VwGH vom 27.04.2017, Ra 2015/15/0037

VwGH vom 27.04.2017, Ra 2015/15/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Grieskirchen Wels in 4601 Wels, Dragonerstraße 31, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100818/2012, betreffend Haftungsbescheid gemäß § 82 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuern hinsichtlich der Jahre 2006, 2008 und 2009 (mitbeteiligte Partei:

H KG in S, vertreten durch die BDO Agitas GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Kohlmarkt 8-10), zu

Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Im Zuge einer vom Finanzamt bei der Mitbeteiligten durchgeführten Außenprüfung betreffend u.a. die Lohnabgaben für den Zeitraum bis traf die Prüferin Feststellungen zu Abfertigungen, die von der Mitbeteiligten an Dienstnehmer gewährt worden waren. Die Prüferin stellte fest, dass mit einzelnen Dienstnehmern schriftliche Vereinbarungen über die Beendigung der Dienstverhältnisse (einvernehmliche Lösung, Dienstgeberkündigung, Inanspruchnahme der Alterspension) getroffen worden seien. In diesen Vereinbarungen, die durchwegs mehrere Monate (durchschnittlich 6 Monate) vor Auflösung der Dienstverhältnisse geschlossen worden seien, seien auch wesentliche Erhöhungen der laufenden Bezüge dieser Dienstnehmer beschlossen worden (Erhöhung des monatlichen Bruttogehalts in den revisionsgegenständlichen vier Fällen von 10.043,91 EUR auf 19.473,20 EUR; von 10.165,77 EUR auf 22.911,80 EUR; von 14.743,40 EUR auf 38.005,13 EUR sowie von 10.531,04 EUR auf 21.829,56 EUR). Dieser letzte - auf Grund der Vereinbarung - erhöhte Bezug sei der Berechnung der Abfertigungsansprüche zugrunde gelegt worden.

2 Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 bestimme sich die Höhe der Abfertigung nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes. Unter Abfertigung sei die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften zu leisten sei. Gemäß § 23 Abs. 1 AngG sei Berechnungsgrundlage für die Abfertigung das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt. Im gegenständlichen Fall seien mit den Dienstnehmern Vereinbarungen über die Beendigung von Dienstverhältnissen getroffen worden, wobei in diesen Vereinbarungen auch eine wesentliche Erhöhung der laufenden Bezüge bis zum Ende des Dienstverhältnisses vereinbart worden sei. Diese Vereinbarungen über die Erhöhung der Bezüge seien kurze Zeit - maximal 6 Monate - vor Beendigung der Dienstverhältnisse getroffen und in weiterer Folge der letzte - auf Grund der Vereinbarung wesentlich erhöhte - laufende Bezug der Berechnung der Abfertigungsansprüche nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 zugrunde gelegt worden. Eine Änderung des Arbeitszeitausmaßes sei durch diese Vereinbarungen jedoch nicht eingetreten.

