VwGH vom 25.10.2017, Ro 2016/12/0027
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der B B in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W217 2111335-1/6E, betreffend Bemessung von Ruhebezügen (vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die am geborene Revisionswerberin ist gemäß § 13 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, mit Ablauf des in den Ruhestand getreten.
2 Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom wurde festgestellt, dass ihr vom an ein Ruhegenuss von monatlich brutto EUR 2.483,87 sowie eine Nebengebührenzulage von monatlich brutto EUR 595,70 gebühre.
3 In einer Eingabe vom brachte sie (u.a.)
Folgendes vor:
"... Meine ursprünglich ermittelte Pension betrug inklusive
Nebengebührenzulage brutto: 3.079,57 Euro. Nach Ablauf der zusätzlichen einjährigen Wartezeit erfolgte die erste Pensionsanpassung ab mit 1,6 % (das sind brutto: 3.128,84 Euro monatlich). Mit Wirksamkeit vom wurde meine Pension unter Anwendung des § 41 Abs. 3 PG mit einer Deckelung von 47,43 Euro versehen, worauf meine Gesamtpension mit brutto:
3.176,278 Euro festgesetzt wurde. § 41 Abs. 3 PG hat folgenden Wortlaut:
‚Die in § 634 Abs. 12 ASVG für das Kalenderjahr 2010 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist bei vor dem geborenen Beamten, die sich am im Dienststand befunden haben, bei den ersten drei Anpassungen Ihrer Ruhebezüge oder von diesen abgeleiteten Versorgungsbezüge anzuwenden, sofern nicht für das jeweilige Kalenderjahr keine von § 108 h Abs. 1 ASVG abweichende Regelung gilt.'
Die im § 634 Abs. 12 ASVG festgelegte Vorgangsweise bedeutet eine Deckelung der Pension mit 60 % der Höchstbeitragsgrundlage im ASVG. Da die Höchstbeitragsgrundlage im ASVG für das Kalenderjahr 2015 mit 4.650 Euro festgesetzt wurde, bedeutet dies, dass 60 % der Höchstbeitragsgrundlage im ASVG einen Deckelungsgrenzbetrag von 2.790 Euro ergibt. Meine Beamtenpension wurde für das Jahr 2015 nicht im Ausmaß von 1,7 % angehoben sondern bis zum Betrag von 2.790 Euro erhielt ich eine Pensionsanpassung von 1,7 %, jene Beträge die diesen Grenzbetrag bei meiner Pension übersteigen, wurden nicht erhöht. Tatsächlich wurde meine Pension um 47,43 Euro angehoben. Hätte die generelle Pensionserhöhung von 1,7 % auch in meinem Fall (ohne Deckelung) gegriffen, hätte mein Ruhebezug anstelle mit 3.176,27 Euro mit 3.182,03 angehoben werden müssen. Da es sich in meinem Fall im Jahr 2015 um die zweite Pensionsanpassung handelt, würde bei Anwendung der Rechtslage des § 41 Abs. 3 anlässlich der nächsten Pensionserhöhung im Jahr 2016 die von mir beschriebene Deckelung nochmals greifen und der Abstand gegenüber einer generellen einheitlichen Pensionsanpassung sich weiter vergrößern."
4 Die Revisionswerberin vertrat die Auffassung, die Anwendung des § 41 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), verstoße gegen Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL). Er benachteilige nämlich ältere (vor dem geborene) Beamte gegenüber jüngeren (nach diesem Zeitpunkt geborenen) Beamten in Ansehung der für die Pensionserhöhung vorgesehenen Modalitäten. Die Revisionswerberin beantrage daher die bescheidmäßige Feststellung des ihr zustehenden Ruhegenusses sowie der ihr zustehenden Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss.
5 Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom wurde auf Grund dieses Antrages gemäß § 41 Abs. 1, 2 und 3 PG 1965 festgestellt, dass der Revisionswerberin ab ein Ruhegenuss inklusive einer Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss in Höhe von monatlich brutto EUR 3.176,27 gebühre.
