VwGH vom 30.04.2019, Ro 2017/06/0022

VwGH vom 30.04.2019, Ro 2017/06/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des J H in P, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Schwarzenbergsiedlung 114, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 50.17-1198/2016-15, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 2010 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde Pusterwald, vertreten durch Bartl & Partner KG, Rechtsanwälte KG, 8010 Graz, Hauptplatz 3/II; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Gemeinde Pusterwald Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde P., mit welchem sein auf § 33 Abs. 6 Z 2 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 ( ROG 2010) gestütztes Ansuchen auf Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für die Wiedererrichtung einer Unterkunfts- und Wirtschaftshütte auf einem näher bezeichneten Grundstück abgewiesen worden war, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2 In seinen Entscheidungsgründen hielt das LVwG - zusammengefasst und soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung - fest, die gegenständliche Liegenschaft, bestehend (u.a.) aus dem verfahrensgegenständlichen Grundstück, sei im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen. Dieses Grundstück sei vormals landwirtschaftlich genutzt worden. Im Hochwasserabflussbereich des F-Baches habe ursprünglich eine Holzhütte bestanden, die von einem (näher genannten) Rechtsvorgänger des Revisionswerbers zum Zwischenlagern von Heu für die Wintermonate genutzt worden sei. Ab dem Jahr 1967 sei die Hütte nicht mehr genutzt worden und aufgrund der schlechten örtlichen Gegebenheiten, nämlich des sumpfigen Untergrundes und wiederholter Hochwässer, langsam verfallen. Als der Revisionswerber das Grundstück im Jahr 2007 käuflich erworben habe, seien bereits das Dach und wesentliche Teile der Außenwände eingestürzt gewesen. Im Jahr 2012 sei die neue, nunmehr verfahrensgegenständliche Hütte, die der Revisionswerber etwa 50 m von der alten Hütte entfernt errichtet habe, bereits weitgehend fertiggestellt gewesen.

Mit einem ersten, nicht verfahrensgegenständlichen Bauansuchen habe der Revisionswerber die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes zum Einstellen von Tieren und als Abstellplatz beantragt, dieses jedoch - nach Erstattung eines Gutachtens durch den Amtssachverständigen - wieder zurückgezogen. Bereits im Zuge dieses ersten Bauverfahrens habe die Wildbach- und Lawinenverbauung in mehreren Schreiben festgestellt, dass es bei einem Hochwasserereignis zu Überschwemmungen und Geschiebeablagerungen kommen könne und bezüglich der Gefährdung des Gebäudes der gewählte neue Standort gegenüber dem alten Standort als weniger gefährdet anzusehen sei. Auch sei die Errichtung eines Abweisdamms angeregt worden.

Die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 33 Abs. 6 Z 1 ROG 2010 komme mangels Vorliegen eines katastrophenartigen Ereignisses nicht in Betracht. Hinsichtlich § 33 Abs. 6 Z 2 leg. cit. ergebe sich in Analogie zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 40 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), dass grundsätzlich eine bestehende bauliche Anlage Voraussetzung für die Errichtung eines im öffentlichen Interesse stehenden Neubaus sei. Es seien aber zum einen die letzten Reste der eingefallenen Hütte vor Errichtung des verfahrensgegenständlichen Baus entfernt worden und es sei zum anderen von der Wildbach- und Lawinenverbauung nur festgestellt worden, dass sich der neue, höher gelegene Standort als geeigneter erweisen würde. Dass (u.a.) die Errichtung des Baus im Interesse des Hochwasserschutzes erforderlich sei, sei nicht festgestellt worden und habe auch anlässlich einer versuchten Klarstellung seitens des LVwG nicht bestätigt werden können. Es sei für das LVwG das gebotene öffentliche Interesse an der Errichtung der neuen Hütte am nunmehrigen Standort nicht erkennbar, zumal (u.a.) die in der Beschwerde thematisierte Gefahr einer Verklausung (gemeint: des F-Baches) durch Teile der schwer baufälligen alten Hütte mit der Beseitigung dieser Bauteile gebannt worden sei.

Ziel des ROG 2010 sei es, das Freiland von Nutzungen freizuhalten, die dieser Nutzung letztendlich widersprächen. Die Bestimmungen über das Bauen im Freiland seien Ausnahmebestimmungen und folglich auch restriktiv auszulegen. Unter Hinweis auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das LVwG weiter aus, ein zulässiger Ersatzbau dürfe kein zusätzlicher Bau sein, sondern nur den ehemaligen Bestand im unbedingt erforderlichen Ausmaß ersetzen (wird näher ausgeführt). Die alte Hütte, deren Größe nicht mehr verifiziert werden könne, sei aber zum Zeitpunkt der Errichtung des Ersatzbaus nicht mehr existent gewesen. Bei der Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit der neuen Hütte komme nur dem rechtlich konsentierten Bestand einschließlich dessen Nutzungsform im Zeitpunkt der Entscheidung der Baubehörde maßgebliche Bedeutung zukomme. Die Vereinbarkeit des gegenständlichen Bauansuchens mit dem Flächenwidmungsplan sei daher zu verneinen.