3 Der OGH habe in seinen Entscheidungen (z.B. Entscheidung vom , 9 ObA 6/05) zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich bei der Berechnung der Abfertigung von dem für das letzte Monat gebührenden Entgelt auszugehen sei, was auch der gesetzlichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 AngG entspreche. Zweck der Abfertigung sei es, dem Arbeitnehmer für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum den zuletzt bezogenen Durchschnittsverdienst zu sichern. Zu prüfen sei jedoch, ob auch wesentliche Entgeltänderungen, die im Hinblick auf die bereits bevorstehende Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbart würden, bei der Berechnung der Abfertigung trotz des vorherrschenden Aktualitätsprinzips berücksichtigt werden müssten oder aber bei der Berechnung der Abfertigung außer Ansatz zu lassen seien. Zu dieser Rechtsfrage liege eine Entscheidung des , vor. Darin habe der OGH ausgesprochen, dass eine Einschränkung des Aktualitätsprinzips, wonach nur solche Entgelte in die Abfertigung einzubeziehen seien, die noch für den letzten Monat des Dienstverhältnisses aktuell seien, in bestimmten Fällen zulässig sei. Aktuelle Veränderungen des Entgeltes, die ihre Ursache in der bevorstehenden Beendigung des Dienstverhältnisses hätten, seien außer Ansatz zu lassen. In der Literatur (Hinweis auf Schrank, Rechtsprobleme der Berechnung der Abfertigung, ZAS 1990, 1 ff, 4) werde die Ansicht vertreten, dass aktuelle Veränderungen des Entgelts (also sowohl Erhöhungen als auch Verminderungen des Entgelts), die ihre Ursache in einer durch Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberkündigung ausgelösten bevorstehenden Beendigung des Dienstverhältnisses hätten, außer Ansatz zu lassen seien, soweit in ihnen eine Beeinträchtigung des unmittelbar bevorstehenden Abfertigungsanspruches zu sehen sei. Der Arbeitgeber habe zwar ein Gestaltungsrecht (sowohl Verminderung als auch Erhöhung der Bezüge), es würden aber solche an sich zulässigen Gestaltungen nicht abfertigungswirksam, weil von einer Umgehungshandlung (Umgehung des Gesetzes) auszugehen sei. Eine Berufung auf das Aktualitätsprinzip sei diesfalls nicht anzuerkennen. Eine schlüssige Begründung, wieso ohne Erhöhung des Arbeitsausmaßes der laufende Bezug eine außerordentliche Erhöhung erfahren habe, habe nicht gegeben werden können. Die Dienstnehmer hätten ihre aktuelle Versorgung auch mit dem vor Erhöhung bezogenen laufenden Gehalt sichern können, und finde sich keine Erklärung dafür, dass für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum eine höhere Versorgungsleistung notwendig wäre, wobei mit der gesetzlichen Abfertigung nur eine gewisse Kontinuität des bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum gewährleistet werden solle. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise stellten die über das anerkannte Ausmaß der gesetzlichen Abfertigung hinausgehenden Zahlungen freiwillige Zahlungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses dar, die gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 zu versteuern seien.

4 Die Prüferin berechnete daher den begünstigt zu versteuernden Teil der Abfertigungen unter Außerachtlassung der Gehaltserhöhungen neu und gelangte dadurch zu Lohnsteuernachforderungen.

5 Das Finanzamt folgte diesen (und weiteren) Feststellungen der Prüferin (mit einer geringen betraglichen Korrektur) und nahm die Mitbeteiligte mit Haftungsbescheiden vom gemäß § 82 EStG 1988 für Lohnsteuern in Höhe von 164.784,09 EUR (2006), 214.017,57 EUR (2008) und 160.518,33 EUR (2009) in Anspruch. Ferner wurden von diesen Nachforderungen Säumniszuschläge festgesetzt.

6 Gegen diese Haftungsbescheide erhob die Mitbeteiligte Berufung (nunmehr: Beschwerde), in der sie die vorgenommene Neuberechnung von Abfertigungen in vier Fällen bekämpfte und die Besteuerung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 mit dem begünstigen Steuersatz von 6 % beantragte. Begründend führte sie aus, die Erhöhung der monatlichen Entgelte sei ausschließlich aus betrieblichen Gründen erfolgt und wirtschaftlich geboten gewesen. Sie habe ihre Ursache nicht in der bevorstehenden Beendigung des Dienstverhältnisses gehabt. Dazu erläuterte sie für die vier revisionsgegenständlichen Abfindungen die näheren Umstände der Auflösung der Dienstverhältnisse und verwies insbesondere auf die Bereitschaft der betroffenen Dienstnehmer zum Verbleib im Unternehmen für einige Monate nach der vereinbarten Auflösung des Dienstverhältnisses und zur reibungslosen Einschulung von Nachfolgern.