6 Bei dieser Bemessung brachte die Pensionsbehörde auch § 41 Abs. 3 PG 1965 zur Anwendung. Sie vertrat mit näherer Begründung die Rechtsauffassung, diese Bestimmung sei verfassungskonform. Eine Diskriminierung liege auch deshalb nicht vor, weil die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten jüngeren Beamten - anders als sie selbst - dem System der Parallelrechnung gemäß § 99 PG 1965 unterlägen.
7 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dort vertrat sie die Rechtsauffassung, die hier in Rede stehende Ungleichbehandlung vor und nach dem geborener Beamter in Ansehung der Pensionsanpassung sei unionsrechtlich verpönt, wobei sie sich in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom in der Rechtssache C- 123/10, Waltraud Brachner, berief.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wurde diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
9 In rechtlicher Hinsicht erwog das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der angewendeten Gesetzesbestimmungen Folgendes:
"Die BF erachtet sich durch die Anwendung des § 41 Abs. 3 PG 1965 in ihren Rechten verletzt. Diese Bestimmung verstoße gegen Unionsrecht, weil damit (gegenüber den ab dem Geborenen) eine Deckelung der ersten drei Anpassungen ihrer Ruhebezüge normiert wurde. Auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts sei die ungleiche Pensionsanpassung des § 41 Abs. 3 PG nicht anzuwenden und die generelle Pensionserhöhung von 1,7 % auch für den Ruhebezug der BF im Jahr 2015 vorzunehmen.
Die oben dargestellte Novellierung des § 41 Abs. 3 PG 1965 (durch das Pensionsharmonisierungsgesetz) führt hinsichtlich der Anwendung der Vorgangsweise des § 634 Abs. 12 ASVG lediglich für vor dem geborene Beamte (die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Dienststand befunden haben) eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. a der RL ein (vgl. ;
, 2010/12/0168, und die dort zitierten Fuchs und Köhler, C-159/10 und C-160/10, Rn 33 und 34; vom , Georgiev, C-250/09 und C-268/09, Rn 32;
sowie vom , Rosenbladt, C-45/09, Rn 37).
Nach Art. 6 Abs. 1 der (entsprechend ihrem 6. und 25. Erwägungsgrund inhaltlich die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer konkretisierenden) RL stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters dann keine Diskriminierung dar, wenn sie objektiv und angemessen ist sowie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind (vgl. etwa die Kommission/Ungarn, C- 286/12, Rn 60; vom , Hörnfeldt, C-141/11, Rn 21; Fuchs und Köhler, Rn 35; und Georgiev, Rn 36).
Im Urteil Unland vom , C-20/13, Rn 57, hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die Mitgliedsstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung, über einen weiten Ermessensspielraum verfügen.
Die nähere Prüfung, ob derartige Regelungen (nach Untersuchung des mit ihnen verfolgten Zieles) mit der RL zu vereinbaren sind, stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine Aufgabe des nationalen Gerichtes dar (Urteil Georgiev, Rn 43; sowie Urteil vom , Age Concern England, C-388/07, Rn 47).
Nach den oben angeführten Materialien war Ziel der Novellierung des § 41 Abs. 3 PG 1965 (durch das Pensionsharmonisierungsgesetz), bei der Regelung über die Anpassung der Beamtenpensionen ganz allgemein an die Anpassung in der gesetzlichen Pensionsversicherung zu verweisen und nicht - wie zuvor - auf einen Anpassungsfaktor, da ein solcher nicht immer einheitlich festgesetzt wird. Damit sollte gewährleistet werden, dass die Sonderanpassungsregelungen des ASVG auch für Beamtenpensionen direkt wirksam werden. Durch die Einbeziehung der Beamten, die sich am im Dienststand befunden und ihr
50. Lebensjahr bereits vollendet haben, in den Sonderanpassungsmechanismus des ASVG, sollte gewährleistet werden, dass auch diese Beamtengruppe einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen leistet.
