VwGH vom 04.05.2017, Ro 2017/08/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch Ullmann - Geiler und Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. I401 2008961-1/50E, betreffend Beiträge in der Krankenversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: N S in I, vertreten durch Burmann - Wallnöfer - Bacher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse vom wurde der Mitbeteiligte gemäß § 73a Abs. 1 ASVG verpflichtet, "für seine ausländischen Pensionsbzw. Rentenansprüche" ab einen monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung von EUR 29,04 zu entrichten. Er beziehe eine deutsche und eine türkische Pension in Höhe von insgesamt EUR 569,35.
2 2. Der Landeshauptmann von Tirol hat mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom den mit Einspruch des Mitbeteiligten angefochtenen Bescheid vom behoben und das Verfahren an die revisionswerbende Gebietskrankenkasse zurückverwiesen. Der Mitbeteiligte habe vorgebracht, er habe in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen keine Rentenzahlungen aus der Türkei erhalten. Die Gebietskrankenkasse habe darauf verwiesen, den Zeitraum und die Höhe für die zu bezahlenden Krankenversicherungsbeiträge richtig berechnet zu haben. Gemäß § 73a Abs. 1 ASVG (in der vom bis geltenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2010) sei der Krankenversicherungsbeitrag in dem Zeitpunkt fällig, in dem die ausländische Rente ausgezahlt werde. Die Gebietskrankenkasse habe nicht festgestellt, dass dem Mitbeteiligten die türkische Rente tatsächlich ausbezahlt worden sei. Es reiche nicht aus, nur Feststellungen über ausländische Pensionsansprüche zu treffen.
3 3. Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse erließ den Ersatzbescheid vom . Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten sprach die revisionswerbende Gebietskrankenkasse mit Beschwerdevorentscheidung vom gegenüber dem Mitbeteiligten Folgendes aus:
4 "I. Der Antragsteller ist gemäß § 73a Abs. 1 ASVG verpflichtet, für seine Pensions- bzw. Rentenansprüche aus Deutschland für den Zeitraum ab einen Beitrag zur österreichischen Krankenversicherung in Höhe von monatlich EUR 7,98 zu entrichten. Dieser Beitrag ist gemäß § 73a Abs. 3 ASVG von der Pensionsversicherungsanstalt monatlich einzubehalten und unmittelbar an die Tiroler Gebietskrankenkasse abzuführen. Für den Zeitraum bis erfolgte die Vorschreibung durch die Tiroler Gebietskrankenkasse.
5 II. Der Antragsteller ist gemäß § 73a Abs. 1 ASVG verpflichtet, für seine Pensions- bzw. Rentenansprüche aus der Türkei für den Zeitraum ab einen Beitrag zur österreichischen Krankenversicherung zu entrichten. Die Beiträge richten sich dabei nach dem am 01.01. eines jeden Kalenderjahres festzulegenden Wechselkurs zwischen der Türkischen Lira zum Euro. Die Höhe der Beiträge wird von der Pensionsversicherungsanstalt jeweils mit Stichtag 01.07. und 01.01. eines jeden Jahres für sechs Monate aufgrund der seitens der türkischen Sozialversicherungsanstalt gemeldeten Pensionsbzw. Rentenleistungen und des zum jeweiligen Stichtag geltenden jährlichen Wechselkurses neu bestimmt. Dieser Beitrag ist gemäß § 73a Abs. 3 ASVG von der Pensionsversicherungsanstalt monatlich einzubehalten und unmittelbar an die Tiroler Gebietskrankenkasse abzuführen. Für den Zeitraum ab entsprechen die Beiträge zur österreichischen Krankenversicherung einem Beitrag in Höhe von EUR 24,85, ab entsprechen die Beiträge zur österreichischen Krankenversicherung einem Beitrag in Höhe von EUR 21,25, ab entsprechen die Beiträge zur österreichischen Krankenversicherung einem Beitrag in Höhe von EUR 21,66, ab einem Beitrag in Höhe von EUR 23,69, ab einem Beitrag in Höhe von EUR 24,64 und seit einem Beitrag in Höhe von EUR 21,26, bis der Beitrag neu bestimmt wird. Für den Zeitraum bis erfolgte die Vorschreibung durch die Tiroler Gebietskrankenkasse.