7 Weiters verwies die Mitbeteiligte darauf, dass, wenn es ihre Absicht gewesen wäre, lediglich die Bemessungsgrundlage für die gesetzliche Abfertigung zu erhöhen, nach dem Aktualitätsprinzip auch eine einmalige Erhöhung im letzten Monat des Dienstverhältnisses ausgereicht hätte. Es wäre nicht erforderlich gewesen, das laufende monatliche Entgelt mehrere Monate davor zu erhöhen. Dies erkläre sich eben nur dadurch, dass sie die Motivation und Leistungsbereitschaft der leitenden Mitarbeiter in Hinblick auf definierte unternehmensinterne Sonderaufgaben bis zum letzten Arbeitstag sicherstellen habe wollen. Im Gegensatz zu dem von der Außenprüfung angeführten Fall (Hinweis auf -G/06) handle es sich bei den betroffenen vier Mitarbeitern im Revisionsfall auch um sogenannte "fremde Dritte" und widerspreche es den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass ein Unternehmen fremden Dienstnehmern ohne eine betriebliche und wirtschaftliche Rechtfertigung deren Gehalt wesentlich erhöhe und dieses wiederum für die Berechnung der begünstigt besteuerten Abfertigung heranziehe.

8 Darüber hinaus liege im Revisionsfall keine Beeinträchtigung des Abfertigungsanspruchs vor, während es sich bei dem vom , entschiedenen Fall um zwei Dienstnehmer gehandelt habe, deren monatliches Entgelt unmittelbar vor Pensionsantritt und somit Anfall der gesetzlichen Abfertigung deutlich reduziert worden sei. Gestaltungen zum Nachteil des Dienstnehmers im Hinblick bzw. im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses seien laut OGH unbeachtlich. Da es sich bei den betroffenen vier Mitarbeitern ausschließlich um Erhöhungen des laufenden monatlichen Entgelts gehandelt habe und keine Beeinträchtigung des Abfertigungsanspruchs vorliege, finde das zitierte Urteil des OGH in diesem Punkt keine Anwendung auf die hier vorliegenden Sachverhalte. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass es sich beim AngG um ein relatives Schutzrecht für Dienstnehmer handle. Eine Schlechterstellung sei daher nicht möglich, sehr wohl aber eine Besserstellung des Dienstnehmers. Die vom OGH festgelegten Voraussetzungen (Ursache in der bevorstehenden Beendigung des Dienstverhältnisses und Beeinträchtigung des Abfertigungsanspruchs), die für eine Einschränkung des Aktualitätsprinzips kumulativ erfüllt sein müssten, lägen daher bei keinem der vier (fremden dritten) Mitarbeiter vor. Eine Abweichung vom Aktualitätsprinzip, d.h. von der Bemessung der Abfertigung nach dem für den letzten Monat gebührenden Entgelt, sei für die betroffenen Mitarbeiter folglich nicht geboten.

9 Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung. Zusammengefasst wurde dies im Wesentlichen damit begründet, dass die in der Berufung dargestellten zusätzlich von den Mitarbeitern zu erbringenden Leistungen ohnehin zu deren Aufgabenbereich gehört und daher die (beträchtlichen) Gehaltserhöhungen nicht gerechtfertigt hätten. Es sollten "möglicherweise andere Leistungen - wie Abgeltung von zurückliegenden Diensten in Vorjahren, die Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes nach Beendigung der Tätigkeit im Unternehmen oder sonstige Abfindungszahlungen anlässlich Beendigung des Dienstverhältnisses mit diesen erhöhten Lohnzahlungen abgegolten werden und diese erhöhten Lohnzahlungen in weiterer Folge auch zu einer Erhöhung der Abfertigungszahlung mit begünstigter Besteuerung anlässlich der Beendigung" der Dienstverhältnisse führen. Dies lasse sich auch daraus ableiten, dass auch mit anderen Dienstnehmern solche Vereinbarungen betreffend außerordentliche Gehaltserhöhungen abgeschlossen worden seien, die in der Zeit, in der sie die erhöhten Bezüge erhalten hätten, bereits dienstfrei gestellt worden seien und überhaupt keine Leistungen für das Unternehmen mehr erbracht hätten. Die Versteuerung der daraus resultierenden erhöhten Abfertigungen nach Tarif im Zuge der Prüfung sei in der vorgelegten Berufung nicht bekämpft worden.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und änderte die Haftungsbescheide ab. Begründend führte es aus, Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung einer gesetzlichen Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 seien ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Abfertigung und die Auflösung des Dienstverhältnisses, was im Revisionsfall beides vorliege.

