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VwGH vom 24.09.2019, Ro 2017/06/0006

VwGH vom 24.09.2019, Ro 2017/06/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405- 3/116/1/5-2016, betreffend Übertretung des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009 (mitbeteiligte Partei: Dipl.-Kfm. R K in W, vertreten durch die Paumgartner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Pfeifergasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei vom wurde dem Mitbeteiligten als Eigentümer der Wohnung Top 23 im Objekt A.-Straße 10, KG S., vorgeworfen, diese Wohnung touristisch genutzt zu haben, indem diese tageweise als Ferienwohnung an Beherbergungsgäste vermietet worden sei (so habe eine Erhebung vor Ort am ergeben, dass sich in der Wohnung eine Frau mit drei Kindern befunden habe und diese in der Zeit "von bis " (gemeint wohl: bis ) die Wohnung als Touristen in S. genutzt hätten), obwohl eine touristische Nutzung von Wohnungen außerhalb von ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten in Bauten mit mehr als fünf Wohnungen nicht zulässig sei. Er habe dadurch § 78 Abs. 1 Z 4 erster Fall in Verbindung mit § 31 Abs. 5 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt und ihm ein näher genannter Kostenbeitrag auferlegt wurden.

2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) vom Folge gegeben. Das Straferkenntnis wurde aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt. 3 Das LVwG stellte nach Darstellung des Verfahrensganges fest, der Mitbeteiligte sei seit im Besitz einer Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Beherbergung von Gästen (Frühstückspension bis 10 Betten)" am Standort B-Straße in S. mit weiterer Betriebsstäte in der A-Straße 10 in S. An diesem Standort der weiteren Betriebsstätte befinde sich die im Wohnungseigentum des Mitbeteiligten stehende, verfahrensgegenständliche Wohnung. Diese Wohnung werde im Rahmen der bestehenden Gewerbeberechtigung vermietet. Dabei werde Wohnraum zur Verfügung gestellt, weiters würden Frühstück (in Gutscheinform) sowie Handtücher, Bettwäsche und die Wohnungsreinigung angeboten. Die Ortstaxe werde abgeführt. 4 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das LVwG aus, dass der in § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009 verwendete Begriff "Betrieb zur gewerblichen Beherbergung" im ROG 2009 selbst nicht definiert werde. Näheres dazu lasse sich weder aus der Regierungsvorlage der Salzburger Landesregierung zum ROG 2009 (Nr. 86 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 6. Session der 13. Gesetzgebungsperiode) noch aus dem Bericht des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses (Nr. 185 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 6. Session der 13. Gesetzgebungsperiode) entnehmen. Heranzuziehen sei daher die gewerberechtliche Judikatur zum Begriff "Betrieb zur gewerblichen Beherbergung". Dazu zitierte das LVwG einen Ausschnitt aus dem zum Vorarlberger Raumplanungsgesetz 1996 ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/06/0013.

5 Im gegenständlichen Fall sei es unstrittig, dass die verfahrensgegenständliche Wohnung an wechselnde Gäste (Touristen) im Rahmen der für diesen Standort bestehenden Gewerbeberechtigung vermietet werde.

6 In Anbetracht dieser Umstände sei vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur davon auszugehen, dass eine gewerbliche Beherbergung von Gästen im Sinne der Gewerbeordnung 1994 vorliege, und zwar (mangels entgegenstehender Definition im ROG 2009) in einem Betrieb zur gewerblichen Beherbergung im Sinne des § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009.

7 Nach Ansicht des LVwG sei die Ausnahmebestimmung des § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009 erfüllt. Das Verwaltungsstrafverfahren sei einzustellen gewesen.

8 Darüber hinaus sei festzuhalten, dass zur Verhandlung beim LVwG auch die revisionswerbende Partei als belangte Verwaltungsstrafbehörde geladen gewesen, aber nicht zur Verhandlung erschienen sei. Nach der Judikatur des EGMR (Verweis auf EGMR , 926/08, Karelin gegen Russland) fehle in einem solchen Fall der "Ankläger" im Verfahren und es sei daher der Anschein der Unabhängigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht gewährleistet (Widerspruch zu Art. 6 EMRK). Auch aus diesem Grund habe daher keine die Bestrafung bestätigende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ergehen können. 9 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil, soweit ersichtlich, die Rechtsfrage, ob eine gewerblich genutzte (Eigentums-)Wohnung einen Betrieb im Sinne der angeführten Ausnahmebestimmung des ROG 2009 darstelle, höchstgerichtlich noch nicht beantwortet sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, mit der die Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses im Sinne einer Bestätigung des Bescheides vom , in eventu die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

11 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Zu ihrer Zulässigkeit wirft die Revision - wie sinngemäß bereits das LVwG - die Rechtsfrage auf, ob der Ausnahmetatbestand des § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009 auf Wohnungen im Wohnungseigentum, die im Rahmen einer bestehenden Gewerbeberechtigung vermietet würden, anwendbar sei.

