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VwGH vom 31.08.2017, Ro 2016/21/0014

VwGH vom 31.08.2017, Ro 2016/21/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des S M in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W112 2124189- 1/10E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , Zl. W112 2124189-1/14Z, betreffend Festnahme und Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben und Punkt A.IV. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste am von der Ukraine kommend über den Flughafen Wien-Schwechat nach Österreich ein und stellte, nachdem er seinen ägyptischen Reisepass vernichtet hatte, einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, Arbeit finden und Geld verdienen zu wollen; er habe ein ukrainisches Studentenvisum erhalten, habe in der Ukraine aber nicht genug verdient, um dort seine Aufenthaltskosten decken zu können.

2 Der Revisionswerber wurde am aus der Grundversorgung abgemeldet, weil er drei Tage lang von seiner Betreuungsstelle abwesend gewesen war. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom zur Gänze abgewiesen, zugleich wurde der Revisionswerber nach Ägypten ausgewiesen.

3 In der Folge begab sich der Revisionswerber nach Frankreich, wo er beim Versuch einer Weiterreise nach England festgenommen und nach Österreich rücküberstellt wurde. Hier stellte er einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde; außerdem wurde der Revisionswerber abermals nach Ägypten ausgewiesen. Schon davor war er am neuerlich wegen Abwesenheit bei der Standeskontrolle aus der Grundversorgung abgemeldet worden. Der Revisionswerber war in der Folge unbekannten Aufenthalts.

4 Am wurde der Revisionswerber von der Finanzpolizei bei Schwarzarbeit betreten. Am erließ das BFA gegen ihn einen auf § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gestützten Festnahmeauftrag, der am selben Tag vollzogen wurde. Zugleich ordnete das BFA die Vorführung des Revisionswerbers vor die ägyptische Botschaft am an.

5 Mit Bescheid des BFA vom wurde dem Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß den §§ 57 und 55 AsylG 2005 versagt. Zugleich wurde ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig sei, sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG (auf Grund der erwähnten Schwarzarbeit, wobei er auch daraus seinen Unterhalt nicht finanzieren könne) ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG sprach das BFA aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erkannte das BFA die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung ab.

6 Mit am erlassenem und sogleich in Vollzug gesetztem Mandatsbescheid vom wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend verwies das BFA auf das oben näher dargestellte Verhalten des Revisionswerbers, der unter Verletzung des Meldegesetzes unangemeldet im Bundesgebiet aufhältig sei, hier keine Familienangehörigen, Freunde oder Verwandte habe, auch sonst weder sozial noch beruflich verankert sei, nicht über ausreichende Barmittel verfüge, um seinen Unterhalt zu finanzieren, und bei Schwarzarbeit betreten worden sei. Die Fluchtgefahr folge weiters daraus, dass er der Behörde keine Informationen "über einen möglichen Schlafplatz" gegeben habe, sodass er für sie nicht greifbar wäre, jedoch erklärt habe, Österreich keinesfalls verlassen zu wollen. Auch einem ihm am erteilten Auftrag, sich ein gültiges Reisedokument zu besorgen, sei er nicht nachgekommen. Dem insgesamt vorliegenden Risiko des Untertauchens könne mangels Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers durch die Anwendung gelinderer Mittel nicht ausreichend begegnet werden.

7 Am stellte der Revisionswerber aus dem Stande der Schubhaft einen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er mit Schulden, die er zur Finanzierung seiner Ausreise aus Ägypten gemacht habe. Das BFA hielt die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht.

8 Mit Erkenntnis vom stellte das BVwG aus Anlass der gegen die Schubhaft erhobenen Beschwerde vorweg fest, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht vorlägen. Dies begründete es damit, dass nach wie vor kein von der ägyptischen Botschaft ausgestelltes Heimreisezertifikat vorliege, dessen Erlangung offen und auch ein konkreter, in naher Zukunft liegender Termin für die Abschiebung nicht absehbar sei. Der Revisionswerber wurde daraufhin am aus der Schubhaft entlassen.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das BVwG der Beschwerde des Revisionswerbers teilweise Folge und stellte fest, dass seine Festnahme am und die darauf folgende Anhaltung bis , 10:55 Uhr, rechtswidrig gewesen seien (Spruchpunkt A.I.).

Hingegen wies es die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Schubhaftbescheid vom als unbegründet ab (Spruchpunkt A.II.). Ebenso wies es seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft vom 6. bis zum ab, stellte hingegen fest, dass die Anhaltung in Schubhaft vom bis zum rechtswidrig gewesen sei (Spruchpunkt A.III.). Den Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz wies es gemäß § 35 VwGVG ab (Spruchpunkt A.IV.).

Es erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B).

10 Spruchpunkte A.II. und III. begründete das BVwG damit, dass das beschriebene Verhalten des Revisionswerbers die im Schubhaftbescheid vom erfolgte Bejahung von Fluchtgefahr rechtfertige. Der Revisionswerber habe sich schon mehrmals dem Verfahren durch Untertauchen bzw. Ausreise entzogen und habe selbst zuletzt noch die Anschrift seines Wohnsitzes vor der Behörde verschleiert. Er verfüge über keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet und habe seinen Lebensunterhalt zwei Jahre lang durch Schwarzarbeit bestritten. Mit der bloßen Anwendung gelinderer Mittel könne angesichts dieser Umstände nicht das Auslangen gefunden werden.

