VwGH vom 29.06.2017, Ro 2017/04/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der revisionswerbenden Partei k gesellschaft m.b.h. in W, vertreten durch die Sundström/Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1190 Wien, Pokornygasse 21/5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-123/072/13806/2016-23, betreffend vergaberechtliche Feststellung (mitbeteiligte Parteien:
1. "Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien." in Wien, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, 2. Stadt Wien Marketing GmbH in Wien, vertreten durch SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien einen Aufwandersatz von insgesamt EUR 1.106,40 zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Vorgeschichte
1 In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Vergabe eines Auftrages zur Erstellung und Umsetzung eines Konzeptes für den "Wiener Weihnachtstraum" (Gestaltung des Wiener Christkindlmarktes vor dem Rathaus) durch die "Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien." (erstmitbeteiligte Partei, im Folgenden: Fonds) an die Stadt Wien Marketing GmbH (zweitmitbeteiligte Partei, im Folgenden: GmbH).
2 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Wien wurde der Auftrag mit Schreiben vom vergeben und erfolgte die Genehmigung der Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel durch den Wiener Gemeinderat am . Der Auftrag umfasste Dienst- und Lieferleistungen und hatte einen Auftragswert von über EUR 100.000,--.
3 Die Revisionswerberin erbrachte davor 30 Jahre die Agenturleistungen betreffend die Gestaltung des Wiener Christkindlmarktes vor dem Rathaus unter der Bezeichnung "Wiener Adventzauber".
4 Am brachte die Revisionswerberin beim Verwaltungsgericht den Antrag auf Feststellung ein, dass der Vertragsabschluss wegen der "Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war".
Angefochtenes Erkenntnis
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dieser Feststellungsantrag abgewiesen (I.), ausgesprochen, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (II.), und die ordentliche Revision für zulässig erklärt.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, sowohl beim Fonds als auch bei der GmbH handle es sich um juristische Personen.
7 Der Fonds sei ein Fonds gemäß § 19 Wiener Landes-Stiftungs- und Fondgesetz. Die Zurverfügungstellung der für die laufende Erfüllung der Aufgaben des Fonds erforderlichen Mittel erfolge nach entsprechender Beschlussfassung durch den Wiener Gemeinderat durch die Stadt Wien.
8 Der Fonds habe den Zweck, die Struktur der Wiener Wirtschaft durch Ansiedlung von Betrieben und durch Beratung von Unternehmen in Wirtschaftsfragen zu fördern (§ 1 Z 2 der Satzung). Die Fondzwecke seien ausschließlich gemeinnütziger Ausrichtung (§ 2 Z 1 der Satzung).
9 Organe des Fonds seien der Vorstand, das Präsidium, der Präsident/die Präsidentin, der Beirat und die Geschäftsstelle.
10 Der Vorstand bestehe aus dem Präsidenten/der Präsidentin (Amtsführende/r Stadtrat/Stadträtin für Finanzwesen, entsendet von der Stadt Wien), dem Vizepräsidenten/der Vizepräsidentin (Amtsführende/r Stadtrat/Stadträtin für Liegenschaftswesen, entsendet von der Stadt Wien), vier weiteren von der Stadt Wien entsendeten Vertreterinnen/Vertreter und je einem Mitglied, das von der Kammer für Arbeiter und Angestellte, der Wirtschaftskammer, der "Gewerkschaft", der UniCredit Bank Austria AG und der Erste Group Bank AG entsendet werde. Den Vorsitz führe der Präsident/die Präsidentin oder das von diesem/dieser bestimmte Vorstandsmitglied. Beschlüsse würden, wenn in der Satzung nicht anderes bestimmt sei, mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Bei Stimmengleichheit gebe die Stimme des/der Vorsitzenden den Ausschlag (§ 5 der Satzung). Dem Vorstand obliege die Beschlussfassung in allen grundsätzlichen Angelegenheiten (§ 7 der Satzung).
11 Das Präsidium bestehe aus dem Präsidenten/der Präsidentin, dem Vizepräsidenten /der Vizepräsidentin und drei weiteren Vertreterinnen/Vertreter des Vorstandes, deren Auswahl der Stadt Wien obliege (§ 8 der Satzung). Die Vertreter der UniCredit Bank Austria AG und der Erste Group Bank AG hätten nur beratende Funktion. Das Präsidium habe die Vorstandsbeschlüsse in jenen Fällen, in denen der Vorstand eine Angelegenheit nur grundsätzlich beschließe und die Bestimmungen der näheren Umstände dem Präsidium übertrage, durchzuführen. Dem Präsidium obliege weiters unter anderem die Beschlussfassung über den An- und Verkauf von Liegenschaften und der Abschluss von Miet- und Pachtverträgen sowie die Abwicklung von Wirtschaftsförderaktionen der Stadt Wien (§ 8 der Satzung).
