VwGH vom 26.04.2018, Ro 2016/16/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des Bundes, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W214 2112689- 1/5E, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 In ihrer am beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage begehrte die "Republik Österreich" (richtig: der Bund, in weiterer Folge: der Revisionswerber), vertreten durch die Finanzprokuratur, gegenüber einer Bank und einer AG als beklagte Parteien die Anpassung, eventualiter die Aufhebung eines mit diesen Parteien im Zuge einer Notverstaatlichung abgeschlossenen Aktienkaufvertrages und machte dabei die Gebührenbefreiung nach § 5 des Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz - FinStaG) geltend.
2 Mit Bescheid (Zahlungsauftrag) vom (berichtigt mit Bescheid vom ) schrieb die Präsidentin des Handelsgerichtes Wien dem Revisionswerber hierfür eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG iVm § 19a GGG in näher genannter Höhe zuzüglich einer Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG zur Zahlung binnen 14 Tagen vor.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abwies und aussprach, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Nach Darstellung des Sachverhaltes folgerte es in rechtlicher Hinsicht unter Berufung auf die von ihm zitierte Rechtsprechung (), dass nicht die Republik Österreich, sondern der Bund Partei im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sei. § 5 FinStaG habe in seiner Stammfassung nur die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Rechtsgeschäfte, Schriften und Amtshandlungen von den Gebühren befreit, nicht jedoch Pauschalgebühren nach TP 1 GGG erfasst, welche sich nicht auf einzelne Schriftsätze, sondern auf das gesamte zivilgerichtliche Verfahren bezögen. Dieses Ergebnis werde auch durch die Novellierung des § 5 FinStaG durch das BGBl. I Nr. 127/2015 bestätigt, wonach "überdies", also über die bis dahin geltende Regelung hinausgehend auch Verfahren vor den ordentlichen Gerichten von den Gebühren befreit sein sollten.
§ 5 FinStaG in der Stammfassung sei auch nicht sinnentleert, weil er eine Befreiung von den Gerichtsgebühren für Rechtsgeschäfte, Schriften oder Amtshandlungen anordne, worunter eine Klage jedoch nicht zu verstehen sei. Die Vorschreibung der Pauschalgebühren nach TP 1 GGG sei daher nicht von der Befreiungsbestimmung des § 5 FinStaG erfasst.
5 Art. VI Z 28 GGG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111, habe die Unwirksamkeit der bis in Kraft getretenen Gerichtsgebührenbefreiungen mit taxativ angeführten Ausnahmen, zu denen das FinStaG nicht zähle, angeordnet, sodass im gegenständlichen Fall keine Gebührenbefreiung vorliege.
6 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil zur Frage der Geltung und der Reichweite der Gerichtsgebührenbefreiung des § 5 FinStaG in der Stammfassung Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
7 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision begehrt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu die Entscheidung in der Sache selbst, dass der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid vom ersatzlos aufgehoben werde.
8 Die vor dem Gericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision unter Zuerkennung von Schriftsatzaufwand begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Zur Frage der Parteienbezeichnung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf , verwiesen, wo der Verwaltungsgerichtshof bei im Wesentlichen gleichen Sach- und Rechtsfragen sowie dem insofern vergleichbaren Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz den Bund als Rechtsträger ansah.
10 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision mit der gleichen Begründung wie das Gericht im angefochtenen Erkenntnis. Er erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinen gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten, dass die Verpflichtung zum Pauschalgebührenersatz aufgrund Gebührenbefreiung des Revisionswerbers nach § 5 FinStaG verneint wurde, verletzt.
