VwGH vom 12.10.2017, Ro 2017/08/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Dr. J B in Wien, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W217 2101244-1/8E, betreffend Ansprüche einer Vertragsärztin nach dem ASVG (belangte Behörde: Paritätische Schiedskommission p.A. Ärztekammer für Wien, 1010 Wien, Weihburggasse 10; mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben:
1. Soweit das angefochtene Erkenntnis den ersten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt (betreffend den Honoraranspruch von EUR 20,72 gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse), wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
2. Soweit das angefochtene Erkenntnis den zweiten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt (betreffend die Rechtmäßigkeit einer Verwarnung), entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst und weist den Antrag auf Feststellung, dass die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bezüglich den Patienten M. erteilte "Verwarnung" rechtswidrig ist, zurück.
3. Im Übrigen (sohin betreffend die Unterlassung von "Routine-Patientenbefragungen") wird das angefochtene Erkenntnis im Umfang des bestätigten dritten Spruchpunktes des erstinstanzlichen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Am beantragte die Revisionswerberin
"1. die ersatzlose Behebung des Abzugs in der Höhe von
‚EUR 20,72 resultierend aus' einer laut WGKK (der belangten
Behörde) angeblich ‚vertragswidrigen Verrechnung für Herrn M. von'
meiner ‚nächsten Honorarauszahlung',
2. die Feststellung der Rechts- und Vertragswidrigkeit
der mir von der WGKK erteilten ‚Verwarnung' und
der gegen mich von der WGKK verhängten ‚Routine-Patientenbefragungen'."
2 Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde diese Anträge abgewiesen. Im 3. Quartal 2013 habe der Patient Peter M. die Ordination der Revisionswerberin aufgesucht. Es sei ein Laborbefund in Auftrag gegeben worden, der erst am Beginn des 4. Quartals in der Ordination der Revisionswerberin eingelangt sei. Da Peter M. - anders als in Aussicht genommen - im Oktober 2013 nicht zur Kontrolle erschienen sei, habe die Revisionswerberin den positiven Befund für sich selbst intern beurteilt, ohne Peter M. das Ergebnis der Beurteilung mitzuteilen. Eine schriftliche Befundbeurteilung sei nicht erfolgt. Für diese rein interne Beurteilung habe sie der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Fallpauschale verrechnet, indem sie am durch Stecken der O-card (einer in der Ordination aufliegenden Ersatzkarte) eine Konsultation verbucht habe. Peter M. habe um Rückgängigmachung dieser nicht stattgefundenen Konsultation ersucht. Die Revisionswerberin habe in der Folge mit E-mails vom 12. und an Peter M. die Verrechnung der Fallpauschale gerechtfertigt. Sie habe für diesen Mailverkehr zwei Konsultationen durch Stecken der O-card verbucht. Die interne Beurteilung eines erst im neuen Quartal einlangenden Befundes rechtfertige nicht die Verrechnung der Fallpauschale. Das einseitige Senden von E-mails durch den Arzt an den Patienten stelle keine tarifmäßige Leistung dar. Eine ärztliche Leistung könne nicht einseitig durch den Arzt ohne Inanspruchnahme durch den Patienten und ohne Erbringung einer im Honorartarif enthaltenen ärztlichen Leistung verrechnet werden. Der Honorarabzug sei zu Recht erfolgt. Wenn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Revisionswerberin mit Schreiben vom wegen der im Widerspruch zum Gesamtvertrag und zur Honorarordnung stehenden Verrechnung der Fallpauschale verwarnt habe, so sei dies nicht zu beanstanden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe sich zur Ausübung der Kontrolle von Ärzteabrechnungen der Durchführung von Patientenbefragungen bedient. Dies sei keine Sanktionierung und verstoße nicht gegen die gesamt- und einzelvertraglichen Normen.