VwGH vom 01.02.2017, Ro 2016/04/0052

VwGH vom 01.02.2017, Ro 2016/04/0052

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Melk gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-1774/001-2015, betreffend Übertretung der GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: W S in T), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit Straferkenntnis vom verhängte die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft Melk über den Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 800,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 75 Stunden). Dem Mitbeteiligten wurde angelastet, er sei als gewerberechtlicher Geschäftsführer der S Gesellschaft m.b.H dafür verantwortlich, dass diese die genehmigte Einstellhalle für Baumaschinen in der Gemeinde T insofern abgeändert und daher ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben habe, als dort am ein Clubbing mit Ausschank von Getränken und Verabreichung von Speisen (Leberkäsesemmeln) abgehalten worden sei.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge gegeben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt sowie die ordentliche Revision für zulässig erklärt.

3 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dem Mitbeteiligten sei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Einstellhalle für Baumaschinen erteilt worden. Die S Gesellschaft m.b.H verfüge an einem näher bezeichneten Standort in der Gemeinde T über die Berechtigung zur Ausübung der Gewerbe "Beförderung von Gütern mit 6 Kraftfahrzeugen im Fernverkehr" und "Erdbau" sowie des Handelsgewerbes. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei in diesen Fällen der Mitbeteiligte. Die S Gesellschaft m.b.H sei am selben Standort überdies zur Ausübung des Gewerbes "Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen ("Eventmanagement") berechtigt. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer agiere hier der Sohn des Mitbeteiligten. Vom bis habe die S Gesellschaft m.b.H am selben Standort auch die Berechtigung zur Ausübung des "Gastgewerbes gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 und 2 GewO 1994 in der Betriebsart: "Catering" inne gehabt. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei M R gewesen. Dieses Gewerbe habe man ab ruhend gemeldet. Davor sei ein Wiederbetrieb vom 27. bis bei der Wirtschaftskammer gemeldet worden. Mit Bescheid vom habe der Bürgermeister der Gemeinde T der S Gesellschaft m.b.H die Bewilligung einer Veranstaltungsbetriebsstätte auf ihrem Betriebsgelände erteilt. Die gegenständliche Veranstaltung in der Einstellhalle der S Gesellschaft m.b.H als Veranstaltungsbetriebsstätte sei vom Sohn des Mitbeteiligten bei der Gemeinde T angemeldet worden.

4 In seinen rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der gegenständlichen Veranstaltung auf Grund des Inhaltes der Anmeldung (spezielles Thema) und der angegebenen Dauer (nur für eine Nacht) um eine besondere Veranstaltung im Sinn des § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 handle. Die S Gesellschaft m.b.H sei zum angeführten Tatzeitpunkt zur Ausübung des Gastgewerbes berechtigt gewesen. Bezüglich der Frage, ob für eine derartige Veranstaltung (Clubbing) eine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich sei, führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien aus, dass § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 den Zweck verfolge, dem Gastgewerbetreibenden die Ausübung seines Gewerbes bei Veranstaltungen u.ä. "ohne bürokratischen Hindernisse" zu ermöglichen. Da das Verfahren zur Erlangung einer Betriebsanlagengenehmigung einen vergleichsweise größeren Aufwand darstelle als das Verfahren zur Anmeldung einer weiteren Betriebsstätte im Sinn des § 46 in Verbindung mit § 345 GewO 1994, könne die angesprochene bürokratische Erleichterung nicht lediglich die berufsausübungsrechtliche Neuerung beschreiben. Wenn die Absicht des Gesetzgebers eine Verfahrensvereinfachung sei, dann mache es wohl keinen Sinn, den ohnehin einfachen Teil des Verfahrens (Anmeldung einer weiteren Betriebsstätte) wegzulassen und dagegen das aufwändigere Betriebsanlagengenehmigungsverfahren unverändert beizubehalten. Derartiges scheine auch unter dem Gesichtspunkt der zeitlich begrenzten Veranstaltung unzweckmäßig.

5 Hinsichtlich der Anwendung des § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 trat das Verwaltungsgericht der im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Stolzlechner, Gewerberechtsfragen im Zusammenhang mit Clubbings in Niederösterreich, ZVG 2014, 422), wonach eine besondere Gelegenheit im Sinn dieser Bestimmung nur eine solche sein könne, die einem bestimmten Zweck diene, der nicht vorrangig in der Bewirtung von Menschen bestehe, ausdrücklich entgegen. Eine solche einschränkende Sichtweise sei abzulehnen, weil der Zweck von Clubbings je nach Motto in der Zusammenkunft von Menschen mit gleichen Interessen in Bezug auf die Auslebung ihrer Interessen liegen werde. Dass, wenn mehrere Menschen zu welchem Zweck auch immer zusammenkommen und an einem Ort längere Zeit verbringen, es durchaus zweckmäßig und zumeist auch gewinnbringend sei, dort Speisen und Getränke zu verkaufen, liege auf der Hand. Trotz der bei Clubbing-Veranstaltungen üblichen großen Besucherzahlen und des dadurch bedingten großen Umfangs der dort durchgeführten gastgewerblichen Tätigkeiten sei in Bezug auf das Vorliegen des Merkmals der Regelmäßigkeit im Sinn des § 1 Abs. 2 bis 4 GewO 1994 kein strengerer Maßstab anzulegen. Die Regelmäßigkeit der Ausübung eines Gastgewerbes könne nicht von der Anzahl der bewirteten Gäste abhängen. Eine solche Betrachtungsweise wäre gleichheitswidrig. Da sich die vom Mitbeteiligten ausgeübte Tätigkeit im zulässigen Rahmen des § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 bewege, sei das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben gewesen.

