VwGH vom 27.09.2017, Ra 2015/15/0045
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Landeck/Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100367/2013, betreffend Umsatzsteuer 2004 und 2005 (mitbeteiligte Partei: S F in S, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte führt eine Fremdenpension. In den Jahren 2004 und 2005 nahm er einen Um- und Zubau zum bestehenden Hotelgebäude vor. Von den Baukosten machte er einen Vorsteuerabzug von 100 % geltend. Anlässlich einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass ein Anteil von 34,80 % der Baukosten auf privat genutzte Räumlichkeiten entfalle. In diesem Ausmaß sei eine Kürzung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
2 Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende neue (gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige) Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005.
3 In einer dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) beantragte der Mitbeteiligte den Vorsteuerabzug zur Gänze und in Form endgültiger Bescheide zu gewähren. Zur Begründung verwies er auf das , Seeling.
4 Nach Ergehen abweisender Berufungsvorentscheidungen beantragte der Mitbeteiligte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung sei die Nutzflächenverteilung des gesamten Gebäudes exakt erhoben und eine Aufteilung von 81,93 % betrieblicher zu 18,07 % privater Nutzung festgestellt worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stünden in einem solchen Fall 100 % der Vorsteuern aus den Errichtungskosten zu.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge. Es stellte fest, dass das als Fremdenpension genutzte Gebäude vom Mitbeteiligten seit Beginn der Tätigkeit untergeordnet (zu weniger als 20 % der Gesamtnutzfläche) für private Wohnzwecke genutzt werde. Bezogen auf den reinen Um- und Zubau entfalle ein Anteil von 34,80 % auf privat und 65,20 % auf betrieblich genutzte Räumlichkeiten. Bezogen auf das Gesamtgebäude (inklusive Altbestand) ergebe sich durch den Erweiterungsbau eine Nutzflächenverteilung von 81,93 % betrieblich zu 18,07 % privat. Die Nutzung für private Wohnzwecke sei damit - bezogen auf die Gesamtnutzfläche - weiterhin untergeordnet (unter 20 %). Das Betriebsgebäude bilde auf Grund seiner einheitlichen Fassadengestaltung, der Unterbringung von Wirtschaftsräumen sowohl im Alt- als auch im Neubau und der inneren Verbindung von Alt- und Neubau eine aus Alt- und Neubau bestehende Einheit. Der im Zuge des Bauvorhabens errichtete privat genutzte Gebäudeteil habe auch unter Bedachtnahme auf die Verkehrsauffassung kein eigenständiges Gewicht erlangt, es handle sich dabei um Wohnräume, die einem Gebäude eingegliedert seien, welches auch sonst Personen als Unterkunft (Gästebeherbergung) diene. Da die Nutzung für private Wohnzwecke auch nach dem Zu- und Umbau die Richtschnur von 20 % nicht überschreite, sei das gesamte Gebäude dem Betriebsvermögen zuzurechnen und seien die gesamten Vorsteuern gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 abzugsfähig. Mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des privat genutzten Gebäudeteils setzte sich das Bundesfinanzgericht nicht auseinander.
6 Eine Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil mittlerweile auch für die Streitjahre höchstgerichtlich geklärt sei, wie der Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gebäuden im Falle untergeordneter Privatnutzung zu beurteilen sei (Hinweis auf ).
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach Art. 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Mit der vorliegenden (außerordentlichen) Revision bekämpft das Finanzamt nicht den im Verwaltungsverfahren strittigen Vorsteuerabzug. Das Finanzamt begründet die Zulässigkeit der Revision vielmehr damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehle, ob eine Besteuerung gemäß § 3a Abs. 1a UStG 1994 für den privat genutzten Gebäudeteil vorzunehmen sei. Das Bundesfinanzgericht habe sich damit nicht beschäftigt und eine Besteuerung der Privatnutzung zu Unrecht unterlassen.
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Nach § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen bzw. für seine Lebensführung aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, sodass Kosten für den privaten Wohnraum bei der Einkünfteermittlung nicht berücksichtigt werden können (vgl. , VwSlg. 8711/F). Ungeachtet der Regelung des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 zählen aber privat genutzte Gebäudeteile von untergeordneter Bedeutung einkommensteuerlich zum notwendigen Betriebsvermögen und führen damit zu (abzugsfähigen) Betriebsausgaben (AfA, etc.), welche erst in der Folge durch den korrespondierenden Ansatz einer "Nutzungsentnahme" im Ergebnis neutralisiert werden.
13 Im Erkenntnis vom , 2010/15/0085, VwSlg. 8796/F, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Regelung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 - vor dem Hintergrund der Unionsrechtslage und somit jedenfalls für Zeiträume vor Inkrafttreten von Artikel 168a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie - dahingehend auszulegen ist, dass sie für einen solchen Gebäudeteil, der erst nach einer Verrechnung mit der "Nutzungsentnahme" und sohin erst im saldierten Ergebnis zu nicht abzugsfähigen Aufwendungen führt, keinen Vorsteuerausschluss normiert.