12 Der Präsident /die Präsidentin vertrete den Fonds nach außen und vollziehe die Beschlüsse des Vorstandes und des Präsidiums (§ 9 der Satzung). Die Gebarungskontrolle des Fonds werde vom Rechnungshof der Stadt Wien ausgeübt.
13 Die zweitmitbeteiligte GmbH sei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren einzige Gesellschafterin die Stadt Wien sei. Ihre Aufgabe sei die Marketing- und Veranstaltungsorganisation der Stadt Wien. Sie erziele über 80 % der Umsatzerlöse aus Aufträgen der Stadt Wien.
14 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, gesetzlich unterliege die Vergabe eines Liefer- und/oder Dienstleistungsauftrages mit einem Auftragswert von mehr als EUR 100.000,-- durch einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 grundsätzlich den Regelungen des BVergG 2006. Gegenständlich sei unbestritten, dass der Auftragswert die Grenze des § 41 Abs. 2 BVergG 2006 für die Direktvergabe überschreite und grundsätzlich die Ausschreibung einer Liefer- oder Dienstleistung erforderlich wäre.
15 § 10 Z 7 BVergG 2006 bestimme jedoch, dass dieses Bundesgesetz nicht für Aufträge gelte, die ein öffentlicher Auftraggeber durch eine Einrichtung erbringen lasse, über die er eine Aufsicht wie über eine eigene Dienststelle ausübe, die ihre Leistungen im Wesentlichen für den oder die öffentlichen Auftraggeber erbringe, die ihre Anteile innehaben und aus denen sie sich zusammensetze. Eine solche Konstellation liege im gegenständlichen Fall nicht vor.
16 Der Fonds und die GmbH verwiesen jedoch auf Artikel 12 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. L 94 vom , 65 (Richtlinie 2014/24/EU). Danach falle bei Vorliegen der in Abs. 1 dieser Bestimmung geregelten Voraussetzungen ein von einem öffentlichen Auftraggeber an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vergebener Auftrag dann nicht unter den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn es sich bei Auftraggeber und Auftragnehmer um öffentliche Auftraggeber handle, die von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrolliert würden, sofern beim Auftragnehmer keine oder nur eine geringfügige private Kapitalbeteiligung vorliege.
17 Die Richtlinie 2014/24/EU sei bis zum innerstaatlich umzusetzen gewesen. Dies sei bis dato in Österreich noch nicht geschehen.
18 Die Stadt Wien sei öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006.
19 Auch der Fonds sei unbestritten öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006. Er sei zu dem gemeinnützigen Zweck gegründet worden, die Wiener Wirtschaft durch Ansiedelung von Betrieben und durch Beratung von Unternehmungen in Wirtschaftsfragen zu fördern, und übe seine Tätigkeit nicht gewerblich aus. Er sei zumindest teilrechtsfähig, werde überwiegend von der Stadt Wien finanziert und unterliege der Aufsicht der Stadt Wien (Vorstand und Präsidium würden mehrheitlich von Vertretern der Stadt Wien besetzt, die Gebarungskontrolle obliege dem Landesrechnungshof).
20 Die entscheidungsbefugten bzw. ausführenden Organe des Fonds (Vorstand, Präsidium, Präsident/Präsidentin, Vizepräsident/Vizepräsidentin) würden laut Satzung mehrheitlich von Vertretern der Stadt Wien besetzt. Auch die Finanzierung des Fonds erfolge überwiegend durch die Stadt Wien. Damit habe die Stadt Wien die Möglichkeit, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen des Fonds hinsichtlich seines gesamten Tätigkeitsbereiches einen ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen. Der Fonds werde von der Stadt Wien somit wie eine eigene Dienststelle kontrolliert.
21 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, nur 54 % der Vorstandsmitglieder des Fonds würden von der Stadt Wien entsendet, die Mitglieder des Präsidiums überhaupt nur von der Stadt Wien ausgewählt, nicht aber entsendet und die Präsidiumsmitglieder seien daher weisungsfrei, weshalb keine Kontrolle der Stadt Wien wie über eine eigene Dienststelle vorliege, führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Beschickung der entscheidungsbefugten Gremien des Fonds überwiegend (Vorstand) bzw. ausschließlich (Präsidium) durch die Stadt Wien erfolge, weshalb diese auf Grund der in der Satzung festgehaltenen für Beschlussfassungen erforderlichen Mehrheiten auf die strategischen Ziele und wichtigen Entscheidungen des Fonds einen ausschlaggebenden Einfluss habe.
