VwGH vom 08.01.2018, Ro 2017/03/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. B J in W, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W195 2165263- 1/3E, betreffend eine Justizangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Oberlandesgerichts Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom strich die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die revisionswerbende Partei von der Liste der Verteidiger des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien.
2 Begründend wurde insbesondere auf Folgendes hingewiesen:
Mit einem am eingelangten Schreiben habe der Revisionswerber gegenüber der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde erklärt, dass er vom bis zu seinem Verzicht am in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen gewesen sei und die Rechtsanwaltschaft tatsächlich ausgeübt hätte, dass er aber gleichzeitig auf die Eintragung in der Liste der Verteidiger für den Sprengel des OLG Wien iSd § 39 Abs. 3 StPO alter Fassung nicht verzichte. Am sei der Revisionswerber über die Aufrechterhaltung der Eintragung informiert und durch Anlegung eines Personalaktes erfasst worden, ferner sei seine Eintragung in der Liste der "Verteidiger in Strafsachen" mit Ausstellung einer Legitimation am bestätigt worden. Der vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Präsident habe den Revisionswerber am aber dahingehend verständigt, dass die bisherige behördliche Rechtsauffassung, wonach die Wortfolge "die dort eingetragenen Personen" in § 516 Abs. 4 StPO sämtliche in der Verteidigerliste eingetragenen Personen umfasse, nicht mehr aufrecht erhalten werde. Es solle nämlich der erste Halbsatz des § 516 Abs. 4 StPO bestimmen, dass "nur" die am bestehenden Eintragungen in die Verteidigerliste von Personen iSd § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO in der vor In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes (am ) geltenden Fassung aufrecht blieben. § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO alte Fassung habe bestimmt, dass auf ihr Ersuchen auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige in die Verteidigerliste aufzunehmen gewesen seien, sofern nicht Umstände vorgelegen hätten, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge gehabt hätten. Daraus folge unmittelbar, dass die Rechtsanwaltschaft mit Stichtag tatsächlich Ausübende, die (aus welchen Gründen immer) nach diesem Zeitpunkt aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden seien, ungeachtet ihrer seinerzeit gemäß § 39 Abs. 3 zweiter Satz StPO alte Fassung in der Verteidigerliste erfolgten Eintragung nicht mehr vor Gericht vertretungsbefugt seien.
3 Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit seinem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen (vgl. Spruchpunkt A), ferner wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht unter anderem aus, dass der Revisionswerber vom bis zum in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen gewesen sei und die Rechtsanwaltschaft ausgeübt habe, und dass dieser weiters seit dem - noch über den hinaus - in die durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde geführte Verteidigerliste eingetragen gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht wurde (nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sowie von Gesetzesmaterialien) insbesondere darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber bis zum Überleitungszeitpunkt am gemäß § 39 Abs. 2 zweiter Satz StPO alte Fassung als ein die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübender Rechtsanwalt in die Verteidigerliste eingetragen gewesen sei. Mangels entsprechender Nachfolgebestimmung betreffend Personen iSd § 39 Abs. 3 zweiter Satz StPO alte Fassung sei ein aus der Ausübung der Rechtsanwaltschaft abgeleiteter Verbleib in der Verteidigerliste nach der alten Rechtslage weggefallen. Eine Befugnis, als Verteidiger in Strafsachen aufzutreten, leite sich gemäß § 48 Abs. 1 Z 4 StPO nun nur mehr aus einer Rechtsanwaltstätigkeit ab. Ausgehend vom vorliegend maßgebenden Sachverhalt entbehre der tatsächliche Verbleib des Revisionswerbers in der Verteidigerliste jeglicher Rechtsgrundlage, weshalb mit einer Streichung vorzugehen gewesen sei. Die Revision würde für zulässig angesehen, weil die Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO iVm § 39 Abs. 3 StPO alte Fassung Auslegungsfragen aufwerfe und dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe.
5 In der dagegen erhobenen Revision wurde insbesondere begehrt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Ausgehend vom Zulassungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichts erweist sich die Revision als zulässig und im Ergebnis auch als begründet.
7 Die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung betreffend die Übergangsbestimmung des § 516 Abs. 4 StPO läuft dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2017/03/0023, das nach der Erlassung der in Revision gezogenen bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung erging, zuwider und weicht daher im Ergebnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG).
8 Unter Hinweis auf seine schon frühere Judikatur sprach der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis - auf das nach § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - insbesondere aus, dass Personen, die in die Verteidigerliste iSd § 516 Abs. 4 StPO eingetragen sind, unter den in § 516 Abs. 4 leg. cit. genannten Voraussetzungen weiterhin als Verteidiger in Strafsachen tätig werden können, solange sie nicht aus dieser Liste gestrichen sind. Dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen, wenn es (aufbauend auf der geänderten Rechtsauffassung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zu der eben genannten gesetzlichen Bestimmung iZm § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO in seiner alten Fassung) der unstrittigen Eintragung der revisionswerbenden Partei in die Verteidigerliste zu dem nach § 516 Abs. 4 StPO maßgeblichen Zeitpunkt des nicht das nach der Rechtslage gebührende Gewicht beimaß.
9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass schon mit der nunmehr aufgehobenen Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes der bei ihm seinerzeit in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid aus dem Rechtsbestand ausschied (vgl. etwa , VwSlg. 19.189 A, mwH), und dass ferner die extunc-Wirkung des vorliegenden Erkenntnisses zur Folge hat, dass der Rechtszustand nunmehr so zu betrachten ist, als wäre die aufgehobene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nie erlassen worden (vgl. etwa , mwH).
10 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am