VwGH vom 05.07.2017, Ro 2016/17/0037

VwGH vom 05.07.2017, Ro 2016/17/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revisionen 1. des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5 und 2. der Bezirkshauptmannschaft Bludenz in 6700 Bludenz, Schloss-Gayenhofplatz 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , LVwG-1- 831/R11-2014, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Bludenz; mitbeteiligte Parteien: 1. S B-K in Z 2. H W Ltd in G, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom wurde gegenüber den mitbeteiligten Parteien gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme eines näher bezeichneten Glücksspielgeräts angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde, und machten im Beschwerdeverfahren unter anderem die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes geltend.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Beschwerde statt, hob den angefochtenen Beschlagnahmebescheid ersatzlos auf und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

4 Das Landesverwaltungsgericht traf Feststellungen zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art 56 AEUV und gelangte in der Folge zum Ergebnis, dass die Werbemaßnahmen der Konzessionäre nicht maßvoll und eng auf das Erforderliche begrenzt seien, da sie dem Spielen ein positives Image zuschrieben und neue Zielgruppen zum Spielen animierten, wie etwa Frauen und jugendliche Internetbenutzer. Aufgrund des Ausmaßes der Werbung sei davon auszugehen, dass mit dem GSpG das Anliegen, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern und zu begrenzen nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde. Das BMF habe weder dargelegt, inwiefern die gesetzlich festgelegten Werbebeschränkungen tatsächlich angewendet und durchgesetzt werden, noch mitgeteilt, wie hoch der Finanzierungsbeitrag nach § 1 Abs 4 GSpG in den letzten Jahren gewesen und wie dieser eingesetzt worden sei. Die Studie "Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich - Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015" zeige, dass sich das Glücksspielverhalten der Bevölkerung seit dem Jahr 2009 nicht stark verändert habe und auch die Anzahl der Personen mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten im Vergleich zum Jahr 2009 konstant geblieben sei. Dass es zu keiner Ausweitung der Spielsucht gekommen sei, beweise aber noch nicht die Kohärenz der Regelungen des GSpG. Das GSpG trage nicht in kohärenter und systematischer Weise dem Anliegen Rechnung, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern und die Spielsucht einzudämmen.

5 Gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts richten sich die vorliegenden Revisionen.

6 Die Mitbeteiligten haben in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, die Revisionen kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Revisionen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zu verbinden.

8 Die vorliegenden Revisionen erweisen sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht:

Der Revisionsfall gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten grundsätzlich jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

9 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist somit insoweit im Revisionsfall bei einer nicht auf Werbemaßnahmen beschränkten Gesamtwürdigung (noch) nicht zu erkennen.

10 Da das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

11 Ein Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof findet gemäß § 47 Abs 3 VwGG nicht statt.

Wien, am