VwGH vom 06.07.2016, Ro 2016/08/0008

VwGH vom 06.07.2016, Ro 2016/08/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg in 5020 Salzburg, Auerspergstraße 67, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. L503 2119521-1/4E, betreffend Behebung und Zurückverweisung in einer Angelegenheit nach dem AlVG (mitbeteiligte Partei: M M in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg (im Folgenden: AMS) den Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit mit der Begründung ab, dass er Mitglied der Rechtsanwaltskammer München sei und auf Grund dessen in Deutschland der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliege.

2 In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde brachte der Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, dass im vorliegenden Fall keine Pflichtversicherung im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG vorliege, da es sich nicht um die reguläre Rentenversicherung Deutschlands, sondern um eine ständische Versorgungskasse handle.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das AMS die Beschwerde ab.

Begründend führte das AMS aus, es stehe fest, dass der Mitbeteiligte seit 1996 in Deutschland eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtanwalt ausübe und als solcher Mitglied der Rechtsanwaltskammer München sei. Als Mitglied der Rechtsanwaltskammer München sei er in der ständischen Rentenversicherung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung pflichtversichert. Im Rahmen dieses Verfahrens sei zu klären gewesen, ob die Pflichtversicherung in der ständischen Rentenversicherung bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung einer Pflichtversicherung im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG gleichkomme und somit Arbeitslosigkeit ausschließe. Dies bejahte das AMS letztlich mit ausführlicher Begründung.

4 Mit Schreiben vom stellte der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führte er in Ergänzung zu seiner Beschwerde aus, in der bayerischen Versorgungskammer sei lediglich eine Mindestversicherung vorgelegen. Er lege den Beitragsbescheid vom vor, auf dessen Seite zwei sich der Hinweis "derzeit keine berufliche Tätigkeit" und "halber Mindestbeitrag wegen Vorliegen eines Befreiungstatbestandes" befinde. Es liege daher in Deutschland keine Pensions- bzw. Rentenversicherung vor. Er sei in Deutschland auch nicht krankenversichert gewesen; entsprechend zur Pensionsversicherung sei die Krankenversicherung stillgelegt worden. Es seien in der fraglichen Zeit lediglich Beiträge zur Anwartschaftsversicherung gezahlt worden, d.h. es habe kein Anspruch auf Übernahme von Heilbehandlungskosten bestanden. Es habe also nur eine gesetzliche österreichische Krankenversicherung bestanden.

Eine Arbeitslosen- oder Berufsausfallversicherung habe in Deutschland ebenfalls nicht bestanden. Auf Grund von Pflicht- und anderen Beiträgen im Rahmen der Tätigkeit als Rechtsanwalt habe er in den Jahren 2010 bis 2013 nur Verluste erlitten.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss behob das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurück (Spruchpunkt A). Mit Spruchpunkt B sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesverwaltungsgericht folgenden Sacherhalt fest:

Der Mitbeteiligte sei in Österreich zuletzt vom bis einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit als Angestellter nachgegangen. Er sei Rechtsanwalt und entrichte in Deutschland laufend Beiträge (und zwar, da er laut aktuellem Beitragsbescheid vom derzeit keine berufliche Tätigkeit ausübe, in Höhe des halben Mindestbeitrages - konkret EUR 70,70 monatlich) an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Bayerische Versorgungskammer).

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen aus, entscheidungswesentlich sei, ob die Versicherung des Mitbeteiligten in der ständischen Rentenversicherung bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als Pflichtversicherung im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG anzusehen sei. Gemäß Art. 5 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 berücksichtige dann, wenn nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen habe, dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Folglich komme es darauf an, ob in der obligatorischen Versicherung des Mitbeteiligten in der ständischen Rentenversicherung bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ein der österreichischen Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG "entsprechender Sachverhalt" zu erblicken sei.

7 Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung werde auf deren eigener Webseite (www.brastv.de) auszugsweise wie folgt beschrieben:

"Aufgabe

Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist Träger der berufsständischen Versorgung im Alter, bei Berufsunfähigkeit und für die Hinterbliebenen der Mitglieder.

Zuständigkeitsgebiet

Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist für Rechtsanwälte/innen sowie seit dem Jahr 2000 für die Steuerberaterinnen und Steuerberater in Bayern zuständig.

(...)

Mitgliederkreis

Mitglieder sind obligatorisch die Mitglieder der Rechtsanwaltskammern der Oberlandesgerichtsbezirke München,

Nürnberg und Bamberg.

