VwGH vom 30.06.2016, Ro 2016/16/0010

VwGH vom 30.06.2016, Ro 2016/16/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt in 6960 Wolfurt, Senderstraße 30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/1200027/2014, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: K S in T, Tschechien, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass der Mitbeteiligte am einen auf seinem Fahrzeug geladenen, in der Schweiz zugelassenen Ferrari F 12 ohne förmliche Anmeldung über die Zollstelle Hohenems in das Zollgebiet der Union einbrachte. Mit Bescheid vom teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt dem Mitbeteiligten die buchmäßige Erfassung der nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a Zollkodex entstandenen Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt EUR 54.400,-- mit.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht über Beschwerde des Mitbeteiligten den Bescheid vom ersatzlos auf und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Begründend führte das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges (unter Punkt I. seines Erkenntnisses) aus:

"II. Sachverhalt:

Am verbrachte der (Mitbeteiligte), ein in der Tschechischen Republik ansässiger Einzelunternehmer, das Kraftfahrzeug der Marke Ferrari F 12, amtliches Kennzeichen ZG 91 716, aufgeladen auf einen Anhänger, von der Schweiz kommend auf dem Weg nach Prag über die Zollstelle Hohenems in das Zollgebiet der Union. Eine ausdrückliche Zollanmeldung wurde beim Passieren der Zollstelle nicht abgegeben.

Der Auftrag zur Überführung des Fahrzeuges erfolgte durch Auto P S mit Sitz in Zug/Schweiz, welche wiederum von der Fahrzeugeigentümerin damit beauftragt wurde, die Überführung zu organisieren.

Das aufgeladene Fahrzeug war dazu bestimmt im Rahmen eines Golfturniers in Prag vom Präsidenten des Verwaltungsrates der Fahrzeugeigentümerin, der SME AG, benutzt zu werden und im Anschluss daran wieder in die Schweiz auszuführen. Feststellungen, dass das Beförderungsmittel von in der Union ansässigen Personen benützt werden hätte sollen, wurden nicht getroffen.

III. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig schlüssig und zweifelsfrei aus dem vorgelegten Akt des Zollamtes.

IV. Rechtslage:

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Zollkodex (ZK) ...

Die Vertretung kann nach dessen Absatz 2 direkt, wenn der Vertreter im Namen und für Rechnung eines anderen handelt, oder indirekt, wenn der Vertreter in eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt, sein.

Nach Absatz 4 leg.cit. muss der Vertreter erklären, für die vertretene Person zu handeln; er muss ferner angeben, ob es sich um eine direkte oder indirekte Vertretung handelt, und Vertretungsmacht besitzen.

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchst. a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Gemäß Art. 232 Abs. 1 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) können Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für folgende Waren durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 nach Maßgabe des Artikels 579 abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden:

...

Gemäß Art. 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.

Nach Art. 138 ZK wird die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auf Antrag der Person erteilt, welche die Waren verwendet oder verwenden lässt.

In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch genommen werden kann, wird gemäß Art. 141 ZK nach dem Ausschussverfahren festgelegt.

Die betreffend Beförderungsmittel ergangenen Durchführungsvorschriften finden sich in den Art. 555 bis 562 des Kapitels 5, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung.

...

Das beschwerdegegenständliche Kraftfahrzeug erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO. Es ist außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person, nämlich der SME AG, amtlich zugelassen. Das Fahrzeug war auch dazu bestimmt von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person benutzt zu werden. Eine Verwendung durch den Beschwerdeführer wurde weder festgestellt, noch ergibt sie sich aus den Umständen des Falles. Eine Verbringung über die Zollgrenze auf ‚eigener' Achse wird nach Art. 558 ZK-DVO nicht verlangt.

Strittig ist jedoch, ob der Beschwerdeführer als Transportunternehmer, welcher beauftragt wurde das Kraftfahrzeug von der Schweiz nach Tschechien zu verbringen, dieses durch einfaches Überschreiten der Zollgrenze konkludent auf Rechnung der Auftraggeberin zur vorübergehenden Verwendung anmelden durfte.

Die vom Zollamt vertretene Ansicht, dass im Falle eines Beförderungsmittels zum eigenen Gebrauch, bei dem als Verwender und Inhaber des Zollverfahrens nur eine natürliche Person in Betracht komme, welche das Fahrzeug zur Beförderung der eigenen Person verwende, es also selber lenke, ein Vertreter nur eine andere natürliche Person sein könne, die als Fahrzeugführer agiere, wobei der Verfahrensinhaber sich selbst im Fahrzeug befinden müsse, überzeugt nicht.

