VwGH vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013

VwGH vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 40.22-3435/2015, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: H M in G-S, vertreten durch Mag. Wolfgang Klasnic, Rechtsanwalt in 8111 Gratwein-Straßengel, Gratweinerstraße 21), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom verhängte der Bürgermeister der Stadt Graz (der Revisionswerber) über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe wegen Übertretung des § 2 des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 3, 2, 6 und 7 der Grazer Parkgebührenverordnung, welches dem Mitbeteiligten am 5. d.M. im Wege der Hinterlegung zugestellt wurde.

2 Mit dem am bei der Behörde eingebrachten Schriftsatz beantragte der rechtsfreundlich vertretene Mitbeteiligte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das genannte Straferkenntnis und holte unter einem die Beschwerde nach. Der Revisionswerber legte, ohne über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden, mit Erledigung vom den "Verwaltungsstrafakt ... zur Entscheidung über die Beschwerde" vor. Im Falle einer positiven Entscheidung hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und sprach gemäß § 25a Abs. 4 VwGG aus, dass eine Revision wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig sei; der (vor dem Verwaltungsgericht) belangten Behörde stehe die Möglichkeit einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

Begründend erwog das Verwaltungsgericht nach einleitender Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung von § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG:

"Aus § 33 Abs. 4 VwGVG ergibt sich, dass bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Behörde mit Bescheid zu entscheiden hat, ab Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht. Zumal die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag samt Beschwerde unerledigt vorgelegt hat, ist diese offensichtlich der Meinung, für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zuständig zu sein bzw. die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Antrag sei mit Vorlage der mit dem Antrag verbundenen Beschwerde auf das Landesverwaltungsgericht Steiermark übergegangen. In rechtlicher Hinsicht ist somit zu klären, ob im gegenständlichen Fall die belangte Behörde oder das Landesverwaltungsgericht für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig ist.

Die Lehre hat sich mit dem zu lösenden Rechtsproblem bislang -

soweit überschaubar - wie folgt auseinandergesetzt:

In Eder/Martschin/Schmid , Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), 99, K3 zu § 33 VwGVG wird ausgeführt wie folgt: ...

Diese Überlegungen in K 2 zu § 30 VwGG lauten wie folgt:

...

In Fister/Fuchs/Sachs , Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 2 zu § 33 VwGVG, wird ausgeführt, ...

Im Kommentar Götzl, Gruber, Reisner, Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, führt Reisner in RZ 28 zu § 33 VwGVG zwar aus, dass es das Gesetz dem Wortlaut nach auch nicht ausschließt, dass die belangte Behörde den gesamten Verfahrensakt mit dem unerledigten Antrag auf Wiedereinsetzung dem Verwaltungsgericht vorlegt, wodurch letzteres auch über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheiden muss, Gruber jedoch führt in RZ 4 zu § 30 VwGG seinerseits aus, dass die Regelung, dass bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der VwGH auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen hat, die Frage aufwirft, ob es für die Zuständigkeit bzw. einen allfälligen Zuständigkeitsübergang nur darauf ankommt, ob bzw. wann eine Vorlage der Revision erfolgt ist. Käme es auf die Vorlage an, so wäre das Verhältnis zu § 30a Abs. 3 zumindest unklar, wonach das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden hat. Davon aber, dass § 30a Abs. 3 eine nicht weiter eingeschränkte Zuständigkeitsanordnung für das Verwaltungsgericht trifft, gehen die EB VerW-AusfG aus, wonach dann, wenn 'die ordentliche Revision nicht als unzulässig zurückzuweisen (ist, ...) das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden haben' soll. Folgt man dem, so geht der Gesetzgeber von der Vorstellung aus, dass immer im Fall der ordentlichen Revision das Verwaltungsgericht (unabhängig von der Vorlage der Revision) und im Fall der außerordentlichen Revision der VwGH über den Aufschiebungsantrag zu entscheiden hat (nach § 30a Abs. 7 sind für außerordentliche Revisionen die Abs. 1 bis 6, also auch Abs. 3,

nicht anzuwenden). ... Es ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen,

gewollt zu haben, dass mit der Aktenvorlage ein Zuständigkeitsübergang hinsichtlich der ordentlichen Revision verbunden bzw. hinsichtlich der außerordentlichen Revision auch eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (bis zur Revisionsvorlage) gegeben sei. Auch liefe es auf eine dem verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren fremde Zuständigkeitsprorogation hinaus, wenn es der Antragsteller - der Aufschiebungsantrag muss nicht gemeinsam mit der Erhebung der Revision, sondern kann auch später gestellt werden - in der Hand hätte, durch Zuwarten auf die Revisionsvorlage eine andere Zuständigkeit (des VwGH) zu bestimmen bzw. es das Verwaltungsgericht hinsichtlich der ordentlichen Revision ebenso in der Hand hätte, sich durch Zuwarten mit der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag bis zur erfolgten Revisionsvorlage seiner Entscheidungspflicht darüber zu entledigen, obwohl es nach § 30a Abs. 3 unverzüglich zu entscheiden hat. Letzteres liefe wieder darauf hinaus, dass es auf einen bloßen Willensakt des Verwaltungsgerichtes für eine Änderung der Zuständigkeit ankomme, ohne dass die Determinanten für einen solchen Willensakt im Gesetz bestimmt wären, ja sogar mit der Anordnung des § 30a Abs. 3 über die unverzügliche Entscheidungspflicht im Widerspruch stünde (vgl. auch mit weiteren Hinweisen).