Versorgungsleistungen

Das Versorgungswerk erbringt im Rahmen eines Versicherungsaufsichtsrechtlich genehmigten Finanzierungsverfahrens beitragsbezogene Versorgungsleistungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Altersruhegeld, auch in Form von vorgezogenem Altersruhegeld (mit versicherungsmathematischen Abschlägen),
-
Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit im Anwaltsbzw. Steuerberaterberuf,
-
Hinterbliebenenversorgung in Form von Sterbegeld, Witwen- /Witwergeld/ Partnerrente und Halb- bzw. Vollwaisengeld.
Organisation
Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Rechtsbeziehungen beruhen auf dem Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen und der Satzung des Versorgungswerks. (...)
Aufsicht
Das Versorgungswerk unterliegt der Rechts- und der Versicherungsaufsicht (...)"
8 Die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) lauteten wie folgt:
"Art. 1 Rechtsform, Sitz, Geltungsbereich

(1) Bei der Bayerischen Versicherungskammer-Versorgung (Versorgungskammer) bestehen folgende rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (Versorgungsanstalten):

(...)

5. die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung

(...)

Art. 10 Satzung

(1) Die Versorgungsanstalten regeln ihre Angelegenheiten durch Satzung nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(...)

Art. 30 Mitgliedschaft

(1) Bei den Versorgungsanstalten besteht Pflichtmitgliedschaft.

(...)

Art. 31 Beiträge, Überleitung

(1) Die Mitglieder sind nach Maßgabe der Satzung zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Die Satzung kann einkommensunabhängige Mindestbeiträge vorsehen.

(...)

Art. 32 Leistungen

(1) Die Versorgungsanstalten gewähren den Mitgliedern und ihren Hinterbliebenen nach Maßgabe der Satzung laufende Leistungen zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung sowie einmalige Leistungen. (...)"

9 Zusammengefasst handle es sich, so das Bundesverwaltungsgericht weiter, bei der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung durch die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung um ein Versorgungswerk im Rahmen der berufsständischen Versorgung, das für Angehörige kammerfähiger freier Berufe auf Grund einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft Altersversorgung gewähre. Diese Vorsorge sei klar von der allgemeinen deutschen Rentenversicherung auf Grundlage des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu unterscheiden.

Die Rechtslage in Österreich stelle sich ähnlich dar. Auch hier sei die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO eine Art Sonderversicherung, wobei der Träger der Versorgungseinrichtung nicht ein (dem Hauptverband angehörender) Sozialversicherungsträger, sondern die jeweilige Rechtsanwaltskammer selbst sei. Insofern sei zu bejahen, dass die obligatorische Versicherung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ein der obligatorischen österreichischen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung eines Rechtsanwalts gemäß den §§ 49 ff RAO "entsprechender Sachverhalt" im Sinn des Art. 5 lit b der VO (EG) Nr. 883/2004 sei.

Vor diesem Hintergrund sei gegenständlich anhand der zur österreichischen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen, ob es sich dabei tatsächlich um eine "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung handle, welche gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG Arbeitslosigkeit ausschließe. Die Frage, ob unter den Gesetzesbegriff "Pflichtversicherung" auch die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO falle, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits - wenn auch nicht in Zusammenhang mit dem AlVG, sondern dem (damaligen) Bauern-Pensionsversicherungsgesetz und dem (aktuellen) GSVG - geklärt, wobei er zum Ergebnis gelangt sei, dass es sich bei der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO um keine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG handle (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2013/08/0026). Wesentlich sei, dass der Verwaltungsgerichtshof darin explizit ausgesprochen habe, dass beim Begriff "Pflichtversicherung" (in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) "an die gesetzliche Sozialversicherung ... und nicht an sonstige, allenfalls vergleichbaren Zwecken dienende Versorgungseinrichtungen gedacht war", sodass die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte gemäß §§ 49 ff RAO nicht darunter falle. Die dargestellte Rechtsprechung sei zunächst zum Begriff der "Pflichtversicherung" im (damaligen) Bauern-Pensionsversicherungsgesetz und sodann zum (aktuellen) GSVG ergangen, wobei aber - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zum Begriff der "Pflichtversicherung" im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG bestehe. In § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sei zudem von "Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en)" die Rede, während § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG auf die "Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" verweise. Dessen ungeachtet erhelle nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - insbesondere vor dem Hintergrund der klaren Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0026 - nicht, warum der Begriff "Pflichtversicherung" in § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG anders ausgelegt werden sollte als in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG.