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde abgewiesen. Die Revisionswerberin sei niedergelassene Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten in einer Ordination in Wien. Mit Einzelvertrag vom sei zum ein Vertragsverhältnis mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aufgenommen worden. Im 3. Quartal 2013 habe Peter M. die Revisionswerberin in ihrer Ordination konsultiert. Es sei ein Laborbefund in Auftrag gegeben worden. Die Revisionswerberin habe bei sich "Kontrolle in zehn Tagen" vermerkt. Ein konkreter Kontrolltermin sei nicht vereinbart worden. Der Befund sei am Beginn des 4. Quartals in der Ordination eingelangt. Die Revisionswerberin habe den Laborbefund intern beurteilt, ohne dies dem Patienten mitzuteilen oder eine schriftliche Befundbeurteilung zu verfassen. Peter M. habe keinen Kontrolltermin wahrgenommen und sei im Oktober 2013 nicht in der Ordination der Revisionswerberin gewesen. Durch das Stecken der Ordinationskarte am habe die Revisionswerberin eine Konsultation des Patienten verbucht. Auf Grund der Reklamation dieser Verbuchung durch Peter M. im 4. Quartal 2013 sei es zu einem E-mailverkehr zwischen dem Patienten und der Revisionswerberin gekommen, welchen sie ebenfalls verbucht habe, ohne dass eine persönliche Konsultation des Patienten stattgefunden habe. Für Peter M. habe die Revisionswerberin der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für das
4.Quartal 2013 eine Fallpauschale in der Höhe von EUR 18,74 sowie einen fachspezifischen Zuschlag in der Höhe von EUR 1,98 verrechnet. Mit Schreiben vom habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Revisionswerberin wegen der ungerechtfertigten Verrechnung der Fallpauschale bzw. des fachspezifischen Zuschlags verwarnt und einen Honorarabzug von EUR 20,72 vorgenommen. Außerdem habe sie die Revisionswerberin aufgefordert, die am sowie am für den Patienten Bernhard B. getätigten Steckungen der Ordinationskarte umgehend zu stornieren, weil der Versicherte weder in der Ordination der Revisionswerberin gewesen, noch eine Behandlung im Rahmen eines Hausbesuches erfolgt sei. Zur Kontrolle der Abrechnungen habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einzelne Patienten über deren Aufsuchen der Ordination der Revisionswerberin im Zeitraum Oktober bis Dezember 2013 befragt, ohne den Befragten einen noch nicht verifizierten konkreten Verdacht einer Falschverrechnung durch die Revisionswerberin mitzuteilen.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf § 133 Abs. 2 ASVG aus, die Verrechnung einer Fallpauschale setze zumindest die Konsultation des Vertragsarztes durch den Patienten voraus. Die interne und nicht verschriftlichte Beurteilung eines Befundes bzw. das Schreiben oder Empfangen von Emails (im Zusammenhang mit Verrechnungsstreitigkeiten) vermittle keinen Anspruch auf eine Fallpauschale. Aus dem Wort "Inanspruchnahme" in § 23 Abs. 1 des Gesamtvertrages sei abzuleiten, dass der Patient den Vertragsfacharzt konsultieren und eine Leistung beanspruchen müsse, andernfalls der Vertragsfacharzt weder die e-card noch als Ersatz die O-card stecken, noch eine Leistung verrechnen dürfe. In Bezug auf den von der Revisionswerberin verrechneten E-mailverkehr mit Peter M. sei zudem festzuhalten, dass § 51 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 den Arzt verpflichte, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person zu führen. Dies habe keine Auswirkungen auf honorarrechtliche Ansprüche, weil darin lediglich eine Berufspflicht des Arztes normiert sei. Auch ein fachspezifischer Zuschlag könne jedenfalls nicht in einer rein internen - weder nach außen tretenden noch gegenüber dem Patienten erbrachten - Leistung bestehen, sondern setze eine Konsultation des Vertragsarztes durch den Patienten voraus.
