VwGH vom 27.07.2016, Ro 2016/17/0019
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn in 5280 Braunau am Inn, Hammersteinplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-410986/18/Wg, LVwG-411034/8/Wg, betreffend Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: T M KG in S, Oberösterreich, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Teilbetriebsschließungsbescheides vom richtet, als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren in diesem Umfang eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Aufhebung des Betriebsschließungsbescheides vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) vom wurde gegenüber der mitbeteiligten Partei die teilweise Schließung ihres Betriebes mit der Bezeichnung Cafe Restaurant B in St. Pantaleon, W-straße 24, gemäß § 56a Glücksspielgesetz (GSpG) mit Wirkung ab angeordnet. Die Betriebsschließung bezog sich auf das "Nebenzimmer" des Gastgewerbebetriebs.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sah die BH den begründeten Verdacht der wiederholten Durchführung von Glücksspielen entgegen den Vorschriften des GSpG im Lokal der mitbeteiligten Partei im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit gegeben. Da die mitbeteiligte Partei trotz der Androhung der Betriebsschließung Glücksspielgeräte spielbereit gehalten habe, sei davon auszugehen, dass sie nach wie vor aus der Durchführung illegaler Glücksspiele regelmäßig Einnahmen zu erzielen suche und die bloße Beschlagnahme der Glücksspieleinrichtungen nicht geeignet und ausreichend sei, die Fortsetzung von Verstößen gegen das GSpG hintanzuhalten.
2 Mit weiterem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom wurde gegenüber der mitbeteiligten Partei die (gänzliche) Betriebsschließung gemäß § 56a GSpG mit Wirkung vom selben Tag angeordnet.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, wonach bei der neuerlichen Kontrolle am wiederum vier Glücksspielgeräte im Flur des Lokals der mitbeteiligten Partei aufgestellt gewesen seien, bestehe der begründete Verdacht, dass weiterhin Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit der mitbeteiligten Partei durchgeführt worden seien. Selbst eine Teilbetriebsschließung habe die mitbeteiligte Partei nicht davon abhalten können, weitere Übertretungen nach dem GSpG zu begehen. Da somit der Gefahr der Fortsetzung verbotener Glücksspiele mit einem gelinderen Mittel als der Betriebsschließung nicht habe begegnet werden können, komme nur eine gänzliche Schließung des Betriebs in Betracht, zumal sich die mitbeteiligte Partei trotz eindringlichster Belehrung bei früheren Kontrollen des Betriebes sowie eingeleiteter Beschlagnahme- und Verwaltungsstrafverfahren als völlig unbelehrbar erwiesen habe.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Beschwerden der mitbeteiligten Partei gegen die beiden Betriebsschließungsbescheide vom und statt, behob die Bescheide und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
4 Das Landesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung nachfolgenden zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde:
Mit Schreiben vom teilte die BH der mitbeteiligten Partei mit, es bestehe der begründete Verdacht, dass Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG durchgeführt würden. Sollte der illegale Spielbetrieb nicht eingestellt werden, werde die Behörde mit einer gänzlichen oder teilweisen Schließung ihres Betriebes iSd § 56a GSpG vorgehen.
Am führten Finanzpolizisten des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding im Lokal der mitbeteiligten Partei eine Kontrolle durch, bei der sie vier im Eigentum der P GmbH und der G s.r.o. stehende Glücksspielgeräte vorfanden. Nach Ansicht der Finanzpolizisten handelte es sich um drei sogenannte Walzenspielgeräte und einen Spielautomat "afric2go". Sie hatten den Verdacht, dass mit diesen Geräten gegen das GSpG verstoßen wurde und verfügten die vorläufige Beschlagnahme gemäß GSpG. Vertreter der BH verfügten mündlich um 16.45 Uhr die teilweise Schließung des Betriebes, die in der Folge mit Bescheid vom - am selben Tag zugestellt - mit Wirkung ab angeordnet wurde.
