VwGH vom 20.03.2018, Ro 2016/10/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revisionen der 1. R R, des 2. N R, beide in S, beide vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zlen. LVwG-9/266/6-2016, LVwG-9/267/6-2016, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Revisionswerber gemäß § 44a Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 19/1975 idF. LGBl. Nr. 10/2002 (SSHG), verpflichtet, dem Land Salzburg als Sozialhilfeträger zu dem für Frau K.B. in der Zeit von bis entstandenen Sozialhilfeaufwand in Höhe von insgesamt EUR 13.897,48 einen Kostenersatz in Höhe von jeweils EUR 6.948,74 zu leisten (I.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt (II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, K.B. (im Folgenden: Übergeberin) sei per in ein näher genanntes Seniorenwohnheim in der Gemeinde A. eingetreten. Die hiefür vom Land Salzburg als Sozialhilfeträger aufgewendeten Kosten hätten bis zum EUR 13.897,48 betragen.
3 Die Übergeberin sei seit 1988 Alleineigentümerin einer näher genannten Liegenschaft samt darauf errichtetem Wohnhaus in S gewesen.
4 Mit Übergabsvertrag vom habe die Übergeberin die Liegenschaft und das Wohnhaus je zur Hälfte an die Revisionswerber übertragen. In Pkt. III. des Übergabsvertrags sei dieses Rechtsgeschäft als "Freundschaftskauf (gemischter Vertrag)" tituliert worden, zumal die Erstrevisionswerberin die Nichte der Übergeberin sei.
5 Die Revisionswerber hätten sich in Pkt. III. des Vertrages zu folgenden "Gegenleistungen" für die Übertragung der Liegenschaft verpflichtet:
Der Übergeberin sei das lebenslange und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung (sowie die Mitbenützung des Kellers und Gartens) grundbücherlich eingeräumt worden.
Die Revisionswerber hätten sich weiters zur Duldung des zugunsten des P. und der J.O. auf der Liegenschaft bereits bestehenden grundbücherlichen Wohnungsgebrauchsrechts (gemäß einer von diesen im Jahr 1994 mit der Übergeberin abgeschlossenen Vereinbarung) verpflichtet, sowie, die Übergeberin diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Für den Fall der Ablöse dieses Wohnungsgebrauchsrechts hätten sich die Revisionswerber zur Übernahme sämtlicher Verpflichtungen des P. und der J.O. gegenüber der Übergeberin, insbesondere zur Leistung der 1994 vertraglich zugesicherten wertgesicherten monatlichen Zahlungen, verpflichtet.
6 Der Einheitswert der von der Übergeberin an die Revisionswerber übertragenen Liegenschaft betrage EUR 13.299,13, der dreifache Einheitswert belaufe sich somit auf EUR 39.897,39. Hievon entfielen auf die Revisionswerber je die Hälfte, sohin je EUR 19.948,70. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages am habe der Verkehrswert der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft samt Wohnhaus zumindest EUR 150.000,-- betragen.
7 Gemäß § 44 (richtig: § 42) SSHG seien Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs u.a. von bestimmten Geschenknehmern zu ersetzen. Die Ersatzpflicht der Geschenknehmer sei in § 44a SSHG geregelt.
8 Im vorliegenden Fall ergebe sich bereits aus Pkt. III. des Übergabsvertrages, dass es sich um einen "Freundschaftskauf" handle, nämlich um einen gemischten Vertrag, der aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil bestehe.
9 Bei der Bewertung einer Übergabsliegenschaft seien - nach näher zitierter höchstgerichtlicher Rechtsprechung - alle Belastungen zu berücksichtigen, die die Übernehmer zu übernehmen hätten.
10 Im gegenständlichen Fall seien daher - bezogen auf den Übergabszeitpunkt - das der Übergeberin von den Revisionswerbern eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht sowie das bereits bestehende Wohnungsgebrauchsrecht der P. und der J.O., welches (infolge eines am mit den Revisionswerbern abgeschlossenen Mietvertrags) der Duldungspflicht durch die Revisionswerber unterworfen gewesen sei, bei der Bewertung der Übergabsliegenschaft als wertmindernd zu berücksichtigen.