5 Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil keine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Verrechnung einer Fallpauschale sowie eines fachspezifischen Zuschlags durch einen allgemeinen Vertragsfacharzt vorliege. Ebenso fehle Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Ausspruches einer Verwarnung durch eine Gebietskrankenkasse sowie zur Zulässigkeit der Durchführung von Patientenbefragungen durch diese.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. 7 Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 1. Die Revisionswerberin bringt vor, sie habe Leistungen verrechnet, die nach den Vorstellungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht anspruchsbegründend sein sollen. Das habe zu Ermahnungen und schließlich dazu geführt, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse das Vertragsverhältnis mit Ende 2015 aufgekündigt habe. Die Revisionswerberin habe die Kündigung angefochten. Das Vertragsverhältnis sei noch nicht definitiv beendet. Es bestehe ein Entscheidungsinteresse nicht nur in Bezug auf unmittelbare Leistungsfragen, sondern auch in Bezug auf Entscheidungen mit Feststellungscharakter. Peter M. sei im
3. Quartal 2013 mit dem Ergebnis untersucht worden, dass ein Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Infektion bestanden habe. Sie habe - im Einvernehmen mit dem Patienten - einen Abstrich gemacht und die unverzügliche labortechnische Befundung veranlasst. Der Befund sei im 4. Quartal 2013 eingetroffen. Sie habe diesen studiert und sei in ihrer Befundbeurteilung zum Ergebnis gekommen, dass daraus nur deshalb keine Veranlassung für ein unmittelbares Herantreten an den Patienten abzuleiten sei, weil dessen Kommen zur Kontrolle und Befunderläuterung zeitnah vorvereinbart gewesen sei. Als Peter M. eine Vorsprache unterlassen habe, habe sie mit ihm korrespondiert, um ihn vor Gesundheitsschädigungen zu bewahren. Sowohl bei der Befundbeurteilung als auch bei der Korrespondenz per E-mail habe es sich um zu honorierende ärztliche Leistungen gehandelt.
9 Im Fall des Patienten Bernhard B. habe sie dadurch frustrierte ärztliche Leistungen erbracht, dass sie Vorbereitungen zu einem mit dem Patienten vereinbarten Operationstermin getroffen habe. Es habe sich um die Exzision eines melanomverdächtigen Nävuszellnävus zum Zwecke dessen histologischer Laboruntersuchung gehandelt. Der Patient sei zum vereinbarten Operationstermin jedoch nicht erschienen. Die Vorbereitungen hätten jeweils darin bestanden, das Operationsinstrumentarium und das Operationsmaterial auszupacken und bereitzulegen, wodurch teilweise wegen Sterilitätsverlusts Unverwendbarkeit für künftige andere Fälle entstanden sei. Es habe sich um zu honorierende Leistungen gehandelt. Die Revisionswerberin habe eine entsprechende Applizierung der e-card durchgeführt, und zwar nur zur Verzeichnung der Fallpauschale, nicht auch zur Verzeichnung der frustrierten Bereitstellungskosten des Operationsinstrumentars. Sie sei deswegen von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse verwarnt worden. Darauf beziehe sich ihr erster Feststellungsantrag. Des Weiteren habe sie erfahren, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Patienten der Revisionswerberin befragt habe, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde. Das sei geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und ihren Patienten zu beeinträchtigen, weshalb sie es als unzulässig ansehe. Darauf beziehe sich ihr zweiter Feststellungsantrag.
10 Zum Patienten Peter M. brachte die Revisionswerberin des Weiteren vor, sowohl der Patient als auch sie seien davon ausgegangen, dass sie den Laborbefund studieren, auswerten und in seinen Konsequenzen beurteilen werde, und zwar unmittelbar nach seinem Einlangen, weil sich daraus eine Behandlungsnotwendigkeit habe ergeben können. Die Revisionswerberin könne nicht erkennen, wie ein ernsthafter Zweifel daran entstehen könne, dass sie durch diese Befundbeurteilung eine ärztliche Leistung im Auftrag des Patienten und für den Patienten erbracht habe. Der im vierten Quartal 2013 entstandene zusätzliche Zeitaufwand für die Befundung als absolut unerlässlicher Teil der Krankenbehandlung könne nicht in die Primärbehandlungszeit des direkten Arzt-Patientenkontaktes im dritten Quartal 2013 hineingerechnet werden. Es könne nicht fingiert werden, dass die Erstbehandlung entsprechend länger gedauert habe. Da somit durch die Befundbeurteilung im vierten Quartal 2013 der diesbezügliche pauschale Anspruch begründet sei, erübrige es sich, auf die weiteren Leistungen in Form einer Korrespondenz näher einzugehen. Die Revisionswerberin beschränke sich dazu auf die Bemerkung, dass insoweit eine relevante Leistungserbringung im Sinn einer Krankenbehandlung auch durch Korrespondenz gegeben sein kann, als der Patient durch sie eine für eine Krankenbehandlung relevante Information erhalte, was hier der Fall gewesen sei.