11 Der Revisionswerber erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses darin, dass die Gebührenbefreiung des § 5 FinStaG auch auf Pauschalgebühren für Gerichtsverfahren anwendbar sei und die gerichtliche Durchsetzung der Zweckerreichung des FinStaG diene. Schriftsätze in gerichtlichen Verfahren könnten problemlos unter Schriften und die Handlungen des Gerichtes unter Amtshandlungen subsumiert werden, was die Novellierung dieser Bestimmung durch BGBl. I Nr. 127/2015 untermauere. Damit sei lediglich klargestellt worden, dass von der bereits ursprünglich angeordneten sachlichen und persönlichen Befreiung auch Gebühren umfasst seien, die ohne eine solche gesetzliche Anordnung in Verfahren vor ordentlichen Gerichten anfielen und Angelegenheiten des Vollzuges des FinStaG zum Gegenstand hätten. Damit sei eine authentische Interpretation des § 5 FinStaG erfolgt.
12 Die Gebührenbefreiung nach § 5 FinStaG sei im Zuge der "dritten Regenschirmderogation" (Budgetbegleitgesetz 2011) "offensichtlich von den Ligisten übersehen" und daher nicht in den Ausnahmekatalog aufgenommen worden, sodass eine unbeabsichtigte, planwidrige Lücke vorliege, die - um Wertungswidersprüche etwa zu § 5 des Bundesgesetzes betreffend die Haftungsübernahme zur Zukunftssicherung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG (BAWAG P.S.K.- Sicherungsgesetz) zu vermeiden - trotz der taxativen Aufzählung durch Analogie zu schließen sei, zumal sich aus den Materialien ergebe, dass der Gesetzgeber eine inhaltliche Rechtsänderung nicht habe vornehmen wollen.
13 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
15 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Tatsächlich fehlt - wie auch das Gericht und der Revisionswerber übereinstimmend annehmen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung, weshalb die vorliegende Revision - entgegen der Ansicht der belangten Behörde, die dem Wortlaut des § 5 FinStaG hinreichende Deutlichkeit zumisst sowie zur Frage des Umfangs der Regenschirmderogation auf , verweist - zulässig ist.
16 Die Revision ist aus folgenden Gründen nicht berechtigt:
17 Das Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz - FinStaG), BGBl. I Nr. 136/2008, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2014 lautet auszugsweise:
"Grundlagen für Stabilisierungsmaßnahmen
§ 1. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Österreichs, zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie zum Zweck des Schutzes der österreichischen Volkswirtschaft Maßnahmen zur Rekapitalisierung von betroffenen Rechtsträgern zu ergreifen. Betroffene Rechtsträger im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. Kreditinstitute gemäß § 1 Abs. 1 Bankwesengesetz (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, und
2. inländische Versicherungsunternehmen im Sinne des
Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), BGBl. Nr. 569/1978.
(2) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, Maßnahmen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 für eine Abbaueinheit gemäß § 3 des Bundesgesetzes zur Schaffung einer Abbaueinheit (GSA), BGBl. I Nr. 51/2014, zu ergreifen, wenn dies zur Erreichung der Abbauziele erforderlich ist. Er ist unter dieser Voraussetzung weiters zur Übernahme von Haftungen für vertragliche Zusagen der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG ermächtigt.
(3) Auf Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz besteht kein Rechtsanspruch.
Instrumente
§ 2. (1) Dem Bundesminister für Finanzen stehen nachstehende Instrumente zum Zwecke der Rekapitalisierung zur Verfügung:
1. die Übernahme von Haftungen (insbesondere Garantien,
Bürgschaften, Schuldbeitritt) für Verbindlichkeiten des
betroffenen Rechtsträgers;
2. die Übernahme von Haftungen (insbesondere Garantien,
Bürgschaften, Schuldbeitritt) für Verbindlichkeiten gegenüber dem
betroffenen Rechtsträger;
3. die Gewährung von Darlehen sowie Zuführung von
Eigenmitteln (Teil 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013) an
Kreditinstitute und von Kapital gemäß § 73b VAG an
Versicherungsunternehmen;
4. der Erwerb von Gesellschaftsanteilen oder
Wandelanleihen in Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen;
5. der Erwerb von bestehenden Gesellschaftsanteilen durch
Rechtsgeschäft;
6. die Übernahme des Gesellschaftsvermögens im Wege der
Verschmelzung nach § 235 Aktiengesetz (AktG), BGBl. Nr. 98/1965.