11 Die Höhe der Abfertigung bemesse sich nach § 23 Abs. 1 AngG nach dem für den letzten Monat gebührenden Entgelt. Darunter verstehe man jenen Verdienst des Arbeitnehmers, der sich aus den regelmäßig monatlich wiederkehrenden Bezügen zuzüglich des aliquoten Anteils an Remunerationen und ähnlichen Zuwendungen ergebe. Dabei müsse es sich um Bezüge handeln, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht in jedem Monat wiederkehrten. Einmalige Beträge fielen mangels Vorliegens des Charakters einer regelmäßigen, wiederkehrenden Leistung nicht unter den Entgeltbegriff des § 23 Abs. 1 AngG.

12 Im Revisionsfall lägen jedenfalls regelmäßige (erhöhte) Bezüge im Sinne des § 23 Abs. 1 AngG vor. Die erhöhten Bezüge seien dem Dienstnehmer S acht Monate vor seinem Ausscheiden, dem Dienstnehmer V sechs Monate, der Dienstnehmerin B ebenfalls sechs Monate und der Dienstnehmerin E sogar zehn Monate gewährt worden. Sie seien daher gemäß § 23 AngG der Berechnung des Abfertigungsanspruches zugrunde zu legen.

13 Das Finanzamt vertrete die Ansicht, dass der Arbeitgeber zwar ein Gestaltungsrecht habe und die Bezüge seiner Dienstnehmer daher vermindern und erhöhen könne, es würden aber solche an sich zulässigen Gestaltungen nicht abfertigungswirksam, wenn in solchen Fällen von einer Umgehungshandlung (Umgehung des Gesetzes) auszugehen sei. Eine schlüssige Begründung, wieso ohne Erhöhung des Arbeitsausmaßes die laufenden Bezüge eine außerordentliche Erhöhung erfahren hätten, habe nicht gegeben werden können.

14 Von einem Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten iSd § 22 Abs. 1 BAO könne aber keine Rede sein. Während das Finanzamt im Vorlagebericht lediglich die durch keine konkreten Feststellungen gestützte Vermutung geäußert habe, dass "möglicherweise andere Leistungen - wie Abgeltung von zurückliegenden Diensten in Vorjahren, die Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes nach Beendigung der Tätigkeit im Unternehmen oder sonstige Abfindungszahlungen anlässlich Beendigung des Dienstverhältnisses mit diesen erhöhten Lohnzahlungen abgegolten werden sollten und diese erhöhten Lohnzahlungen in weiterer Folge auch zu einer Erhöhung der Abfertigungszahlung mit begünstigter Besteuerung anlässlich der Beendigung" der Dienstverhältnisse führen sollten, habe die Mitbeteiligte in der Beschwerde schlüssig und nachvollziehbar für jeden einzelnen Dienstnehmer begründet, warum es zu den Gehaltserhöhungen gekommen sei. An der Richtigkeit dieses Vorbringens bestehe für das Bundesfinanzgericht kein begründeter Zweifel, sodass es ohne weitere Überprüfung der Entscheidung zugrunde gelegt habe werden können. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in anderen Fallkonstellationen - nämlich bei bereits dienstfrei gestellten Dienstnehmern - die Besteuerung der Abfertigungen nach Tarif nicht bekämpft worden sei. Gegen die Vermutung der Prüferin, dass die Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes durch die erhöhten Bezüge abgegolten werden sollte, spreche im Übrigen schon der Umstand, dass dieses ohnehin durch eine gesonderte Vergütung abgegolten worden sei.

15 Die im Haftungsweg gemäß § 82 EStG 1988 erfolgten Nachforderungen an Lohnsteuer seien daher zu reduzieren.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts, in der es zur Zulässigkeit insbesondere geltend macht, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gebe, ob eine massive Erhöhung der Bezüge (insbesondere bei leitenden Angestellten) wenige Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses auch dazu führe, dass die auf Basis dieser erhöhten Bezüge gewährte Abfertigung im vollen Umfang gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu versteuern sei.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision ist zulässig und begründet.

