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VwGH vom 01.08.2018, Ro 2016/06/0026

VwGH vom 01.08.2018, Ro 2016/06/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , 405-3/91/1/4-2016, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: WEG Pstraße 12, S, vertreten durch Mag. Christopher Schmied, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Landeshauptstadt Salzburg hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Sanierung der Fassade samt Instandsetzung des Balkons auf der Straßenseite, die Sanierung der Gesimse sowie die Ausbesserung des Fassadenstucks des Objektes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft, welche sich im Altstadtschutzgebiet (Schutzzone II) befindet, gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass einer Wohnungseigentümergemeinschaft keine Antragslegitimation in Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung zukomme, weshalb ein Auftrag zur Behebung dieses Mangels ergangen sei, welchem nicht entsprochen worden sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der Bescheid der revisionswerbenden Partei vom ersatzlos behoben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen im Wesentlichen aus, aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 18 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz 2002 - WEG 2002 ergebe sich, dass die Eigentümergemeinschaft als juristische Person mit Teilrechtsfähigkeit, nämlich mit Rechtsfähigkeit nur auf dem Gebiet der Verwaltung der Liegenschaft, konzipiert worden sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zeichneten sich Verwaltungshandlungen dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erforderten, weil es um Interessen aller Gemeinschafter gehe. Zur Verwaltung gehöre alles, was gemeinschaftliche Interessen "bei der Nutzung der Erhaltung" des Gemeinschaftsgutes beeinträchtigen könnte. Die Abgrenzung zu den Verfügungen sei dabei nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut/die Anteile der Miteigentümer zu ziehen; eine Verfügung reiche in die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte ein oder verändere diese. Eine rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer stelle daher keine Maßnahme der Verwaltung der Liegenschaft dar. Die im vorliegenden Fall geplanten Maßnahmen dienten ausschließlich der Erhaltung des Gemeinschaftsgutes, nicht hingegen Einzelinteressen der Miteigentümer, weshalb diese unter "Angelegenheiten der Verwaltung" einzuordnen seien.

4 Nach dem Salzburger Baupolizeigesetz - BauPolG wäre hierfür kein Bauansuchen zu stellen, auf Grund der Lage des Gebäudes im Schutzgebiet II der Altstadt gälten jedoch die baurechtlichen Sonderbestimmungen des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes, nach welchen jede Färbung von Fassaden und Teilen hiervon sowie jede Erneuerung von Fenstern, Außentüren und Toren der Bewilligungspflicht unterlägen. Weder im Altstadterhaltungsgesetz noch in der Altstadterhaltungsverordnung noch im Salzburger Baupolizeigesetz fänden sich Einschränkungen der Antragslegitimation des Bewilligungswerbers auf den Eigentümer der Liegenschaft. Auch aus § 19 BauPolG könne nicht abgeleitet werden, dass ausschließlich die Eigentümer selbst hinsichtlich Instandhaltungsmaßnahmen antragslegitimiert seien, zumal Instandhaltungsmaßnahmen meist keiner behördlichen Bewilligung bedürften. Aus diesem Grund könnten auch die von der revisionswerbenden Partei angeführten Judikate des Verwaltungsgerichtshofes nicht für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts herangezogen werden, zumal bei diesen eine Wohnungseigentümergemeinschaft jeweils (unzulässig) in die Rechtsstellung der Eigentümer eingetreten wäre - die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Bestimmungen der Wiener und der Tiroler Bauordnung stellten hinsichtlich der Antragslegitimation nämlich jeweils auf den Eigentümer der Liegenschaft ab. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Eigentümergemeinschaft gemäß § 18 Abs. 1 WEG 2002 in Angelegenheit der Verwaltung Verträge abschließen könne und ihr dabei aktive und passive Klagslegitimation zukomme, sei innerhalb dieses Umfanges jedenfalls auch die Antragslegitimation in Verwaltungsverfahren zu bejahen.

5 Die ordentliche Revision sei zulässig, da die bisher ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Parteistellung einer Wohnungseigentümergemeinschaft für den vorliegenden Sachverhalt nicht habe herangezogen werden können, zumal die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Gesetzeslage jeweils auf die Eigentümereigenschaft des Antragstellers abgestellt habe. Im vorliegenden Fall sei jedoch auf Grund von "Angelegenheiten der Verwaltung" die Antragslegitimation der teilrechtsfähigen Eigentümergemeinschaft zu bejahen gewesen. Soweit überblickbar, liege hierzu bis dato keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.

7 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum Fehlen von hg. Judikatur zur Antragslegitimation einer Eigentümergemeinschaft nach dem WEG 2002 in einem Baubewilligungsverfahren als zulässig.

9 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des WEG 2002, BGBl. I Nr. 70/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2015, lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(5) Wohnungseigentümer ist ein Miteigentümer der Liegenschaft, dem Wohnungseigentum an einem darauf befindlichen Wohnungseigentumsobjekt zukommt. Alle Wohnungseigentümer bilden zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs. 1 und 2 umschriebenen Umfang.