11 2. Diese Ausführungen führen die Revision teilweise zum Erfolg.
12 2.1. Gemäß § 341 Abs. 1 ASVG werden die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Gemäß § 341 Abs. 3 ASVG ist der Inhalt des Gesamtvertrages auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Gemäß § 342 Abs. 1 ASVG haben die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge insbesondere zu regeln (Z 3) die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte/Vertragsärztinnen, (Z 4) die Vorsorge zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise einschließlich Steuerungsmaßnahmen bei Heilmitteln sowie hinsichtlich der ärztlich veranlassten Kosten, z.B. in den Bereichen Zuweisung und Überweisung zu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten(Ökonomieprinzip) sowie (Z 6) die Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit dem chef- und kontrollärztlichen Dienst der Sozialversicherungsträger unter Zugrundelegung des Erstattungskodex (§ 31 Abs. 3 Z 12 ASVG) und der Richtlinien gemäß § 31 Abs. 5 Z 10 und 13 ASVG. Gemäß § 31 Abs. 2 Z 3 ASVG obliegt dem Hauptverband die Erstellung von Richtlinien zur Förderung oder Sicherstellung der gesamtwirtschaftlichen Tragfähigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der Sozialversicherungsträger. Gemäß § 31 Abs. 5 Z 10 ASVG sind Richtlinien im Sinn des Abs. 2 Z 3 aufzustellen, insbesondere über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung unter Bedachtnahme auf § 133 Abs. 2 ASVG. In diesen Richtlinien, die für den jeweiligen Vertragspartner (§§ 338 ff ASVG) verbindlich sind, sind jene Behandlungsmethoden anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. für gewisse Krankheitsgruppen) erst nach einer ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger anzuwenden sind. Durch diese Richtlinien darf der Zweck der Krankenbehandlung nicht gefährdet werden.
13 Gemäß § 17 Abs. 1 des zwischen der Ärztekammer für Wien einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger andererseits abgeschlossenen Gesamtvertrages vom muss die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und hat sich an den Richtlinien ökonomischer Krankenbehandlung zu orientieren.
14 § 23 Abs. 1 des Gesamtvertrages lautet:
"(1) Nimmt ein Patient den Vertragsarzt in Anspruch, ist er dazu aufzufordern, die e-card vorzuweisen. Legt der Patient die ecard vor, ist der Vertragsarzt dazu verpflichtet, die Anspruchsberechtigung in der Ordination mittels Einlesens der ecard zu prüfen. Die e-card ist bei jeder Inanspruchnahme des Vertragsarztes zu stecken, sofern der Patient diese vorlegt."
15 § 26 des Gesamtvertrags lautet:
"Behandlung in der Ordination
(1) Gegenüber allen Anspruchsberechtigten, die den Vertragsarzt aufsuchen, besteht grundsätzlich Behandlungspflicht in der Ordination.
(2) Die Ordinationstätigkeit des Vertragsarztes darf grundsätzlich nur in den eigenen Ordinationsräumen ausgeübt werden. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der Vertragsparteien zulässig.
(3) Die Bevorzugung von Privat- vor Kassenpatienten ist unzulässig.