11 Der Wert dieser Wohnungsgebrauchsrechte betrage EUR 35.531,93 bzw. EUR 84.637,05.
12 Die beiden genannten Beträge (sohin insgesamt EUR 120.168,98) seien vom maßgeblichen Verkehrswert der übernommenen Liegenschaft in Höhe von EUR 150.000,-- in Abzug zu bringen. Demnach ergebe sich ein verbleibender Wert von EUR 29.831,02, in welchem Ausmaß die Übertragung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft als unentgeltlich und somit als Schenkung anzusehen sei. Auf die Revisionswerber entfielen sohin je EUR 14.915,51.
13 Der auf die Revisionswerber entfallende Betrag von je EUR 14.915,51 liege über dem nach § 44a Abs. 1 SSHG zu berücksichtigenden Schonvermögen (in Höhe von EUR 4.645,--), weshalb die Verpflichtung zum Kostenersatz bestehe, zumal mit diesem Betrag auch die in § 44a Abs. 2 SSHG normierte Obergrenze des dreifachen Einheitswerts nicht erreicht werde.
14 Ausgehend von den angefallenen Sozialhilfekosten in Höhe von EUR 13.897,48 seien die Revisionswerber daher zum Kostenersatz in Höhe von jeweils EUR 6.948,74 zu verpflichten gewesen.
15 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zur Berechnung des geschenkten Vermögens nach § 44a SSHG und damit einhergehend zur Frage der Ersatzpflicht im Sinne der zitierten Norm in der hier vorliegenden Konstellation, wo die Geschenk- bzw. Übernehmer aus ihrem eigenen Vermögen keine Gegenleistung zu erbringen haben, jedoch Wohnungs- oder Wohnungsgebrauchsrechte auf der ihnen übertragenen Liegenschaft zu dulden haben, fehlt".
16 In den vorliegenden Revisionen wird u.a. vorgebracht, die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, wonach bei der Ermittlung des Werts der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft vom Verkehrswert auszugehen sei, sei mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Einklang zu bringen. Nach dem Erkenntnis vom , 2008/10/0051, welches auf das Erkenntnis vom , 2007/10/0317, verweise, sei der dreifache Verkehrswert ausschlaggebend. Demnach bestehe im vorliegenden Fall keine Ersatzpflicht.
17 Die belangte Behörde und die Salzburger Landesregierung erstatteten Revionsbeantwortungen.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die Zulässigkeit der Revision setzt zudem voraus, dass das Schicksal der Revision von der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa , mwN).
20 Mit dem (unter Rz. 16) genannten Vorbringen zeigen die Revisionen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Revisionen sind daher zulässig. Sie sind auch berechtigt.
21 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Auffassung zu Grunde, den Revisionswerbern sei von der seit Sozialhilfe durch Unterbringung in einem Seniorenheim empfangenden K.B. mit - als gemischter Schenkung zu qualifizierendem - Übergabsvertrag vom Vermögen im Ausmaß von EUR 29.831,02,-- unentgeltlich übertragen worden. Das Verwaltungsgericht ging bei der Ermittlung dieses Betrages vom Verkehrswert der übertragenen Liegenschaft aus.
22 Nach der - vom Verwaltungsgericht zitierten - hg. Judikatur liegt eine gemischte Schenkung grundsätzlich dann vor, wenn die Parteien einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen vermischten Vertrag schließen wollten. In Fällen, in denen schutzwürdige Interessen Dritter (im vorliegenden Fall somit die Interessen des Sozialhilfeträgers) berührt werden, kommt einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allerdings ein besonderer Indizwert für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zu. In welchem Ausmaß eine Liegenschaftsübergabe als entgeltlich und als unentgeltlich zu werten ist, muss nach den objektiven Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden. Bei der Bewertung der übertragenen Liegenschaften sind alle Belastungen zu berücksichtigen, die der Übernehmer zu übernehmen hat. Insbesondere vermindert sich der Wert der übernommenen Liegenschaft um den nach versicherungsmathematischen Grundsätzen der statistischen Lebenserwartung des Übergebers zu ermittelnden Wert eines eingeräumten Wohnrechts. Die Gegenleistung ist der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen der statistischen Lebenserwartung des Übergebers zu ermittelnde Wert der vom Übernehmer als Entgelt übernommenen Verpflichtungen (vgl. etwa , mit Hinweis auf , mwN).