Für Maßnahmen gemäß Z 1 bis 6 sind ein marktkonformes Entgelt und Zinsen vorzusehen. Bei der Ausübung der Instrumente gemäß Z 1 bis 6 ist mit dem Bundeskanzler das Einvernehmen herzustellen.
(2) ...
Gebühren und Abgaben
§ 5. Die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Rechtsgeschäfte, Schriften und Amtshandlungen sind von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben, den Bundesverwaltungsabgaben sowie den im Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz (GGG 1984), BGBl. Nr. 501/1984, geregelten Gebühren befreit."
18 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde Art. VI Z 28 GGG dahin geändert, dass er lautet:
"28. In gesetzlichen Vorschriften vorgesehene persönliche oder sachliche Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, die nach dem in Kraft getreten sind, sind unwirksam, soweit dem Staatsverträge nicht entgegenstehen. Ausgenommen hiervon sind die Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach
§ 9 des Bundesmuseen-Gesetzes 2002, BGBl. I Nr. 14,
§ 14 des Bundesgesetzes über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. 50/2002, Art. 5,
c)§ 2 des Bundesgesetzes betreffend Verwertung der Bundeswohnbaugesellschaften, BGBl. I Nr. 46/2003,
d)§ 2 des Marchfeldkanal-Bundesbeitragsgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2003,
e)§ 2 des Bundesgesetzes betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft m.b.H.
und von unbeweglichem Bundesvermögen, BGBl. I Nr. 121/2003,
f) § 50 Abs. 1 des Bundesbahngesetzes, BGBl. Nr. 825/1992,
in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 138/2003, Art. 1,
g) § 112 Abs. 1 des Elektrizitätswirtschafts- und -
organisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl. I Nr. ZZZ/2010,
h) § 76b Abs. 4 des Gaswirtschaftsgesetzes,
BGBl. I Nr. 121/2000, in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 106/2006, Art. 2,
i) § 8 des Bundesgesetzes zur Errichtung einer
‚Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft', BGBl. I Nr. 87/2004,
j) § 3 des Bundesgesetzes betreffend die Veräußerung von
Bundesanteilen an der
Gemeinnützige Wohnbau Gesellschaft mbH Villach und an der
Entwicklungsgesellschaft Aichfeld-Murboden Gesellschaft m.b.H.,
BGBl. I Nr. 136/2004, Art. 8,
k) dem Bundesgesetz, mit dem eine
Gerichtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe
gewährt wird, BGBl. I Nr. 156/2002, Art. 2,
l) dem Bundesgesetz, mit dem eine
Gerichtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird, BGBl. I Nr. 113/2005,
§ 5 des Bundesgesetzes betreffend die Haftungsübernahme zur Zukunftssicherung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG, BGBl. I Nr. 61/2006."
19 Diese Bestimmung trat gemäß Art. VI Z 40 GGG mit in Kraft.
20 Dazu führen die ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 64 f, aus:
"Zu Z 24 lit. a (Art. VI Z 28):
Mit der Euro-Gerichtsgebühren-Novelle wurden in § 10 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 GGG Regelungen zur materiellen Derogation sämtlicher bis dahin in Geltung gestandenen Gesetzesbestimmungen über die (persönliche oder sachliche) Befreiung von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren geschaffen. Von dieser ‚Regenschirmderogation' wurden nur zwei Gruppen von Befreiungsbestimmungen ausgenommen, nämlich zum einen jene, deren Existenz in Staatsverträgen (dazu zählen auch Vereinbarungen nach Art. 15a B-VG) verpflichtend vorgesehen ist, und zum anderen ein taxativ aufgezählter Katalog von Gebührenbefreiungen, die aus sachlichen Überlegungen ausnahmsweise aufrecht bleiben sollten. Diese zweitgenannten Gebührenbefreiungen wurden in § 10 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 GGG im Einzelnen angeführt (vgl. dazu RV 759 BlgNR 21. GP 23 und 27 ff).
