VwGH vom 04.08.2016, Ro 2016/21/0009

VwGH vom 04.08.2016, Ro 2016/21/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , L515 2109908-1/30E, betreffend Feststellung der Zuständigkeit zur Vorschreibung von Dolmetschkosten gemäß § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (mitbeteiligte Partei: I M in G, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Mitbeteiligten (u.a.) gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot.

2 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies diese Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung, in der der Mitbeteiligte unter Beiziehung eines Dolmetschers einvernommen wurde, mit Erkenntnis vom zur Gänze als unbegründet ab. Eine dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2015/21/0181, zurück.

3 Das BVwG ging in der Folge davon aus, dass die dem beigezogenen Dolmetscher auf Grund seiner Honorarnote von der "Verrechnungsstelle" des Gerichtes ausbezahlte Gebühr gemäß § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) dem Bund vom Mitbeteiligten zu ersetzen sei; zur Kostenvorschreibung sei allerdings gemäß § 3 Abs. 2 Z 6 BFA-VG das BFA berufen. Dieses widersprach der Ansicht des BVwG insoweit, als es das BVwG selbst zur Kostenvorschreibung für zuständig erachtete. Sofern dieses bei seiner Auffassung bleibe, möge es die Angelegenheit mit nicht bloß verfahrensleitendem Beschluss an das BFA weiterleiten.

4 Hierauf erging seitens des BVwG mit - wörtlich - nachstehender Beschluss:

"Gem. § 17 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 6

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF wird festgestellt, dass das Bundesverwaltungsgericht sachlich nicht zuständig ist, die Dolmetscherkosten, die gem. § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idgF aufgrund der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am in der Beschwerdesache des (Mitbeteiligten), GZ L515 2109908-1/22E, dem Bund entstanden sind, vorzuschreiben.

Zur Vorschreibung dieser Kosten ist (gemäß) § 3 Abs. 2 Z 6 BFA-VG BGBl I 2012/87 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sachlich zuständig, weshalb die Akte an die zuständige Behörde gem. § 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 weitergeleitet wird."

5 Außerdem sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision des BFA, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.

Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

7 Der Entscheidung des BVwG liegt - ebenso wie der erhobenen Amtsrevision - zu Grunde, dass die gegenständlichen, in der Beschwerdeverhandlung angefallenen Dolmetschkosten Kosten im Sinn des § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG darstellten, welche "dem Wortlaut des Gesetzes folgend" vom Mitbeteiligten zu ersetzen seien. Gemäß den Ausführungen in der Zulassungsbegründung des BVwG fehle es aber zu dieser Frage an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das ist zwar - unter Bedachtnahme auf das im angefochtenen Beschluss und in der Revision erwähnte hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0071, in dem der Verwaltungsgerichtshof verneinte, dass im Rahmen eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens angefallene Dolmetschkosten § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG unterfielen - nicht zutreffend, weil die in dem genannten Erkenntnis angestellten Überlegungen, anders als in der Revision zum Ausdruck gebracht, ohne weiteres auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen sind. Angesichts dessen ist das BVwG aber von der mit diesem Erkenntnis begründeten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (vgl. auch die Erkenntnisse vom , Ro 2015/21/0011, und vom , Ro 2015/21/0005), worauf in der Revision, wenngleich von ihrem Standpunkt ausgehend nur eventualiter, hingewiesen wird. Die Revision ist daher zulässig und berechtigt.

8 Der mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) neu geschaffene § 53 BFA-VG, der das mit "Kosten" überschriebene

3. Hauptstück des 2. Teiles dieses Gesetzes bildet, lautete in seiner Stammfassung auszugsweise:

"Kostenersatz

§ 53. (1) Es sind folgende Kosten, die dem Bund entstehen, von dem Fremden zu ersetzen:

1. Kosten, die bei der Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück des FPG entstehen,

2. Dolmetschkosten im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

...

(4) Die Kosten gemäß Abs. 1, deren Ersatz das Bundesamt mit Bescheid vorzuschreiben hat, sind von der Landespolizeidirektion, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält, einzuheben und fließen dem Bund zu. § 79 AVG ist sinngemäß anzuwenden. Kosten gemäß Abs. 1, die uneinbringlich sind, trägt der Bund."