23 Der Wert der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft verminderte sich für die Revisionswerber nach den Berechnungen des Verwaltungsgerichts - das sich dabei innerhalb der in den genannten hg. Erkenntnissen aufgestellten Leitlinien bewegt hat - durch die Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts an die Übergeberin im Ausmaß von EUR 35.531,93 sowie durch die Übernahme der Lasten aus dem Wohnungsgebrauchsrecht des P. und der J.O. im Ausmaß von EUR 84.637,05, sohin insgesamt um EUR 120.168,98.
24 Gemäß § 42 SSHG sind Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes (wozu gemäß § 17 SSHG auch die Unterbringung in Anstalten oder Heimen zählt) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen u.a. von bestimmten Geschenknehmern (§ 44a) zu ersetzen.
25 Gemäß § 44a Abs. 1 SSHG ist, wenn der Sozialhilfeempfänger
a) innerhalb von fünf Jahren vor, b) während der oder c) innerhalb von drei oder bei einer Hilfegewährung nach § 17 fünf Jahren nach Gewährung einer Sozialhilfe Vermögen im Wert von mehr als dem Zehnfachen des Richtsatzes für Alleinunterstützte (§ 12 Abs. 2 Z. 1) verschenkt oder solches Vermögen nur unter Erhalt einer in einem groben Missverhältnis zum Wert des Vermögens stehenden Gegenleistung übertragen hat, der Geschenknehmer bzw. Erwerber zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Dies gilt auch für Schenkungen auf den Todesfall.
26 § 44a SSHG regelt somit die Ersatzpflicht des Geschenknehmers für Sozialhilfekosten, wobei Abs. 1 die Bestimmungen über die Voraussetzungen und Abs. 2 die Bestimmungen über die Höhe der Ersatzpflicht enthält.
27 Die Ersatzpflicht gemäß Abs. 1 ist gemäß § 44a Abs. 2 SSHG mit dem Wert des geschenkten Vermögens bzw. des ohne entsprechende Gegenleistung erworbenen Vermögens begrenzt. Für Vermögen, für das nach bewertungsrechtlichen Vorschriften ein Einheitswert festzusetzen ist, gilt als Obergrenze das Dreifache des jeweiligen Einheitswertes.
28 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , 2007/10/0317, und vom , 2008/10/0051, dargelegt hat, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe in diesen beiden in einem engen Konnex zueinander stehenden Bestimmungen unter dem "Wert des geschenkten Vermögens" jeweils etwas anderes verstanden. Die in § 44a Abs. 2 zweiter Satz SSHG für die Grenze der Berechnung der Ersatzpflicht normierte Bewertung des geschenkten Vermögens nach dem Einheitswert gilt daher auch für die Berechnung der Bagatellgrenze gemäß Abs. 1 (und zwar für beide der dort geregelten Fälle).
29 Nach dieser Rechtsprechung ist daher der Beurteilung der Ersatzpflicht nach § 44a SSHG der dreifache Einheitswert einer verschenkten Liegenschaft zu Grunde zu legen. Indem das Verwaltungsgericht demgegenüber vom Verkehrswert ausgegangen ist, ist es von der erwähnten hg. Rechtsprechung abgewichen.
30 Da im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der dreifache Einheitswert der mit Übergabsvertrag vom übergebenen Liegenschaft EUR 39.897,39 betrug, die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen der Revisionswerber jedoch einen Gesamtwert von EUR 120.168,98 erreichten, liegen schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht der Revisionswerber als Geschenknehmer gemäß § 44a Abs. 1 SSHG nicht vor (vgl. das erwähnte Erkenntnis 2008/10/0051).
31 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
32 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
33 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016100033.J00 |
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Fundstelle(n):
JAAAE-94248