22 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, laut Wiener Stadtverfassung sei für den Abschluss von Verträgen des Fonds ab einer bestimmten Höhe die Zustimmung des Wiener Gemeinderates erforderlich, was eine Kontrolle der Stadt Wien über den Fonds wie über eine eigene Dienststelle ausschließe, führte das Verwaltungsgericht wie folgt aus:
23 Die Beschlussfassung des Wiener Gemeinderates in der vorliegenden Vergabesache vom habe sich nicht auf die Genehmigung des Rechtsgeschäftes selbst, sondern auf die Zurverfügungstellung der Mittel dafür bezogen. Der Fonds sei nach § 19 des Wiener Landes-Stiftungs- und Fondgesetzes mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und damit auch berechtigt, Verträge abzuschließen. Er unterliege dabei nicht den Vorschriften der Wiener Stadtverfassung, da diese nur auf Rechtsgeschäfte der Stadt Wien anzuwenden seien.
24 Im Übrigen sei auch nicht nachvollziehbar, inwiefern eine allfällige Genehmigungspflicht durch den Wiener Gemeinderat, der ein verfassungsmäßiges Organ der Stadt Wien sei, die Kontrolle der Stadt Wien über eine juristische Person beschränken solle.
25 Die Kontrolle der Stadt Wien über die GmbH ergebe sich schon daraus, dass diese eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Stadt Wien ihre einzige Gesellschafterin sei. Dass die Kriterien des Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU auf die GmbH zuträfen, habe die Revisionswerberin nicht in Frage gestellt und bestünden diesbezüglich auch keine Zweifel.
26 Da der vorliegende Auftrag somit von einer durch die Stadt Wien wie eine eigene Dienststelle kontrollierten juristischen Person an eine weitere, ebenfalls von der Stadt Wien wie eine eigene Dienststelle kontrollierte juristische Person vergeben worden sei, mehr als 80 % der Tätigkeit der GmbH Aufgaben dienten, mit denen sie von der Stadt Wien betraut worden sei, und an der GmbH keine private Kapitalbeteiligung bestehe, seien die in Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Auftrag falle somit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.
27 Einer Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU trotz fehlender Umsetzung in innerstaatliches Recht stehe entgegen, dass diese Regelung keine subjektiv-öffentlichen Rechte von Bürgern gegenüber dem Staat enthalte, sondern ausschließlich den Anwendungsbereich der Richtlinie betreffe.
28 Die vorliegend vom Verwaltungsgericht zu beurteilende horizontale In-House-Vergabe zwischen zwei von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrollierten juristischen Personen sei jedoch mit dem vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/04/0020, entschiedenen Fall vergleichbar.
29 Zwar unterscheide sich der vorliegende Fall von dem vom Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis entschiedenen dadurch, dass hinsichtlich der horizontalen In-House-Vergabe die zur interkommunalen Zusammenarbeit vorhandene und im zitierten Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) fehle. Jedoch solle nach dem
31. Erwägungsgrund die Richtlinie 2014/24/EU sowohl die interkommunale Zusammenarbeit (Art. 12 Abs. 4) als auch die horizontale In-House-Vergabe vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden und die entsprechenden Bestimmungen eine Präzisierung enthalten, in welchen Fällen im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge ausgenommen seien.
30 Auch würden die (vom EuGH im Urteil in der Rechtssache C- 159/11 angeführten) Rücksichten nicht verletzt, wenn der vorliegende Vertrag als vom innerstaatlichen Vergaberecht ausgenommen qualifiziert werde, da durch die Auftragserteilung durch den Fonds an die GmbH kein privates Unternehmen besser gestellt werde als ein anderes.
31 Der vorliegende Auftrag falle daher (auch) nicht unter den Anwendungsbereich des BVergG 2006. Eine Ausschreibung nach den Vorschriften des BVergG 2006 habe nicht erfolgen müssen. Der Feststellungsantrag sei daher abzuweisen gewesen.
32 Die ordentliche Revision sei zulässig, da im vorliegenden Verfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei. Diese Rechtsfrage liege darin, ob die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis 2013/04/0020 ausgesprochene Rechtsansicht, dass eine interkommunale Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, die den Kriterien der Rechtsprechung des EuGH entspreche, nicht nur vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union ausgenommen sei, sondern auch die innerstaatlichen Normen des Vergaberechts darauf nicht anwendbar seien, auch auf den vorliegenden Falle einer horizontalen In-House-Vergabe anzuwenden sei.
33 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung des Fonds und der GmbH unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Die Revisionswerberin erstattete eine Replik.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
34 Die Revisionswerberin beruft sich in ihrer Revision auf
die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes.
35 Die Revision ist im Hinblick auf diese
Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtslage
36 Die Richtlinie 2014/24/EU lautet auszugsweise:
"... in Erwägung nachstehender Gründe:
...
(31) Es besteht erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, inwieweit Verträge, die zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors geschlossen werden, von den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge erfasst werden sollten. Die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird nicht nur von den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch von den einzelnen öffentlichen Auftraggebern unterschiedlich ausgelegt. Daher gilt es zu präzisieren, in welchen Fällen im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge von der Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sind.