6 III. Der Antragsteller ist von der Entrichtung eines Beitrages zur österreichischen Krankenversicherung gemäß § 73a Abs. 1 ASVG für seine Pensions- bzw. Rentenansprüche aus der Türkei in den Monaten Dezember 2012 und August 2013 befreit."
7 Der Mitbeteiligte beziehe seit eine österreichische Pension in Höhe von EUR 180,21 (monatlich).
8 Er beziehe seit eine deutsche Rente in Höhe von EUR 156,41 (monatlich), wovon er gemäß § 73 Abs. 1 und 1a ASVG (monatlich) einen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 5,1 % (EUR 7,98) zu leisten habe.
9 Er beziehe auch eine türkische monatliche Rente, und zwar ab TL 979,33, ab TL 1.045,82, ab TL 1.066,22, ab TL 1.110,36 und ab TL 1.154,77.
10 Für die Währungsumrechnung von Einkünften aus "bilateralen Vertragsstaaten" wie der Türkei gebe es mit Ausnahme des Art. 29 des Abkommens über soziale Sicherheit Türkei keine rechtliche Grundlage. Dieser bestimme lediglich, dass die Überweisungen der erforderlichen Beträge nach den Zahlungsvereinbarungen der beiden Vertragsstaaten vorzunehmen seien, die im Zeitpunkt der Überweisung gelten würden. In Ermangelung derartiger Zahlungsvereinbarungen würden zur Umrechnung der Währungen Fixkurse zum 1. Jänner eines jeden Kalenderjahres vom Hauptverband festgelegt. Bei einem laufenden Bezug einer ausländischen Leistung aus einem "bilateralen Vertragsstaat" werde jeweils der zum Zeitpunkt der Anweisung an den Berechtigten gültige jährliche Fixkurs herangezogen. Der entsprechende Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 5,1 % der auszuzahlenden (in Euro umgerechneten) Leistung entspreche im maßgeblichen Zeitraum ab monatlich einem Beitrag in Höhe von EUR 24,85, ab einem Beitrag in Höhe von EUR 21,25, ab einem Beitrag in Höhe von EUR 21,66 (mit Ausnahme des Monats Dezember 2012), ab einem Beitrag in Höhe von EUR 23,69, ab einem Beitrag in Höhe von EUR 24,64 (mit Ausnahme des Monats August 2013), und seit einem Beitrag in Höhe von EUR 21,26, bis der Beitrag neu bestimmt werde. Da dem Mitbeteiligten für die Monate Dezember 2012 und August 2013 keine türkischen Pensionsleistungen auf das österreichische Konto überwiesen worden seien, würden hiefür keine Beiträge berechnet. Da der Mitbeteiligte sowohl eine österreichische als auch eine deutsche und türkische Pension bzw. Rente beziehe, habe die Pensionsversicherungsanstalt als der die inländische Pension auszahlende Pensionsversicherungsträger den für die deutsche und türkische Rente zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrag von der österreichischen Pension einzubehalten und unmittelbar an die revisionswerbende Gebietskrankenkasse abzuführen. Für den Zeitraum vom bis sei die entsprechende Vorschreibung durch die revisionswerbende Gebietskrankenkasse erfolgt.
11 4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde bzw. im Vorlageantrag an das Verwaltungsgericht brachte der Mitbeteiligte vor, zwischen dem von der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse berechneten fiktiven Bezug der türkischen Rente und den tatsächlich erhaltenen türkischen Rentenbeträgen bestehe ein erheblicher Unterschied. So stehe etwa einem fiktiven Bezug in den Monaten Oktober, November und Dezember 2013 in Höhe von je EUR 483,17 ein tatsächlicher Bezug von EUR 390,80 im Oktober, EUR 384,65 im November und EUR 364,99 im Dezember gegenüber. Die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Grund fiktiver Währungskurse widerspreche dem Grundsatz, von tatsächlich erhaltenen Pensionsbezügen auszugehen, und bedeute für den Mitbeteiligten eine ungerechtfertigte Schlechterstellung, die gerade im Hinblick auf die große Schwankungsbereite der türkischen Lira, einer nicht frei konvertierbaren Währung, unzulässig sei.
12 5. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht - nach Einstellung des Beschwerdeverfahrens betreffend den Zeitraum vom bis - den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) (ersatzlos) behoben und (betreffend den Spruchpunkt II.) ausgesprochen, dass nach § 73a ASVG die in der Anlage A) des Erkenntnisses angeführten Krankenversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom bis (nach den in der genannten Anlage aufgelisteten Beträgen und "Buchungstagen" zwischen dem und dem ) vorgeschrieben werden.
