VwGH vom 07.09.2017, Ro 2017/08/0007

VwGH vom 07.09.2017, Ro 2017/08/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Braunau in 5280 Braunau am Inn, Laaber Holzweg 44, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. L511 2149849- 1/3E, betreffend Verlust der Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: A K in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom hat das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte gemäß § 8 Abs. 2 AlVG wegen der Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ab dem keine Notstandshilfe erhalte. Der Mitbeteiligte habe den Untersuchungstermin vom bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ohne triftigen Grund nicht eingehalten und möge beachten, dass er am einen neuen verbindlichen Untersuchungstermin bei der PVA habe.

2 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das AMS der Beschwerde teilweise statt und sprach aus, dass für die Zeit vom 18. Jänner bis kein Anspruch auf Notstandshilfe bestehe, ab dem ein Anspruch auf Notstandshilfe aber wieder gegeben sei. Der Mitbeteiligte habe am einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension eingebracht. Am sei er vom AMS niederschriftlich darüber informiert worden, dass er die Untersuchungstermine beim Pensionsversicherungsträger einhalten müsse, da ansonsten für die Dauer der Weigerung, die Untersuchungstermine einzuhalten, kein Leistungsanspruch bestehe. Der Mitbeteiligte habe den Untersuchungstermin am nicht eingehalten. Der Grund dafür sei u.a. gewesen, dass "so und so keine richtige Untersuchung erfolge". Der Mitbeteiligte habe sich bewusst und auf Grund eigener Überlegung dafür entschieden, den Termin am nicht wahrzunehmen. Am habe er den erneut vorgeschriebenen Untersuchungstermin beim Pensionsversicherungsträger eingehalten. Für die Dauer der Weigerung vom 18. Jänner bis erhalte er gemäß § 8 Abs. 2 AlVG keine Notstandshilfe.

4 Der Mitbeteiligte beantragte die Vorlage seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde stattgegeben. Es hat die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben und zum Ausdruck gebracht, dass der Anspruch des Mitbeteiligten auf Notstandshilfe für den angegebenen Zeitraum bestehen bleibt. Dieser sei am darüber informiert worden, dass er während des Pensionsverfahrens bis zur Klärung seiner Arbeitsfähigkeit der Arbeitsvermittlung nur für maximal drei Monate nicht zur Verfügung stehen müsse. Er sei darüber informiert worden, dass er den vom Pensionsversicherungsträger angesetzten Untersuchungen nachkommen müsse. Er sei auch über einen möglichen Anspruchsverlust als Rechtsfolge für die Dauer einer Verweigerung der Untersuchung (§ 8 Abs. 2 AlVG) aufgeklärt worden. Der Mitbeteiligte habe einen Untersuchungstermin bei der PVA im Dezember 2016 wahrgenommen. Einem weiteren Untersuchungstermin vom sei er nach einem Telefonat mit der PVA am fern geblieben. Einen auf Grund des Fernbleibens neuerlich vorgeschriebenen Termin vom habe er wahrgenommen.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG knüpfe nur an eine durch das AMS verfügte Anordnung der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen eine Sanktion für den Fall dessen Weigerung. Die gegenständliche Überprüfung der Arbeitsfähigkeit sei auf Initiative des Mitbeteiligten erfolgt, der bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gestellt habe. Eine Einstellung des Leistungsbezuges iSd § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG sei mangels Anordnung der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit durch das AMS nicht möglich.

7 Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, ob auch bei Überprüfung der Arbeitsfähigkeit auf Initiative der arbeitslosen Person (und nicht auf Anordnung des AMS) eine Sanktion nach § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG zulässig sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 § 8 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 3/2013 lautet:

"(2) Arbeitslose sind, wenn sich Zweifel über ihre Arbeitsfähigkeit ergeben oder zu klären ist, ob bestimmte Tätigkeiten ihre Gesundheit gefährden können, verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Die Untersuchung der Arbeitsfähigkeit hat an einer vom Kompetenzzentrum Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt festgelegten Stelle stattzufinden. Die Untersuchung, ob bestimmte Tätigkeiten die Gesundheit einer bestimmten Person gefährden können, hat durch einen geeigneten Arzt oder eine geeignete ärztliche Einrichtung zu erfolgen. Wenn eine ärztliche Untersuchung nicht bereits eingeleitet ist, hat die regionale Geschäftsstelle bei Zweifeln über die Arbeitsfähigkeit oder über die Gesundheitsgefährdung eine entsprechende Untersuchung anzuordnen. Wer sich weigert, einer derartigen Anordnung Folge zu leisten, erhält für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld."

10 Die vom AMS vorgenommene Anordnung einer medizinischen Untersuchung iSd § 8 Abs. 2 vierter Satz AlVG unter der Sanktionsdrohung des fünften Satzes leg. cit. ist gegen den Willen der Partei nur insoweit rechtmäßig bzw. der Arbeitslose nur insoweit verpflichtet, sich einer Untersuchung zu unterziehen, als auf Grund von bestimmten Tatsachen der objektiv begründete Verdacht besteht, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt oder dies die Partei selbst behauptet oder als möglich darstellt. Die Zweifel an der Arbeitsfähigkeit müssen der Partei gegenüber konkretisiert werden, einerseits, damit auch ihr gegenüber klargestellt ist, dass ein Fall des § 8 Abs. 2 AlVG eingetreten ist und daher nunmehr die Verpflichtung zur Vornahme der Untersuchung besteht, und andererseits, damit ihr iSd § 37 iVm § 45 Abs. 3 AVG allenfalls Gelegenheit gegeben wird, diese Zweifel durch Vorlage bereits vorhandener geeigneter Gründe zu zerstreuen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/08/0049). Die Zuweisung an die "Gesundheitsstraße" der Pensionsversicherungsanstalt zur medizinischen Begutachtung iSd § 351b ASVG ist der Zuweisung an einen Arzt für Allgemeinmedizin gleichzuhalten. Es ist nicht notwendig, die Zuweisung mit Bescheid zu verfügen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/08/0228). Objektiv begründete Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Mitbeteiligten sind in Anbetracht seines Antrags auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gegeben.

11 Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass die im § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG vorgesehene Sanktion an die Weigerung geknüpft ist, einer "derartigen" Anordnung (nämlich der Anordnung einer Untersuchung iSd § 8 Abs. 2 vierter Satz AlVG) Folge zu leisten. Den Feststellungen zu Folge wurde der Mitbeteiligte anlässlich der Niederschrift vom darüber informiert, dass er den vom Pensionsversicherungsträger angesetzten Untersuchungen nachkommen muss. Damit hat das AMS eine Untersuchung iSd § 8 Abs. 2 vierter Satz AlVG angeordnet. Darüber hinaus wurde der Mitbeteiligte in der genannten Niederschrift auch über die Sanktion für den Fall der Verweigerung der Untersuchung belehrt. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt, gemäß § 8 Abs. 2 fünfter Satz AlVG die gegenständliche Sanktion zu verhängen.

12 Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am