Folglich schließe im Fall des Mitbeteiligten - in Zusammenschau mit Art. 5 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 - dessen "Pflichtversicherung" bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht aus und sei sein Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld diesbezüglich zu Unrecht abgewiesen worden.

10 Da einerseits aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, ob im Fall des Mitbeteiligten die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Einzelnen vorlägen - wodurch ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/03/0063, vorliege -, und andererseits das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld auch gar nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sei, könne das Bundesverwaltungsgericht hier nur mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs. 3 VwGVG vorgehen.

11 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da für die Behörde bindend ausgesprochen worden sei, dass die Alters- , Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung für Rechtsanwälte - sei es nun in Deutschland oder Österreich - keine "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung im Sinn von § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG darstelle. Es bestehe zwar eine klare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass unter "Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz" in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG eben nicht die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung für Rechtsanwälte zu subsumieren sei, allerdings fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob dies auch für die "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung im Sinn von § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG gelte, wenngleich ein derartiger Schluss nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts naheliegend sei.

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und der vom Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortung durch das Bundesverwaltungsgericht erwogen hat:

13 1. Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten Grund, auf den auch die Revision zurückkommt, zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

14 2. Nach § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 lautet wie folgt:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

§ 49 RAO in der Fassung BGBl. I Nr. 141/2009 lautet auszugsweise:

"§ 49. (1) Die Rechtsanwaltskammern haben Einrichtungen zur Versorgung der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Rechtsanwalts oder des Rechtsanwaltsanwärters mit einer zu beschließenden Satzung zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Die Satzungen der auf dem Umlagesystem beruhenden Versorgungseinrichtungen haben - unter Wahrung bereits erworbener Rechtspositionen - vorzusehen, dass alle Leistungen aus der Versorgungseinrichtung in Abhängigkeit von der Anzahl der erworbenen Beitragsmonate festgesetzt werden, dass bei Erreichen einer bestimmten Anzahl von Beitragsmonaten (Normbeitragsmonate) der Anspruch auf eine in der Leistungsordnung betraglich festgesetzte Altersrente (Basisaltersrente) erworben wird und dass sich bei Über- oder Unterschreiten der Normbeitragsmonate die zuzuerkennende Altersrente gegenüber der Basisaltersrente erhöht oder reduziert. Bei ihrer erstmaligen Festsetzung darf die Basisaltersrente die nach 35-jähriger Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach der bis dahin gültigen Leistungsordnung vorgesehene Altersrente nicht unterschreiten. Änderungen der Satzungen der Versorgungseinrichtungen sind unter Berücksichtigung wohlerworbener Rechte und unter Wahrung des Vertrauensschutzes vorzunehmen.

(1a) (...)

(2) Beitragspflichtig sind grundsätzlich alle in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte sowie die in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwaltsanwärter, es sei denn, dass diese wegen ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit bereits auf Grund anderer Rechtsvorschriften einer Pflichtversicherung in einem Altersversicherungssystem eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft unterliegen. Zwei oder mehr Rechtsanwaltskammern können auch eine gemeinsame Versorgungseinrichtung mit einer einheitlichen Satzung schaffen.

(3) (...)."

Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestimmt Folgendes:

"Artikel 5

Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder

Ereignissen

Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt

unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären."

15 3. Unstrittig ist, dass der Mitbeteiligte am bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld auf Grund einer in Österreich in der Zeit von bis ausgeübten arbeitslosenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gestellt hat.

16 Unstrittig ist auch, dass die (weiteren) Voraussetzungen für die Zuständigkeit Österreichs als des Staates der letzten Beschäftigung für die Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfüllt sind (vgl. Art. 11 und Art. 61 ff der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

17 Dagegen ist strittig, ob der Mitbeteiligte im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt, weil er nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung rentenversichert ist.

18 Die Rechtsvorschriften betreffend die berufsständischen Versorgungseinrichtungen u.a. für Rechtsanwälte und Steuerberater wurden von der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 als in deren Anwendungsbereich fallend notifiziert. Ebenso notifizierte die Republik Österreich die Rechtsvorschriften zur Regelung der Versicherungs- und Versorgungswerke u.a. der österreichischen Rechtsanwaltskammern. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit wäre die Versicherung bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung von den österreichischen Behörden und Gerichten so zu berücksichtigen, als würde der Mitbeteiligte der Versorgungseinrichtung einer österreichischen Rechtsanwaltskammer angehören, weil es sich insoweit grundsätzlich um "entsprechende" Sachverhalte im Sinn des Art. 5 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 handelt. Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall zunächst, ob die Zugehörigkeit zu einer derartigen Versorgungseinrichtung eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung im Sinn des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG bedeutet. Bejahendenfalls würde dies für österreichische und deutsche Versorgungseinrichtungen gleichermaßen gelten (wobei vorerst nicht beantwortet werden muss, ob im vorliegenden Fall die Versicherung bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung überhaupt im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 stand - siehe dazu unten Punkt 4.).