(4) Die Übermittlung von Rezepten, Verordnungen oder Überweisungen bzw. die Mitgabe von solchen an dritte Personen ist nur bei Patienten zulässig, welche im betroffenen Quartal oder zumindest im Vorquartal einen persönlichen Kontakt mit dem betreffenden Vertragspartner hatten, welcher die Ausstellung des Rezeptes oder Verordnung indizierte bzw. eine Überweisung notwendig erscheinen ließ und ein ausdrücklicher Wunsch des Patienten oder dessen gesetzlichen Vertreters oder einer dem Arzt bekannten, den Patienten betreuenden Person (z.B. Angehörige, Heimhilfe) diesbezüglich besteht. In diesem Fall können - sofern der Patient in diesem Quartal keine weiteren Leistungen in Anspruch nimmt - nur die Fallpauschale und entsprechend der Fachrichtung entweder der Hausarztzuschlag oder der fachspezifische Zuschlag zur Abrechnung gebracht werden."
16 Gemäß § 45 Abs. 1 des Gesamtvertrages erfolgt die Honorierung des Vertragsarztes nach den Bestimmungen der Honorarordnung, die integrierender Bestandteil des Gesamtvertrages ist.
17 2.2. Nach dem zwischen der Revisionswerberin und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgeschlossenen Einzelvertrag vom hat das Vertragsverhältnis mit begonnen. Auf dieses Vertragsverhältnis sind sowohl der Gesamtvertrag als auch die Richtlinien über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung 2005 - RöK 2005 anzuwenden (zur Verbindlichkeit der genannten Verordnung des Hauptverbandes vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 438/99). Gemäß § 1 Abs. 1 RöK 2005 regeln die Richtlinien (Z 1) die ökonomischen Grundsätze, nach denen a) die ärztliche Hilfe, b) die der ärztlichen Hilfe gleichgestellten Leistungen, c) die im Zusammenhang mit Leistungen gemäß lit. a und b veranlassten Maßnahmen, d) die Abgabe von Heilbehelfen durch andere Vertragspartner als Apotheker oder hausapothekenführende Ärzte als ausreichend, zweckmäßig, das Maß des Notwendigen nicht übersteigend zu beurteilen sind, sowie (Z 2) die Maßnahmen, die die Einhaltung dieser Grundsätze sicherstellen sollen.
18 § 3 Abs. 2 RöK 2005 lautet:
"Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie ist nach dem jeweiligen und aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu erbringen. Innerhalb dieses Rahmens erfüllt die Krankenbehandlung unter Beachtung des Wohls und der Betroffenheit des Versicherten (Angehörigen) die ökonomischen Grundsätze, wenn sie geeignet ist,
einen ausreichenden therapeutischen und diagnostischen Nutzen zu erzielen und
die Kosten im Verhältnis zum Erfolg der Maßnahmen möglichst gering zu halten."
19 2.3. Nach dem ab geltenden Tarif für allgemeine Vertragsfachärzte (Anlage B zum genannten Gesamtvertrag) beträgt die Fallpauschale pro Anspruchsberechtigten und Quartal EUR 18,74 und der Punktwert für die nach Punkten bewerteten Sonderleistungen EUR 0,66. Eine Fallpauschale und eine mit drei Punkten zu bewertende Sonderleistung (hier: fachspezifischer Zuschlag, einmal pro Patient und Quartal) führen zu einem Honoraranspruch von EUR 20,72.
20 2.4. Die Sichtung des erst im vierten Quartal 2013 eingelangten Befundes betreffend den Patienten Peter M. ist vom Patienten in Anspruch genommen worden und sie war medizinisch notwendig. In Anspruch genommen wurde die Sachleistung durch das Ersuchen des Patienten, einen Abstrich zu machen, den besagten Laborbefund einzuholen und diesen an die Revisionswerberin zu übermitteln. Die medizinische Notwendigkeit der zeitnahen Beurteilung des Befundes - erforderlichenfalls auch in Abwesenheit des Patienten - ergibt sich insbesondere aus der Überlegung, dass sich aus einem Befund die Notwendigkeit einer unverzüglichen Krankenbehandlung ergeben kann.
21 Die streitgegenständliche Befundauswertung ist daher als Teil einer zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Sachleistung im Sinn des § 133 Abs. 2 ASVG zu betrachten und erfüllt den Begriff der Krankenbehandlung iSd § 133 Abs. 1 ASVG.