... "

"6. Abschnitt

Eigentümergemeinschaft, Verwalter, VorzugspfandrechtRechtsfähigkeit und Vertretung der Eigentümergemeinschaft

§ 18. (1) Die Eigentümergemeinschaft kann in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Für Klagen gegen die Eigentümergemeinschaft ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist. Bei diesem Gericht kann auch ein Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft geklagt werden. Forderungen gegen die Eigentümergemeinschaft können gegen die einzelnen Wohnungseigentümer nur nach Maßgabe des Abs. 4 zweiter Satz und nur durch gesonderte Klagsführung geltend gemacht werden.

... "

"7. Abschnitt

Verwaltung der Liegenschaft

Ordentliche Verwaltung

§ 28. (1) In Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft entscheidet - unbeschadet der Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 30 - die Mehrheit der Wohnungseigentümer. Zu diesen Angelegenheiten gehören insbesondere:

1. die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der

Liegenschaft im Sinne des § 3 MRG, einschließlich der baulichen Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, und der Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Wohnungseigentumsobjekt,

... "

10 Die revisionswerbende Partei bringt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2012/05/0042, ausgesprochen habe, dass die Einbringung eines Bauansuchens nicht zur ordentlichen Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehöre. Auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe kürzlich ausgesprochen, dass sich der Antrag einer Wohnungseigentümergemeinschaft auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Entwässerungssystems auf dem im Wohnungseigentum der einzelnen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft stehenden Grundstück als unzulässig erweise. Zudem gehe die Konsumierung einer Baubewilligung auch mit Pflichten einher, die oftmals nicht von einer Wohnungseigentümergemeinschaft getragen werden könnten. Darüber hinaus könne nicht verallgemeinert werden, dass es sich bei Instandhaltungsarbeiten lediglich um derart geringe Arbeiten handle, die nicht unter einen der Tatbestände des § 2 BauPolG fielen. Gerade aber auch im Hinblick auf das Salzburger Altstadterhaltungsgesetz und die dazu ergangenen Verordnungen stellten auch Instandhaltungsarbeiten regelmäßig den Gegenstand von Baubewilligungen dar.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

11 Wie sich aus den Bestimmungen des BauPolG ergibt, ist zur Einbringung eines Bewilligungsansuchens jede parteifähige Person legitimiert, welche nicht auch Eigentümer des Bauplatzes sein muss (vgl. Giese, Salzburger Baurecht2 (2018), Rz 4 zu § 4 BauPolG).

12 Die Frage nach der Partei- und Prozessfähigkeit muss gemäß § 9 AVG unter Heranziehung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Rechts- und Handlungsfähigkeit entschieden werden. Zu den "Vorschriften des bürgerlichen Rechts" zählen auch die Regelungen des WEG 2002 über die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft. Die Rechtspersönlichkeit der Eigentümergemeinschaft ist dabei auf die Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft beschränkt. Nur in diesen Angelegenheiten kann die Eigentümergemeinschaft als solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Diese Einschränkung ist auch für die Parteifähigkeit in Verwaltungsverfahren zu beachten (vgl. ).

13 Aus § 9 AVG in Verbindung mit § 18 WEG 2002 ergibt sich, dass auch im Bereich des öffentlichen Rechts die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft auf die Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft beschränkt ist. Maßnahmen der Verwaltung sind solche der Geschäftsführung (vgl. Prader, WEG 20024 (2015) § 18 E 11 und 13). Die Verwaltungshandlungen für die Eigentümergemeinschaft sind einerseits von bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile daran zu unterscheiden. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungshandlungen und Verfügungen ist dabei nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut bzw. die Anteile der Miteigentümer zu ziehen. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes beeinträchtigen könnte, während eine Verfügung die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte verändert (vgl. , mwN).

14 Die in Rede stehenden baulichen Maßnahmen, für welche durch die mitbeteiligte Partei um Erteilung einer Baubewilligung angesucht wurde, sind den insoweit unbestrittenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zufolge der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen, sodass ihr insoweit Rechtspersönlichkeit zukommt. Da die beantragten baulichen Maßnahmen selbst nicht ausschließlich dem Interesse eines einzelnen Wohnungseigentümers dienen und auch nicht die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte verändern, vermag dies auch die Stellung eines Bauansuchens, welches die Durchführung dieser Baumaßnahmen zum Inhalt hat, nicht zu bewirken. Die der Eigentümergemeinschaft zur Durchführung von in den Bereich der Verwaltung im Sinn des § 18 Abs. 1 WEG 2002 fallenden baulichen Maßnahmen zukommende Rechtspersönlichkeit umfasst demnach auch die Einbringung von Bauansuchen zur Bewilligung solcher Baumaßnahmen.

15 Dem von der revisionswerbenden Partei zitierten hg. Erkenntnis und 0043, lag hingegen ein anderer Sachverhalt zugrunde, zumal es dort um ein Verwaltungsstrafverfahren im Zusammenhang mit der konsenslosen Errichtung eines Aufzugsschachtes, somit nicht um Instandhaltungsarbeiten, ging, weshalb dessen Aussagen auf den vorliegenden Revisionsfall nicht übertragbar sind. Gleiches gilt für das von der revisionswerbenden Partei zitierte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, welches sich offenkundig nicht auf die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten bezogen hat.

16 Die mitbeteiligte Partei war daher zur Einbringung des gegenständlichen Baubewilligungsansuchens legitimiert, weshalb das Verwaltungsgericht den behördlichen Bescheid zu Recht aufgehoben hat.

17 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

18 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II. Nr. 8/2014. Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016060026.J00
Schlagworte:
Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit

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