Am ergab die im Auftrag der BH vorgenommene Überprüfung, dass der Nebenraum nicht benützt wurde. Am ergab eine neuerliche im Auftrag der BH vorgenommene Überprüfung, dass nun nicht im Nebenraum, sondern im Vorraum vier - von den Exekutivbeamten als Glücksspielautomaten bezeichnete - Geräte in Betrieb waren. Ein Gast benützte dabei einen Automaten. Die BH hatte den Verdacht, dass die gewerberechtliche Geschäftsführerin der mitbeteiligten Partei offenbar die vier beschlagnahmten Automaten vom Nebenraum entfernt und im Vorraum aufgestellt hatte. Am nahmen Exekutivbeamte der PI O im Auftrag der BH eine Überprüfung der im Vorraum stehenden Geräte vor. Dabei ergab sich, dass von den vier vorhandenen Geräten ein Automat, nämlich der ursprünglich versiegelte Spielautomat "afric2go" mit der Nummer 0963, mit drei weiteren Geräten im Vorraum angeschlossen und für den Spielbetrieb geeignet abgestellt worden waren.
Am führten Finanzpolizisten in Begleitung von Vertretern der BH erneut eine Kontrolle nach dem GSpG durch, die zum Bescheid vom über die gänzliche Betriebsschließung führte. Die Bescheidausfertigung wurde von der gewerberechtlichen Geschäftsführerin der mitbeteiligten Partei um
12.45 Uhr übernommen. Aus der Begründung geht hervor, dass am neuerlich die Aufstellung von vier Glücksspielgeräten festgestellt worden sei.
Die PI O stellte am fest, dass das Lokal geöffnet war und zeigte die gewerberechtliche Geschäftsführerin der mitbeteiligten Partei wegen des Verdachts des Siegelbruches bei der Staatsanwaltschaft an.
5 Rechtlich führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus, eine Schließungsanordnung setze in der Regel voraus, dass eine vorangegangene (vorläufige) Beschlagnahme nicht geeignet gewesen sei, den Betreiber von weiteren Übertretungen abzuhalten. Mangels vorangegangener Beschlagnahme sei der Teilschließungsbescheid vom wegen Rechtswidrigkeit zu beheben.
Bei der Kontrolle am seien die vorgefundenen Geräte unstrittig nicht (mehr) in Betrieb gewesen. Ein begründeter Verdacht iSd § 56a Abs 1 GSpG, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG veranstaltet oder durchgeführt worden seien, sei daher nicht gegeben gewesen.
Aus diesem Grund seien beide angefochtenen Bescheide zu beheben gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der BH mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision kostenpflichtig abzuweisen in eventu zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die ordentliche Revision ist hinsichtlich der Rechtsfrage des Vorliegens eines begründeten Verdachts iSd § 56a Abs 1 GSpG, wenn die bei einer Kontrolle vorgefundenen Geräte nicht (mehr) in Betrieb stehen, zulässig und berechtigt.
8 § 56a GSpG lautet in der am in Kraft getretenen Fassung durch BGBl I Nr 112/2012 auszugsweise:
"§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, dass der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.
(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
...
(6) Die Bescheide gemäß Abs. 3 treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.
..."
9 Gemäß § 33 Abs 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 33 Abs 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl ).
10 Ausgehend davon, dass der Teilbetriebsschließungsbescheid unbestrittenermaßen am erlassen wurde, wäre dieser Bescheid solcherart selbst bei Aufhebung des diesen aufhebenden Erkenntnisses gemäß § 56a Abs 6 GSpG inzwischen ex lege außer Wirksamkeit getreten. Damit ist jedenfalls das Rechtsschutzinteresse der revisionswerbenden Partei im Hinblick auf die angefochtene Aufhebung des Teilbetriebsschließungsbescheides weggefallen und die Amtsrevision (diesbezüglich ihre Zulässigkeit angenommen) gegenstandslos geworden, würde sich doch auch bei Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf diesen Bescheid nichts daran ändern, dass der Teilbetriebsschließungsbescheid auf alle Fälle gemäß § 56a Abs 6 GSpG bereits ex lege außer Wirksamkeit getreten wäre.
