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VwGH vom 24.11.2016, Ro 2016/08/0018

VwGH vom 24.11.2016, Ro 2016/08/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W131 2100024- 1/8E, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Stubenring 1, 1010 Wien; mitbeteiligte Partei: K F in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte die revisionswerbende Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden: SVB) fest, dass der Mitbeteiligte vom "bis laufend" gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung pflichtversichert sei. Als Beitragsgrundlagen wurden monatlich EUR 1.089,54 in der Kranken- und Pensionsversicherung sowie EUR 4.358,16 in der Unfallversicherung festgesetzt.

2 Begründend führte die SVB im Wesentlichen aus, dass der Mitbeteiligte gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer näher bezeichneter land(forst)wirtschaftlicher Flächen sei. Sein Sohn und seine Schwiegertochter besäßen gemeinsam weitere näher bezeichnete land(forst)wirtschaftliche Flächen. Diese sowie weitere, zugepachtete Flächen würden in der Betriebsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesBR) bewirtschaftet, und zwar zunächst vom Mitbeteiligten, seiner Ehefrau und seinem Sohn als Gesellschafter. Mit Schreiben vom habe der Mitbeteiligte gemeldet, dass ab auch seine Schwiegertochter Gesellschafterin der GesBR sei. Mit Schreiben vom habe der Mitbeteiligte schließlich bekannt gegeben, dass der Einheitswert des Betriebes auf die Gesellschafter der GesBR wie folgt aufgeteilt werde: K.F. (Sohn des Mitbeteiligten) 33 %, P.F. (Schwiegertochter des Mitbeteiligten) 33 %, M.F. (Ehefrau des Mitbeteiligten) 33 % sowie Ka.F. (Mitbeteiligter) 1 %. Auf Grund des § 23 Abs. 3 lit. h BSVG sei aber, so die SVB weiter, der Einheitswert im Verhältnis der Gesellschafter nach Köpfen aufzuteilen. Daraus ergebe sich, dass der Beitragsberechnung des Mitbeteiligten 25 % des Einheitswerts zugrunde zu legen seien. Der Unfallversicherungsbeitrag werde ihm als Betriebsbeitrag "in der vollen Beitragsgrundlage" vorgeschrieben.

3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Er brachte vor, dass der gemäß seiner Beteiligung an der GesBR auf ihn entfallende Einheitswertanteil lediglich EUR 550,-- betrage; dem entspreche - gemessen am Einkommensteuerbescheid 2013 - ein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 350,--. Damit überschreite er nicht die Versicherungsgrenze nach dem BSVG. Zur Begründung, warum er mit 1 % in der GesBR verbleibe, teilte er mit, dass "bei Aushilfstätigkeiten die rechtliche und versicherungstechnische Absicherung meinerseits vom Betrieb noch vollständig in Kraft sein soll (Rechtsschutzversicherung, u.a.)". Da es sich jedoch nur um geringfügige Aushilfsarbeiten handle, könne man von keinem Arbeitseinkommen ausgehen.

4 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und erließ sodann den nunmehr angefochtenen Beschluss, mit dem es den Bescheid der SVB gemäß § 28 Abs. 3

2. Satz VwGVG behob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die SVB zurückverwies. Begründend führte es - nach Darstellung des Verfahrensgangs, teilweiser Wiedergabe der Verhandlungsschrift sowie Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - schließlich aus, es dränge sich die Frage auf, ob der (vom Mitbeteiligten) behauptete Sachverhalt nicht im Sinn des § 539a ASVG angemessen dahin zu beurteilen sein könnte, dass der Mitbeteiligte nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt "gerade nicht über einen dann nur zum Schein abgeschlossenen entgeltsfremden GesBR-Vertrag mit seinem Sohn, seiner Gattin und seiner Schwiegertochter vertraglich verbunden sein wollte, sondern ob gegenständlich nicht in Wahrheit eine Beschäftigung des (Mitbeteiligten) als geringfügig echter oder freier Dienstnehmer bei der gegenständlichen GesBR angestrebt und schließlich auch materiell-konsensual vereinbart worden ist, welche (evtl geringfügige) Beschäftigung nicht nach BSVG, sondern unter Zugrundelegung des Anspruchslohnprinzips iSv zB VwGH Zl 97/08/0463 nach ASVG teil- oder vollversicherungspflichtig sein könnte". Die SVB habe bislang lediglich die Angaben des Mitbeteiligten über seine GesBR-Beteiligung ungeprüft ihren weiteren Schlussfolgerungen zugrunde gelegt, ohne dass der Mitbeteiligte und seine Familienangehörigen dazu befragt worden seien, was er in welchem zeitlichen Ausmaß "allenfalls über persönliche Weisungen bzw über Einzelbeauftragungen arbeitsmäßig für die GesBR getan" habe. Die SVB habe es bislang auch unterlassen, durch "Ermittlung entsprechender Beweispersonen" und danach durch zeugenschaftliche Einvernahme der insoweit als Beweispersonen naheliegenden Nachbarn, Geschäftspartner bzw. Kunden der GesBR zu erheben, inwieweit der Mitbeteiligte tatsächlich nur mehr geringfügige Aushilfsarbeiten verrichte, oder ob er weiterhin "im Geschäftsbetrieb der GesBR gleich einem die Mühen des gesellschaftlichen Unternehmens angemessen mittragenden Gesellschafter" das Risiko des Geschäftsbetriebes mitübernehme und insoweit durch seine Tätigkeit angemessen zum wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft beitrage. Weiters habe es die SVB bislang unterlassen, zB durch Ersuchen an die niederösterreichische Gebietskrankenkasse um Durchführung einer Prüfung des Vorliegens der Dienstnehmereigenschaft des Mitbeteiligten gegenüber der GesBR zu ermitteln, ob er "nach Auffassung/Feststellung" der Gebietskrankenkasse bei der GesBR seit versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Solange entsprechend den aufgezeigten Ermittlungsschritten auf Tatsachenebene nicht geklärt sei, ob der Mitbeteiligte und seine Familienangehörigen nicht nur zum Schein eine GesBR mit einer den Kriterien des § 539a ASVG standhaltenden einprozentigen Beteiligung des Mitbeteiligten gegenüber der SVB mitgeteilt hätten, könne nicht beurteilt werden, ob der Mitbeteiligte ab nach dem BSVG vollversicherungspflichtig gewesen sei.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Die vorliegende Entscheidung hänge (zusammengefasst) von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der einprozentigen Beteiligung des Mitbeteiligten an der GesBR ab, wobei es sich um eine über den Einzelfall hinausgehende Fragestellung von grundsätzlicher Bedeutung handle.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision der SVB. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorverfahren durchgeführt und dem Verwaltungsgerichtshof die Akten sowie eine Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die SVB bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dass das Bundesverwaltungsgericht schon deswegen nicht mit Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG hätte vorgehen dürfen, weil zur Beurteilung der Frage, ob ein Dienstverhältnis vorgelegen sei, der ermittelte Sachverhalt ausreichend gewesen sei; insofern sei das Bundesverwaltungsgericht daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Auch seien die Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Dienstnehmereigenschaft in der gegenständlichen Konstellation unrichtig.