9 In den ErläutRV zum FNG wurde diese Bestimmung - soweit hier relevant - wie folgt kommentiert (1803 BlgNR 24. GP 33):

" Zum 3. Hauptstück des 2. Teiles, § 53 samt Überschrift Hier werden die Bestimmungen betreffend den Ersatz von

Kosten, welche bei der Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück des FPG, der Vollziehung der Schubhaft, als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel oder als Dolmetschkosten im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem

7. und 8. Hauptstück des FPG anfallen, geregelt. Darüber hinaus wird in Abs. 2 und Abs. 3 der Kostenersatz durch Dritte normiert.

Zu § 53:

§ 53 entspricht im Wesentlichen dem geltenden § 113 FPG.

Abs. 1 zählt taxativ jene Kosten auf, die von dem Fremden zu ersetzen sind. Soweit Dolmetschkosten gemäß Abs. 1 Z 2 betroffen sind, so bezieht sich ein Ersatz der Kosten lediglich auf jene, welche im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem 7. und

8. Hauptstück des FPG angefallen sind. Der Ersatz der Kosten ist seitens des Bundesamtes mit Bescheid vorzuschreiben. Die Einhebung hat von der Landespolizeidirektion zu erfolgen, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält. Uneinbringliche Kosten gem. § 53 Abs. 1 trägt der Bund."

10 Damit korrespondierend wird in der Z 6 des die Zuständigkeit des BFA umschreibenden § 3 Abs. 2 BFA-VG normiert, dem BFA obliege die Vorschreibung von Kosten gemäß § 53 BFA-VG.

11 Daraus folgerte der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis Ro 2014/21/0071, das wie schon erwähnt im Rahmen eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens angefallene Dolmetschkosten zum Gegenstand hatte, einerseits, dass die Regelung des § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG nur Dolmetschkosten erfasse, die "im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem

7. und 8. Hauptstück des FPG" entstehen, und andererseits, dass ihr Ersatz vom BFA vorzuschreiben sei. Der Verwaltungsgerichtshof führte dann weiter aus:

"Nun sind zwar im 8. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG die Schubhaft und das gelindere Mittel geregelt, nicht jedoch das Verfahren über eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung, in dem die hier in Rede stehenden Dolmetscherkosten entstanden sind. Damit scheidet der vom BVwG herangezogene § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG als Rechtsgrundlage für die Auferlegung der in der Verhandlung über die Beschwerde ... aufgelaufenen Dolmetscherkosten schon von vornherein aus, wofür im Übrigen auch die erwähnten Regelungen hinsichtlich der diesbezüglichen Zuständigkeit des BFA sprechen."

12 Der Verwaltungsgerichtshof hielt dann noch abschließend fest, dass § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG auch nicht im Wege des § 17 VwGVG als Rechtsgrundlage für eine Auferlegung von im Beschwerdeverfahren angefallenen Dolmetschkosten in Betracht komme.

13 Die dargestellten Aussagen ergingen zwar in Bezug auf ein Schubhaftbeschwerdeverfahren. Sie sind aber zwanglos auf jedes Beschwerdeverfahren, welche Maßnahme nach dem

7. oder 8. Hauptstück des FPG auch immer dessen Gegenstand sein sollte, übertragbar (in diesem Sinn verallgemeinernd auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer , Asyl- und Fremdenrecht (2016), K 14. zu § 53 BFA-VG). Insbesondere kommt ihnen daher auch für den vorliegenden Fall, in dem ein Beschwerdeverfahren in Angelegenheiten Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu beurteilen war, Bedeutung zu. Wenn demgegenüber in der Revision darauf hingewiesen wird, es gehe um eine Bescheidbeschwerde, während in der Konstellation des Erkenntnisses Ro 2014/21/0071 "das Verfahrensrecht der Maßnahmenbeschwerden sinngemäß anzuwenden" gewesen sei, so ist dem zu erwidern, dass im Maßnahmenbeschwerdeverfahren und im Schubhaftbeschwerdeverfahren (vgl. § 22a Abs. 1a BFA-VG) - für den Fall des Obsiegens eines Beschwerdeführers - § 35 VwGVG einen kostenrechtlichen Ausgleich brächte. Insoweit würden die Konsequenzen einer Kostenvorschreibung nach § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG gleichsam "abgefedert", was für das Bescheidbeschwerdeverfahren im Gesetz nicht vorgesehen ist. Umso weniger besteht Anlass, die Nichtanwendbarkeit des § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG auf das Schubhaftbeschwerdeverfahren bzw. Maßnahmenbeschwerdeverfahren zu beschränken.

