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VwGH vom 22.11.2017, Ro 2016/17/0003

VwGH vom 22.11.2017, Ro 2016/17/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, Hofrat Mag. Brandl sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-MB-12-0013, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 4/5/10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag auf Aufwandersatz der Landespolizeidirektion Niederösterreich wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Am wurde vom Finanzamt Wien 4/5/10 durch seine Organe in 3100 St. Pölten eine Kontrolle wegen des Verdachtes der Übertretung nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durchgeführt.

2 Anlässlich der Kontrolle wurden nach der Bescheinigung über die vorläufige Beschlagnahme folgende Gegenstände gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmt: "1) JJ Maingame 1 Seriennummer ... Mainvision Versiegelungsplaketten ... 2) Sweet

Beat Seriennummer ... Musikbox/Geld Versiegelungsplaketten ...".

Außerdem wurden zwei näher bezeichnete Steckschlüssel und drei Zylinderschlüssel vorläufig beschlagnahmt. Anlässlich der Beschlagnahme wurde die Kassenlade im Beisein des Inhabers des Lokals geöffnet und der gesamte Kasseninhalt in Höhe von EUR 801,--

den Geräten entnommen. Der Testspieleinsatz wurde retourniert. Die revisionswerbende Partei ist Eigentümerin dieses Geldbetrages.

3 In der Folge wurde über diese vorläufige Beschlagnahme "folgend der Niederschrift" mit Bescheid der (damaligen) Bundespolizeidirektion St. Pölten vom entschieden und damit die Beschlagnahme bescheidmäßig verfügt. Über die gegen diesen Beschlagnahmebescheid von der revisionswerbenden Partei erhobene Berufung hat der (damals zuständige) Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich mit Bescheid vom - unter Korrektur der Wortfolge, welches Finanzamt eingeschritten ist - abweisend entschieden. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei am zugestellt.

4 Am hat die revisionswerbende Partei gegen die Beschlagnahme des Geldes eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt beim damaligen Unabhängigen Verwaltungssenat Niederösterreich eingebracht.

5 Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Beschlusses vom hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) diese Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 VwGVG zurückgewiesen. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, es gebe keine gesetzliche Ermächtigung zur Verwahrung des im Terminal enthaltenen Geldbetrages. Zur Erledigung der Maßnahmenbeschwerde sei jedoch nicht das LVwG zuständig, da die Beschwerde ausschließlich das Handeln von Organen einer Bundesbehörde (des Finanzamtes) betreffe. Das Landesverwaltungsgericht habe seine Unzuständigkeit durch Beschluss auszusprechen, um eine Revision zur Klärung der Zuständigkeit zu ermöglichen. Mit Spruchpunkt II. erklärte das Landesverwaltungsgericht die ordentliche Revision für zulässig.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die ordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, dass es eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstelle, ob von Organen der Abgabenbehörden zur Überwachung der Einhaltung von Bestimmungen des GSpG durchgeführte Maßnahmen der für Strafverfahren nach § 50 Abs. 1 GSpG zuständigen Behörde oder ob der Abgabenbehörde zuzurechnen sind. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob es sich bei Maßnahmen der Abgabenbehörden, die im Rahmen der Überwachung von Bestimmungen des GSpG gesetzt werden, tatsächlich um eine Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werde, handle. Überdies sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, da es entgegen dem Beschluss vom , Ko 2015/03/0001, nur seine Unzuständigkeit ausgesprochen habe.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision erweist sich als zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der sachlichen Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die im Zuge von Glücksspielkontrollen von Organen der Finanzpolizei gesetzt werden, fehlt.

9 Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt. Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG), BGBl. I Nr. 14/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2014, obliegen dem Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht - BFG) Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden. Gemäß § 1 Abs. 2 BFGG sind Abgabenbehörden des Bundes ausschließlich: das Bundesministerium für Finanzen, die Finanzämter und die Zollämter. Gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG gehören zu den sonstigen Angelegenheiten des Abs. 1 Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes, soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder der Beiträge (Z 1) betroffen sind.