Diese Präzisierung sollte sich auf die Grundsätze stützen, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dargelegt wurden. Der Umstand, dass beide Parteien einer Vereinbarung selbst öffentliche Stellen sind, reicht allein nicht aus, um die Anwendung der Vergabevorschriften auszuschließen. Die Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge sollte öffentliche Stellen jedoch nicht in ihrer Freiheit beschränken, die ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben auszuüben, indem sie ihre eigenen Mittel verwenden, wozu die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen gehört.
Es sollte sichergestellt werden, dass eine vom Anwendungsbereich ausgenommene öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit keine Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu privaten Wirtschaftsteilnehmern zur Folge hat, indem ein privater Dienstleister besser gestellt wird als seine Wettbewerber.
(32) An kontrollierte juristische Personen vergebene öffentliche Aufträge sollten nicht der Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren unterliegen, wenn der öffentliche Auftraggeber über die betreffende juristische Person eine Kontrolle ausübt, die mit der vergleichbar ist, die er über seine eigenen Dienststellen ausübt, vorausgesetzt die kontrollierte juristische Person führt mehr als 80 % ihrer Tätigkeiten in Ausführung der Aufgaben aus, mit denen sie von dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen durch diesen öffentlichen Auftraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut worden ist, und zwar ungeachtet des Begünstigten der Ausführung des Auftrags.
Diese Ausnahme sollte sich nicht auf Situationen erstrecken, in denen ein privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person unmittelbar beteiligt ist, da die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne Wettbewerbsverfahren dem am Kapital der kontrollierten juristischen Person beteiligten privaten Wirtschaftsteilnehmer einen unzulässigen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen würde. Mit Blick auf die besonderen Merkmale öffentlicher Einrichtungen mit Pflichtmitgliedschaft, wie die für Verwaltung oder die Ausführung bestimmter öffentlicher Dienstleistungen verantwortlichen Organisationen, sollte dies jedoch nicht in Fällen gelten, in denen die Beteiligung bestimmter privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person durch eine nationale gesetzliche Bestimmung im Einklang mit den Verträgen vorgeschrieben ist, sofern es sich nicht um eine beherrschende Form der Beteiligung oder eine Form der Beteiligung mit Sperrminorität handelt und sofern die Beteiligung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Es sollte ferner klargestellt werden, dass das entscheidende Element allein die direkte private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person ist. Eine private Kapitalbeteiligung am kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern schließt daher die Vergabe öffentlicher Aufträge an die kontrollierte juristische Person ohne die Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren nicht aus, da solche Beteiligungen den Wettbewerb zwischen privaten Wirtschaftsteilnehmern nicht nachteilig beeinflussen.
Es sollte auch klargestellt werden, dass öffentliche Auftraggeber wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, bei denen eine private Kapitalbeteiligung bestehen kann, in der Lage sein sollten, die Ausnahmeregelung für eine horizontale Zusammenarbeit in Anspruch zu nehmen. Sind alle anderen Bedingungen im Zusammenhang mit der horizontalen Zusammenarbeit erfüllt, so sollte sich die Ausnahmeregelung für die horizontale Zusammenarbeit folglich auf solche öffentlichen Auftraggeber erstrecken, bei denen der Auftrag ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossen wird.
...
Artikel 12
Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des
öffentlichen Sektors
(1) Ein von einem öffentlichen Auftraggeber an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vergebener öffentlicher Auftrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Der öffentliche Auftraggeber übt über die betreffende
juristische Person eine ähnliche Kontrolle aus, wie über seine eigenen Dienststellen;
b) mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person dienen der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen von diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurden und
c) es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an
der kontrollierten juristischen Person, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.
Bei einem öffentlichen Auftraggeber wird davon ausgegangen, dass er über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kontrolle im Sinne von Unterabsatz 1 Buchstabe a ausübt wie über seine eigenen Dienststellen, wenn er einen ausschlaggebenden Einfluss sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Solche Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die vom öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird.
(2) Absatz 1 gilt auch, wenn eine kontrollierte juristische Person, bei der es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, einen Auftrag an ihren kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder eine andere von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrollierte juristische Person vergibt, sofern keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität" die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln."
37 Das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006), BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. I Nr. 7/2016 (BVergG 2006), lautet auszugsweise:
"Regelungsgegenstand und BegriffsbestimmungenRegelungsgegenstand
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt insbesondere
1. die Verfahren zur Beschaffung von Leistungen
(Vergabeverfahren) im öffentlichen Bereich, das sind die Vergabe von öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sowie die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionsverträgen durch öffentliche Auftraggeber, die Durchführung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber, die Vergabe von Bauaufträgen an Dritte durch Baukonzessionäre, die nicht öffentliche Auftraggeber sind und die Vergabe von bestimmten Bau- und Dienstleistungsaufträgen, die nicht von öffentlichen Auftraggebern vergeben, aber von diesen subventioniert werden (2. Teil),
...