Durch Erlassung des am in Kraft getretenen Pensionsharmonisierungsgesetzes wurde das Ziel der langfristigen Sicherung des auf dem Umlageverfahren beruhenden österreichischen Pensionssystems verfolgt. Als ein Kernelement der nachhaltigen Pensionssicherung wurde die Harmonisierung aller Pensionssysteme zur Stärkung des Vertrauens, vor allem junger Menschen, in die zukünftige Leistungsfähigkeit der österreichischen Alterssicherung, angesehen. Vor allem im Hinblick auf das Vertrauen und die Absicherung der jüngeren Generationen in eine leistungsfähige und beitragsgerechte Alterssicherung, welche sich an den geänderten Rahmenbedingungen - späterer Eintritt in das Erwerbsleben und längere Lebenserwartung - orientiert, war es nach den Materialien erforderlich, die mit der Pensionsreform 2000 begonnenen Schritte rasch weiter zu führen und zu entwickeln, um einerseits die langfristige und nachhaltige Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystems zu sichern und andererseits, um insbesondere den Generationenvertrag, vor allem aber Gerechtigkeit zwischen und innerhalb der Generationen, aufrechtzuerhalten. Als Übergang vom zuvor bestandenen Pensionsrecht auf das harmonisierte Pensionsrecht wurde die Parallelrechnung für alle unter 50- Jährigen eingeführt.
So regelt § 99 seit Erlassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes im XIII. Abschnitt des PG 1965 (‚Sonderbestimmungen für nach dem geborene Beamte') die Parallelrechnung für nach dem und vor dem geborene Beamte, die vor dem in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen worden sind und sich am im Dienststand befunden haben.
Vor dem geborene Beamte unterliegen somit nicht der Pensionsharmonisierung.
Die getroffene gesetzliche Maßnahme, die ersten drei Anpassungen der Ruhebezüge von vor dem geborenen Beamten, die sich am bzw. am im Dienststand befunden haben, bei Überschreitung von 60 % der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG einer Deckelung zu unterstellen, ist demnach unbedingt erforderlich gewesen, um das angestrebte Ziel eines Beitrages dieser Beamtengruppe zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen sowie im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit zwischen und innerhalb der Generationen zu erreichen. Dabei ist darauf Bedacht genommen worden, die Nachteile für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten und den gebotenen Vertrauensschutz zu gewährleisten.
Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig und angemessen, da die vor geborenen Beamten nicht der Pensionsharmonisierung unterliegen, sodass die Einführung dieser Bestimmung Voraussetzung dafür war, dass auch diese Beamtengruppe einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen leistet.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts liegen somit nachvollziehbar jene Gründe, nämlich u.a. auch solche aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, vor, welche die Anwendung der Sonderanpassungsbestimmungen des ASVG auf vor dem geborene Beamte, die sich am bzw. am im Dienststand befunden haben, als notwendig und damit nach der Richtlinienbestimmung als gerechtfertigt erscheinen lassen.
Das Vorbringen der rechtsfreundlichen Vertretung der BF in der mündlichen Verhandlung, vom , dass lediglich budgetäre Gründe Hintergrund für die Gesetzesänderung gewesen seien, ist jedenfalls nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu gelangen.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, sich im Hinblick auf die Sicherung einer langfristigen und nachhaltigen Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystems sowie unter Bedachtnahme auf den Generationenvertrag für eine Stichtagsregelung wie die vorgesehene zu entscheiden, zumal diese zur Erreichung des angestrebten Zieles angemessen und erforderlich ist.
Aus den aufgezeigten Überlegungen ist das erkennende Gericht zur Rechtsansicht gelangt, dass die getroffene Regelung mit Art. 6 Abs. 1 der RL zu vereinbaren ist, weil sie objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel, u.a. aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, gerechtfertigt und erforderlich ist."
10 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht wie folgt:
"Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Unionsrechtskonformität der Anwendung der pensionsrechtlichen Sonderanpassungsbestimmung für die ersten drei Anpassungen der Ruhebezüge von Beamten, die vor dem geboren sind und sich am im Dienststand befunden haben (sofern für das jeweilige Kalenderjahr keine von § 108h Abs. 1 ASVG abweichende Regelung gilt), fehlt."
