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VwGH vom 23.10.2017, Ro 2016/04/0051

VwGH vom 23.10.2017, Ro 2016/04/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der Österreichischen Post AG in Wien, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W101 2017257-1/4E, betreffend Registrierung einer gemeldeten Datenanwendung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit Eingabe vom Mai 2013 erstattete die Revisionswerberin (als datenschutzrechtliche Auftraggeberin) beim Datenverarbeitungsregister (damals: der Datenschutzkommission) die Meldung einer Datenanwendung mit der Bezeichnung "Videoüberwachung Unternehmenszentrale, 1030 Wien". Nach den Angaben in der Meldung sollte die Datenanwendung automationsunterstützt erfolgen und strafrechtlich relevante Daten beinhalten. Als Zweck wurden "Eigen- /Objektschutz bzw. Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten, jeweils einschließlich der Beweissicherung (...)" angegeben. Die überwachten Bereiche waren in der Anlage konkret aufgelistet und betrafen vor allem die Ein- und Ausgänge. Eine Überwachung von Arbeitsplätzen sollte nicht erfolgen. Die Auswertung der Videodaten sollte ausschließlich im (durch die Zweckbezeichnung definierten) Anlassfall erfolgen. Die Dauer der Speicherung der Daten sollte 72 Stunden - hinsichtlich einzelner Aufzeichnungsbereiche jedoch zwei Wochen - betragen.

2 Die Datenschutzkommission (bzw. die Datenschutzbehörde) erteilten der Revisionswerberin zwei Verbesserungsaufträge, in denen insbesondere die Vorlage einer Betriebsvereinbarung gemäß § 50c Abs. 1 dritter Satz Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) verlangt wurde.

3 Die Revisionswerberin erstattete jeweils eine Stellungnahme, in der sie darlegte, warum ihrer Auffassung nach eine Betriebsvereinbarung für die gemeldete Videoüberwachung nicht erforderlich sei. In der Stellungnahme vom wurde zudem in eventu beantragt, die Registrierung jedenfalls für die zu überwachenden Bereiche in einem der beiden betroffenen Objekte durchzuführen.

4 2. Mit Bescheid vom lehnte die (zuständig gewordene) Datenschutzbehörde (belangte Behörde) die Registrierung der gemeldeten Datenanwendung gemäß § 20 Abs. 5 DSG 2000 ab.

5 Die belangte Behörde verwies auf § 50c Abs. 1 DSG 2000, dem zufolge im Registrierungsverfahren eine Betriebsvereinbarung vorzulegen sei, soweit eine solche gemäß § 96a Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) abzuschließen sei. Die belangte Behörde ging davon aus, dass es sich bei einer Videoüberwachung um ein System zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer (im Sinn des § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG) handle und diese Datenermittlung zweifellos über die "Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen" hinausgehe. Auch wenn die gegenständliche Videoüberwachungsanlage nicht primär auf die Erfassung von Mitarbeiterdaten abziele, würden dennoch auch Bilddaten der Mitarbeiter verarbeitet. Da die Revisionswerberin eine Betriebsvereinbarung nicht vorgelegt habe, sei die Registrierung abzulehnen gewesen.

6 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab.

7 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass es sich bei der gegenständlichen Videoüberwachung um eine vorabkontrollpflichtige Datenanwendung handle. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes habe die belangte Behörde zu Recht die Vorlage einer Betriebsvereinbarung verlangt, weil die Datenanwendung überwachte Bereiche umfasse, die von den Mitarbeitern der Revisionswerberin täglich stark frequentiert würden. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, durch die gegenständliche Videoüberwachung würden nicht die von den Mitarbeitern frequentierten Zutritts-, Arbeits- oder Aufenthaltsbereiche "in flächiger oder strukturierter Weise" erfasst, entgegnete das Verwaltungsgericht, in den genannten Bereichen würden zwangsläufig auch Mitarbeiter aufgenommen. Gleiches gelte für den Eventualantrag der Revisionswerberin.

8 Dem Argument der Revisionswerberin, es handle sich um eine "objektschutz-bezogene Videoüberwachung", hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass bei der gemeldeten Videoüberwachung eine Mitarbeitererfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden könne, zumal die Überwachung im Eingangsbereich als permanente Aufzeichnung beantragt werde und somit die Bilddaten all jener Mitarbeiter erfasst würden, die zum Betreten ihrer Arbeitsstätte den Eingangsbereich zur Unternehmenszentrale benützten. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Einbindung des Datenschutzbeauftragten könne die Pflicht zur Vorlage einer Betriebsvereinbarung nicht kompensieren.

9 Das Verwaltungsgericht nahm somit eine Verpflichtung der Revisionswerberin zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung und zur Vorlage dieser Vereinbarung im Registrierungsverfahren an. Die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung bleibe davon unberührt.

