VwGH vom 28.03.2017, Ro 2016/09/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-10/120/1/15-2016, betreffend Dienstfreistellungen nach dem Bundes-Personalvertretungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. HOL S G in A, und 2. Zentralausschuss der Personalvertretung Pflichtschullehrer/Innen Salzburg, beide vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Das Land Salzburg hat den MitbeteiligtenAufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/09/0015, verwiesen. Zusammengefasst ging es darin um die mit den Beschlüssen des zweitmitbeteiligten Zentralausschusses vom 8. und beantragten (insgesamt vier) Dienstfreistellungen von Personalvertretern nach § 25 Abs. 4 und 5 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) für die Funktionsperiode 2014 bis 2019. Das gegenständliche Verfahren betrifft den diesbezüglichen (weiteren) Beschluss des zweitmitbeteiligten Zentralausschusses vom (wobei die revisionswerbende Partei das Verfahren zunächst bis zur Entscheidung über die zuvor genannten zwei Beschlüsse ausgesetzt hatte).
2 Mit Bescheid vom hat die Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde den Beschluss des zweitmitbeteiligten Zentralausschusses vom - soweit nach § 25 Abs. 5 PVG Freistellungen beantragt wurden - wegen mangelnder materieller Berechtigung für die Gewährung einer zusätzlichen Freistellung sowie im Übrigen wegen Überschreitung des demZentralausschuss eingeräumten Ermessens bei der Verteilung der Dienstfreistellungen als rechtswidrig aufgehoben.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg der dagegen erhobenen Beschwerde des Erstmitbeteiligten und des zweitmitbeteiligten Zentralausschusses Folge, hob den Bescheid vom ersatzlos auf und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Landesregierung bei der Gewährung von Dienstfreistellungen nach § 25 Abs. 5 PVG kein Ermessen zukomme und diese insbesondere nicht nochmals zu prüfen habe, ob ein besonderer Arbeitsanfall und eine besondere Arbeitsbelastung der Personalvertreterinnen und Personalvertreter im Freistellungszeitraum zu erwarten seien. Diese Frage habe bereits die Bundesregierung vor Erlassung der entsprechenden Verordnung in ihre Erwägungen einbezogen. Allein aus dem Wort "kann" in der gegenständlichen Verordnung dürfe ein Ermessen der Landesregierung nicht abgeleitet werden, zumal die Verordnung keine weiteren Voraussetzungen für die Freistellungen enthalte. Vom Gesetzgeber könne nicht intendiert worden sein, dass die - in der vorliegenden Konstellation mit dem Dienstgeber zusammenfallende - Aufsichtsbehörde, der gegenüber die Personalvertreter ihre Vertretungstätigkeit auszuüben hätten, die Effektivität der Vertretungstätigkeit von Personalvertretungsorganen gegenüber dem Dienstgeber zu beurteilen habe. Überdies werde die Rechtsauffassung der Salzburger Landesregierung offensichtlich von keiner weiteren Landesregierung geteilt. Sohin sei der Zentralausschuss sehr wohl berechtigt gewesen, vier Freistellungen seiner Mandatare zu beantragen. Die Beurteilung, ob die (drei) Freistellungen nach § 25 Abs. 4 PVG unter ausreichender Bedachtnahme auf das Stärkeverhältnis der Wählergruppen beantragt worden sei, erübrige sich, da eine mangelnde Ausgewogenheit der betreffenden Beschlüsse von der Landesregierung selbst nur unter der Voraussetzung angenommen worden sei, dass im Zentralausschuss mit den drei Freistellungen das Auslangen gefunden werden müsste.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Die Revision ist zulässig, weil es - wie die Revisionswerberin zutreffend aufzeigt - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gibt, ob es sich bei der Gewährung von Dienstfreistellungen nach § 25 Abs. 5 PVG um eine Ermessensentscheidung der Dienstbehörde handelt; sie ist aber nicht berechtigt.
9 § 25 Abs. 4 und 5 PVG, BGBl. Nr. 133/1967 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 77/2009, lauten:
"§ 25. ...
...