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , GZ: Ro 2014/04/0069, ausgesprochen, dass an der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes als 'sachnächstes' Gericht zur Entscheidung über einen Antrag auf einstweilige Verfügung selbst die Vorlage der Revision durch das Verwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof nichts ändern kann. Auch eine verfassungskonforme Betrachtung legt dies nahe (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 84/08 = VfSlg. 18.639, wonach eine Zuständigkeitsregelung in einer Weise determiniert sein muss, dass die Behördenzuständigkeit in jedem Fall von vornherein unmissverständlich und klar geregelt ist; vgl. zum Recht auf den gesetzlichen Richter auch Eder/Martschin/Schmid , Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), 215, K2 zu § 30 VwGG).

In Hengstschläger/Leeb , AVG2 § 6 (Stand , rdb.at), wird in Rz 1 ausgeführt wie folgt: ...

Letztlich wird auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , GZ: G20/94, G21/94, G22/94, G23/94, verwiesen, gemäß welchem der mögliche Verlust einer Instanz bei Übertragung des Wahlrechts bei Einbringung einer Berufung auf den Fall der Wiedereinsetzung als Verstoß der Regelung der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag gegen das Gebot einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit beurteilt wurde. Der Verfassungsgerichtshof führt in dem Erkenntnis aus, dass Art. 18 iVm Art. 83 B-VG den Gesetzgeber zu einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit verpflichtet und sich daher eine Auslegung verbietet, die etwa den beteiligten Behörden die Wahl lässt, wer über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet. Ebenfalls wird ausgeführt, dass, ob eine Vorschrift die erforderliche Bestimmtheit aufweist, nicht zuletzt von den mit ihrer Auslegung verbundenen Folgen abhängt. Der mögliche unbeabsichtigte Verlust einer Instanz ist nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes ein gewichtiger, gegen die Übertragung des Wahlrechts bei Einbringung der Berufung auf den Fall der Wiedereinsetzung sprechender Gesichtspunkt. Eine Vergleichbarkeit mit dem Verlust einer Instanz durch Devolution oder Säumnisbeschwerde sieht der Verfassungsgerichtshof nicht, da die mit diesen Begehren ausgelöste Zuständigkeitsänderung eindeutig ist.

Das erkennende Gericht teilt im Sinne einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 33 Abs. 4 VwGVG und damit vor dem Hintergrund des Art. 18 B-VG und dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter die Auffassung, dass die belangte Behörde durch Vorlage des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Übergang der Entscheidungspflicht auf das Verwaltungsgericht herbeiführen kann. Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt die belangte Behörde auch nach Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht weiterhin zuständig, zumal es andernfalls vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen würde, sich ihrer der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es unabhängig von einer diesbezüglichen Antragstellung durch den Wiedereinsetzungswerber einzig und allein im Belieben der vor Vorlage der Beschwerde unzweifelhaft zuständigen Behörde wäre, durch Vorlage der Beschwerde einen Übergang der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag auf das Landesverwaltungsgericht herbeizuführen und damit nach Wahl der Behörde, ohne weitere gesetzliche Vorgaben und unabhängig von einem entsprechenden Parteienantrag einen Wechsel der Zuständigkeit von der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht verbunden mit dem Verlust einer Instanz herbeizuführen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit der Beschwerde am (Poststempel) an die belangte Behörde übermittelt, wo dieser am einlangte. Daher ist im gegenständlichen Fall die belangte Behörde und nicht das Verwaltungsgericht zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig. Daran vermag auch die mittlerweile am erfolgte Vorlage des Antrages an das Landesverwaltungsgericht Steiermark nichts zu ändern.

Diese Unzuständigkeit führt zur Zurückweisung des vorliegenden Antrages, weil mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage - wie auch die durch Vorlage des unerledigten Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde an das Verwaltungsgericht offenbarte Auffassung zeigt - die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zweifelhaft und nicht offenkundig ist ( Hengstschläger/Leeb , AVG II, § 6 (Stand , rdb.at), Rn 14) sowie GZ:

Ro 2014/04/0069).

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden."

