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VwGH vom 06.07.2016, Ro 2016/08/0017

VwGH vom 06.07.2016, Ro 2016/08/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der K Betriebsgesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch die Waitz - Obermühlner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Winterhafen 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. L510 2005600-1/5E, betreffend Vergütungszinsen für rückgeforderte Beitragszahlungen nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erstattung von Vergütungszinsen vom bis für rückzuerstattende Beiträge als unbegründet abgewiesen. Bei einer im Februar 2010 durchgeführten gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben habe sich herausgestellt, dass im genannten Zeitraum für die von der revisionswerbenden Partei im Namen und auf Rechnung der Ärzte ihres Krankenhauses vereinnahmten und an diese weitergeleiteten Sonderklassegebühren in Höhe von EUR 577.459,55 zu Unrecht Beiträge nach dem ASVG abgeführt worden seien. Dem Antrag der revisionswerbenden Partei vom auf Rückerstattung dieser Beiträge sei gemäß § 69 ASVG im Dezember 2011 entsprochen worden. Mit Schreiben vom habe die revisionswerbende Partei die Zahlung von "Vergütungszinsen" für den genannten Betrag und den genannten Zeitraum gefordert. Die belangte Behörde habe der revisionswerbenden Partei die genannten Beiträge weder vorgeschrieben noch sonst veranlasst. § 69 ASVG treffe keine Regelung über die Verzinsung des Rückforderungsbetrages. In gleichheitskonformer Interpretation sei diese Bestimmung von der Rechtsprechung dahin ergänzt worden, dass in jenen Fällen, in denen Beitragszahlungen auf Grund eines Beitragsnachzahlungsbescheides oder auf Grund einer formlosen Beitragsnachverrechnung erfolgt seien, in Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze Zinsen in der gesetzlichen Höhe von 4 % zustünden. Im vorliegenden Fall seien die geleisteten Beiträge von der belangten Behörde weder vorgeschrieben noch sonst veranlasst worden. Das Verwaltungsgericht teile die Befürchtung der belangten Behörde, wonach eine Zuerkennung von Zinsen für rückzuzahlende Beiträge, die im Wege der Selbstberechnung abgeführt worden seien, den Dienstgeber dazu animieren könnte, bewusst überhöhte Beiträge abzuführen. Die Krankenkassen wären in der Folge nicht nur gezwungen, einen lukrativen Zinssatz zu zahlen, sondern sie müssten auch den mit einer Rückerstattung verbundenen Verwaltungsaufwand tragen. Die belangte Behörde sei im Fall der Selbstabfuhr der Beiträge nicht verpflichtet, gesetzliche Zinsen zu zahlen.

2 Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob Vergütungszinsen für ungebührlich entrichtete Beiträge auch dann zustünden, wenn eine Beitragszahlung ohne aktive Veranlassung der Gebietskrankenkasse erfolgt sei, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 1. § 69 Abs. 1 ASVG ordnet an, dass zu Ungebühr entrichtete Beiträge zurückgefordert werden können. In Abwendung von der Auffassung früherer Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , VfSlg. 13.796/1994, ausgesprochen, dass § 69 Abs. 1 ASVG hinsichtlich der Frage der Verzinsung der rückzuerstattenden Beiträge eine Lücke enthalte, die durch Analogie zu schließen sei. Im Fall der Verpflichtung zur Rückleistung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge seien für die wegen mangelnden Rechtsgrundes zurückzuerstattenden Geldsummen Vergütungszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen zu leisten. Der Verfassungsgerichtshof bezog die Notwendigkeit der lückenfüllenden Analogie in der Begründung seines Erkenntnisses auf Fälle, in denen die Beiträge "auf Grund einer nicht rechtsbeständigen Entscheidung einer Behörde" zu erbringen waren.

6 2. Im Erkenntnis vom , 95/08/0083, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, ein Analogieschluss sei nicht zum Bereicherungsrecht des ABGB, sondern zu sondergesetzlichen (mietrechtlichen) Bestimmungen zu ziehen, nach denen das Empfangene ebenfalls samt gesetzlicher Zinsen zurückzuzahlen sei. Die Höhe des Zinssatzes betrage vier von Hundert (§ 1000 ABGB). Dem Erkenntnis lag ein Fall zu Grunde, in dem die (später als zu Unrecht entrichtet erachtete) Beitragszahlung nicht auf Grund eines Bescheides, sondern auf Grund einer formlosen Aufforderung zur Nachentrichtung von Beiträgen (Beitragsnachrechnung) erfolgt war. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte auch für den Fall der Beitragsnachrechnung das Bestehen einer Gesetzeslücke, die durch den genannten Analogieschluss zu schließen sei, und vertrat darüber hinaus die - nicht tragende - Ansicht, ein Anspruch auf Vergütungszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen bestünde in jedem von § 69 Abs. 1 ASVG erfassten Fall der Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge.

7 3.1. Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge im Selbstabrechnungsverfahren (Lohnsummenverfahren iSd § 58 Abs. 4 ASVG) entrichtet. Die revisionswerbende Partei meint, dass § 69 Abs. 1 ASVG auch im Hinblick auf diese Fallkonstellation eine Lücke aufweise, die durch die genannte Analogie zu schließen sei, sofern kein Missbrauchsfall vorliege. Der Anspruch auf Vergütungszinsen würde nur dann nicht bestehen, wenn die nicht geschuldeten Beiträge im Wissen um die Ungebührlichkeit ihrer Entrichtung bezahlt worden seien.

8 3.2. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die Annahme einer Gesetzeslücke in § 69 Abs. 1 ASVG ist im Sinn der genannten Erkenntnisse dort geboten, wo die Bestimmung der zu bezahlenden Beiträge vom Versicherungsträger (sei es durch Beitragsbescheid, sei es durch Beitragsnachrechnung) vorgenommen wurde. Nur in diesen Fällen ist von Anfang an eine das Vorliegen einer Gesetzeslücke nahe legende Schutzwürdigkeit des Beitragsschuldners anzunehmen.

9 Eine solche Schutzwürdigkeit besteht aber nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall (Zeitraum vom bis ) - die Entscheidung über die zu entrichtenden Beiträge iSd § 58 Abs. 4 iVm § 34 Abs. 2 ASVG in der Sphäre des diesbezüglich zur Sorgfalt verpflichteten Beitragsschuldners gefällt worden ist. Der Versicherungsträger hat in der Regel keine Möglichkeit, zeitnah zu beurteilen, ob die Beitragsabfuhr durch den Verpflichteten den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Es erschiene nicht sachgerecht, den Versicherungsträger, der die Zahlung der Beiträge in unrichtiger Höhe nicht veranlasst hat und die er auch nicht verhindern konnte, nicht nur mit den Aufwendungen für die Rückzahlung, sondern auch mit der Zahlung von Vergütungszinsen zu belasten. Eine durch Analogie zu schließende Lücke des § 69 ASVG liegt nicht vor.

10 4. Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am