VwGH vom 21.06.2017, Ro 2017/03/0007

VwGH vom 21.06.2017, Ro 2017/03/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des R M in S, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Schwarzenbergsiedlung 114, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl LVwG 20.3-1257/2016-27, betreffend eine Maßnahmenbeschwerde in einer Waffenangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Maßnahmenbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG des Revisionswerbers gegen die am in seiner Wohnung erfolgte Sicherstellung näher umschriebener Langwaffen und Munition gemäß § 13 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab. Gleichzeitig erklärte das LVwG die Revision für zulässig.

2 Seiner Entscheidung legte das LVwG - zusammengefasst - folgenden Sachverhalt zugrunde:

3 Am fand in der Wohnung des Revisionswerbers eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung (im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Krida- und Betrugsverfahren) statt. Der Revisionswerber wurde von der beabsichtigten Hausdurchsuchung um

8.30 Uhr fernmündlich benachrichtigt und teilte mit, dass er nicht zuhause sei. Der Schlüssel zur Wohnung befinde sich bei seiner Mutter. Bei der Mutter des Revisionswerbers wurde dessen Wohnungsschlüssel in einem Schlüsselschrank aufbewahrt und von der Polizei abgeholt. Eine Nachbarin informierte den einschreitenden Beamten darüber, dass grundsätzlich auch eine Frau in der Wohnung des Revisionswerbers aufhältig sei, die jedoch tagsüber nicht zuhause sei. Im Rahmen der Hausdurchsuchung wurde festgestellt, dass in einem unverschlossenen Raum Jagdwaffen und Munition frei herumlagen. Fernmündlich über diesen Sachverhalt informiert, ordnete der Leiter des Sicherheitsreferats der Bezirkshauptmannschaft Murau die Sicherstellung der Waffen und der Munition an, die im Folgenden ohne Schwierigkeiten stattfand. Die Waffen und die Munition wurden dem Revisionswerber später wieder ausgefolgt, weil er einen versperrbaren Waffenschrank angeschafft hatte.

4 Rechtlich folgerte das LVwG aus diesem Sachverhalt, die Voraussetzungen für ein vorläufiges Waffenverbot nach § 13 Abs 1 WaffG seien im vorliegenden Fall gegeben gewesen. Dass andere Personen Zugang zu den Waffen haben und eine missbräuchliche Verwendung der Waffen nicht auszuschließen sei, rechtfertige nämlich die Erlassung eines vorläufigen Waffenverbots. Im vorliegenden Fall seien die Organe der öffentlichen Aufsicht in Kenntnis darüber gewesen, dass die frei herumstehenden drei Langwaffen und die Munition nicht ordnungsgemäß verwahrt gewesen seien, obwohl zumindest die Mutter des Revisionswerbers und eine Freundin Zugang zu den Räumlichkeiten gehabt hätten. Bei einer solchen Ausgangslage habe auch Gefahr im Verzug angenommen werden können. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, zu der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der im Wesentlichen geltend gemacht wird, aus dem vom LVwG festgestellten Sachverhalt ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Revisionswerber die Langwaffen missbräuchlich verwendet habe bzw eine solche missbräuchliche Verwendung durch ihn oder andere Personen zu erwarten gewesen sei.

6 Die Bezirkshauptmannschaft Murau erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich im Wesentlichen die rechtliche Argumentation des LVwG zu eigen machte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet, weil das LVwG in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen.

9 Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist nicht restriktiv auszulegen. Es kommt nicht darauf an, dass die so qualifizierte rechtswidrige Verwendung von Waffen durch die vom Waffenverbot betroffene Person unmittelbar selbst erfolgt. Vielmehr rechtfertigt auch die Annahme, diese Person könnte einer anderen Person Zugang zu einer Waffe für deren missbräuchlichen Verwendung gewähren, die Erlassung eines Waffenverbotes.

10 Diese Rechtsprechung kommt auch für das vorläufige Waffenverbot nach § 13 WaffG zum Tragen, stellt doch auch Abs 1 dieser Bestimmung bezüglich der Voraussetzungen für die darin enthaltene Sicherstellungsermächtigung - vergleichbar dem § 12 Abs 1 WaffG - darauf ab, dass der Besitzer von sicherzustellenden Waffen durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Allerdings reicht es für ein vorläufiges Waffenverbot nach § 13 Abs 1 WaffG aus, wenn Organe der öffentlichen Aufsicht bei Gefahr im Verzug Grund zur Annahme für das Vorliegen einer solchen Gefährdungssituation haben (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).

11 Im vorliegenden Fall begründete das LVwG das Vorliegen der Voraussetzungen für ein vorläufiges Waffenverbot nach § 13 Abs 1 WaffG ausschließlich damit, dass bei dessen Anordnung die mangelhafte Verwahrung der Langwaffen und der Munition durch den Revisionswerber bekannt gewesen sei. Dabei übersieht es, dass nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Tatsache der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung einer Waffe (mag diese gegebenenfalls auch zum Verlust der waffenrechtlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG führen) allein noch nicht auf eine missbräuchliche Waffenverwendung geschlossen werden kann (vgl etwa , vom , 2007/03/0186, vom , 2007/03/0130, und vom , Ra 2016/03/0075). Das steht nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zwar einer Berücksichtigung der nicht sorgfältigen Aufbewahrung von Waffen als eine "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht entgegen, bedarf aber einer zusätzlichen Untermauerung der Befürchtung missbräuchlicher Verwendung im Einzelfall. Nichts Anderes gilt aber, wenn es darum geht, die Annahme der Organe der öffentlichen Aufsicht nach § 13 Abs 1 WaffG zu rechtfertigen, der Besitzer von Waffen und Munition könne durch deren missbräuchliches Verwenden Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Auch in diesem Fall lässt sich die Einschätzung, es lägen die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 WaffG vor, nicht bloß auf eine mangelhafte Aufbewahrung der Waffen und Munition gründen, sondern es müsste näher dargelegt werden, warum - aus der Sicht der einschreitenden Organe - im Einzelfall von einer missbräuchlichen Verwendung von ungenügend verwahrten Waffen und Munition auszugehen war. Derartiges hat das LVwG aufgrund seiner vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht aber nicht getan.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

13 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am