Nach Art. 5 Abs. 1 ZK kann sich jedermann unter den Voraussetzungen des Artikels 64 Abs. 2 und vorbehaltlich der im Rahmen des Artikels 243 Abs. 2 Buchst. b) erlassenen Vorschriften, gegenüber den Zollbehörden bei der Vornahme der das Zollrecht betreffenden Verfahrenshandlungen vertreten lassen. Eine Einschränkung auf den gewerblichen Verkehr oder bestimmte Anmeldungsformen ist der Bestimmung nicht zu entnehmen.

Art. 5 Abs. 4 ZK verlangt die Erklärung ‚für die vertretene Person' zu handeln. Es muss also feststehen, für welche Person die Verfahrenshandlung vorgenommen wird. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Umständen des Transports und der mitgeführten Dokumente (Transportauftrag, Zulassung) klar erkennbar und leicht kontrollierbar, dass der Beschwerdeführer nicht im eigenen Namen, sondern auf Rechnung des Auftraggebers handelte.

Nach § 38 ZollR-DG genügt für die indirekte Vertretung die Innehabung der Dokumente. Dem zuletzt genannten Erfordernis ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes jedenfalls Genüge getan ...

Der (Mitbeteiligte) konnte somit als indirekter Vertreter das Fahrzeug konkludent im Sinne des Art. 232 ZK-DVO zur vorübergehenden Verwendung anmelden. Diese Bestimmung schränkt die konkludente Zollanmeldung zur Überführung in die vorübergehende Verwendung nicht auf ‚eigene' Fahrzeuge ein und nach Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO müssen Zulassungsinhaber und Verwender auch nicht ein und dieselbe Person sein.

Eine widerrechtliche Verwendung des in Rede stehenden Beförderungsmittels durch den Beschwerdeführer liegt nicht vor. Die beabsichtigte Verwendung durch den in der Schweiz ansässigen Präsidenten des Verwaltungsrates wäre im Rahmen des Art. 558 Abs. 1 Buchst. b) ZK-DVO ebenfalls zulässig gewesen.

Soweit das Zollamt in seinem Bescheid bei den gegebenen Umständen die Überführung in das Versandverfahren als einzig zulässiges Zollverfahren ansieht, ist darauf zu verweisen, dass nach Art. 512 ZK-DVO die Verbringung einer Ware von der Zollstelle der Überführung in das Verfahren zum Bestimmungsort formlos durchgeführt werden kann. Der entsprechende Antrag gilt im Falle einer Zollanmeldung durch andere Formen der Willensäußerung gleich der Bewilligung des Verfahrens als gestellt und bewilligt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufzuheben.

..."

3 Abschließend begründete das Gericht die Zulässigkeit einer Revision damit, zur grundsätzlichen Rechtsfrage zur Vertretung im Falle einer Zollanmeldung durch andere Formen der Willensäußerung liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

4 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt begehrt die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die Abweisung der Amtsrevision beantragt.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die vorliegende Amtsrevision teilt in der Beurteilung ihrer Zulässigkeit die Begründung des Gerichts. Darüber hinaus fehle eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Art. 558 Abs. 1 lit. a und b ZK-DVO zur Frage, ob die im Drittland wohnhafte Person das dort zugelassene Beförderungsmittel im Zeitpunkt der Einfuhr zur eigenen Beförderung verwenden müsse oder ob auch eine spätere Verwendung zulässig sei. Weitere Fragen beträfen die Klärung, ob ein bloßer Transportauftrag als solcher zur Abgabe einer Zollanmeldung in indirekter Vertretung zu werten sei sowie die Entscheidung darüber, wann ein Fahrzeug zur Beförderung und wann es zu Repräsentationszwecken verwendet werde. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit sieht die Amtsrevision u. a. darin, dass im vorliegenden Fall von keiner zollrechtlichen Vertretungsmacht des Mitbeteiligten ausgegangen werden könne. In einer konkludenten Handlung nach Art. 233 ZK-DVO liege keine Vertretung.

Schon damit zeigt die Amtsrevision eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:

7 Nach Art. 4 Nr. 18 des im Revisionsfall noch anzuwendenden Zollkodex - ZK ist Anmelder die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Inhaber des Zollverfahrens ist nach Art. 4 Nr. 21 ZK die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird, oder die Person, die die Rechte und Pflichten der vorgenannten Person im Zusammenhang mit einem Zollverfahren übertragen worden sind. Bewilligungsinhaber ist nach Art. 4 Nr. 22 ZK die Person, der eine Bewilligung erteilt worden ist.