6 Das Verwaltungsgericht erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, weil die Frage, ob bei der Veranstaltung von Clubbings zusätzlich zur veranstaltungsrechtlichen Bewilligung auch eine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich ist, bislang noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof entschieden worden sei und diesbezüglich bei den Behörden, der Rechtsprechung und der Lehre unterschiedliche Meinungen bestünden.

7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Melk.

8 4. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 1. Die Bezirkshauptmannschaft Melk bringt zur Zulässigkeit ihrer Amtsrevision vor, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob ein Gewerbetreibender alleine auf Grundlage des § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 eine geänderte Betriebsanlage betreiben dürfe, ohne für diese Änderung eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung nach § 81 GewO 1994 zu besitzen bzw. ob bei der Veranstaltung von Clubbings zusätzlich zur veranstaltungsrechtlichen Bewilligung auch eine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich sei. Entgegen der Ausführungen in der Amtsrevision und im angefochtenen Erkenntnis liegt bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der aufgeworfenen Rechtsfrage vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/04/0128). Da das angefochtene Erkenntnis jedoch von dieser Rechtsprechung abweicht, ist die vorliegende Amtsrevision zulässig und auch berechtigt.

10 2.§ 50 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2015, lautet auszugsweise wie folgt:

"d) Gewerbliche Tätigkeiten außerhalb von Betriebsstätten

§ 50. (1) Gewerbetreibende dürfen insbesondere, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, im Rahmen ihres Gewerbes

(...)

11. vorübergehend aus Anlaß einzelner besonderer Gelegenheiten (Volksfeste, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Ausstellungen, Märkte, Sportveranstaltungen, größere Baustellen u. dgl.) außerhalb der Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen des Standortes ihres Gastgewerbes Speisen verabreichen und Getränke ausschenken.

(...)"

11 3. Die mit der Novelle BGBl. I Nr. 116/1998 eingefügte Z 11 soll - wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. AB 1308 BlgNR 20. GP 1) - den Gastgewerbebetreibenden ermöglichen, "ohne bürokratische Hindernisse ihr Gastgewerbe bei Veranstaltungen uä. auszuüben". Der bis zur dieser Novelle geltende § 148 Abs. 3 GewO 1994 sah noch eine Bewilligungspflicht für eine solche Ausübung des Gastgewerbes vor.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ra 2016/04/0128 ausgesprochen hat, handelt es sich bei § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 um eine Gewerbeausübungsvorschrift. Auch wenn diese Vorschriften eine inhaltliche Nähe zu jenen Regelungen aufweisen, die für gewerbliche Betriebsanlagen gelten, sind die beiden Bereiche auf Grund ihres unterschiedlichen Regelungsgegenstandes nach der Systematik der Gewerbeordnung 1994 getrennt und voneinander unabhängig zu sehen und zu beachten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/04/0005, wo zwischen den als Gewerbeausübungsvorschriften bei Ausübung des Gastgewerbes zu beachtenden Sperrzeiten und den betriebsanlagenrechtlichen Regelungen unterschieden wurde). Es ist daher betriebsanlagenrechtlich unerheblich, ob der Gastgewerbetreibende seine Tätigkeit auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 ausgeübt hat.

12 Ausgehend davon erweist sich die gegenständlich vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, wonach die Berechtigung nach § 50 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 auch die betriebsanlagenrechtliche Seite umfasse, als unzutreffend. Es kommt im vorliegenden Fall sehr wohl darauf an, ob durch die ausgeübte gastgewerbliche Tätigkeit die betriebsanlagenrechtlich genehmigte Einstellhalle für Baumaschinen im Sinn des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 - insbesondere in Bezug auf die Art des Betriebes - geändert und die Betriebsanlage nach dieser Änderung betrieben wurde. Dabei ist bei der Prüfung der Frage der Regelmäßigkeit der Entfaltung der gastgewerblichen Tätigkeit in Zusammenhang mit § 74 Abs. 1 GewO 1994 auf Art und Zweckbestimmung der Betriebsanlage Bedacht zu nehmen (vgl. dazu im Detail das zitierte hg. Erkenntnis Ra 2016/04/0128).

13 4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am