VwGH vom 25.04.2016, Ra 2015/16/0139

VwGH vom 25.04.2016, Ra 2015/16/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des H F in F, vertreten durch die Poganitsch, Fejan Partner Rechtsanwälte GmbH in 9400 Wolfsberg, Am Weiher 11/3/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100253/2012, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Klagenfurt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis zog das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber im Instanzenzug zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der R GmbH in Höhe von 61.651,86 EUR heran und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Der Revisionswerber sei bis zum selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der R GmbH gewesen, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die R GmbH sei bereits Mitte des Jahres 2008 in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr in voller Höhe nachgekommen. Im Lauf des Monats Jänner 2009 sei die R GmbH zahlungsunfähig geworden und habe ihren laufenden Verpflichtungen endgültig nicht mehr nachkommen können. Für Abgaben, deren gesetzliche Fälligkeiten im Monat Februar 2009 und danach lägen, sei keine schuldhafte Pflichtverletzung des Revisionswerbers als Geschäftsführer gegeben. Im Übrigen habe der Revisionswerber den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht erbracht. Die Haftung für Lohnsteuer sei verschuldensunabhängig und ergebe sich daraus, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, in Fällen, in denen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Bezahlung des vollen Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. In solchen Fällen dürften somit Löhne nicht in voller Höhe ausbezahlt werden, sondern seien wie auch andere Schuldigkeiten anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer sei zur Gänze zu entrichten. In der Aufzählung der Abgaben, hinsichtlich welcher der Revisionswerber zur Haftung herangezogen werde, findet sich auch die Umsatzsteuer für 2008.

3 Das Bundesfinanzgericht legte die dagegen erhobene außerordentliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

4 Nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 Abs. 1 VwGG) brachte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (das Finanzamt Klagenfurt) eine Revisionsbeantwortung ein.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision u. a. darin, dass das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit abgewichen sei, als es den Revisionswerber zur Haftung für die Umsatzsteuer für 2008 und für die Lohnsteuer für Jänner 2009 herangezogen habe, obwohl diese Abgaben jeweils am 15. Tag des auf den Anmeldungszeitraum zweitfolgenden Monats und die Lohnsteuer am 15. Tag des folgenden Monats, beide genannten Abgaben sohin am fällig geworden seien.

9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

10 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

11 Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

12 Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob dem Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (vgl. für viele etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/16/0082, mwN).

13 Gemäß § 21 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG) hat der Unternehmer - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, darin die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss selbst zu berechnen und eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

14 Der Unternehmer wird gemäß § 21 Abs. 4 UStG nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt und hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben. Durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung wird gemäß § 21 Abs. 5 UStG keine von § 21 Abs. 1 leg. cit. abweichende Fälligkeit begründet.

15 Das Bundesfinanzgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die R GmbH im Lauf des Monats Jänner 2009 zahlungsunfähig geworden sei und ihren laufenden Verpflichtungen endgültig nicht mehr habe nachkommen können, weshalb für Abgaben, deren gesetzliche Fälligkeiten im Monat Februar 2009 und danach lägen, keine schuldhafte Pflichtverletzung des Revisionswerbers als Geschäftsführer gegeben sei. Demgegenüber hat das Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuer für 2008 unter den Abgaben aufgezählt, für welche der Revisionswerber hafte. Dies wäre nur dann widerspruchsfrei und zulässig, wenn sich für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2008 keine Vorauszahlungen mit der Fälligkeit des ergeben hätten. Solches hat das Bundesfinanzgericht indes nicht festgestellt.

16 Das angefochtene Erkenntnis war mit seinem unteilbaren, lediglich einen Gesamthaftungsbetrag enthaltenden Spruch (anders noch der Spruch Haftungsbescheides des Finanzamtes) daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die Umsatzsteuer; neben dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand steht ein weiterer Aufwandersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zu (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0188).

Wien, am