(4) Den Personalvertreterinnen oder Personalvertretern, den Mitgliedern der Wahlausschüsse und den nach § 22 Abs. 6 beigezogenen Bediensteten steht unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten notwendige freie Zeit zu; die Inanspruchnahme ist dem Dienstvorgesetzten mitzuteilen. Auf Antrag des Zentralausschusses sind von der zuständigen Zentralstelle im Bereich eines jeden Zentralausschusses jedenfalls eine Bedienstete oder ein Bediensteter, bei mehr als 700 wahlberechtigten Bediensteten zwei, bei mehr als 3000 wahlberechtigten Bediensteten drei und für je weitere 3000 wahlberechtigte Bedienstete eine weitere Personalvertreterin oder ein weiterer Personalvertreter unter Fortzahlung der laufenden Bezüge, mit Ausnahme der in Bauschbeträgen festgesetzten Reisegebühren, vom Dienst freizustellen. Dabei ist auf das Stärkeverhältnis der Wählergruppen und auf die auszuübenden Funktionen Bedacht zu nehmen.
(5) Durch Verordnung kann bestimmt werden, dass über die im Abs. 4 genannten Zahlen hinaus Bedienstete unter Fortzahlung der laufenden Bezüge mit Ausnahme von Entschädigungen für solche Aufwendungen, die durch die Dienstfreistellung in Wegfall kommen, vom Dienste freizustellen sind, wenn dies auf Grund des besonderen Arbeitsanfalles und der dadurch entstehenden besonderen Arbeitsbelastung der Personalvertreterinnen oder Personalvertreter notwendig ist.
..."
10 Die Verordnung der Bundesregierung über zusätzliche Dienstfreistellungen von Personalvertretern, BGBl. Nr. 199/1992 idF BGBl. II Nr. 407/2006, lautet auszugsweise:
"In den Bereichen folgender Zentralausschüsse können von der zuständigen Zentralstelle zusätzlich zu den gemäß § 25 Abs. 4 bzw. Abs. 5 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes freigestellten Personalvertretern unter Fortzahlung der laufenden Bezüge mit Ausnahme von Entschädigungen für solche Aufwendungen, die durch die Dienstfreistellung in Wegfall kommen, vom Dienst freigestellt werden:
1. ...
...
6. im Bereich jedes Zentralausschusses für die Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen je ein Bediensteter."
11 Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, die Gewährung einer weiteren Freistellung nach § 25 Abs. 5 PVG iVm Z 6 der zitierten Verordnung (und zwar zusätzlich zu den drei Freistellungen nach § 25 Abs. 4 PVG) liege im Ermessen der Landesregierung in ihrer Funktion als Dienstbehörde bzw. als Personalstelle. Dies ergebe sich daraus, dass in der Verordnung eine "Kann-Bestimmung" enthalten sei. Die Bundesregierung könne mangels Überprüfungsmöglichkeit des tatsächlich besonderen Arbeitsanfalles und der dadurch entstehenden besonderen Arbeitsbelastung eine Beurteilung der Notwendigkeit einer zusätzlichen Dienstfreistellung im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Zentralausschüsse gar nicht vornehmen, weshalb der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden könne.
12 Es ist der Revisionswerberin beizupflichten, dass der Gebrauch des Wortes "können" in der genannten Verordnung zunächst auf die Einräumung eines Ermessens hinweist. Es gibt jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, auch Fälle, in welchen trotz der Verwendung dieses Wortes die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist. Dies ist dann der Fall, wenn die in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift bereits alle Voraussetzungen normiert, die den ganzen Bereich der Erwägungen, die für die Entscheidung maßgebend sein könnten, umfassen. Es ist aber stets eine Frage der Auslegung, ob eine solche "Kann-Bestimmung" als Einräumung von Ermessen zu deuten ist oder ob dieses "kann" als "muss" zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0144).