13 Zur Behebung des die deutschen Renten betreffenden Spruchpunkts I. des angefochtenen Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) führte das Verwaltungsgericht aus, dass dieser von der Beschwerde nicht bekämpfte Spruchpunkt bereits dem Rechtsbestand (dem Ausgangsbescheid) angehört habe, sich eine wiederholte Erörterung dieser Frage erübrige und daher dieser Teil der Beschwerdevorentscheidung zu beheben gewesen sei.
14 Zu dem von ihm nach Maßgabe der Anlage A) abgeänderten Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheids (Beschwerdevorentscheidung) führte das Verwaltungsgericht aus, der gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Mitbeteiligte habe seit dem (mit Ausnahme eines Zeitraumes vom 9. November bis ) seinen Hauptwohnsitz in Innsbruck. Er habe ab eine Pension nach dem ASVG in der Höhe von monatlich EUR 174,23 brutto erhalten, die sich 2013 auf EUR 177,37 brutto, 2014 auf EUR 180,21 brutto, 2015 auf EUR 183,27 brutto und vom 1. Jänner bis auf EUR 180,21 brutto monatlich erhöht habe. Die deutsche Rentenleistung habe zuletzt vom bis EUR 162,36 monatlich betragen.
15 Die türkische Altersrente (samt Sozialleistungszuschlag) habe sich vom 1. November bis auf TL 1.066,22, vom 1. Jänner bis auf TL 1.110,36, vom 1. Juli bis auf TL 1.154,77, vom 1. Jänner bis auf TL 1.192,54, vom 1. Juli bis auf TL 1.260,51, vom 1. Jänner bis auf TL 1.289,88, vom 1. Juli bis auf TL 1.351,28 und vom 1. Jänner bis auf TL 1.507,44 monatlich ("brutto für netto") belaufen. (Diese türkischen Rentenansprüche decken sich mit jenen, die die revisionswerbende Gebietskrankenkasse im Bescheid vom für die von ihr beurteilten Zeiträume festgestellt hat.)
16 In der Folge listete das Verwaltungsgericht unter der Bezeichnung "'Umsatz' in Euro" sämtliche Überweisungen vom bis zum auf, die der Mitbeteiligte tatsächlich vom türkischen Versicherungsträger an Altersrente erhalten hat und die ihm zu den jeweiligen Buchungstagen (vor Abzug von Spesen für die Überweisung und Kommissionsgebühren) bei der D. Bank in Euro gutgeschrieben worden seien. Diese "'Umsätze' in Euro" entsprechen den in Beilage A) für die Zeit vom bis zum aufgelisteten "Beitragsgrundlagen in Euro".
17 Gemäß § 73a ASVG - so das Verwaltungsgericht weiter - sei auch von einer ausländischen (hier: türkischen) Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 und 1a ASVG zu entrichten, wenn diese ausländische Rente von einem auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommen über die soziale Sicherheit erfasst ist, wobei dieser Beitrag (nach § 73 Abs. 1 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2010) zu dem Zeitpunkt fällig sei, "in dem die ausländische Rente ausgezahlt wird". Da sowohl das Europäische Abkommen über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 428/1977, als auch das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 219/2000, Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung enthielten, habe die revisionswerbende Gebietskrankenkasse dem Mitbeteiligten für seine türkische Rente zu Recht einen Krankenversicherungsbeitrag gemäß § 73a ASVG vorgeschrieben.
18 Im vorliegenden Fall sei die in den Art. 47 ff der Zusatzvereinbarung zur Durchführung des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 428/1977, normierte Vorgangsweise der Bekanntgabe der fälligen (Renten-)Beträge durch den zahlungspflichtigen Träger an den Träger des Wohnortes des Leistungsempfängers und der durch den zahlungspflichtigen Träger mit befreiender Wirkung vorzunehmenden Zahlung der (Renten-)Leistungen in ausländischer Währung auf ein Konto der Staatsbank oder einer anderen Bank des anderen Vertragsstaates nicht beachtet worden. Damit komme Art. 49 Abs. 2 der genannten Zusatzvereinbarung (über den "Umrechnungskurs"), wonach der dem Leistungsempfänger gebührende Betrag in die Währung des Vertragsstaates, in dessen Gebiet er wohnt, zu dem Kurs umzurechnen sei, zu dem der nach Art. 48 gezahlte Betrag der Zahlstelle gutgeschrieben worden sei, nicht zur Anwendung.