Diese materielle Derogation erfasste allerdings nur solche Abgabenbefreiungsregelungen, die vor dem in Kraft traten. Hingegen konnte sich die Derogationswirkung nach der lexposterior-Regel nicht auf solche Gesetzesbestimmungen über Abgabenbefreiungen erstrecken, die nach dem in Kraft traten. Um die mit der Euro-Gerichtsgebühren-Novelle herbeigeführte Rechtsbereinigung im Bereich der Gerichtsgebührenbefreiungen nicht wieder allmählich ‚entschwinden' zu lassen, wurde im Budgetbegleitgesetz 2007 eine neue Derogationsanordnung für die im Zeitraum vom bis zum Ablauf des in Kraft getretenen Abgabenbefreiungen getroffen. Diese Derogationsanordnung findet sich seither in der Z 28 des Art. VI GGG. Auch dabei wurden von der ‚Regenschirmderogation' wieder zwei grundsätzliche Ausnahmen gemacht. Die erste Ausnahme betraf wieder jene Abgabenbefreiungen, die auf Staatsverträgen basieren. Die zweite Gruppe von Ausnahmen wurde im zweiten Satz der Z 28 taxativ aufgezählt; es sind dies Abgabenbefreiungen für Ausgliederungen und ähnliche Vorgänge, die beiden ‚Hochwasser-Gebührenbefreiungen' der Jahre 2002 und 2005 sowie die firmenbuchrechtliche Übergangsregelung des § 907 Abs. 4 Z UGB zur Handelsrechtsreform.
In dem etwas mehr als dreijährigen Zeitraum seit Jahresmitte 2007 hat sich nun wieder eine Anzahl von allgemeinen Abgabenbefreiungen ‚angesammelt', für die sich zum Teil nur implizit, zum Teil aber auch ausdrücklich die Streitfrage stellen kann, ob diese auch die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren umfassen. Durch die Neufassung der Derogationsanordnung in Art. VI Z 28 sollen nunmehr wieder taxativ alle Gebührenbefreiungen aufgelistet und neu hinzukommend auch jene Gebührenbefreiungen erfasst werden, die seit dem Budgetbegleitgesetz 2007 in Kraft traten und nicht einer der beiden genannten Ausnahmegruppen angehören. Alle anderen allenfalls befreiend wirkenden Abgabenbefreiungsbestimmungen werden damit nach der lex-posterior-Regel hinsichtlich der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren unwirksam. Durch diese Klarstellung sollen unnötiger Verwaltungsaufwand durch die Klärung der Rechtsfrage in Einzelverfahren vermieden und vorweg für die Kostenbeamten als Entscheidungsträger auch weiterhin durch eine taxative Liste Rechtsklarheit erhalten werden.
Zusammenfassend ergibt sich hinsichtlich der in Rede stehenden ‚Regenschirmderogation' für die seit 2007 in Kraft getretenen ‚Abgabenbefreiungen' Folgendes:
Die im GGG ursprünglich für Gebietskörperschaften, Körperschaften öffentlichen Rechts sowie Monopol- und Staatsbetriebe vorgesehenen persönlichen Gebührenbefreiungen für Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren wurden bereits mit durch die Euro-Gerichtsgebühren-Novelle, BGBl. I Nr. 106/1999, weitgehend eingeschränkt und schließlich mit der sogenannten ‚Regenschirmderogation' mit beseitigt (BGBl. I Nr. 131/2001: Neufassung der § 10 GGG über die persönlichen Gebührenbefreiungen sowie § 13 GGG über die sachlichen Gebührenbefreiungen). Damit wurde allen in anderen gesetzlichen Vorschriften bestehenden Gebührenbefreiungen derogiert. Davon waren damals sowohl andere Ressorts als auch die Länder betroffen, die Abschaffung der Gebührenbefreiungen hat zu erheblichen Mehreinnahmen der Justiz geführt. Gleichzeitig war damit eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung und -entlastung verbunden, weil die Gebührenbefreiungen nunmehr taxativ im GGG aufgelistet waren.