Der in der Beschwerde vorgetragenen Ansicht des Revisionswerbers, eine Abschiebung wäre von vornherein nicht möglich gewesen, weil die ägyptische Vertretungsbehörde regelmäßig keine Heimreisezertifikate ausstelle, sei zu entgegnen, dass das BFA auf Grund des vorgelegten ägyptischen Personalausweises, einer Kopie des Reisepasses des Revisionswerbers sowie seiner Identifizierung durch den ägyptischen Konsul im Zeitpunkt der Bescheiderlassung davon habe ausgehen dürfen, dass ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde und daher die Abschiebung innerhalb der Höchstdauer der Schubhaft möglich sein werde.

Was die Anhaltung in Schubhaft ab dem , dem Tag der Stellung des dritten Antrages auf internationalen Schutz, anlange, sei die Ausstellung des Heimreisezertifikates hingegen (wie näher dargelegt wurde) nicht ausreichend konsequent betrieben worden, sodass sich die gemäß § 76 Abs. 6 FPG erfolgte Aufrechterhaltung der Haft als unverhältnismäßig erweise.

11 Zum Antrag des Revisionswerbers auf Ersatz der Verfahrenskosten führte das BVwG aus, § 35 VwGVG ordne nur die analoge Anwendung der §§ 52 bis 54 VwGG, nicht aber auch des § 50 VwGG an, der vorsehe, dass in Fällen, in denen ein Erkenntnis oder ein Beschluss teilweise aufgehoben werde, die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz so zu beurteilen sei, als wäre das Erkenntnis oder der Beschluss zur Gänze aufgehoben worden. Der Revisionswerber sei hinsichtlich der beschriebenen, als Einheit zu wertenden Amtshandlungen (Festnahme, Anordnung und Vollzug der Schubhaft) nur als teilweise obsiegend anzusehen, weshalb ein Kostenersatz in diesem Fall nicht stattfinde. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass jeder Anhaltung in Schubhaft eine Festnahme vorangehe. Bei der Festnahme, der Verhängung der Schubhaft und der Anhaltung in Schubhaft handle es sich um keine sachlich trenn- und unterscheidbaren Akte, zumal auch der Zweck der Amtshandlungen (die Festnahme vor der Erlassung des Schubhaftbescheides habe im Verhältnis zur Inschubhaftnahme nur eine dienende Funktion) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen (im Recht auf persönliche Freiheit) identisch seien. Es sei somit nur ein Verwaltungsakt angefochten worden.

12 Die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ergebe sich (soweit unter Berücksichtigung des Umfanges der Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof noch von Bedeutung) daraus, dass es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 76 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 3 FPG mangle. Hinsichtlich des Spruchpunktes A.IV. fehle überdies Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es sich "bei der Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme einerseits sowie dem Schubhaftbescheid und der Anhaltung in Schubhaft andererseits" um einen oder um mehrere Verwaltungsakte handle.

13 Gegen die den Revisionswerber belastenden (Teile der) Spruchpunkte A.II., A.III. und A.IV. richtet sich die vorliegende Revision, zu der keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden.

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Die Revision ist, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A.IV. wendet, zulässig, im Übrigen (Bekämpfung der Spruchpunkte A.II. und A.III.) jedoch unzulässig.

14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese fallbezogen aber keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2016/21/0022, mwN).

16 Letzteres ist hier in Bezug auf die Bekämpfung der Spruchpunkte A.II. und A.III. der Fall, weil das BVwG insoweit in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision nicht darlegte, welche konkret auf die vorliegende Sache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hätte. Mit dem bloßen Hinweis des BVwG auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu näher bezeichneten Verwaltungsvorschriften wird nämlich noch nicht in ausreichender Weise dargetan, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre. Demzufolge genügt die bloße Verweisung in der Revision auf die iSd vorstehenden Ausführungen hiefür unzureichende Begründung des BVwG nicht, um die Zulässigkeit der Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzustellen (siehe im Übrigen zu den vom BVwG angesprochenen Bestimmungen das hg. Erkenntnis vom , Ro 2016/21/0021).

17 Soweit der Revisionswerber aber geltend macht, eine rechtswidrige Festnahme müsse (gemeint: nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) auch die Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Haft (hier: der ab vollzogenen Schubhaft) zur Folge haben, ist er auf die dann selbst angesprochene Erlassung des Schubhaftbescheides zu verweisen, wodurch eine neue, selbständige Grundlage für die Anhaltung - nach den erkennbaren Annahmen des BVwG ab , 10:55 Uhr - geschaffen wurde. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, der dem in der Revision zitierten Erkenntnis vom , 2010/21/0047, zugrunde lag.