19 Nach Art. 29 Abs. 2 des genannten bilateralen Abkommens sei eine Überweisung der Beträge an die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhaltenden Berechtigten nach den Zahlungsvereinbarungen der beiden Vertragsstaaten vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Überweisung gelten würden. Zwischen der Türkei und Österreich sei bisher keine ("Ausführungs-")Vereinbarung über die Festlegung des Umrechnungs- bzw. Wechselkurses zur Berechnung von Rentenleistungen des anderen Vertragsstaates getroffen worden.
20 Das Europäische Koordinationsrecht betreffend die Systeme der sozialen Sicherheit könnten weder direkt noch analog angewendet werden.
21 Damit sei die Bestimmung des Umrechnungskurses nach § 73 ASVG vorzunehmen, wonach ein Betrag "von jeder auszuzahlenden Pension ..." einzubehalten sei. Es sei mit dieser Formulierung zu vereinbaren, von den Rentenbeträgen auszugehen, die dem Mitbeteiligten tatsächlich in Euro zugekommen seien, denn er würde keine davon abweichenden (allenfalls höheren oder geringeren) Ansprüche auf Rentenzahlungen haben. Für ihn sei der Bezug einer Rente aus der Türkei auf keine andere Weise möglich gewesen als durch Überweisung "auf die D. Bank". Die ihm tatsächlich zugekommenen Beträge würden daher der ihm "auszuzahlenden Pension" entsprechen. Der Mitbeteiligte habe in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass dem zuständigen Pensionsversicherungsträger die Feststellung der Höhe der ausländischen Renten und damit der zu entrichtenden Beiträge iSd § 73a ASVG unverzüglich nach Eingang der in Euro ausbezahlten Renten auf dem Bankkonto möglich sei.
22 6. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision.
23 7. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
24 1. Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse bekämpft das angefochtene Erkenntnis insoweit, als das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt B. I. 1. den Spruchpunkt I. des Bescheides vom behoben und mit Spruchpunkt B. I. 2. die in der Anlage A) zum Erkenntnis angeführten Krankenversicherungsbeiträge nach § 73a ASVG für den Zeitraum vom bis zum vorgeschrieben hat. Sie führt zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus, es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, auf welche Art und Weise die Ermittlung von Krankenversicherungsbeiträgen nach § 73 Abs. 1 und § 73a ASVG bei Pensionsbezügen aus der Türkei zu erfolgen habe. Die Tragweite der Entscheidung gehe weit über die Bedeutung des Einzelfalls hinaus. Der Wortlaut des vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 73 ASVG spreche nicht für die von ihm vorgenommene Auslegung. Es sei ausdrücklich von einer auszuzahlenden Pension und nicht von einer ausbezahlten Pension die Rede. Der Gesetzgeber stelle auf einen Anspruch ab, nämlich auf jene Pension, die auszuzahlen sei, und nicht auf eine bereits ausbezahlte Pension, also einen effektiven Zahlungsfluss. Die Überlegungen des Verwaltungsgerichtes, von solchen Rentenbeträgen auszugehen, die dem Mitbeteiligten in Euro zugekommen seien, seien nicht nachvollziehbar. Der Gesetzgeber nehme in Kauf, dass eine Auszahlung der Pensionsleistung unter Umständen überhaupt nicht oder verspätet oder nach Maßgabe individueller Vereinbarungen erfolge. Die Vorschreibung von Beiträgen könne auch für einen Zeitraum erfolgen, denen kein faktischer Leistungsbezug, wohl aber eine Leistungspflicht des ausländischen Versicherungsträgers gegenüberstehe. Ob eine Rente nach § 73a Abs. 1 ASVG bezogen werde, sei in regelmäßigen Abständen zu ermitteln. Eine Beitragsvorschreibung auf Grund eines entsprechenden Informationsstandes sei also jedenfalls so lange akzeptabel, als solche regelmäßigen Abstände eingehalten worden seien. Eine Abrechnung auf Basis der Informationen, die der Mitbeteiligte der Revisionswerberin zu übermitteln habe (also quasi nach Rechnungslegung durch den Versicherten) widerspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
25 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
2. Zu Spruchpunkt B. I. 1. des angefochtenen Erkenntnisses:
26 Die Beschwerde des Mitbeteiligten war mangels diesbezüglicher Einschränkung gegen die Spruchpunkte I. und II. des Ausgangsbescheides vom gerichtet. Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse war befugt, mit der an die Stelle des Ausgangsbescheides tretenden Beschwerdevorentscheidung über die genannten Spruchpunkte abzusprechen. Durch die Abweisung einer Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung wird klargestellt, dass der Ausspruch des Erstbescheides im Rechtsbestand bleiben soll. Nichts anderes hat die revisionswerbende Gebietskrankenkasse durch die Wiederholung des Spruchpunktes I. zum Ausdruck gebracht. Mit der Aufhebung des Spruchpunktes I. des Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) vom wurde der die deutsche Rente betreffende Spruchpunkt aus dem Rechtsbestand beseitigt. Diese Behebung war rechtswidrig.