22 Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bringt vor, dass die Sichtung eines Befundes im Folgequartal Bestandteil einer bereits zuvor durch die Fallpauschale für das vorhergehende Quartal honorierten Leistung sei. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, hat doch der Patient die Krankenbehandlung bereits im Vorquartal in Anspruch genommen, sodass diese im Hinblick auf die Honorierung zur Gänze dem Vorquartal so lange zuzurechnen ist, als nicht im Folgequartal eine (neuerliche) Inanspruchnahme durch den Patienten erfolgt.
23 3. Zum Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der erteilten Verwarnung:
24 3.1. Gemäß § 344 Abs. 1 ASVG ist zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen (vgl. § 50 Abs. 1 Z 1 ASGG), im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.
25 Insbesondere für eine besondere Streitigkeit iZm dem Einzelvertrag, und zwar für die Entscheidung über die Wirksamkeit seiner Kündigung gemäß § 343 Abs. 4 ASVG, ist hingegen die gemäß § 345 Abs. 1 ASVG zu errichtende Landesschiedskommission zuständig.
26 Während sohin Streitigkeiten etwa über die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit, über die Erfüllung sonstiger aus dem Einzelvertrag folgender Verpflichtungen, über den aufrechten Bestand eines gültig abgeschlossenen Einzelvertrages oder über Schadenersatzansprüche in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen und demgemäß in die Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission fallen (vgl. Frank in SV-Komm § 344 ASVG Rz 13), fallen Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Einzelvertrages im Sinn des § 343 Abs. 4 ASVG in die Zuständigkeit der Landesschiedskommission, die im Anfechtungsverfahren alle Verstöße, die dem Arzt zur Last gelegt werden, im Detail prüft, wobei auch insbesondere Zeitpunkt und Inhalt erfolgter Abmahnungen von wesentlicher Bedeutung sein können und erforderlichenfalls im Hinblick auf geltend gemachte Vertragsverstöße ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (vgl. Kletter in Sonntag, § 343 ASVG, Rz 57 ff).
27 Die "Rechtmäßigkeit" einer Verwarnung bzw. das Vorliegen eines Grundes (zB einer vom Verwarnten verschuldeten Pflichtverletzung), der eine Verwarnung gerechtfertigt erscheinen lässt, ist kein in den Zuständigkeitsbereich der paritätischen Kommission fallender Streitgegenstand, sondern allenfalls eine von der zuständigen Landesschiedskommission zu beurteilende Vorfrage über die Rechtfertigung einer Kündigung im Sinn des § 343 Abs. 4 ASVG.
28 3.2. Aber auch in einem Verfahren vor der Landesschiedskommission wäre eine isolierte Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Verwarnung (des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung durch die Revisionswerberin) grundsätzlich unzulässig. Der Revisionswerberin ist kein rechtliches Interesse an der Feststellung einer Vorfrage zuzubilligen, die nur für eine Hauptfrage (hier: die Wirksamkeit einer Kündigung) von Relevanz und zu klären ist (vgl. zur entsprechenden Unzulässigkeit in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten RIS-Justiz RS0101813; vgl. im Übrigen die hg. Erkenntnisse vom , 2004/12/0217, und vom , 2001/12/0181).