14 Nach Artikel 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie sind die Mitgliedstaaten bloß berechtigt, ihre zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten (vgl. , mwN). Die mit BGBl. I Nr. 27/2004 eingefügte Z 4 des § 12 Abs. 3 UStG 1994 schließt mit ihrem Verweis auf § 3a Abs. 1a Z 1 Vorsteuern, die im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für (u.a.) unternehmensfremde Zwecke stehen, ab vom Abzug aus. Soweit davon untergeordnet privat genutzte Gebäude betroffen sind, ist dieser Vorsteuerausschluss nicht durch das unionsrechtliche Beibehaltungsrecht gedeckt (vgl. mit eingehender Begründung nochmals ).
15 Die ab geltende nationale Rechtslage kommt einer unechten Steuerbefreiung für den Grundstückseigenverbrauch gleich (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz 299). Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Seeling vom , C-269/00, stellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäude(teile)s für nichtunternehmerische Zwecke einen steuerpflichtigen Vorgang dar. Der Mitgliedstaat ist nicht berechtigt, die für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen erfolgende Verwendung einer Wohnung in einem Gebäude, das der Steuerpflichtige insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet hat, als steuerfreie Vermietung zu behandeln. Daher ist ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und später einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen (vgl. Rn. 43 des Urteils Seeling).
16 Das Recht auf vollständigen und sofortigen Abzug der bei der Anschaffung eines Investitionsgutes entrichteten Mehrwertsteuer führt zu einer entsprechenden Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung des Unternehmensgegenstandes (vgl. C- 594/10, Laarhoven, Rn. 27).
17 Der von der mitbeteiligten Partei vertretenen Rechtsauffassung, der Vorsteuerabzug stehe im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH im Falle eines hier vorliegenden untergeordnet privat genutzten Gebäudes zur Gänze zu, während die private Verwendung des Gebäudes (seit ) auf Grund der nationalen Bestimmung des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 nicht steuerpflichtig wäre, ist die Rechtsprechung des EuGH entgegenzuhalten. Dieser hat schon im Urteil vom , Rs 8/81, Becker, auf den systematischen Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit von Vorsteuern und dem Bewirken steuerpflichtiger Umsätze hingewiesen. Durch die Inanspruchnahme einer (nicht ins nationale Recht umgesetzten) Steuerbefreiung unter Berufung auf unmittelbar anwendbares Unionsrecht verzichte der Steuerpflichtige zwangsläufig auf den (im nationalen Recht im Hinblick auf die Steuerpflicht vorgesehenen) Vorsteuerabzug (vgl. Rn. 44 des Urteils vom ).
18 Auch in den Urteilen vom , C- 319/12, MDDP, Rn. 45, und vom , C-144/13, C- 154/13 und C-160/13, VDP Dental Laboratory NV, Rn. 40, hat der EuGH ausgesprochen, dass es Art. 168 MwStSystRL dem Steuerpflichtigen nicht erlaubt, sowohl von der im nationalen Recht vorgesehenen Befreiung Gebrauch zu machen als auch das (im Unionsrecht begründete) Vorsteuerabzugsrecht in Anspruch zu nehmen.
19 Nichts anderes kann im Revisionsfall gelten. Stützt der Steuerpflichtige sein Recht auf Vorsteuerabzug auf Unionsrecht, weil der Eigenverbrauch nach der durch das BGBl. I Nr. 27/2004 gestalteten nationalen Rechtslage zu Unrecht als nicht steuerpflichtig behandelt und aus diesem Grund der Vorsteuerabzug versagt werde, kann er nicht zugleich gestützt auf nationales Recht die Nichtbesteuerung des Eigenverbrauchs in Anspruch nehmen.
20 Das Bundesfinanzgericht ist von einer untergeordneten privaten Verwendung des Betriebsgebäudes ausgegangen ohne Erwägungen zum Vorliegen steuerpflichtiger Umsätze (Verwendungseigenverbrauch unter "Ausblendung" des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994) anzustellen. Aufgrund des aufgezeigten systematischen Zusammenhangs der Bewirkung besteuerter Umsätze einerseits und des Rechts auf Vorsteuerabzug andererseits erweist sich auch der Vorwurf der mitbeteiligten Partei, mit dem Zulässigkeitsvorbringen verlasse das revisionswerbende Finanzamt den "bisherigen Streitgegenstand" als unberechtigt. Zum Revisionsvorbringen, der Mitbeteiligte habe auf "das Gesetz" (gemeint das UStG 1994 in der Fassung des BGBl. I Nr. 27/2004) vertraut, ist zu sagen, dass es ihm im fortzusetzenden Verfahren unbenommen bleibt, sich (insgesamt) auf die Anwendung des nationalen Rechts (nichtsteuerpflichtiger Eigenverbrauch mit Vorsteuerausschluss) zu stützen.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am