Seit damals ist es kaum mehr zu Gebührenbefreiungen in Ansehung des Gerichtsgebührengesetzes in anderen Bundes- und Landesgesetzen gekommen, soweit davon nicht Ausgliederungsvorgänge sowie die Förderung der Neugründung von Unternehmen nach dem NeuFöG betroffen waren. Diese ‚Regenschirmderogation' hat sich als Verwaltungsvereinfachungsmaßnahme zur Entlastung der Justizverwaltung von unnötigen Verfahren derart bewährt, dass sie zuletzt mit , BGBl. I Nr. 24/2007, in Art. VI Z 28 GGG erneuert wurde, indem im Übergangsrecht die seit neu hinzugekommenen Gebührenbefreiungen wieder in einer taxativen Liste - für die Kostenbeamten leicht nachvollziehbar - aufgezählt wurden.
Im Hinblick auf die damit verbundene Verwaltungsvereinfachung und Transparenz für die Rechtsanwender soll diese ‚Regenschirmderogation' nunmehr im BBG 2011 erneuert werden. Damit sind keine Mehreinnahmen für die Justiz verbunden. Soweit ersichtlich, wurden seit keinerlei ausdrücklichen Befreiungen von Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren in Bundes- oder Landesgesetzen vorgesehen.
Wesentlich ist die Bestimmung aber deswegen, weil in etlichen Bundes- und Landesgesetzen immer wieder jeweils eine bloße Befreiung von den Verwaltungsabgaben vorgesehen wird, die jedoch nach der Judikatur nicht auch die Befreiung von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren umfasst, was vielen Parteien nicht bekannt ist und mangels ‚Regenschirmderogation' immer wieder zu unnötigen und aufwändigen Verfahren über das Vorliegen einer vermeintlichen Befreiung auch von Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren führt und letztlich frustrierten Verfahrensaufwand für die Justiz zur Folge hat. Dieser Mehraufwand durch unnötige Berichtigungsverfahren soll durch die Erneuerung der ‚Regenschirmderogation' vermieden werden, um schon im Gesetz diese Auslegungsfrage klarzustellen (dass alle Gerichts- und Justizverwaltungsgebührenbefreiungen taxativ im GGG aufgelistet sind und Befreiungen von Verwaltungsabgaben sohin keine Befreiungen von Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren umfassen können). Eine inhaltliche Rechtsänderung ist damit nicht verbunden."
21 § 5 FinStaG in der am in Kraft getretenen Stammfassung sieht die Befreiung der zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Rechtsgeschäfte, Schriften und Amtshandlungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren vor. Damit handelt es sich um eine nach dem und vor dem in Kraft getretene Gerichtsgebührenbefreiung, die vom ersten Satz des Art. VI Z 28 GGG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 erfasst ist. In den taxativ aufgezählten Ausnahmekatalog des zweiten Satzes dieser Bestimmung wurde § 5 FinStaG nicht aufgenommen. Der äußerste mögliche - die Grenze der Auslegung absteckende (vgl. ) - Wortsinn des Art. VI Z 28 GGG führt somit zur Unwirksamkeit des § 5 FinStaG, soweit er Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren betrifft.
22 Eine vom Revisionswerber behauptete echte (planwidrige) Rechtslücke wäre dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (, mwN). Mit der "dritten Regenschirmderogation" des Budgetbegleitgesetzes 2011 in Art. VI Z 28 GGG wollte der Gesetzgeber bestimmte Ausnahmen von der Gerichtsgebührenpflicht aufrecht erhalten. Zunächst ging er in den Materialien auch davon aus, in dem etwas mehr als dreijährigen Zeitraum seit der Jahresmitte 2007 habe sich nun wieder eine Anzahl allgemeiner Abgabenbefreiungen angesammelt und die nicht taxativ aufgezählten Gebührenbefreiungen sollten damit nach der lex-posterior-Regel hinsichtlich der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren unwirksam werden. Wenn an späterer Stelle in den Materialien (aaO S 65) davon die Rede ist, dass seit keinerlei ausdrückliche Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren in Bundes- oder Landesgesetzen vorgesehen seien und mit der Neuregelung eine inhaltliche Rechtsänderung nicht verbunden sei, kann die ursprüngliche Nennung von angesammelten allgemeinen Abgabenbefreiungen auf jene Fälle eingeschränkt werden, bei welchen sich die Streitfrage stellen könne, ob diese auch die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren umfassten.