Die Materialien zu dem mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014 eingefügten § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG lauten (RV 360 BlgNR 25. GP 24):

"Die neue Z 2 stellt sicher, dass für Maßnahmenbeschwerden (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann das Bundesfinanzgericht zuständig ist, wenn die Angelegenheit keine Abgaben, sondern ordnungspolitische Maßnahmen (zB nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Glücksspielgesetz) betreffen. Für solche Maßnahmenbeschwerde gilt nicht die BAO, sondern das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (zB deren §§ 7 Abs. 4 Z 3 und 9)."

§ 9 Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG 2010), BGBl. I Nr. 9/2010 idF BGBl. I Nr. 14/2013, lautet:

"§ 9. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat mit Verordnung den Sitz (die Sitze) und den Amtsbereich der Abgabenbehörden in organisatorisch zweckmäßiger, einer einfachen und Kosten sparenden Vollziehung, wie auch den Bedürfnissen einer bürgernahen Verwaltung dienenden Weise nach regionalen Gesichtspunkten festzulegen.

(2) Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung die Einreichung bestimmter Eingaben an eine gemeinsame Anschrift für mehrere oder alle Finanz- oder Zollämter zusätzlich zur jeweiligen Anschrift der zuständigen Behörde bestimmen.

(3) Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung besondere Organisationseinheiten mit bundesweitem und/oder regionalem Wirkungsbereich zur Besorgung der Geschäfte der Steuer- und Zollverwaltung einrichten, soweit dies organisatorisch zweckmäßig ist und einer einfachen und Kosten sparenden Vollziehung wie auch den Bedürfnissen einer bürgernahen Verwaltung dient. Diese Organisationseinheiten werden bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Organe der Abgabenbehörden tätig.

(4) Dienststellen der besonderen Organisationseinheiten können im gesamten Bundesgebiet eingerichtet werden. Die von Organen der besonderen Organisationseinheiten gesetzten Amtshandlungen sind, sofern keine unmittelbare Beauftragung für den Einzelfall durch eine Abgaben- oder Finanzstrafbehörde erfolgt ist, jener Abgabenbehörde zuzurechnen, in deren Amtsbereich die Dienststelle des Organes eingerichtet ist."

§ 12 AVOG 2010 idF BGBl. I Nr. 105/2010 lautet auszugsweise:

"§ 12. (1) Die Organe der Abgabenbehörden sind für Zwecke der Abgabenerhebung und zur Wahrnehmung anderer durch unmittelbar anwendbares Recht der Europäischen Union oder Bundesgesetz übertragener Aufgaben berechtigt, Grundstücke und Baulichkeiten, Betriebsstätten, Betriebsräume und Arbeitsstätten zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dort Zuwiderhandlungen gegen die von den Abgabenbehörden zu vollziehenden Rechtsvorschriften begangen werden. ...

....

(5) Die zur Aufdeckung einer illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung und zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen können von allen Finanzämtern vorgenommen werden. In diesen Fällen steht jenem Finanzamt, das die Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt hat, die Parteistellung in den Verwaltungsstrafverfahren zu, wobei sich dieses Finanzamt zur Wahrnehmung der Parteistellung auch durch Organe anderer Abgabenbehörden vertreten lassen kann."

Gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG 2010 obliegen den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis für ihren Amtsbereich die Vollziehung der den Abgabenbehörden mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben.

Gemäß § 10b Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010 idF BGBl. II Nr. 110/2013, wird die Finanzpolizei als besondere Organisationseinheit gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 mit Sitz in Wien und Dienststellen bei allen Finanzämtern gemäß § 4 Abs. 1 eingerichtet. Gemäß § 10b Abs. 2 Z 2 lit. c AVOG-DV obliegt der Finanzpolizei im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörden wie diesen die Wahrnehmung der den Abgabenbehörden in der Vollziehung des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989 in der geltenden Fassung übertragenen Aufgaben.