14 Die Änderungen, die § 53 BFA-VG durch das FrÄG 2015 erfahren hat, bedingen keine andere Sichtweise. In der Revision wird diesbezüglich vorgebracht, im § 53 BFA-VG werde nunmehr nicht länger auf das BFA Bezug genommen. Das ist zwar insoweit zutreffend, als der erste Satz des vierten Absatzes des § 53 BFA-VG, in dem das "Bundesamt" angesprochen worden war, aufgehoben wurde. Im § 53 BFA-VG selbst ist also nicht mehr davon die Rede, dass das BFA den Kostenersatz mit Bescheid vorzuschreiben habe. Nach wie vor befindet sich aber eine entsprechende gesetzliche Anordnung - die entgegen der Ansicht des BVwG nicht bloß als "spezialrechtliche Zuständigkeitsregel" zu verstehen ist, sondern die erkennen lässt, dass § 53 BFA-VG nur "erstinstanzliche" Kosten im Auge hat - im § 3 Abs. 2 Z 6 BFA-VG. Zudem erfolgte die Aufhebung des ersten Satzes des § 53 Abs. 4 BFA-VG in Anbetracht dessen, dass das BFA seit Inkrafttreten des FrÄG 2015 gemäß § 3 Abs. 3 BFA-VG Vollstreckungsbehörde für seine eigenen Bescheide ist. (Nur) angesichts dessen bedarf es der seinerzeitigen Regelung, die - vor allem - eine Zuständigkeit der Landespolizeidirektionen zur Einhebung der vorgeschriebenen Kosten vorsah, nicht mehr (siehe in diesem Sinn die ErläutRV zur Änderung des § 53 BFA-VG durch das FrÄG 2015, 582 BlgNR 25. GP 11).

15 Zusammenfassend bleibt es daher dabei, wie schon im Erkenntnis Ro 2014/21/0071 zum Ausdruck gebracht, dass im Zuge eines Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG angefallene Dolmetschkosten dem Fremden nicht im Wege des § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG (iVm § 17 VwGVG) zum Ersatz vorgeschrieben werden dürfen. Dazu sei ergänzend noch Folgendes angemerkt:

16 Auch das BFA weist in seiner Revision darauf hin, dass

§ 53 BFA-VG (letztlich) in § 113 FPG (idF vor dem FNG) "seinen Ursprung" hat (vgl. auch die oben wiedergegebenen ErläutRV zu

§ 53 BFA-VG in der Stammfassung, wonach diese Bestimmung im Wesentlichen dem geltenden § 113 FPG entspricht).

17 Die genannte Bestimmung hatte ursprünglich folgenden Wortlaut:

"§ 113. (1) Kosten, die der Behörde oder dem Bund bei der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes, der Ausweisung oder der Zurückschiebung entstehen, sowie die Kosten der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel und der Dolmetschkosten, sind von dem Fremden zu ersetzen."

18 Dazu führten die ErläutRV zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 111) aus:

"Abs. 1 bestimmt eine grundsätzliche Kostenpflicht des Fremden, die im Fall der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes, der Ausweisung, der Zurückschiebung sowie im Zusammenhang mit dem Vollzug der Schubhaft entstehen."

19 Für eine Ersatzpflicht des Fremden, Kosten eines (damaligen) Berufungsverfahrens betreffend, bot § 113 FPG daher augenscheinlich keine Grundlage. Daran hat auch die mit dem FrÄG 2011 vorgenommene Unterteilung des § 113 Abs. 1 FPG in Ziffern nichts geändert, weil damit nur eine bessere Lesbarkeit beabsichtigt war (so die ErläutRV 1078 BlgNR 24. GP 41). Warum sich nunmehr auf Basis des - laut den ErläutRV zur Stammfassung des § 53 BFA-VG dem bisherigen § 113 FPG im Wesentlichen entsprechenden - § 53 BFA-VG eine andere Beurteilung ergeben sollte, erschließt sich nicht. Auch von daher verbietet sich sohin die Annahme, § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG komme als Rechtsgrundlage für die Auferlegung des Ersatzes von Dolmetschkosten, die im Zuge eines Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG erwachsen sind, in Betracht. Der dies zum Ausdruck bringende angefochtene Beschluss, der für eine derartige Kostenvorschreibung das BFA für zuständig erklärt, ist daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am