19 Während das AMS unter Verweis auf den Umstand, dass § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG seinem Wortlaut nach ohne Differenzierung nur auf die "Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" abstelle, davon ausging, dass darunter auch die Altersversorgung fällt, die durch die Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer gewährt wird, vertrat das Bundesverwaltungsgericht die gegenteilige Auffassung.

Der Rechtsmeinung des Bundesverwaltungsgerichts ist beizupflichten.

20 Auf Grund des Begriffs "Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" ist davon auszugehen, dass damit - so wie auch sonst bei der Verwendung dieses Begriffs in den Sozialversicherungsgesetzen - die gesetzliche Sozialversicherung (im Sinn des Kompetenztatbestandes des Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG) gemeint ist und nicht auch sonstige, allenfalls vergleichbaren Zwecken dienende Versorgungseinrichtungen erfasst sind (vgl. in diesem Sinn - zu § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG - das auch vom Bundesverwaltungsgericht zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0026). Die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach § 49 RAO ist keine Pflichtversicherung, sondern (nur) ein Äquivalent dafür, das gemäß § 5 GSVG unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der Pflichtversicherung ermöglicht.

21 Das AMS argumentiert in der Revision insbesondere damit, § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG sei vor dem Hintergrund eingeführt worden, dass seit Selbständige in die Arbeitslosenversicherung optieren können, was auch in der ständischen Versorgung der Rechtsanwälte pflichtversicherte Rechtsanwälte betreffe. Das trifft zwar zu (vgl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 298 BlgNR 23. GP, 6 ff, 10), ändert aber nichts daran, dass die von den Rechtsanwaltskammern gewährleistete Versorgung nicht unter den Begriff der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung fällt. Auch der Normzweck (vgl. dazu etwa Pfeil in AlV-Komm § 12 AlVG Rz 11, wonach das Kriterium der Z 2 in § 12 Abs. 1 AlVG offenkundig vor allem im Hinblick auf die bessere Abgrenzung der Beendigung selbständiger Tätigkeiten eingeführt worden ist) zwingt nicht zu einer über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Interpretation: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind dann nicht arbeitslos, wenn sie entweder in der gesetzlichen Pensionsversicherung, insbesondere nach dem GSVG, pflichtversichert sind (sei es auf Grund einer anderen Erwerbstätigkeit, sei es - in besonderen Konstellationen trotz der auf Grund des § 5 GSVG ergangenen Ausnahmeverordnung - auf Grund ihrer anwaltlichen Tätigkeit), oder ein Einkommen bzw. einen Umsatz über der Geringfügigkeitsgrenze nach § 12 Abs. 6 lit. a und c AlVG erzielen.

22 4. Für die Frage, ob der Mitbeteiligte im Sinn des § 12 AlVG arbeitslos ist, wird daher insbesondere zu ermitteln sein, ob er als Rechtsanwalt (weiterhin) tätig war und dabei mit seinem Einkommen bzw. seinem Umsatz die Geringfügigkeitsgrenze nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG überschritten hat. Eine derartige Tätigkeit könnte im Übrigen auch - ausgehend davon, dass der Mitbeteiligte zuletzt in Österreich eine Beschäftigung ausgeübt hat und hier auch (weiterhin) seinen Wohnsitz hat - unter Ausschluss der Geltung deutscher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Pflichtversicherung in Österreich begründen (vgl. zur Geltung der koordinierten Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates hinsichtlich aller Erwerbstätigkeiten, zum vorrangig zu beachtenden Beschäftigungslandprinzip und zur Regelung für den Fall der Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten Art. 11 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, wobei gemäß Art. 11 Abs. 2 leg. cit. auch der Bezug einer Geldleistung "infolge" einer Beschäftigung - also etwa des Arbeitslosengeldes (vgl. Pöltl in Spiegel Art. 11 VO 883/2004 Rz 7 f) - als Ausübung der Beschäftigung gilt).

23 5. Zur Klärung insbesondere dieser Fragen ist auch die Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG durch das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht erfolgt.

24 6. Die Revision erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Wien, am