3 Das LVwG ließ die ordentliche Revision zu, weil es an einer Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einem Ersatzbau im Sinne des § 33 Abs. 6 Z 2 ROG 2010 der Untergang der ursprünglichen baulichen Anlage bereits erfolgt sein dürfe oder der Altbestand noch vorhanden sein müsse und folglich der Tatbestand darauf aufbaue, dass die neue bauliche Anlage in ihren Abmessungen noch wahrnehmbar sein müsse.

Des Weiteren sei der gesetzlichen Bestimmung nicht zu entnehmen, ob der Begriff "erforderlich" restriktiv auszulegen sei, "zumal entsprechend dem StROG 1975 der Neubau sich im öffentlichen Interesse (nur) als zweckmäßig zu erweisen hatte". Der Einleitungssatz des Abs. 6 erwecke aufgrund seiner Formulierung "bestehende bauliche Anlagen" den Eindruck, als ob er sich ausschließlich auf Z 2 beziehe und gemäß Z 1 der Altbestand (jedenfalls) bereits untergegangen sein müsste.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben. Weiters beantragte der Revisionswerber den Zuspruch von Kostenersatz.

5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. jüngst etwa , mwN).

10 In der Begründung zur Zulässigkeit der Revision schloss sich der Revisionswerber erkennbar den Ausführungen des LVwG an. 11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. , mwN).

12 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Revision als unzulässig.

13 § 33 ROG 2010, LGBl. Nr. 49/2010 in der Fassung

LGBl. Nr. 111/2011, lautet auszugsweise:

"§ 33

Freiland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen gehören zum Freiland. Sofern im Freiland keine baulichen Nutzungen außerhalb der Land- und/oder Forstwirtschaft nach Maßgabe der Abs. 6 zulässig sind, dienen die Flächen des Freilandes der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung oder stellen Ödland dar.

...

(6) Im Freiland dürfen ... bestehende bauliche Anlagen im

unbedingt notwendigen Abstand zum bisherigen Standort ersetzt werden, wenn

1. sie infolge eines katastrophenartigen Ereignisses (wie z. B. Elementarereignisse, Brandschaden usw.) untergegangen sind und bei Einbringung des Bauansuchens der Zeitpunkt des Unterganges nicht länger als fünf Jahre zurückliegt oder

2. sich der Neubau im öffentlichen Interesse (Erfordernisse des Verkehrs, der Landesverteidigung oder des Hochwasser- oder Grundwasserschutzes) als erforderlich erweist.

..."

14 Die Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 6 ROG 2010 enthält für die Zulässigkeit, bestehende bauliche Anlagen im Freiland zu ersetzen, zwei Voraussetzungen, nämlich den Untergang infolge eines katastrophenartigen Ereignisses in Z 1 leg. cit. oder den eines im öffentlichen Interesse erforderlichen Neubaus in Z 2 leg. cit. 15 Nach dem klaren Gesetzeswortlaut (arg.: ...dürfen...bestehende bauliche Anlagen...ersetzt werden, wenn...) setzt demnach ein zulässiger Ersatzbau in beiden Fällen des Abs. 6 leg. cit. eine bestehende bauliche Anlage voraus, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzung gegebenenfalls ersetzt werden darf.

16 Im Revisionsfall liegt somit bereits aus diesem Grund eine klare Rechtslage in Bezug auf den im Einleitungssatz des Abs. 6 verwendeten Terminus "bestehende" vor, sodass es zur Lösung der vom LVwG aufgeworfenen Frage keiner weiteren Klarstellung bedarf. 17 Liegt aber keine bestehende bauliche Anlage (mehr) vor, die (vorliegend) gemäß Z 2 leg. cit. im öffentlichen Interesse ersetzt werden soll, ist demnach bereits die Eingangsvoraussetzung des § 33 Abs. 6 leg. cit. für die Zulässigkeit eines Ersatzbaus nicht erfüllt, hängt das rechtliche Schicksal der Revision nicht von der des weiteren aufgeworfenen Frage der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit im öffentlichen Interesse gemäß Z 2 leg. cit. ab (vgl. etwa ), die sich erst nach Bejahung der Zulässigkeit eines Ersatzbaus stellen würde.

18 Die Revision war daher zurückzuweisen.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017060022.J00

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