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, wobei die Revisionswerberin der Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes beitritt, ohne eigene Zulassungsgründe zu formulieren.
12 Die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 § 41 PG 1965 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem
Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010 lautet:
"Auswirkungen künftiger Änderungen dieses Bundesgesetzes und
Anpassung der wiederkehrenden Leistungen
§ 41. (1) Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.
(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits
1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder
2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem
1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.
Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.
(3) Die in § 634 Abs. 12 ASVG für das Kalenderjahr 2010 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist bei vor dem geborenen Beamten, die sich am im Dienststand befunden haben, bei den ersten drei Anpassungen ihrer Ruhebezüge oder der von diesen abgeleiteten Versorgungsbezüge anzuwenden, sofern für das jeweilige Kalenderjahr keine von § 108h Abs. 1 ASVG abweichende Regelung gilt."
14 § 634 Abs. 12 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 81/2013 lautet:
"(12) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz hat der
Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz in der
Verordnung nach § 108 Abs. 5 für die Kalenderjahre 2009 und 2010
die Pensionsanpassung so vorzunehmen, dass
1. jene Pensionen, die 60% der Höchstbeitragsgrundlage nach
§ 45 nicht überschreiten, für das Kalenderjahr 2009 mit dem
Faktor 1,034 und für das Kalenderjahr 2010 mit dem
Anpassungsfaktor zu vervielfachen sind und
2. alle übrigen Pensionen mit einem Fixbetrag zu erhöhen
sind, der der Erhöhung von 60% der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 mit dem Faktor 1,034 für das Kalenderjahr 2009 und mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2010 entspricht."
15 § 99 PG 1965 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 210/2013 lautet:
"ABSCHNITT XIII
Sonderbestimmungen für nach dem geborene
Beamte
Parallelrechnung
§ 99. (1) Abschnitt XIII gilt nur für Beamte, die nach dem und vor dem geboren sind, vor dem in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen worden sind und sich am im Dienststand befinden.
(2) Dem Beamten gebührt der nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bemessene Ruhe- oder Emeritierungsbezug nur in dem Ausmaß, das dem Prozentausmaß nach § 7 bzw. § 90 Abs. 1 entspricht, das sich aus der vom Beamten bis zum erworbenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ergibt.
(3) Neben dem Ruhe- oder Emeritierungsbezug ist für die Beamtin oder den Beamten eine Pension unter Anwendung des APG und der §§ 6 Abs. 3 und 15 Abs. 2 APG in der am geltenden Fassung zu bemessen. § 15 und § 16 Abs. 5 APG sind dabei nicht anzuwenden. Die Pension nach dem APG gebührt in dem Ausmaß, das der Differenz des Prozentsatzes nach Abs. 2 auf 100% entspricht.
(4) Nach § 9 zugerechnete Zeiten sind bei der Anwendung der Abs. 2, 3 und 6 nicht zu berücksichtigen. Bei angerechneten Zeiträumen ist jeweils die tatsächliche zeitliche Lagerung des angerechneten Zeitraums maßgebend.
(5) Die Gesamtpension des Beamten setzt sich aus dem anteiligen Ruhe- oder Emeritierungsbezug nach Abs. 2 und aus der anteiligen Pension nach Abs. 3 zusammen.
(6) Eine Parallelrechnung ist nicht durchzuführen, wenn der Anteil der ab erworbenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit an der gesamten ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit weniger als 5% oder weniger als 36 Monate beträgt. In diesem Fall ist der Ruhebezug nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme dieses Abschnitts zu bemessen."
16 Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, Art. 3 Abs. 1 lit. c sowie Art. 6 Abs. 1 RL lauten (auszugsweise):
"Artikel 2
Der Begriff ‚Diskriminierung'
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz', dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine
Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
...
Artikel 3
Geltungsbereich
(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
...
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen,
einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;
...
Artikel 6
Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind."
17 Die Revision erweist sich - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - als zulässig, weil zur Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Anwendungsvorrang des Art. 2 RL der Anwendung der Sonderanpassungsbestimmung des § 41 Abs. 3 PG 1965 auf vor dem geborene und am im Dienststand befindlich gewesene Beamte entgegensteht, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert.