§ 50 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 in der zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung geltenden Fassung BGBl. I Nr. 118/2015, lautete:

"Straf- und Verfahrensbestimmungen

Behörden und Verfahren

§ 50. (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig. Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden.

(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.

(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.

(5) Die Abgabenbehörde hat in Verwaltungsverfahren nach §§ 52, 53 und 54 dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Beschwerde gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.

(6) Eine von der Bezirksverwaltungsbehörde oder von der Landespolizeidirektion beabsichtigte Aufhebung einer Beschlagnahme oder die Einstellung eines Strafverfahrens ist im Falle des Vorliegens einer Anzeige einer Abgabenbehörde dieser zuvor unverzüglich zur Stellungnahme zu übermitteln.

(7) Der Bundesminister für Finanzen ist berechtigt, gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte der Länder Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Verwaltungsgerichte der Länder haben Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesminister für Finanzen zu übermitteln.

(8) Wird das Ermittlungsverfahren, dem eine Anzeige einer Abgabenbehörde zugrunde liegt, von der Staatsanwaltschaft eingestellt, so ist die anzeigende Abgabenbehörde davon unter Darlegung der Gründe unmittelbar zu verständigen. Zur Erfüllung der glücksspielrechtlichen Überwachungsaufgaben haben die Strafgerichte den Bundesminister für Finanzen über den Ausgang von Strafverfahren nach § 168 StGB zu verständigen und ihm unmittelbar nach Rechtskraft eine Urteilsausfertigung zu übermitteln.

(9) Der Bundesminister für Finanzen kann den Informationsaustausch sowie die Form der Übermittlung der Berichte und Dokumente (Abs. 5 bis 8) mit Verordnung regeln.

(10) Erwachsen einer Behörde bei einer Amtshandlung im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren Barauslagen, so sind diese den Bestraften zur ungeteilten Hand im Strafbescheid, allenfalls mittels gesonderten Bescheids, aufzuerlegen.

(11) Verwaltungsbehörden haben die zu ihrer Kenntnis gelangenden begründeten Verdachtsfälle verbotener Ausspielungen den Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, der Landespolizeidirektion, unverzüglich anzuzeigen."

Die letzten vier Sätze des § 50 Abs. 4 GSpG wurden mit der Novelle BGBl. I Nr. 118/2015 hinzugefügt.

Nach den Materialien (RV 684 BlgNR 25. GP 33) wurde mit dieser Änderung klargestellt, dass die Durchsetzung der Befugnisse nach diesem Bundesgesetz auch zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt. Daher sollen beispielsweise verschlossene Haus- und Zimmertüren sowie verschlossene Behältnisse, wie insbesondere auch Glücksspielautomaten, zum Zwecke der Durchsetzung der Überwachungsaufgaben auch zwangsweise geöffnet werden können. Dabei sind die jeweils gelindesten noch zum Ziel führenden Maßnahmen anzudrohen und anzuwenden.

10 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:

11 Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - d.h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl. , 0435, mwN).

12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. zu § 53 GSpG:, mwN).

13 Die Bekämpfung einer Beschlagnahme ist nur solange mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar, bis die Behörde einen Beschlagnahmebescheid erlässt ().

14 Im vorliegenden Fall haben Organe des Finanzamtes Wien 4/5/10 zwei näher genannte Geräte vorläufig beschlagnahmt.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die Beschlagnahme des Glücksspielapparates nach § 53 GSpG den Automat samt seinem Inhalt und somit auch das darin befindliche Geld (vgl. ; , 2012/17/0468).

16 Nach der Bescheinigung über die vorläufige Beschlagnahme wurden zunächst die Geräte beschlagnahmt - d.h. mitsamt dem darin befindlichen Geld - und erst in der Folge nach dem Ausspruch der vorläufigen Beschlagnahme der Kasseninhalt entnommen.

17 In einem solchen Fall deckt jedoch der in der Folge über die vorläufige Beschlagnahme ergangene Beschlagnahmebescheid auch die vorläufige Beschlagnahme des Geldes.