4 Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen

Ausspruch nach § 25a VwGG.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Amtsrevision des

Bürgermeisters der Stadt Graz mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und auszusprechen, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig sei, in eventu gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden. Die Revision begründet ihre Zulässigkeit im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zuständigkeit oder zur Entscheidung über eine nach § 33 Abs. 4 VwGVG dem Verwaltungsgericht vorgelegten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit sieht der Revisionswerber darin, wolle die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, habe sie nach dem Willen des Gesetzgebers die Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Aus der Sicht des Revisionswerbers gelte dies auch für den gegenständlichen Fall der Bescheidbeschwerde verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. § 34 VwGVG regle die Frist, innerhalb welcher das Verwaltungsgericht zu entscheiden habe und lege den Zeitpunkt fest, ab wann diese Frist zu laufen beginne. Ab der Vorlage der Beschwerde hätte das Verwaltungsgericht über den gleichzeitig erhobenen Wiedereinsetzungsantrag in der Sache mit Beschluss zu entscheiden gehabt. Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprächen weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Der einschlägige Gesetzeswortlaut schließe nicht aus, dass die belangte Behörde den gesamten Verfahrensakt mit dem "unerledigten" Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Verwaltungsgericht vorlege. Schließlich habe das Landesverwaltungsgericht Steiermark in einem gleichgelagerten Fall in der Sache mit Beschluss einen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen und die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

6 Der Mitbeteiligte hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Eingangs ist festzuhalten, dass - entgegen den ErläutRV zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, (2009 BlgNR 24. GP, 8) - bei Versäumen der Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung ist und nicht §§ 71, 72 AVG, insbesondere nicht § 71 Abs. 4 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (§ 17 VwGVG).

8 Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

9 Nach Abs. 4 leg.cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

10 Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler , Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2015), § 33 VwGVG, Rz 26, führt hiezu (unter Hinweis auf Eder/Martschin/Schmid , Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2014), Anm. 3 zu § 33) aus, die Formulierung des Gesetzes könnte eine verfassungswidrige Doppelzuständigkeit normieren, liege doch das Wahlrecht über die Vorlage der Beschwerde bei der belangten Behörde. Dieses Ergebnis könne nur vermieden werden, wenn die Verpflichtung zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung bei der Stelle bleibe, bei der er eingebracht worden sei. Diese Lösung vermeide auch eine Verkürzung des Rechtszuges.

11 Nach Eder/Martschin/Schmid , aaO, K 3 zu § 33 VwGVG, sei, um § 33 Abs. 4 erster Satz nicht wegen einer Alternativzuständigkeit verfassungswidrig erscheinen zu lassen, dieser systematisch mit Satz 2 zu lesen. Sie verweisen auf ihre Überlegungen zum im VwGG ähnlich gelagerten Problem im Verhältnis Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof und auf ihre Kommentierung zu § 30 VwGG (aaO unter K 2 zu § 30 VwGG), wo sie ausführen, es stelle sich die Frage, ob das Verwaltungsgericht durch Missachtung der ihm obliegenden Pflicht, unverzüglich über den Antrag zu entscheiden, durch Vorlage der Revision einen Übergang der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof herbeiführen könne, zumal § 30a Abs. 3 VwGG von der Möglichkeit einer Zurückstellung nach § 30a Abs. 10 VwGG nicht erfasst sei. Dies werde aber schon im Hinblick auf das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter sowie im Hinblick auf Art. 18 B-VG zu verneinen sein. Es sei daher davon auszugehen, dass es nicht im Belieben des Verwaltungsgerichtes stehe, selbst über den Antrag zu entscheiden oder die Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof abzuwälzen. Als maßgeblich werde vielmehr anzusehen sein, ob der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung noch vor Vorlage der Revision gestellt worden sei oder erst danach. Sei der Antrag noch vor Vorlage der Revision gestellt worden, so bleibe demnach das Verwaltungsgericht für die Erledigung dieses Antrages zuständig, auch wenn die Revision dem Verwaltungsgerichtshof in einem Zeitpunkt vorgelegt werde, in dem über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung noch nicht entschieden worden sei.

12 Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG verpflichte den Gesetzgeber zu einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit. Es verbiete sich daher offenbar eine Auslegung, die etwa den beteiligten Behörden die Wahl lasse, wer über die Wiedereinsetzung entscheide. Ob eine Vorschrift die erforderliche Bestimmtheit aufweise, hänge nicht zuletzt von den mit ihrer Auslegung verbundenen Folgen ab. Der mögliche unbeabsichtigte Verlust einer Instanz sei ein gewichtiger Gesichtspunkt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , G 20/94 u.a. = VfSlg. 13.816, betreffend § 63 Abs. 5 AVG idF BGBl. Nr. 357/1990).

13 Überträgt man alleine die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes aus dem zitierten Erkenntnis vom auf die Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung des § 33 Abs. 4 VwGVG, so verbietet sich eine Auslegung, die es der belangten Behörde überlassen würde, wer über die Wiedereinsetzung zu entscheiden hat. § 33 Abs. 4 VwGVG kann damit verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist.

14 Daraus folgt für den Revisionsfall, dass der Revisionswerber zur Entscheidung über den bei ihm eingebrachten, überdies an ihn gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig war.

15 Damit erweist sich die Amtsrevision als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.

16 Im weiteren Verfahren hat der Revisionswerber über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden.

Wien, am