18 Die Revision erweist sich auch als berechtigt:
19 Die nach dem PG 1965 dem Bundesbeamten zustehende Pension ist einem Arbeitsentgelt der Beamten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c RL gleichzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine gemäß § 99 Abs. 5 PG 1965 zustehende Gesamtpension handelt (vgl. zu all dem das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , Rs C-529/13, Felber, Rz 24).
20 Die Festlegung ihrer jeweiligen Höhe ist daher - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - an Art. 2 und 6 RL zu messen.
21 Wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, beruht die in § 41 Abs. 3 PG 1965 in Abweichung von den sonstigen Regeln festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung für vor dem geborene Beamte auf einer unmittelbaren Ungleichbehandlung auf Grund des Alters. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen die unmittelbar anwendbare RL, sofern sie nicht aus dem Grunde des Art. 6 RL gerechtfertigt ist.
22 In diesem Zusammenhang vertrat das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst - die Auffassung, die hier vorliegende Schlechterstellung von Beamten, die vor dem geboren wurden, gegenüber jüngeren Beamten in Ansehung der Pensionsanpassung sei gerechtfertigt, weil auch diese (älteren) Beamten einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen (durch eine geringere Anpassung in den ersten drei Jahren des Pensionsbezuges) leisten sollen. Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht offenkundig davon aus, dass die zu einem solchen Beitrag nicht herangezogenen jüngeren Beamten ihren Beitrag zu diesem Ziel dadurch zu leisten haben, dass für sie die (ungünstigere) Bemessung der Ruhebezüge im Wege der Parallelrechnung gemäß § 99 Abs. 1 bis 5 PG 1965 zur Anwendung gelangt.
23 Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass die in der vorzitierten Gesetzesbestimmung vorgesehene Parallelrechnung nicht für alle nach dem geborenen (jüngeren) Beamten gilt. Aus dem Grunde des § 99 Abs. 6 PG 1965 ist nämlich eine Parallelrechnung nicht durchzuführen, wenn der Anteil der ab erworbenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit an der gesamten ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit weniger als 5 % oder weniger als 36 Monate beträgt. In diesem Fall ist der Ruhebezug nach den Bestimmungen des PG 1965 mit Ausnahme des Abschnittes XIII zu bemessen.
24 Daraus folgt, dass nach dem geborene Beamte, welche unter die Ausnahmebestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 fallen, der Parallelrechnung ebenso wenig unterliegen wie die Revisionswerberin. Dennoch kommt für diese Beamte - weil sie nicht vor dem geboren sind - die ungünstige Pensionsanpassungsregel des § 41 Abs. 3 PG 1965 nicht zur Anwendung, sodass der vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführte Rechtfertigungsgrund gemäß Art. 6 RL für eine Ungleichbehandlung der Revisionswerberin im Vergleich zu dieser Gruppe jüngerer Beamter nicht zum Tragen kommt.
25 Jedenfalls in Ermangelung anderer vom Bundesverwaltungsgericht festgestellter bzw. ins Treffen geführter Rechtfertigungsgründe stünde aber der Anwendungsvorrang des Art. 2 RL einer Anwendung des § 41 Abs. 3 PG 1965 entgegen, weil dadurch die Altersgruppe der Revisionswerberin gegenüber nach dem geborenen Beamten, auf welche die Sonderbestimmung des § 99 Abs. 6 PG 1965 Anwendung findet, diskriminiert wäre. Die zuletzt genannte Altersgruppe erlangt nämlich nicht nur - wie die erstgenannte Altersgruppe - einen ihrer bisherigen Dienst- und Beitragsleistung angepassten, ausschließlich nach den günstigeren Regeln des PG 1965 ermittelten (Erst-)Ruhebezug, sondern darüber hinaus - anders als die erstgenannte Altersgruppe - eine günstigere Anpassung desselben während der ersten drei Jahre des Ruhestandes.
26 Indem das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtslage verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb es aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
27 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am
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