13 In § 25 Abs. 5 PVG ist genau festgelegt, unter welchen Voraussetzungen durch Verordnung bestimmt werden kann, dass weitere Bedienstete vom Dienst freizustellen sind (dies räumt auch die Revisionswerberin im Revisionsschriftsatz ein). Bei Bestehen einer solchen Verordnung, die wiederum genau regelt, in welchen Bereichen wie viele zusätzliche Freistellungen vorgesehen sind, bleibt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum mehr für die Ausübung von Ermessen. Vielmehr ist sodann die entsprechende Anzahl zusätzlicher Bediensteter vom Dienst freizustellen, wie dies in der Verordnung geregelt wurde.
14 Dabei ist auch zu beachten, dass § 25 Abs. 4 PVG in der geltenden Fassung regelt, bei wie vielen wahlberechtigten Bediensteten wie viele Bedienstete auf Antrag des Zentralausschusses vom Dienst freizustellen sind. In ihrer ursprünglichen Fassung BGBl. 133/1967 war diese Bestimmung jedoch als Kann-Bestimmung formuliert: So regelte (vormals) § 25 Abs. 3 PVG, bei wie vielen wahlberechtigten Bediensteten wie viele Bedienstete auf Antrag des Zentralausschusses vom Dienst freigestellt werden können. Die Rechtsprechung hatte schon vor dem BGBl. 133/1967 hinsichtlich dieses Wortes "können" darauf hingewiesen, dass dieses nicht bedeute, der zuständigen Zentralstelle sei Ermessen eingeräumt, seien doch sämtliche Voraussetzungen für die Dienstfreistellung im Gesetz klar umschrieben (vgl. dazu Heinl/Kirschner, Personalvertretung, Kommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz, 1967, § 25 Rz 15f). Mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 363/1975 wurde sodann in (nunmehr) § 25 Abs. 4 PVG (unter anderem) die Wortfolge "können (...) freigestellt werden" durch "sind (...) freizustellen" ersetzt, womit der Gesetzgeber klargestellt hat, dass der Zentralstelle kein Ermessen eingeräumt ist.
15 § 25 Abs. 5 PVG in der geltenden Fassung sieht vor, durch Verordnung könne bestimmt werden, dass über die in Abs. 4 genannten Zahlen hinaus Bedienstete vom Dienst freizustellen sind, wenn dies aufgrund des besonderen Arbeitsanfalles und der dadurch entstehenden besonderen Arbeitsbelastung der Personalvertreterinnen oder Personalvertreter notwendig sei. Eine solche Verordnung wurde 1992, kundgemacht in BGBl. Nr. 199/1992 erlassen. Darin ist in Z 6 festgelegt, dass zusätzlich zu den gemäß § 25 Abs. 4 bzw. Abs. 5 PVG freigestellten Personalvertretern im Bereich jedes Zentralausschusses für die Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen je ein Bediensteter freigestellt werden kann. Diese Kann-Bestimmung ist auch noch in der aktuellen Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 407/2006 enthalten. Das Vorgesagte spricht aber dafür, dass auch dieses "können" wiederum als "müssen" zu verstehen ist. Nicht zuletzt wird in den Materialien zur PVG-Novelle 1975 ausgeführt, durch Verordnung könnten "zusätzliche gänzliche Dienstfreistellungen verfügt werden" (vgl. BlgNR 1593 13. GP, 8) - auch dies deutet nicht auf ein Ermessen hin, das nach Erlassen der Verordnung auszuüben ist.
16 Dem Verwaltungsgericht kann sohin nicht entgegen getreten werden, wenn es zum Ergebnis kommt, dass der Landesregierung bei der Gewährung von Dienstfreistellungen nach § 25 Abs. 5 PVG kein Ermessen zukommt.
17 Hinsichtlich der erforderlichen Bedachtnahme auf das Stärkeverhältnis ist darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin selbst davon ausgeht, dieses sei bei Gewährung der zusätzlichen Freistellung gemäß § 25 Abs. 5 PVG hinreichend berücksichtigt.
18 Soweit die Revisionswerberin im Übrigen auf Ausführungen in anderen Schriftsätzen verweist, ist auszuführen, dass damit die erforderliche Dartuung der Revisionsgründe im Revisionsschriftsatz im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG nicht ersetzt werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/03/0041).
19 Die Revision erweist sich aus diesen Gründen insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Schlagworte: | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Ermessen VwRallg8 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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QAAAE-94237