des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, nicht unterschritten werden dürfen;

zuzüglich gebühren Familienzuschläge gemäß § 20 AlVG, soweit dadurch die Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 nicht überschritten wird.

(2) (...)."

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2015/08/0028, zur Berechnung der Notstandshilfe im Sinn des § 36 Abs. 1 AlVG ausgesprochen, dass der Ergänzungsbetrag im Sinn des § 21 Abs. 1 AlVG in der Differenz zwischen dem Richtsatz und dem bloßen Grundbetrag und nicht etwa in der Differenz zwischen dem Richtsatz und dem Grundbetrag zuzüglich den Familienzuschlägen bestehe. Im zuletzt genannten Fall könnte es Konstellationen geben, in denen sich - obwohl im Sinn des § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG der Grundbetrag den Richtsatz unterschreitet - gemäß § 21 Abs. 4 AlVG kein Ergänzungsbetrag errechne, sodass die Anordnung in § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG "zuzüglich 95 vH des Ergänzungsbetrages" ins Leere gehen würde. Dies sei dem Gesetzgeber im Zweifel nicht zu unterstellen.

14 An dieser Ansicht hält der Verwaltungsgerichtshof in Fällen fest, in denen die Deckelung im Sinn des § 21 Abs. 5 AlVG nicht schlagend wird, solange also - jeweils täglich - einerseits 55 % des täglichen Nettoeinkommens iSd § 21 Abs. 3 AlVG unter dem täglichen Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende iSd § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG liegt und andererseits die Summe aus dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (sohin Grundbetrag und Ergänzungsbetrag) und den Familienzuschlägen 80 % des Nettoeinkommens nicht erreicht.

15 Ist die Deckelung nach § 21 Abs. 5 AlVG aber für das Arbeitslosengeld schlagend geworden, so kann dies bei der Berechnung des Ergänzungsbetrages im Hinblick auf die Anwendung des § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG nicht unberücksichtigt bleiben. Nach dieser Bestimmung beträgt das Ausmaß der täglichen Notstandshilfe - vorbehaltlich einer Minderung des Anspruches durch anzurechnendes Einkommen - 95 vH des Grundbetrages zuzüglich 95 vH des Ergänzungsbetrages des jeweils gebührenden täglichen Arbeitslosengeldes. Wäre der Ergänzungsbetrag auch in diesem Fall die ungekürzte Differenz zwischen dem Grundbetrag und dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende, so würde die Höhe der Notstandshilfe die Höhe des Arbeitslosengeldes in vielen Fällen überschreiten, weil nach § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz AlVG lediglich die Familienzuschläge gemäß § 20 AlVG nicht gebühren, wenn dadurch die Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 AlVG überschritten wird, der oben genannte gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG ermittelte Betrag aber keiner weiteren Deckelung zu unterziehen ist. Aus der nur partiellen Deckelung des § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz AlVG ist daher abzuleiten, dass es sich bei dem Ergänzungsbetrag, auf den § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG Bezug nimmt, um einen bereits iSd § 21 Abs. 5 AlVG geminderten Betrag handelt.

16 Im genannten Vorerkenntnis wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Familienzuschläge nach der Ermittlung des Ergänzungsbetrages iSd § 21 Abs. 4 AlVG als Letztes hinzuzurechnen sind, um zum Betrag des Arbeitslosengeldes zu gelangen. Zudem verweist die rechtliche Konstruktion der Deckelung der Notstandshilfe iSd § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz ASVG darauf, die Familienzuschläge als Letztes einzukürzen. Für die Ermittlung des Ergänzungsbetrages nach § 21 Abs. 5 AlVG ist daher davon auszugehen, dass von der Deckelung zuerst die Familienzuschläge und erst dann der Ergänzungsbetrag erfasst werden. Solange der Betrag des Arbeitslosengeldes die Grenze des § 21 Abs. 5 AlVG nur wegen der Familienzuschläge überschreitet, bleibt die nach § 21 Abs. 4 AlVG ermittelte Höhe des Ergänzungsbetrages daher unberührt und es gebühren nur die Familienzuschläge nicht bzw. nicht in voller Höhe. Überschreitet aber der Grundbetrag zuzüglich dem Ergänzungsbetrag 80% des Nettoeinkommens, ist auch der Ergänzungsbetrag entsprechend zu kürzen und im gekürzten Ausmaß (also in Höhe der Differenz zwischen dem täglichen Grundbetrag und 80% des täglichen Nettoeinkommens) der Berechnung der Notstandshilfe nach § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG zu Grunde zu legen.

17 Im vorliegenden Fall findet § 21 Abs. 5 AlVG Anwendung, weil der tägliche Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (2016: EUR 29,43) zuzüglich dem täglichen Familienzuschlag (EUR 0,97) 80 % des Nettoeinkommens (EUR 24,52) überschreitet. Das Verwaltungsgericht hat den Ergänzungsbetrag als Differenz zwischen dem täglichen Grundbetrag (EUR 16,86) und dem täglichen Ausgleichszulagenrichtsatz (EUR 29,43), statt als Differenz zwischen dem täglichen Grundbetrag (EUR 16,86) und 80% des täglichen Nettoeinkommens (EUR 24,52) berechnet. An der Unrichtigkeit dieser Berechnungsmethode ändert nichts, dass das Verwaltungsgericht den sich nach seiner Auffassung aus § 36 Abs. 1 Z 1 ergebenden Betrag insgesamt (und nicht nur betreffend die Familienzuschläge iSd § 36 Abs. 1 letzter Halbsatz AlVG) einer Deckelung iSd § 21 Abs. 5 AlVG unterzogen hat.

18 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017080018.J00

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