8 Die Revision ist aus den von der SVB geltend gemachten Gründen zulässig und - wegen des Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch berechtigt.

9 Den Parteien eines Vertrages über die Verrichtung land(forst)wirtschaftlicher Tätigkeiten steht eine Vielfalt an vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten offen.

Land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten in einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb können auf Grund von Rechtsverhältnissen, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung nach ASVG und AlVG begründen, aber auch in anderer Weise ausgeübt werden. Vorstellbar sind etwa die üblichen Vereinbarungen von Pacht oder Fruchtgenuss oder auch - ungeachtet der Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der land(forst)wirtschaftlichen Flächen - die Führung des Betriebs in Form einer GesBR auf gemeinsame Rechnung und Gefahr. Eine alle Aspekte berücksichtigende rechtliche Beurteilung setzt daher in erster Linie Feststellungen darüber voraus, ob zwischen den Parteien ausdrückliche - schriftliche oder mündliche - vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen wurden und welchen Inhalt diese hatten (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0177, mwN).

10 Im vorliegenden Fall schloss der Mitbeteiligte mit seiner Ehefrau und seinem Sohn ausdrücklich einen Vertrag über die Bildung einer GesBR zur Führung des gegenständlichen land(forst)wirtschaftlichen Betriebes ab, in die in weiterer Folge auch seine Schwiegertochter aufgenommen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht vermutet, dass entgegen dieser Vereinbarung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt ein Dienstverhältnis des Mitbeteiligten im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG "bei der GesBR" (also offenbar mit den weiteren Gesellschaftern als Dienstgebern) vorliegen könnte. Dafür bestanden aber keinerlei Anhaltspunkte: Der Mitbeteiligte ist selbst Eigentümer bzw. Pächter eines nicht unerheblichen Teils der bewirtschafteten Flächen; in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sein Sohn an, dass der Mitbeteiligte in der Buschenschank aushelfe und sich aus den anstehenden Arbeiten gewisse Arbeiten aussuche, ohne dafür etwas bezahlt zu bekommen. Nichts deutet auf eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber seinem Sohn oder den anderen Gesellschafterinnen der GesBR hin. Vor diesem Hintergrund bestand auch kein Anlass zu den der SVB vom Bundesverwaltungsgericht aufgetragenen Ermittlungen.

11 Läge kein Gesellschaftsvertrag vor, so könnte die Tätigkeit des Mitbeteiligten allenfalls als familienhafte Mitarbeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 BSVG anzusehen sein. Es ist aber eine grundsätzlich zulässige vertragliche Gestaltung, wenn derartige Leistungen als Gesellschafter einer GesBR erbracht werden. Als solcher wäre der Mitbeteiligte - zumal es sich bei der gegenständlichen GesBR unzweifelhaft nicht um eine bloße Innengesellschaft handelt - unabhängig von der Höhe seines Gesellschaftsanteils gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern Betriebsführer im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG und nach dieser Bestimmung in der Kranken- und Pensionsversicherung sowie nach § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG in der Unfallversicherung nach dem BSVG pflichtversichert (vgl. zur Pflichtversicherung der Gesellschafter einer GesBR grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0197, VwSlg. 13.457 A).

12 Der angefochtene Beschluss war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weil das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von einem ergänzungsbedürftigen Sachverhalt für die Beurteilung der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten ausgegangen ist.

13 Der Antrag der revisionswerbenden SVB auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil sie selbst Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist.

Wien, am