23 Darüber hinaus weisen die Materialien darauf hin, dass bereits mit der "zweiten Regenschirmderogation" zwei grundsätzliche Ausnahmen gemacht worden seien, und zwar einerseits jene Abgabenbefreiungen, die auf Staatsverträgen basierten, und andererseits eine Gruppe von Ausnahmen, die im zweiten Satz des Art. VI Z 28 GGG taxativ aufgezählt seien. Dabei handle es sich um Abgabenbefreiungen für Ausgliederungen und ähnliche Vorgänge, Hochwassergebührenbefreiungen der Jahre 2002 und 2005 sowie firmenbuchrechtliche Übergangsregelungen zur Handelsrechtsreform. Soweit nun der Revisionswerber einen Wertungswiderspruch zu § 5 BAWAG P.S.K. Sicherungsgesetz behauptet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die genannte Bestimmung zwar im Ausnahmekatalog des Art. VI Z 28 Satz 2 GGG genannt ist, aber der in den Materialien zusammengefassten inhaltlichen Umschreibung der Abgabenbefreiung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zugeordnet werden kann, sodass eine planwidrige Lücke nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen ist. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit der "dritten Regenschirmderogation" eine Verwaltungsvereinfachungsmaßnahme zur Entlastung der Justizverwaltung von unnötigen Verfahren setzen wollte, die sich bereits mit der "zweiten Regenschirmderogation" bewährt habe. Durch diese Klarstellung in einer taxativen Liste sollen für die Kostenbeamten als Entscheidungsträger alle Gebührenbefreiungen leicht nachvollziehbar aufgezählt werden. Selbst wenn nun § 5 FinStaG dem § 5 BAWAG P.S.K. Sicherungsgesetz ähnlich sein sollte, steht der Annahme einer durch Analogie schließbaren planwidrigen Lücke die dem Art. VI Z 28 GGG immanente Absicht und Teleologie, durch eine taxative Liste der Gerichtsgebührenbefreiungen (vgl. ) Rechtsklarheit zu schaffen, entgegen.
24 Mit BGBl. I Nr. 127/2015 wurde ein neuer § 5 Abs. 2 FinStaG geschaffen, wonach der Bund überdies von der Entrichtung der im GGG geregelten Gebühren in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten befreit ist, die Angelegenheiten des Vollzuges dieses Bundesgesetzes zum Gegenstand haben. Wenn in den Materialien (ErläutRV 796 BlgNR 25. GP 11) dazu gesagt wird, der Gesetzgeber habe bereits in der Stammfassung des § 5 FinStaG eine sachliche und persönliche Befreiung von Gebühren und Abgaben vorgesehen, von der auch die Gerichtsgebühren umfasst sein sollten, und mit dem nunmehrigen Abs. 2 solle klargestellt werden, dass von der bereits ursprünglich geregelten Befreiung auch Gebühren erfasst seien, die ohne eine solche gesetzliche Anordnung in Verfahren vor ordentlichen Gerichten anfielen und Angelegenheiten des Vollzugs des FinStaG zum Gegenstand hätten, so kann dies nicht über das durch das Budgetbegleitgesetz 2011 mit Wirksamkeit vom für die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren angeordnete Unwirksamwerden des § 5 FinStaG in der Stammfassung hinweg helfen. Im Zeitpunkt der Einbringung der Klage am gab es sohin im FinStaG keine Befreiung von den Gerichtsgebühren.
25 Die Revision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Abweisung des Kostenbegehrens beruht auf der Identität des Revisionswerbers mit dem Rechtsträger der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (vgl. abermals ).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016160017.J00 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 |
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