Persönlicher Geltungsbereich
Öffentliche Auftraggeber und sonstige zur Anwendung von
Bestimmungen
dieses Bundesgesetzes verpflichtete Auftraggeber
§ 3. (1) Dieses Bundesgesetz gilt mit Ausnahme seines
3. Teiles für die Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern
(im Folgenden: Auftraggeber), das sind
1. der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände,
2. Einrichtungen, die
a) zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im
Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht
gewerblicher Art sind, und
b) zumindest teilrechtsfähig sind und
überwiegend von Auftraggebern gemäß Z 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z 2 finanziert werden oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegen oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von Auftraggebern gemäß
Z 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z 2 ernannt worden sind,
...
Ausnahmen vom Geltungsbereich
Vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommene
Vergabeverfahren
§ 10. Dieses Bundesgesetz gilt nicht
...
7. für Aufträge, die ein öffentlicher Auftraggeber durch
eine Einrichtung erbringen lässt,
a) über die der öffentliche Auftraggeber eine Aufsicht wie
über eine eigene Dienststelle ausübt, und
b) die ihre Leistungen im Wesentlichen für den oder die
öffentlichen Auftraggeber erbringt, die ihre Anteile innehaben
oder aus denen sie sich zusammensetzt,
..."
38 Das Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014, LGBl. Nr. 37/2013 in der Fassung LGBl. Nr. 43/2016 (WVRG 2014),
lautet auszugsweise wie folgt:
"Zuständigkeit
§ 7. ...
(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Verwaltungsgericht Wien zuständig
...
3. zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren in
rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde;
...
Antrag
§ 33. (1) Eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, die oder der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2006 unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihr oder ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass
...
2. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige
Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war,"
39 Die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung - WStV), LGBl. Nr. 28/1968 in der Fassung LGBl. Nr. 50/2013, lautet auszugsweise:
"Organe der Gemeinde
...
§ 8 (1) Zur Besorgung der Aufgaben der Gemeinde sind
als Organe berufen:
1. Der Gemeinderat,
...
§ 88 (1) Dem Gemeinderat ist ferner vorbehalten:
...
c) die Festsetzung des Dienstpostenplanes und der
Richtlinien für Dienstverträge sowie die Bewilligung zum Abschluß
und zur Auflösung von Kollektivverträgen;
...
e) die Bewilligung zum Erwerb, zur Veräußerung, zur
Verpfändung oder zum Tausch von unbeweglichem Vermögen, wenn der Preis (Grundstückswert, Tauschwert) 0,06 v. T. des Voranschlagsansatzes "Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben" im jeweils letzten vom Gemeinderat nach § 86 Abs. 1 festgestellten Voranschlag übersteigt; bei dieser Berechnung ist auf volle 1 000 Euro aufzurunden;
...
l. die Bewilligung zum Abschluß und zur Auflösung von nicht
unter lit. c oder e bis k fallenden Verträgen, wenn die bedungene Leistung jährlich den Wert nach lit. e oder die einmalige Leistung das Zweifache dieses Wertes übersteigt; hievon sind die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen zur Durchführung bereits bewilligter Herstellungen und Anschaffungen sowie Dienstverträge ausgenommen;
...
(3) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß auch für die Fonds der Gemeinde."
"Horizontale In-House-Vergabe" nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU
40 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung die sogenannte "In-House"-Vergabe von Aufträgen als Ausnahme von der Anwendung des in der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. L 134 vom , S. 114-240, vorgesehenen Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge anerkannt. Diese Rechtsprechung "ist auf die Erwägung gestützt, dass eine öffentliche Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, die Möglichkeit hat, ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen administrativen, technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören, und dass diese Ausnahme auf die Fälle ausgedehnt werden kann, in denen der Vertragspartner eine rechtlich von dem öffentlichen Auftraggeber verschiedene Einrichtung ist, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile innehaben". Der öffentliche Auftraggeber greift in solchen Fällen auf seine eigenen Mittel zurück (vgl. zu allem das , Technische Universität Hamburg-Harburg, ECLI:EU:C:2014:303, Rn. 25, mwN).
41 Mit den vom EuGH so bezeichneten "horizontalen In-House"- Geschäften, das sind nach dem EuGH "Fälle, in denen derselbe oder dieselben öffentlichen Auftraggeber eine ‚Kontrolle wie über eigene Dienststellen' über zwei verschiedene Wirtschaftsteilnehmer ausüben, von denen der eine einen Auftrag an den anderen vergibt", brauchte sich der EuGH in der Rechtssache C-15/13 nicht auseinanderzusetzen (vgl. Urteil TU Hamburg, Rn. 33).