18 Aus diesem Grund war aber ab Erlassung des Beschlagnahmebescheides die selbstständige Bekämpfung der vorläufigen Beschlagnahme durch Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde unzulässig.

19 Zur Entscheidungszuständigkeit über die dennoch erhobene Beschwerde:

20 Für Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden ist gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG das Bundesfinanzgericht (BFG) zuständig. Nach den Materialien (RV 360 BlgNR 25. GP 24) soll damit sichergestellt werden, dass das BFG über Maßnahmenbeschwerden gegen Amtshandlungen von Abgabenbehörden in Angelegenheiten finanzpolizeilicher Befugnisse auch dann entscheidet, wenn die Angelegenheit keine Abgabe, sondern ordnungspolitische Maßnahmen betrifft.

21 Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegen gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG 2010 die Vollziehung der den Abgabenbehörden mit dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben. Gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung besondere Organisationseinheiten zur Besorgung der Geschäfte der Steuer- und Zollverwaltung einrichten. Diese Organisationseinheiten werden bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Organe der Abgabenbehörden tätig. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Finanzen in § 10b AVOG-DV Gebrauch gemacht und die Finanzpolizei als besondere Organisationseinheit gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 mit Dienststellen bei allen Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis eingerichtet. Der Finanzpolizei obliegt gemäß § 10b Abs. 2 Z 2 lit. c AVOG-DV im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörde wie diesen die Wahrnehmung des Glücksspielgesetzes.

22 § 50 Abs. 3 GSpG wiederum sieht vor, dass zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt sind, wobei gemäß § 50 Abs. 2 GSpG zu den Organen der öffentlichen Aufsicht jedenfalls die Organe der Abgabenbehörde - mithin die Finanzpolizei - gehören. Die Befugnisse dieser Organe sind in § 50 Abs. 4 GSpG geregelt, wobei die Durchsetzung der Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in den letzten Sätzen des § 50 Abs. 4 GSpG erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 118/2015 hinzugefügt wurde.

23 Diese gesetzlichen Bestimmungen gehen daher davon aus, dass die Organe der Finanzpolizei als gemäß § 9 Abs. 3 AVOG 2010 iVm § 10b AVOG 2010 - DV eingerichtete Organisationseinheit in Erfüllung der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG gemäß § 50 Abs. 2 und 3 GSpG als Organe der Abgabenbehörde tätig werden und daher, soweit sie nicht selbst im Auftrag der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde gemäß § 50 Abs. 1 GSpG tätig werden, dieser zurechenbar sind.

24 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, gehören auch die in § 50 Abs. 4 GSpG genannten Befugnisse zu den durch § 12 Abs. 2 AVOG 2010 erfassten Aufgaben der Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Finanzpolizei ().

25 Da im vorliegenden Fall eine Kontrolle der Finanzpolizei aus eigenem Antrieb und ohne Auftrag der Behörde gemäß § 50 Abs. 2 GSpG stattgefunden hat, ist die Ausübung der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt für ein Finanzamt als Abgabenbehörde erfolgt (vgl. zur Legitimation der Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde in deren Namen ein Rechtsmittel gegen einen erstinstanzlichen Bescheid zu erheben ).

26 Aus diesem Grund liegt eine Amtshandlung in einer sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheit gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG vor (ordnungspolitische Maßnahme), über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat (so auch die Materialien RV 360 BlgNR 25. GP 24).

27 Soweit Organe der Abgabenbehörden dabei aus eigenem Vollzugsmaßnahmen setzen, werden sie damit in unmittelbarer Bundesvollziehung tätig.

28 Da über die Maßnahmenbeschwerde im vorliegenden Fall das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, erweist sich die vom Landesverwaltungsgericht getätigte Zurückweisung als rechtmäßig.