29 4. Zum Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen die Revisionswerberin "von der WGKK verhängten ,Routine-Patientenbefragungen'":
30 4.1. Die Revisionswerberin führte zu diesem Antrag in ihrer Beschwerde mit umfangreichem Beweisanbot aus, dass die Vertragswidrigkeiten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geprüft werden müssten. Nur anhand ihrer Gesamtvorgehensweise unter Berücksichtigung all dieser Einzelfälle könne beurteilt werden, ob die "Routine-Patientenbefragungen" eine Vertragsverletzung im Sinne von Schikanen verwirkliche und der Antrag auf Feststellung der Vertrags- und Rechtswidrigkeit gerechtfertigt sei. Es sei selbstverständlich richtig, dass die Ausübung der Kontrolle von Ärzteabrechnungen durch Patientenbefragung keine Sanktionierung darstelle und nicht gegen die gesamt- und einzelvertraglichen Normen verstoße. Sie sei aber Opfer von eklatanten Übergriffen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gewesen. Insbesondere sei bei den Patientenbefragungen die Verpflichtung gemäß § 49 (Abs. 1) Gesamtvertrag verletzt worden (wonach in medizinischen Angelegenheiten der Chef(Kontroll)arzt zuständig und dieser mit dem Vertragsarzt zu kollegialer Zusammenarbeit verpflichtet sei). Sie sei mit Befragungen ihrer Patientenschaft konfrontiert worden, die weder chef- bzw. kontrollärztlich durchgeführt noch in kollegialer Zusammenarbeit erstellt oder auch nur ausgewertet worden seien. Statt die Vorgangsweise der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als vertragswidrig fest- und dadurch auch pro futuro abzustellen, sei ihr Vorbringen zurückgewiesen worden. Ohne Einhaltung der §§ 49 und 50 des Gesamtvertrages würden Hinweise (durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei den Patientenbefragungen) die "Unschuldsvermutung" unterlaufen und die Patientenschaft der Revisionswerberin im Hinblick auf deren Seriosität verunsichern und "meiner Patientenschaft Compliance im Hinblick auf meine fachärztlichen Behandlungen, Verordnungen und Empfehlungen" mindern. Beispielsweise seien Patienten darauf hingewiesen worden, es handle sich um "eine effiziente Kontrolle, ob letztlich auch die von Ihnen eingezahlten Beiträge zweckentsprechend an unsere Vertragspartner fließen". Es sei - trotz der hinzugefügten Versicherung, dies sei kein Ausdruck des Misstrauens gegenüber Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt - kein Wunder, dass die Kassenpatientenschaft dadurch generell verunsichert werde. Die (schriftlichen) Patientenbefragungen enthielten einen Hinweis, dass die Abteilung "Missbrauchsentdeckung und - prävention (MEP)" der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingeschaltet worden sei. Von der betroffenen Patientenschaft sei die Revisionswerberin darüber informiert worden, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Druck auf Patienten ausgeübt habe, sich nicht mehr von der Revisionswerberin behandeln zu lassen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe auch "investigativ" telefonische Patientenbefragungen vorgenommen und dies diesen gegenüber mit dem "Vorliegen außerordentlicher Umstände" begründet. Diese Vorgangsweisen erschwere die kassenfachärztliche Tätigkeit durch planmäßiges Infragestellen der Vertrauenswürdigkeit. Dies verletze § 48 Abs. 5 des Gesamtvertrages (wonach die Versicherungsträger alles zu unterlassen haben, was das Ansehen des Vertragsarztes und dessen Leistungen in den Augen der Anspruchsberechtigten oder der Öffentlichkeit herabsetzen könnte). Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei - wie sich aus der Fülle der Vorgänge ergebe - in schikanöser Absicht vorgegangen. Es sei zu befürchten, dass sie sich der Revisionswerberin als Vertragspartnerin entledigen wolle.
31 4.2. Die verfahrensgegenständlichen Vorbringen und die Anträge der Revisionswerberin sind als Begehren aufzufassen, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu verpflichten, Patientenbefragungen unter den behaupteten, für die Revisionswerberin nachteiligen Umständen künftig zu unterlassen. Das Verwaltungsgericht hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt, zum Vorbringen der Revisionswerberin keine Ermittlungen gepflogen, keine Feststellungen darüber getroffen und rechtlich nur die Meinung vertreten, "Routine-Patientenbefragungen" wären (allgemein) zulässig. Es wird die für eine rechtliche Beurteilung des Unterlassungsbegehrens erforderlichen Feststellungen über die behaupteten nachteiligen und rechtswidrigen Umstände, unter denen die Patientenbefragungen durchgeführt wurden, nachzuholen haben.
32 5. Die Revision betreffend den ersten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides (Honoraranspruch von EUR 20,72) war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
33 Der Antrag betreffend die Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Verwarnung (zweiter Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides), war gemäß § 42 Abs. 4 VwGG zurückzuweisen.
34 Das angefochtene Erkenntnis war, soweit es den dritten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides betrifft (Unterlassung von "Routine-Patientenbefragungen"), gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
35 6. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Ein Ersatz für eine Eingabengebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen.
Wien, am