42 Vor dem Hintergrund dieser einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu den "In-House"-Vergaben traf der Unionsgesetzgebers in Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU Regelungen zu öffentliche Aufträgen zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Nach den Erwägungsgründen zu dieser Richtlinie wollte der Unionsgesetzgeber mit diesen Regelungen die "erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, inwieweit Verträge, die zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors geschlossen werden, von den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge erfasst werden sollten", beseitigen und "präzisieren, in welchen Fällen im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge von der Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sind." Diese Präzisierung sollte sich auf die "Grundsätze stützen, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dargelegt wurden" (vgl. zu allem den 31. Erwägungsgrund).
43 Die sogenannte "horizontale In-House-Vergabe" wird in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU erfasst. Diese Bestimmung sieht vor, dass Art. 12 Abs. 1 auch gilt, wenn eine kontrollierte juristische Person, bei der es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, einen Auftrag an den sie kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder eine andere von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrollierte juristische Person vergibt, sofern keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll (mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln).
44 Fallbezogen berufen sich sowohl der Fonds als auch die GmbH auf eine "horizontale In-House-Vergabe" nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU, bei der die Stadt Wien die die Kontrolle ausübende öffentliche Auftraggeberin ist.
45 Das Verwaltungsgericht hat zu den in Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU angeführten Voraussetzungen einer "horizontalen In-House-Vergabe" Feststellungen getroffen und diese gewürdigt.
46 Die Revision wendet sich alleine gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Frage, ob die Stadt Wien über den Fonds und über die GmbH eine "Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen" ausübt.
47 Sie bringt hiezu vor, das Verwaltungsgericht habe gänzlich "ausgeblendet", dass die Stadt Wien ihre Kontrolle "wie über eine eigene Dienststelle" nach dem Regulativ der WStV ausübe. Danach bedinge der Abschluss des gegenständlichen Rechtsgeschäftes gemäß § 88 Abs. 1 lit. l iVm § 88 Abs. 1 lit. e WStV einen Gemeinderatsbeschluss. Durch bloße interne Satzungsbestimmungen, nach denen die entscheidungsbefugten bzw. ausführenden Organe des Fonds mehrheitlich bzw. ausschließlich von der Stadt Wien besetzt würden, könne eine nach der WStV ausschließlich durch den Gemeinderat auszuübende "Kontrolle der Stadt Wien ähnlich wie über eine eigene Dienststelle" denkunmöglich gegeben sein. Die Stadt Wien möge die entscheidungsbefugten bzw. ausführenden Organe des Fonds mehrheitlich bzw. ausschließlich besetzen können, der Abschluss eines Vertrages bedinge jedoch zwingend ein zwischengeschaltetes externes Bewilligungsverfahren vor dem Gemeinderat. Damit stehe aber fest, dass der Fonds bei seinen Vergaben das "In-House-Privileg" nicht anwenden dürfe. Sodann folgen Ausführungen darüber, dass der vorliegende Vertrag entgegen den Bewilligungserfordernissen der WStV bereits am eigenmächtig abgeschlossen worden sei. Eine "faktische Kontrolle", auf welche der EuGH abstelle, sei gegenständlich nicht gegeben. Es könne weder von einer wirksamen noch einer strukturellen oder funktionellen Kontrolle die Rede sein, da jedem Vertrag wie dem gegenständlichen ein Genehmigungsverfahren zwischengeschaltet werden müsse, welches im Fall einer eigenen tatsächlichen Dienststelle gerade nicht nötig wäre.
48 Die GmbH bringt in ihrer Revisionsbeantwortung vor, nicht einmal die Revisionswerberin bezweifle, dass die Stadt Wien über die GmbH eine "Kontrolle wie über eine Dienststelle" ausüben könne, da aus dem Firmenbuch hervorgehe, dass die GmbH eine 100 %- Tochter der Stadt Wien sei, die in Form einer GmbH eingerichtet sei.
49 Der Fonds bringt in seiner Revisionsbeantwortung zu dieser Frage vor, es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die "Kontrolle über eine eigene Dienststelle" von der Bestimmung des § 88 Abs. 1 lit. l iVm lit. e WStV abhängen solle. Die Vertragsbedingung, wonach der Auftrag an die GmbH unter der Voraussetzung erteilt werde, "dass der diesbezügliche Antrag vom Wiener Gemeinderat genehmigt wird" habe die Zufuhr der vom Fonds benötigten Mittel durch die Stadt Wien an den Fonds im Wege einer Nachdotation gemäß § 3 der Satzung betroffen. Der diesbezügliche Beschluss des Wiener Gemeinderates sei am erfolgt und spreche nicht gegen das Vorliegen einer ausschreibungsfreien "horizontalen In-House-Vergabe". Vielmehr sei der vorliegende Auftrag zwischen zwei Rechtsträgern geschlossen worden, deren Vertragsschlüsse vom Anwendungsbereich des Vergaberegimes ausgenommen seien.