8 Nach Art. 5 Abs. 2 ZK kann die Vertretung sein


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direkt, wenn der Vertreter im Namen und für Rechnung eines anderen handelt;
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indirekt, wenn der Vertreter in eigenem Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt.
Gemäß Art. 5 Abs. 4 ZK muss der Vertreter erklären, für die vertretene Person zu handeln; er muss ferner angeben, ob es sich um eine direkte oder indirekte Vertretung handelt, und Vertretungsmacht besitzen. Personen, die nicht erklären, im Namen oder für Rechnung eines anderen zu handeln, oder die erklären, im Namen oder für Rechnung eines anderen zu handeln, aber keine Vertretungsmacht besitzen, gelten als in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnd.
9 Verfahrenshandlungen im Zollrecht können als Willens- oder Wissenserklärungen abgegeben werden. Art. 5 Abs. 1 erster Unterabs. ZK verlangt die Offenlegung des Vertreterhandelns (Offenkundigkeitsprinzip). Offensichtliches muss allerdings nicht weiter offengelegt werden. Eine Vertretung eines Unternehmers durch seinen Dienstnehmer (zB LKW-Fahrer), die zweifelsfrei erkennbar ist, bedarf keiner
ausdrücklichen Erklärung iSd Art. 5 Abs. 4 ZK (vgl. auch Witte in Witte , Zollkodex6, Rz 24e und 24f zu Art. 5). Auch die indirekte Vertretung im Sinne des Zollkodex ist - anders als nach Zivilrecht - keine verdeckte Stellvertretung (vgl. Witte , aaO, Rz 22 zu Art. 5). Bei konkludenten Anmeldungen nach Art. 233 ZK-DVO liegt mangels ausreichender Offenlegung ein reines Eigengeschäft des direkten wie indirekten Vertreters vor (vgl. Witte , aaO, Rz 53 zu Art. 5 ZK).
10 Nach Art. 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.
11 Nach Art. 138 ZK wird die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auf Antrag der Person erteilt, welche die Waren verwendet oder verwenden lässt.
12 Das Verfahren der Beantragung und Bewilligung der vorübergehenden Verwendung ist vom Überführungsverfahren zu unterscheiden und in den Art. 497 bis 508 der im Revisionsfall noch anzuwendenden ZK-DVO geregelt (vgl.
Henke in Witte , aaO, Rz 10 und 24 zu Art. 138). Die vorübergehende Verwendung kann gemäß Art. 497 Abs. 3 ZK-DVO auch durch Abgabe einer Zollanmeldung in anderer Form als schriftlich oder mündlich, nämlich konkludent oder im Wege einer gesetzlichen Fiktion beantragt werden, wobei gemäß Art. 505 Buchstabe b ZK-DVO durch Annahme der Zollanmeldung, die gemäß Art. 234 Abs. 1 ZK-DVO bei konkludenten Zollanmeldungen fingiert wird, die Bewilligung erteilt wird (vgl. Henke in Witte , aaO, Rz 18 zu Art. 138 ZK, mwN).
13 Ausgehend von den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sah das Gericht die Abgabe einer konkludenten Zollanmeldung im Sinn des Art. 233 ZK-DVO durch den Mitbeteiligten als gegeben und ausreichend an.
14 Mit einer solchen konkludenten Anmeldung wäre aber nur ihm persönlich die Bewilligung zuteil geworden, das geladene Fahrzeug vorübergehend im Gebiet der Union zu verwenden oder verwenden zu lassen. Der Mitbeteiligte erfüllte offensichtlich nicht die persönliche Voraussetzung des Verwenders nach Art. 558 Abs. 1 lit. b ZK-DVO. Zwar kann sich der Inhaber der Bewilligung nach Art. 138 ZK auch anderer Personen zur vorübergehenden Verwendung der Ware bedienen, eine solche Konstellation setzt aber voraus, dass diese unter seiner Verantwortung handeln (vgl.
Henke , aaO, Rz 2 zu Art. 138 ZK).
15 Die Feststellungen des Gerichts bieten keine Grundlage für die Annahme, dass die beabsichtigte (vorübergehende) Verwendung des Fahrzeuges im Gebiet der Union - durch den Präsidenten des Verwaltungsrates der SME AG - unter der Verantwortung des Mitbeteiligten erfolgen sollte.
16 Soweit das Gericht für seine Annahme einer indirekten Vertretung die Innehabung von Transportauftrag und Zulassung durch den Mitbeteiligten und § 38 ZollR-DG ins Treffen führt, ändert auch diese Bestimmung nichts am Erfordernis der Offenlegung der Vertretung, das durch konkludente Erklärungen wie nach Art. 233 ZK-DVO gemeiniglich nicht erfüllt wird.
17 Nach dem Gesagten belastete das Gericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 lit. a VwGG aufzuheben ist.
Wien, am