3.1. Zu Spruchpunkt B. I. 2.:
27 § 73 Abs. 1 ASVG lautet in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2007 auszugsweise samt Überschrift:
28 "Beiträge in der Krankenversicherung für Pensionisten (Übergangsgeldbezieher)
§ 73. (1) Von jeder auszuzahlenden Pension und Pensionssonderzahlung mit Ausnahme von Waisenpensionen sowie von jedem auszuzahlenden Übergangsgeld ist, wenn und solange sich der in Betracht kommende Pensionist (Übergangsgeldbezieher) ständig im Inland aufhält, ein Betrag einzubehalten, und zwar
1. bei Personen nach den §§ 8 Abs. 1 Z 1 lit. a, 572 Abs. 4 oder 600 Abs. 5 in der Höhe von 5%,
2. (...)
der auszuzahlenden Leistung. (...)."
29 73a ASVG lautet in der für den vorliegenden Beitragszeitraum bis maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 102/2010 auszugsweise samt Überschrift:
30 "Beiträge in der Krankenversicherung von mit inländischen Pensionsleistungen vergleichbaren ausländischen Renten
§ 73a. (1) Wird eine ausländische Rente bezogen, die vom Geltungsbereich
der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 oder
der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern und 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 oder
eines auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommens über die soziale Sicherheit
erfasst ist, so ist, wenn ein Anspruch des Beziehers/der Bezieherin der ausländischen Rente auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, auch von dieser ausländischen Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 und 1a zu entrichten. Dieser Beitrag ist in dem Zeitpunkt fällig, in dem die ausländische Rente ausgezahlt wird.
(2) Der Pensionsversicherungsträger, der eine inländische Pension auszuzahlen hat, hat in regelmäßigen Abständen zu ermitteln, ob eine Rente nach Abs. 1 bezogen wird. Er hat deren Höhe, deren Leistungsbestandteile, die auszahlende Stelle - einschließlich allfälliger Veränderungen - festzustellen sowie zu ermitteln, in welcher Höhe Beiträge von der ausländischen Rente zu entrichten sind. Der Krankenversicherungsträger hat über die Beitragspflicht auf Antrag des Leistungsbeziehers mit Bescheid abzusprechen (§§ 409 ff.). Werden eine oder mehrere ausländische Renten bezogen, so ist jener Pensionsversicherungsträger zuständig, bei welchem die Eigenpension fällig wurde. Kommen danach noch mehrere Pensionsversicherungsträger in Betracht, so sind nacheinander die Versicherungsträger nach dem ASVG, dem GSVG und dem BSVG zuständig.
(3) (...)."
31 Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 - SRÄG 2015, BGBl. I Nr. 162, erhielt § 73a Abs. 1 ASVG mit Wirksamkeit ab folgende Fassung:
§ 73a. (1) Wird eine ausländische Rente bezogen, die vom Geltungsbereich (...) eines auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommens über die soziale Sicherheit erfasst ist, so ist, wenn ein Anspruch des Beziehers/der Bezieherin der ausländischen Rente auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, auch von dieser ausländischen Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 zu entrichten. Dieser Beitrag ist in dem Zeitpunkt fällig, in dem die ausländische Rente, unbeschadet allfälliger individueller Vereinbarungen mit dem ausländischer Träger über Modalitäten des Rententransfers, nach den gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen ist."