50 Zur vorliegend somit maßgeblichen Frage, ob die Stadt Wien über den Fonds und über die GmbH eine "Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen" ausübt, liegt bereits einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor.
51 Zum Begriff der "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" hat der EuGH darauf hingewiesen, "dass für den öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit gegeben sein muss, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen der beauftragten Einrichtung ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen, und dass die von dem öffentlichen Auftraggeber ausgeübte Kontrolle wirksam, strukturell und funktionell sein muss". Die "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" kann unter bestimmten Voraussetzungen von mehreren öffentliche Stellen gemeinsam ausgeübt werden, die gemeinsam die Anteile an der beauftragten Körperschaft halten (vgl. das Urteil TU Hamburg, Rn. 26 und 27, mwN).
52 Im vorliegenden Fall ist der die Kontrolle ausübende öffentliche Auftraggeber die Stadt Wien. Es ist unstrittig, dass die Stadt Wien über die GmbH eine "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" ausübt. Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die Stadt Wien übe über den Fonds eine "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" aus, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:
53 So weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die entscheidungsbefugten bzw. ausführenden Organe des Fonds mehrheitlich von Vertretern der Stadt Wien besetzt werden und die Finanzierung des Fonds überwiegend durch die Stadt Wien erfolgt. Die Beteiligung von Privaten in diesen Gremien hat nach der insoweit nicht bestrittenen Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht zur Folge, dass die Kontrolle nicht wirksam, strukturell und funktionell ist.
54 Wie unstrittig feststeht, kann die Stadt Wien auf den gesamten Tätigkeitsbereich des Fonds Einfluss nehmen und sind nicht wie in der Rechtssache C-15/13, TU Hamburg (vgl. Rn. 32) Teile der Tätigkeiten des Fonds von dieser Kontrolle ausgenommen.
55 Die von der Revisionswerberin gegen die Annahme einer "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" eingewendete Bestimmung des § 88 Abs. 1 lit. e iVm lit. l WStV ändert daran nichts:
56 Gemäß § 88 Abs. 1 lit. l WStV ist die Bewilligung zum Abschluss näher bezeichneter Verträge über der Wertgrenze der lit. e dem Gemeinderat vorbehalten. Vergaberechtlich entscheidend ist, ob der Auftraggeber, das ist fallbezogen die Stadt Wien als Gebietskörperschaft und öffentliche Auftraggeberin, über den Fonds eine "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" ausübt. Der Gemeinderat ist nicht - wie von der Revision dargestellt - ein "externer Rechtsträger" sondern schlichtweg ein Organ der Gemeinde, wie dies in § 8 Abs. 1 Z 1 WStV ausdrücklich normiert wird. Damit sind die Befugnisse des Gemeinderates als ein Organ der Stadt Wien dieser als öffentlicher Auftraggeberin zuzurechnen und stellen ein weiteres Instrument einer "Kontrolle wie über eigene Dienststellen" dar. Es braucht an dieser Stelle nicht weiter dargelegt werden, dass die Voraussetzung einer Bewilligung von Verträgen über einer gewissen Wertgrenze der Stadt Wien (im Wege des Gemeinderates) die Möglichkeit einräumt, auf wichtige Entscheidungen des Fonds ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen und dass diese Kontrolle wirksam, strukturell und funktionell ist.
57 Damit spricht die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Bewilligungsvoraussetzung nach § 88 Abs. 1 lit. l WStV nicht gegen, sondern vielmehr für eine "Kontrolle wie über eigene Dienststellen".
58 Wenn die Revision unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2009/04/0309, vorbringt, Satzungsbestimmungen müssten auch "greifen", um von einer ausreichenden Kontrolle sprechen zu können, so wird damit nicht konkret dargelegt, welche konkreten Satzungsbestimmungen des Fonds in der vorliegenden Rechtssache keine wirksame, strukturelle und funktionelle Kontrolle ermöglichen sollten.
59 Somit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU vorliegen und der gegenständliche Vergabevorgang als "horizontale In-house-Vergabe" vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist. Anwendungsbereich des BVergG 2006
60 Wie § 33 Abs. 1 WVRG 2014 erkennen lässt, ist Voraussetzung für einen zulässigen Feststellungsantrag nach diesem Gesetz, dass ein dem Anwendungsbereich des BVergG 2006 unterliegender Vertrag vorliegt.
61 Insoweit ist die Revisionswerberin im Recht, wenn sie vorbringt, es komme entscheidend darauf an, ob der vorliegende Vertrag nicht nur vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU, sondern auch des BVergG 2006 ausgenommen ist.
62 Mangels rechtzeitiger Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU findet sich eine Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie entsprechende Ausnahme im BVergG 2006 nicht.