18 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde bereits dargelegt, dass die Frage, ob konkret von (erheblicher) Fluchtgefahr auszugehen sei, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel sei, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde. Das gilt sinngemäß auch für die Frage, ob von einem Sicherungsbedarf auszugehen sei, dem nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Ra 2016/21/0256, Rz 12 und 14, sowie vom , Ro 2016/21/0022, Rz 12, mwN).

19 Unter Berücksichtigung des oben dargestellten Verhaltens des Revisionswerbers (Vernichten seines Reisepasses, wiederholtes Untertauchen, um sich dem Verfahren zur Durchsetzung der Aufenthaltsbeendigung zu entziehen, mehr als zweijähriges Leben im Verborgenen, Ausreise nach Frankreich sowie versuchte Weiterreise nach England) und unter weiterer Berücksichtigung des Fehlens einer nennenswerten Integration im Bundesgebiet erscheint die vom BVwG vorgenommene Beurteilung der Fluchtgefahr - bei Verwirklichung der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 3 (jeweils 2. Alternative) sowie Z 9 FPG - insgesamt jedenfalls vertretbar.

Entsprechendes gilt - anders als der Revisionswerber meint - auch für die fallbezogene Einschätzung des BVwG zur zeitnahen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates.

20 Vom Revisionswerber werden in diesem Umfang (Spruchpunkte A.II. und A.III.) somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargetan, von deren Lösung die Erledigung der Revision abhängt. Sie war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

21 Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt A.IV. wendet, ist sie aufgrund des vom BVwG angeführten Fehlens von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es sich bei einer Festnahme und darauf folgender Schubhaft um einen oder um mehrere Verwaltungsakte handelt, zulässig; sie ist auch berechtigt.

22 § 22a Abs. 1 und 1a BFA-VG lautet:

"Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das

Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit

des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung

anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten

wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist."

§ 35 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG ordnet an:

"Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) ... (5)

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden."

Der erwähnte § 52 Abs. 1 VwGG sieht Folgendes vor:

"§ 52. (1) Haben ein oder mehrere Revisionswerber in einer Revision mehrere Erkenntnisse oder Beschlüsse angefochten, ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen, wie wenn jedes der Erkenntnisse bzw. jeder der Beschlüsse in einer gesonderten Revision angefochten worden wäre."

23 Ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht besteht unter anderem dann, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist.

Nach der - zu § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 (und § 53 Abs. 1) VwGG idF vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 ergangenen - hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2004/01/0277, mwN) kommt es für den Ersatzanspruch des Beschwerdeführers darauf an, wie viele Verwaltungsakte er mit einer Maßnahmenbeschwerde erfolgreich angefochten hat. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG übertragen (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/02/0070, sowie das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/05/0090, jeweils mwN).

24 Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die vom BVwG vertretene Ansicht, die Festnahme samt der darauf gegründeten anschließenden Anhaltung einerseits sowie die Anordnung und Vollstreckung der Schubhaft nach § 76 FPG andererseits stellten einen einheitlichen Verwaltungsakt dar.

Die Festnahme ist nämlich keine notwendige Voraussetzung der Verhängung von Schubhaft. Diese kann vielmehr auch gegenüber einem bereits vor der Behörde (etwa aus eigenem Antrieb oder in Befolgung einer Ladung) anwesenden oder auf Grund anderweitiger Anordnung (etwa eines Strafgerichtes, beispielsweise in Haft) angehaltenen Fremden mit Bescheid angeordnet und allein auf dieser Grundlage unmittelbar in Vollzug gesetzt werden. Umgekehrt versteht es sich von selbst, dass nicht jeder Festnahme eine Schubhaft nachfolgt.

25 Bei der Festnahme handelt es sich zudem um einen auf eine andere gesetzliche Grundlage gestützten, zeitlich trennbaren und unterscheidbaren Akt, der einer (gegenüber der Schubhaft) isolierten Betrachtung zugänglich ist und - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - schon infolge der unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen auch (etwa was den konkret herangezogenen Festnahmegrund nach § 34 Abs. 3 BFA-VG anlangt) einem anderen Fehlerkalkül als die in § 76 FPG normierten Erfordernisse der Anordnung von Schubhaft unterliegt (vgl. in diesem Sinn das zum Verhältnis von Schubhaft und Abschiebung ergangene hg. Erkenntnis vom , 2012/21/0010, mwN).

26 Hieraus folgt, dass nicht von einer Einheit einer Festnahme nach § 34 BFA-VG einerseits und Schubhaft andererseits auszugehen ist. Da der Revisionswerber im Umfang der (auch vom BFA unbekämpften) Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Festnahme sowie der in der Folge (bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides) andauernden Anhaltung, also nach dem Gesagten mit einem gesondert zu beurteilenden Verwaltungsakt, als zur Gänze obsiegend anzusehen ist, gebührt ihm gemäß § 35 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG iVm § 52 Abs. 1 VwGG insoweit voller Kostenersatz.

Der diesen Anspruch - auf Basis einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - schon dem Grunde nach verneinende Spruchpunkt A.IV. des angefochtenen Erkenntnisses ist demnach mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

27 Der Kostenzuspruch betreffend das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

28 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 bzw. Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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