32 Die Gesetzesmaterialien (900 BlgNR 25. GP S 18f) begründen diese Änderung wie folgt (Rechtschreib- und Grammatikfehler im Original):
"Zu Art. 1 Z 18 (§ 73a Abs. 1 ASVG): Der vorliegende Novellierungsvorschlag dient der redaktionellen Klarstellung der durch das 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, eingeführten Bestimmung betreffend Beiträge in der Krankenversicherung von mit inländischen Pensionsleistungen vergleichbaren ausländischen Renten. Demnach sind Krankenversicherungsbeiträge für ausländische Renten zu dem Zeitpunkt fällig sind, in dem die ausländische Rente, unbeschadet allfälliger individueller Vereinbarungen mit dem ausländischer Träger über Modalitäten des Rententransfers (etwa quartalsweise oder halbjährlich Auszahlungen), nach den gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen ist."
33 3.2. Es ist nicht strittig, dass die türkische Rente des Mitbeteiligten iSd § 73a Abs. 1 ASVG von dem auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über soziale Sicherheit, BGBl. I Nr. 219/2000, erfasst ist und dass der in Österreich wohnhafte Mitbeteiligte Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung hat. Strittig ist auch nicht, dass die türkischen Renten betreffend den Zeitraum bis nach Maßgabe der Beilage A) ausgezahlt wurden bzw. nach den gesetzlichen Bestimmungen der Türkei auszuzahlen waren, sodass die aus der türkischen Rente resultierenden österreichischen Krankenversicherungsbeiträge nach § 73a Abs. 1 letzter Satz ASVG aus dem Blickwinkel beider oben wiedergegebenen Fassungen fällig waren.
34 Strittig ist die Höhe der aus der türkischen Rente resultierenden österreichischen Krankenversicherungsbeiträge, wozu § 73a Abs. 1 ASVG auf § 73 Abs. 1 ASVG verweist. Die zuletzt genannte Gesetzesstelle sieht vor, dass bei Personen nach § 8 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG von jeder auszuzahlenden Pension ein bestimmter Prozentsatz einzubehalten ist. Was "auszuzahlen" ist, hängt von den (hier türkischen) gesetzlichen Bestimmungen (allenfalls unter Heranziehung von einschlägigen Abkommen) ab.
35 3.4. Für die Beurteilung der Höhe des österreichischen Krankenversicherungsbeitrags kommt es auf die Höhe der türkischen "Anspruchsrente" an. Für die Beurteilung der Fälligkeit des österreichischen Krankenversicherungsbeitrags kommt es nach der ab geltenden Rechtslage auf den Zeitpunkt an, zu dem die ausländische Rente, unbeschadet allfälliger individueller Vereinbarungen mit dem ausländischer Träger über Modalitäten des Rententransfers, nach den türkischen gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen ist (§ 73a Abs. 1 letzter Satz ASVG). Für die Rechtslage vor dem richtete sich die Fälligkeit der österreichischen Krankenversicherungsbeiträge hingegen nach dem Zeitpunkt, zu dem die ausländischen Renten vom türkischen Träger ausgezahlt (das heißt im vorliegenden Fall dem Konto des Mitbeteiligten lt. Beilage A) gutgeschrieben) wurden.
36 Sowohl die Höhe der türkischen Anspruchsrente als auch deren Fälligkeit ist iSd § 73a Abs. 2 ASVG vom Pensionsversicherungsträger (allenfalls unter Heranziehung von einschlägigen Abkommen) zu ermitteln bzw. vom zuständigen Krankenversicherungsträger in dem auf Antrag durchgeführten Feststellungsverfahren festzustellen. Erst wenn die nach den türkischen gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlenden Rentenbeträge feststehen, ist es dem österreichischen Versicherungsträger möglich, die Krankenversicherungsbeiträge nach § 73 Abs. 1 ASVG zu berechnen.