63 Mit der zugrunde liegenden Problematik hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/04/0020 und 0048, bereits befasst:
"5.1. Die Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH über die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften bewirkt nach den zitierten Urteilen zunächst, dass der gegenständliche Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt (und somit aus unionsrechtlicher Sicht ohne vorherige Ausschreibung geschlossen werden durfte).
Entscheidend ist jedoch, ob der gegenständliche Vertrag damit auch vom Anwendungsbereich des innerstaatlichen Vergaberechts, das die belangte Behörde anzuwenden hatte und welches (insoweit als strengere Norm gegenüber dem unionsrechtlichen Vergaberecht) für die Vergabe der gegenständlichen Dienstleistung die vorherige Ausschreibung (Bekanntmachung) vorsehen könnte (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines strengeren nationalen Vergaberegimes etwa ), ausgenommen ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die hier anzuwendenden Bestimmungen des BVergG 2006 zwar eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes für die sog. "In-House"-Vergabe vorsehen (§ 10 Z 7 BVergG 2006), aber keine ausdrückliche Ausnahme für die hier entscheidende Zusammenarbeit öffentlicher Stellen.
Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu bejahen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass schon der Kompetenzbegriff ‚öffentliches Auftragswesen' in Art. 14b B-VG im Sinne des Unionsrechts auszulegen ist. Dazu wird auf die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung (Bericht des Verfassungsausschusses 1118 BlgNR, XXI. GP., S. 9) verwiesen, die auszugsweise wie folgt lauten:
‚Der Kompetenzbegriff ‚öffentliches Auftragswesen' ist dem Gemeinschaftsrecht entlehnt (vgl. Punkt 6.30 der Sachgebietsgliederung des Fundstellennachweises des geltenden Gemeinschaftsrechts). Er ist insofern ein offener Begriff, als er nicht nur zur Umsetzung des derzeit geltenden abgeleiteten Gemeinschaftsrechts (vgl. die in § 192 BVergG aufgezählten Richtlinien), sondern auch zur innerstaatlichen Umsetzung künftiger Rechtsakte und der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf diesem Gebiet ermächtigen soll.
...'
Ist daher die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union nicht erfasst, so soll eine solche Zusammenarbeit nach dem erkennbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers auch nicht vom verfassungsrechtlichen Begriff des öffentlichen Auftragswesens iSd Art. 14b B-VG erfasst sein.
Daraus ergibt sich bei gebotener verfassungskonformer Auslegung der einfachgesetzlichen Bestimmungen, dass die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften im Sinne der Judikatur des EuGH nicht vom sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des BVergG 2006 (...) erfasst ist."
64 Zuletzt verwies der Verwaltungsgerichtshof in dieser Rechtsprechung auf die Erläuterungen zum BVergG 2006 (RV 1171 BlgNR 22. GP; S 4f. und 29f.), wonach Begriffe, die aus dem EG-Recht übernommen wurden, nicht mehr nach dem österreichischen Rechtsverständnis, sondern vielmehr "autonom", d.h. unter Berücksichtigung der Ziele des Gemeinsamen Marktes und unter Heranziehung der authentischen Sprachfassungen des jeweiligen Rechtsaktes, ausgelegt werden müssen.
65 Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Konstellation übertragbar:
66 Auch in der vorliegenden Rechtssache ist in gebotener verfassungskonformer Auslegung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Begriffes des öffentlichen Auftragswesens in Art. 14b B-VG und dem in diesem Zusammenhang erkennbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers davon auszugehen, dass der Begriff des öffentlichen Auftragswesens nicht weiter (bzw. strenger) gezogen werden darf als dies durch das Vergaberecht der Union vorgegeben ist.
67 Nimmt also Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU gestützt auf die in der Rechtsprechung des EuGH dargelegten Grundsätze die dort geregelte "horizontale In-house-Vergabe" vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union aus, so ist davon auszugehen, dass diese Vergaben auch nicht in Anwendungsbereich des BVergG 2006 fallen.
68 Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend nicht um einen in den Anwendungsbereich des BVergG 2006 fallenden Vertrag handelt. Dass es den Feststellungsantrag der Revisionswerberin aus diesem Grund nicht gemäß § 33 Abs. 1 WVRG 2014 zurück-, sondern abgewiesen hat, verletzt diese nicht in ihren Rechten.
69 Vor diesem Hintergrund fehlt es auch den von der Revision geltend gemachten Verfahrensmängeln, insbesondere der gerügten Nichtaufnahme einer Protokollrüge, an Relevanz.
Ergebnis
70 Die Revision war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Aufwandersatz
71 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 49 Abs. 6 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 (vgl. zu § 49 Abs. 6 VwGG das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/04/0048, mwN).
Wien, am
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Schlagworte: | Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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