19 Voraussetzung der Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 67 Abs. 3 EStG 1988 ist das Vorliegen einer "Abfertigung". Nach der Bestimmung ist darunter "die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Dienstordnungen von Gebietskörperschaften, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst-(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, eines Kollektivvertrages oder der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung zu leisten ist".

20 Mit der Wortfolge "Entschädigung durch den Arbeitgeber..., die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses

auf Grund gesetzlicher Vorschriften ... zu leisten ist" wird

grundsätzlich auch für steuerliche Zwecke an die zivilgerichtlichen Vorschriften angeknüpft. Allerdings findet diese Anknüpfung dort ihre Grenzen, wo die Regelungen des Zivilrechts und der dazu ergangenen zivilgerichtlichen Rechtsprechung, die den Schutz der Dienstnehmer vor Augen haben und kurzfristige Entgeltsänderungen vor Auflösung des Dienstverhältnisses daher vor diesem rechtlichen Hintergrund prüfen, einen weitergehenden Normzweck als § 67 Abs. 3 EStG 1988 verfolgen.

21 Von einer "auf Grund gesetzlicher Vorschriften" zu leistenden einmaligen Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Auflösung des Dienstverhältnisses im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 kann nämlich nicht mehr gesprochen werden, wenn an Stelle einer über die gesetzliche Abfertigung hinaus gehenden einmaligen Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Auflösung des Dienstverhältnisses wenige Monate vor dieser Auflösung - ohne erkennbare Rechtfertigung in einem veränderten vertraglichen Arbeitsumfang oder in einem unangemessenen Ausmaß zu solchen Veränderungen - das monatliche Entgelt wesentlich erhöht wird. Die solcherart erhöhten Abfertigungsansprüche ergeben sich nicht aus der unveränderten Fortführung des mehrjährigen Dienstverhältnisses und daraus resultierenden gesetzlichen Ansprüchen, sondern aus einer anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses kurzfristig eingeräumten Erhöhung. Damit liegt aber ungeachtet eines Durchschlagens der Erhöhung auf § 23 AngG insoweit keine Abfertigung "aufgrund gesetzlicher Vorschriften" iSd § 67 Abs. 3 EStG 1988 vor.

22 Indem das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass das arbeitsrechtliche Aktualitätsprinzip uneingeschränkt für die Abgrenzung von § 67 Abs. 3 EStG 1988 zum Tragen kommt, hat es die Rechtslage verkannt und deshalb notwendige Feststellungen unterlassen.

23 Im Revisionsfall sind zum einen die massiven Erhöhungen des monatlichen Bruttogehalts in den revisionsgegenständlichen vier Fällen hervorzuheben (von 10.043,91 EUR auf 19.473,20 EUR; von 10.165,77 EUR auf 22.911,80 EUR; von 14.743,40 EUR auf 38.005,13 EUR sowie von 10.531,04 EUR auf 21.829,56 EUR). Zum anderen deuten die vom Finanzamt festgestellten und nachversteuerten (und von der Mitbeteiligten nicht weiter bekämpften) außerordentlichen Gehaltserhöhungen für mit der Auflösungsvereinbarung bereits dienstfrei gestellte Mitarbeiter auf eine Unternehmenspraxis hin, die solche Gehaltserhöhungen im Zuge der Auflösung von Dienstverhältnissen offenbar systematisch und ohne Bezug zu für das Unternehmen konkret erbrachten Zusatzleistungen gewährt hat. Das Bundesfinanzgericht wird daher vor diesem Hintergrund zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die in den revisionsgegenständlichen Fällen vorgebrachten Zusatzaufgaben der Dienstnehmer eine Erhöhung ihrer Bezüge gerechtfertigt haben. Dabei widerspricht es der Lebenserfahrung, dass allein die Einschulung von Nachfolgern mit beträchtlichen Lohnsteigerungen gesondert abgegolten wird.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am