11 Infolge des somit nachträglich zweifelsfrei eingetretenen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses war die Amtsrevision betreffend den Teilbetriebsschließungsbescheid schon deshalb als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren insoweit nach Anhörung der revisionswerbenden Behörde - die dazu keine Äußerung erstattete - gemäß § 33 Abs 1 VwGG einzustellen.
12 Betreffend die Aufhebung des Betriebsschließungsbescheides vom vermeint die revisionswerbende Behörde, unabhängig davon, dass die bei der Kontrolle am vorgefundenen Geräte ausgeschaltet und nicht bespielbar gewesen seien, es habe sehr wohl der begründete Verdacht bestanden, dass von der mitbeteiligten Partei neuerlich Glücksspiele entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstaltet oder durchgeführt worden seien und eine Gefahr der Fortsetzung bestehe.
13 Für die Betriebsschließung genügt der begründete Verdacht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG veranstaltet oder durchgeführt werden und die Gefahr der Fortsetzung besteht. Allein der Umstand, dass bei der Kontrolle am die im von der Teilbetriebsschließung nicht umfassten Vorraum des Gastgewerbebetriebs der mitbeteiligten Partei vorgefundenen Glücksspielgeräte nicht (mehr) in Betrieb waren, schließt den begründeten Verdacht der Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen entgegen den Bestimmungen des GSpG nicht aus. Vielmehr ist ein begründeter Verdacht der Veranstaltung oder Durchführung von verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG bereits dann möglich, wenn Glücksspielautomaten in einem frei zugänglichen Raum eines Gastgewerbebetriebes aufgestellt sind und sofern sie nicht in Betrieb sind, zumindest jedem potentiellen Interessenten die Inbetriebnahme des Gerätes möglich ist, wie etwa durch Drücken des Netzschalters bzw Anschließen des Gerätes an die Stromversorgung. Ob dies vorliegend im Rahmen der Kontrolle am (nicht) der Fall war, hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht festgestellt und insofern seine Entscheidung betreffend die Aufhebung des Betriebsschließungsbescheides vom mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
14 Im Übrigen hat es das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bei der Beurteilung des begründeten Verdachts der Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen entgegen dem GSpG durch die mitbeteiligte Partei im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit verabsäumt, auf den Umstand, dass bei den Kontrollen am und trotz vorheriger Teilbetriebsschließung vier Glücksspielgeräte, darunter ein bereits zuvor versiegelter Apparat, ohne Konzession betriebsbereit in einem frei zugänglichen Raum des Gastgewerbebetriebes vorgefunden worden waren, Bedacht zu nehmen. Diese wiederholte Missachtung der behördlichen Anordnungen wäre auch bei der Beurteilung der Gefahr der Fortsetzung von Verstößen gegen das GSpG iSd § 56a Abs 1 GSpG zu berücksichtigen gewesen. Allein diese Tatsachen hätten den Verdacht iSd § 56a Abs 1 GSpG gerechtfertigt, dass Glücksspiele veranstaltet und durchgeführt wurden.
15 Das Verwaltungsgericht hat somit das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des Betriebsschließungsbescheides vom mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Es war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, während die Revision betreffend die Teilbetriebsschließung als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren gemäß § 33 Abs 1 VwGG einzustellen war.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich im Hinblick auf die teilweise Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses auf die §§ 47 Abs 3 iVm 50 VwGG, wonach in Fällen, in denen ein Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof teilweise aufgehoben wurde, die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen ist, wie wenn das Erkenntnis zur Gänze aufgehoben worden wäre.
Wien, am