29 Zur Weiterleitung der Maßnahmenbeschwerde an das BFG:

30 Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, ihr sei mit dem Zurückweisungsbeschluss jede Rechtsschutzmöglichkeit genommen worden, da das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde nicht gleichzeitig an das zuständige Verwaltungsgericht weitergeleitet habe, ist Folgendes auszuführen:

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Erkenntnis vom , Ra 2015/04/0035 - auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die hg. Judikatur vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 betreffend eine Zurückweisung einer Berufung wegen Unzuständigkeit als nicht auf die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragbar beurteilt, weil die förmliche Ablehnung der Zuständigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nunmehr eine Voraussetzung für eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B-VG darstellt, und dafür nur ein Zurückweisungsbeschluss in Betracht kommt.

32 Im vorliegenden Fall hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich - nach Erlassung des förmlichen Zurückweisungsbeschlusses - die Akten des Verfahrens an das zuständige Bundesfinanzgericht zu übermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, über die Beschwerde zu entscheiden. In Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde "infolge Unzuständigkeit" erfolgte mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich lediglich ein Abspruch über seine Unzuständigkeit, nicht jedoch eine abschließende Erledigung des Beschwerdeverfahrens (vgl. auch ).

33 Zur Frage, wer im Verfahren Parteistellung als "belangter Behörde" zukommt:

34 Gemäß § 21 Abs. 2 VwGG ist Partei im Verfahren über eine Revision gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, wenn gegen dessen Beschluss nicht von ihr selbst Revision erhoben wird.

35 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat, ist die belangte Behörde somit jene Verwaltungsbehörde, deren Verwaltungsakt oder sonstiges Handeln vor dem Verwaltungsgericht angefochten bzw. deren Untätigkeit mit Säumnisbeschwerde bekämpft wurde (vgl. Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Schriftenreihe NÖ Juristische Gesellschaft 116 (2013), 69). Wer belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist, regelt die Verfassung nicht. Maßgeblich ist daher § 9 Abs. 2 VwGVG (näher ).

36 Gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen (der Maßnahmenbeschwerde) nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist. Der Verfahrensgesetzgeber hat sich bei der Definition der belangten Behörde nach § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG an die bisherige Rechtslage des § 67c Abs. 2 AVG angelehnt (vgl. bis 0051, mit Verweis auf die Erläuterungen in RV 1618 BlgNR 24. GP, 13, und Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013), Rz. 15 zu Art. 130 B-VG).

37 Entscheidend für die Bestimmung der belangten Behörde nach § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist somit, welcher Behörde der mit Maßnahmenbeschwerde angefochtene Verwaltungsakt (das hoheitliche Handeln der eingeschrittenen Organe) zuzurechnen ist. Alleine dieser Behörde kommt die Parteistellung nach § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG zu.

38 Dagegen kann aus einer zu Unrecht erfolgten Behandlung einer Behörde als Partei weder eine Revisionslegitimation abgeleitet werden (vgl. ), noch eine Parteistellung im Revisionsverfahren einer anderen Partei.

39 Belangte Behörde in einem Maßnahmenverfahren gegen einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Finanzpolizei in Vollziehung des § 50 Abs. 4 GSpG ist jenes Finanzamt, für das die Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde (vgl. § 9 Abs. 3 und 4 AVOG 2010 iVm § 10b AVOG 2010-DV) und damit zusammenhängend als Organ der öffentlichen Aufsicht iSd § 12 Abs. 5 AVOG 2010 iVm § 50 Abs. 2 GSpG eingeschritten ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kontrollbefugnisse nach dem GSpG von allen Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis ausgeübt werden können und diesen Finanzämtern ungeachtet ihres örtlichen Zuständigkeitsbereiches zukommen (vgl. dazu näher ).

40 Belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und damit zusammenhängend Partei im Revisionsverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG war daher das Finanzamt Wien 4/5/10. Der Antrag der LPD Niederösterreich auf Gewährung von Aufwandersatz war daher mangels Parteistellung im vorliegenden Verfahren zurückzuweisen. Das Finanzamt Wien 4/5/10 hat innerhalb der Frist keine Revisionsbeantwortung eingebracht.

41 Die Revision war daher abzuweisen.

42 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016170003.J00

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