14 Weiters gehe es um die Rechtsfrage, ob - wie vom LVwG begründend ausgeführt worden sei - keine die Bestrafung bestätigende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ergehen könne, wenn die belangte Behörde nicht zur Verhandlung vor dem LVwG erscheine, weil in einem solchen Fall der "Ankläger" im Verfahren fehle und daher der Anschein der Unabhängigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht gewährleistet wäre. 15 Die Revision erweist sich als zulässig. Zu den vom LVwG und von der revisionswerbenden Partei aufgeworfenen Fragen besteht bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung. Das angefochtene Erkenntnis weicht jedoch von dieser Judikatur ab.

16 § 31 ROG 2009, LGBl. Nr. 30 in der hier maßgeblichen

Fassung LGBl. Nr. 53/2011, lautet auszugsweise:

"Zweitwohnungen

§ 31

(1) Eine Verwendung als Zweitwohnung ist nur in ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten zulässig.

(2) Eine Verwendung als Zweitwohnung liegt vor, wenn Wohnungen oder Wohnräume dem Aufenthalt während des Urlaubs, des Wochenendes oder sonstigen Freizeitzwecken dienen und diese Nutzung nicht im Rahmen des Tourismus (gewerbliche Beherbergung, Privatzimmervermietung udgl) erfolgt. Verfügungsrechte über Wohnungen und Wohnräume, die über den typischen Beherbergungsvertrag hinausgehen, schließen die Annahme einer Nutzung im Zusammenhang mit dem Tourismus aus.

(...)

(5) Eine touristische Nutzung von Wohnungen ist außerhalb von ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten in Bauten mit mehr als fünf Wohnungen nicht zulässig. Dieses Verbot gilt nicht:

1. in Betrieben zur gewerblichen Beherbergung;

(...)"

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zu vergleichbaren Fällen ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2017/06/0009 bis 0019, mit ausführlicher, sowohl eine systematische Betrachtung der in Rede stehenden Bestimmung als auch die Erläuternden Bemerkungen zum ROG 2009 berücksichtigenden Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, judiziert, dass der Salzburger Landesgesetzgeber bei der Regelung des Ausnahmetatbestandes in § 31 Abs. 5 ROG 2009 das Ziel der Vermeidung von Nutzungskonflikten vor Augen gehabt habe und aus diesem Grund die mit der touristischen Verwendung einer einzelnen Wohnung in einem Wohngebäude verbundene Störung der Nutzer der übrigen Wohnungen, die durch die höhere Frequentierung des Wohnhauses durch ständig wechselnde hausfremde Personen verursacht werde, hintanhalten habe wollen. Es sei daher die Auslegung geboten, dass von dem in Rede stehenden Ausnahmetatbestand (des § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009) nur die touristische Verwendung solcher Wohnungen erfasst werde, die sich in einem Gebäude befänden, in welchem ohnehin schon ein Beherbergungsbetrieb angesiedelt sei. 18 Der Verwaltungsgerichtshof sieht - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Mitbeteiligten - keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Das Argument des Mitbeteiligten, aus näher genannten Definitionen in § 31 Abs. 1 und 2 ROG 2009 folge zwingend, "dass dann, wenn eine Wohnung im Rahmen des Tourismus, also z.B. als gewerbliche Beherbergung oder Privatzimmervermietung udgl. genutzt wird, eine ‚Verwendung als Zweitwohnung' nicht vorliegt", geht im vorliegenden Zusammenhang ins Leere, weil § 31 Abs. 5 ROG 2009 nicht auf die "Verwendung als Zweitwohnung", sondern auf eine "touristische Nutzung von Wohnungen" (außerhalb von ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten in Bauten mit mehr als fünf Wohnungen) abstellt.

19 Wie im zitierten Erkenntnis Ro 2017/06/0009 bis 0019 hätte das LVwG auch im vorliegenden Fall nicht schon allein deshalb, weil seitens des Mitbeteiligten in der gegenständlichen Wohnung eine gewerbliche Beherbergung stattgefunden hat, den Ausnahmetatbestand des § 31 Abs. 5 ROG 2009 als erfüllt ansehen sowie die angefochtenen Straferkenntnisse aus diesem Grund aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen dürfen. Entgegen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ist die gegenständliche, im Rahmen einer Gewerbeberechtigung erfolgende Vermietung einer Wohnung nicht mit einem Betrieb zur gewerblichen Beherbergung im Sinne des § 31 Abs. 5 Z 1 ROG 2009 gleichzusetzen. 20 Ferner existiert bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auswirkungen des Fernbleibens der vor das Verwaltungsgericht geladenen belangten Behörde (vgl. ; , Ra 2017/02/0149; vgl. auch , 0049), in der der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgend (vgl. , Slg. 20149, unter Bezug auf EGMR , 926/08, Karelin gegen Russland) keinen Widerspruch des für die Verwaltungsgerichte anzuwendenden Amtswegigkeitsprinzips zu der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes auch bei Abwesenheit der belangten Behörde erblickt. 21 Die Aufhebung der Bestrafung des Revisionswerbers konnte somit auch nicht auf das Nichterscheinen der belangten Behörde zu mündlichen Verhandlung vor dem LVwG gestützt werden. 22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017060006.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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