37 Im Verhältnis zur Türkei ist festzuhalten, dass sich aus den über soziale Sicherheit geschlossenen Abkommen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Höhe der türkischen Anspruchsrente in irgendeiner Weise durch bestimmte Umrechnungsvorschriften beeinflusst würde. Das multilaterale, ua mit der Türkei abgeschlossene Europäische Abkommen über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 428/1977 idF BGBl. III Nr. 30/2013, enthält im Kapitel 2 Bestimmungen über "Invalidität, Alter und Tod (Pensionen oder Renten"), die durch die Zusatzvereinbarung zur Durchführung des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 428/1977 idF BGBl. III Nr. 30/2013, näher ausgestaltet wurden. Bei der Zahlung insbesondere von Rentenleistungen unterscheidet Art. 46 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung zwischen unmittelbar an den Leistungsempfänger geleisteten Zahlungen und solchen, die nicht unmittelbar, sondern im Wege einer Verbindungsstelle oder über den Träger des Wohnortes erfolgen. Für die zuletzt genannte Zahlweise sieht Art. 49 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung vor, dass der dem Leistungsempfänger gebührende Betrag in die Währung des Vertragsstaates, in dessen Gebiet er wohnt, zu dem Kurs umgerechnet wird, zu dem der nach Art. 48 der Zusatzvereinbarung gezahlte Betrag der Zahlstelle gutgeschrieben worden ist. Für unmittelbare Zahlungen wie den verfahrensgegenständlichen findet sich in Art. 46 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung indes lediglich die Anordnung, dass der leistungspflichtige Träger davon den Träger des Wohnortes unterrichtet. Eine Vereinbarung über die Durchführung von Überweisungen iSd Art. 68 Abs. 3 des genannten Europäischen Abkommens wurde zwischen den Vertragsstaaten bisher nicht getroffen. Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkei über Soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 219/2000, bestimmt, dass Pensionen, Renten und andere Geldleistungen, die einer in Art. 4 bezeichneten Person oder deren Hinterbliebenen nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates gebühren, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, auch bei einem Wohnort des Berechtigten im Gebiet des anderen Vertragsstaates zu zahlen sind. Nach dem den Zahlungsverkehr behandelnden Art. 29 Abs. 1 des genannten bilateralen Abkommens leisten die Träger eines Vertragsstaates, die Zahlungen an Berechtigte vorzunehmen haben, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates befinden, mit befreiender Wirkung in der Währung des ersten Vertragsstaates. Eine Zahlungsvereinbarung iSd Art. 29 Abs. 2 des genannten bilateralen Abkommens über die Überweisung der zur Durchführung dieses Abkommens erforderlichen Beträge wurde zwischen den Vertragsstaaten bisher nicht getroffen.
38 3.5. Die von § 73a ASVG vorgesehene Entrichtung der Beiträge nach den in § 73 Abs. 1 ASVG festgesetzten Regeln setzt eine Umrechnung der in ausländischer Währung bezifferten ausländischen Anspruchsrente in Eurobeträge voraus. Weder das Europäische Abkommen noch das bilaterale Abkommen beinhalten Regeln darüber, wie ausländische Anspruchsrenten zum Zwecke der inländischen Beitragsbemessung umzurechnen wären.
39 § 73 Abs. 1 ASVG bestimmt, dass "von jeder auszuzahlenden Pension" ein bestimmter Prozentsatz einzubehalten ist. Ist der Wert dieser auszuzahlenden Anspruchspension in einer ausländischen Währung angegeben, so ist - ähnlich der Bewertung eines Sachbezugs - ihr Wert in Euro nach dem den Verkehrswert abbildenden Umrechnungskurs zu dem Zeitpunkt zu bemessen, zu dem sie auszuzahlen ist. Nach beiden hier zu beurteilenden Rechtslagen ist daher - unbeschadet der unterschiedlichen Bestimmungen über die Fälligkeit der Beiträge - ausgehend von den nicht bestrittenen Feststellungen über die monatliche türkische Altersrente ("brutto für netto") im Zeitraum vom bis der ausländische Rentenbetrag zum offiziell verlautbarten Umrechnungskurs des Tages umzurechnen, an dem der Rentenbetrag nach den türkischen gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen war.
40 4. Indem das Verwaltungsgericht die Beiträge nach den am Konto des Mitbeteiligten gutgeschriebenen Eurobeträgen berechnet und dem Mitbeteiligten die künftige "unverzügliche" Mitwirkung an der Feststellung der Krankenversicherungsbeiträge auferlegt hat, hat es die Rechtslage verkannt.
41 5. Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
42 6. Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die Revisionswerberin im Fall einer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz; ein solcher kommt auch deswegen nicht in Betracht, weil sie selbst Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/08/0028).
Wien, am