VwGH vom 19.04.2018, Ro 2016/15/0018

VwGH vom 19.04.2018, Ro 2016/15/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Kitzbühel Lienz in 6370 Kitzbühel, Im Gries 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100522/2012, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 (mitbeteiligte Partei: U GmbH, in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine GmbH, die im Streitzeitraum ein Holzbauunternehmen betrieb, hat ihren Arbeitnehmern am Betriebsstandort und auch an anderen Orten, an denen Montagearbeiten durchgeführt worden sind, die Einnahme von um 4,40 EUR verbilligten Mahlzeiten in Gaststätten ermöglicht. Zu diesem Zweck übergab sie ihren Vorarbeitern oder Partieführern Bargeldbeträge, mit denen in Gaststätten Zuzahlungen von 4,40 EUR für die Konsumation der Arbeitnehmer geleistet worden sind. Zum Nachweis dafür, dass eine Konsumation tatsächlich stattgefunden hat, legten die Vorarbeiter oder Partieführer der Mitbeteiligten Essensrechnungen vor.

2 Im Anschluss an eine Außenprüfung (GPLA) erkannte das Finanzamt die Steuerfreiheit der Essenszuschüsse nicht an und schrieb der Mitbeteiligten die darauf entfallenden Lohnabgaben für das Jahr 2010 vor. § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 sei - so das Finanzamt - im Revisionsfall nicht anwendbar, weil mit dem Begriff "am Arbeitsplatz" nur der Arbeitsplatz am Betriebsstandort und nicht der Montageort anlässlich einer Dienstreise gemeint sei, selbst wenn sich dort gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 ein Mittelpunkt der Tätigkeit befunden habe.

3 Die Mitbeteiligte berief gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und vertrat die Auffassung, dass der Begriff Arbeitsplatz nicht auf den Betriebsstandort beschränkt sei, sondern auch den jeweiligen Montageort umfasse. Zudem habe das Finanzamt auch die Essenszuschüsse für die Verpflegung am Betriebsstandort der Besteuerung unterworfen.

4 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und führte zur Begründung aus, es liege weder eine Verköstigung am Arbeitsplatz vor noch seien Gutscheine ausgegeben worden. Es sei Bargeld geflossen, was eine steuerfreie Zuwendung iSd § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 unmöglich mache. Das gelte für den Betriebsstandort und für die auswärtigen Einsatzorte.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) Folge. Es stellte den eingangs dargestellten Sachverhalt fest, und führte aus, es bestehe kein Zweifel, dass die Mitbeteiligte ihren Arbeitnehmern verbilligte Mahlzeiten (pro Arbeitstag und Arbeitnehmer im Ausmaß von maximal 4,40 EUR) gewährt habe, was vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 umfasst sei. Der Vorteil aus dem Dienstverhältnis sei zu Recht steuerfrei abgerechnet worden. Für diesen Vorteil seien auch kein Dienstgeberbeitrag und kein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag abzuführen.

6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zur Auslegung des Begriffes "am Arbeitsplatz" noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, zu der die mitbeteiligte Partei keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Gemäß § 15 Abs. 1 EStG 1988 liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 EStG 1988 zufließen.

10 Nach § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 in der Stammfassung sind freie oder verbilligte Mahlzeiten, die der Arbeitgeber an nicht in seinen Haushalt aufgenommene Arbeitnehmer zur Verköstigung am Arbeitsplatz freiwillig gewährt, von der Einkommensteuer befreit.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 2000/13/0040, VwSlg 7879/F, zu Recht erkannt, nach dem Wortlaut der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 ist eindeutig nur der geldwerte Vorteil in Form des Naturalbezuges der Kost bzw. Verköstigung am Arbeitsplatz (etwa in betriebseigenen Kantinen) umfasst. Es ist damit nicht rechtswidrig, wenn die Behörde im Beschwerdefall, der dem Erkenntnis VwSlg 7879/F zugrunde lag, die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 nicht auf die an die Arbeitnehmer der Abgabepflichtigen gewährten geldwerten Vorteile in Form von Essenbons von 20 S pro Stück zur Anwendung brachte, auch wenn diese Bons bei der Bezahlung in betriebsnah gelegenen Gaststätten oder von den Gaststätten "zum Betriebsgelände" angelieferten Mahlzeiten Verwendung fanden.

12 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, hat der Gesetzgeber § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 einen zweiten und dritten Satz angefügt. Danach bleiben Gutscheine für Mahlzeiten bis zu einem Wert von 4,40 EUR pro Arbeitstag steuerfrei, wenn die Gutscheine nur am Arbeitsplatz oder in einer nahe gelegenen Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden. Können die Gutscheine auch zur Bezahlung von Lebensmitteln verwendet werden, die nicht sofort konsumiert werden müssen, sind sie bis zu einem Betrag von 1,10 EUR pro Arbeitstag steuerfrei.

13 Von der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 werden daher seit dem Abgabenänderungsgesetz 2004 freie oder verbilligte Mahlzeiten am Arbeitsplatz, Gutscheine für Mahlzeiten in einer Gaststätte in der Nähe des Arbeitsplatzes (Menügutscheine) und Gutscheine für Lebensmittel (Lebensmittelgutscheine) erfasst. § 3 Abs. 1 Z 17 1. Satz EStG 1988 blieb von der mit BGBl. I Nr. 180/2004 erfolgten Gesetzesänderung unberührt, weshalb die Einnahme von Mahlzeiten außerhalb des Betriebes (z.B. in Gaststätten) nach dem klaren Gesetzeswortlaut von der Befreiung nicht erfasst ist; dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis vom , 2000/13/0040, VwSlg 7879/F, verwiesen (vgl. idS auch Doralt et al, EStG18, § 3 Tz 170; ebenso Jakom/Laudacher, EStG, 2017, § 3 Tz 96).

14 Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, dass die Mitbeteiligte ihren Arbeitnehmern am Betriebsstandort und auch an anderen Orten, an denen Montagearbeiten durchgeführt worden sind, die Einnahme von um 4,40 EUR verbilligten Mahlzeiten in Gaststätten ermöglicht und zu diesem Zweck ihren Vorarbeitern oder Partieführern Bargeldbeträge übergeben hat, mit denen in Gaststätten Zuzahlungen von 4,40 EUR für die Konsumation der betroffenen Arbeitnehmer geleistet worden sind.

15 Von der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 17 EStG 1988 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2004 sind wie bereits ausgeführt freie oder verbilligte Mahlzeiten am Arbeitsplatz (etwa in betriebseigenen Kantinen), Gutscheine für Mahlzeiten in einer Gaststätte und Gutscheine für Lebensmittel erfasst. Nicht von der Befreiung erfasst ist die Gewährung von Zuschüssen zur Einnahme von Mahlzeiten in Gaststätten, wie sie das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis festgestellt hat.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150018.J00

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