10 Gemäß § 20 Abs. 3 DSG 2000 seien vorabkontrollpflichtige Meldungen auf eine Mangelhaftigkeit im Sinn des § 19 Abs. 4 DSG 2000 zu prüfen. Ergebe die Prüfung eine Mangelhaftigkeit der Meldung, sei gemäß § 20 Abs. 4 DSG 2000 die Verbesserung unter Setzung einer angemessenen Frist aufzutragen. Werde diesem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen, sei die Meldung gemäß § 20 Abs. 5 DSG 2000 abzulehnen. Die Revisionswerberin habe den beiden erteilten Verbesserungsaufträgen keine Folge geleistet. Der die Meldung der Revisionswerberin ablehnende Bescheid sei daher rechtmäßig.

11 Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung könne - so das Verwaltungsgericht - gemäß § 24 Abs. 1 und 4 VwGVG entfallen, weil sie von der Revisionswerberin auch nicht beantragt worden sei.

12 Das Verwaltungsgericht erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil es "an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Fallkonstellation einer Ablehnung einer Registrierung einer Videoüberwachung aufgrund der nicht erfolgten Verbesserung der Vorlage einer Betriebsvereinbarung" fehle.

13 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der datenschutzrechtlichen Auftraggeberin.

14 Die Revisionswerberin schließt sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision der seitens des Verwaltungsgerichtes vertretenen Auffassung an. Zusätzlich wird vorgebracht, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob eine nur zum Zweck des Objektschutzes vorgesehene Videoüberwachung überhaupt ein - den Abschluss einer Betriebsvereinbarung bedingender - Anwendungsfall des § 96a Abs. 1 ArbVG sei, bzw. ob die Verarbeitung des Erscheinungsbildes eines Mitarbeiters über die "Ermittlung von allgemeinen Angaben der Person" gemäß § 96a Abs. 1 ArbVG hinausgehe.

15 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

16 Die Revisionswerberin erstattete dazu eine Replik. II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 1. Die Revision ist bereits aus dem vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Grund, dem sich die Revisionswerberin angeschlossen hat, zulässig.

18 2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 83/2013, lauten auszugsweise:

"Meldepflicht des Auftraggebers

§ 17. (1) Jeder Auftraggeber hat, soweit in den Abs. 2 und 3 nicht anderes bestimmt ist, vor Aufnahme einer Datenanwendung eine Meldung an die Datenschutzbehörde mit dem in § 19 festgelegten Inhalt zum Zweck der Registrierung im Datenverarbeitungsregister zu erstatten. ...

...

(2) Nicht meldepflichtig sind Datenanwendungen, die

...

6. einer Standardanwendung entsprechen: Der Bundeskanzler

kann durch Verordnung Typen von Datenanwendungen und Übermittlungen aus diesen zu Standardanwendungen erklären, wenn sie von einer großen Anzahl von Auftraggebern in gleichartiger Weise vorgenommen werden und angesichts des Verwendungszwecks und der verarbeiteten Datenarten die Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich ist. In der Verordnung sind für jede Standardanwendung die zulässigen Datenarten, die Betroffenen- und Empfängerkreise und die Höchstdauer der zulässigen Datenaufbewahrung festzulegen.

...

Aufnahme der Verarbeitung

§ 18. (1) Der Vollbetrieb einer meldepflichtigen Datenanwendung darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - unmittelbar nach Abgabe der Meldung aufgenommen werden.

(2) Meldepflichtige Datenanwendungen, die weder einer

Musteranwendung nach § 19 Abs. 2 entsprechen, noch innere

Angelegenheiten der anerkannten Kirchen und

Religionsgesellschaften noch die Verwendung von Daten im

Katastrophenfall für die in § 48a Abs. 1 genannten Zwecke

betreffen, dürfen, wenn sie

1. sensible Daten enthalten oder

2. strafrechtlich relevante Daten im Sinne des § 8 Abs. 4

enthalten oder

3. die Auskunftserteilung über die Kreditwürdigkeit der

Betroffenen zum Zweck haben oder

4. in Form eines Informationsverbundsystems durchgeführt

werden sollen,

erst nach ihrer Prüfung (Vorabkontrolle) durch die

Datenschutzbehörde nach den näheren Bestimmungen des § 20

aufgenommen werden.

Notwendiger Inhalt der Meldung

§ 19. (1) Eine Meldung im Sinne des § 17 hat zu enthalten:

1. den Namen (die sonstige Bezeichnung) und die Anschrift

des Auftraggebers sowie eines allfälligen Vertreters gemäß § 6

Abs. 3 oder eines Betreibers gemäß § 50 Abs. 1, weiters die

Registernummer des Auftraggebers, sofern ihm eine solche bereits

zugeteilt wurde, und

2. den Nachweis der gesetzlichen Zuständigkeit oder der

rechtlichen Befugnis für die erlaubte Ausübung der Tätigkeit des

Auftraggebers, soweit dies erforderlich ist, und

3. den Zweck der zu registrierenden Datenanwendung und ihre

Rechtsgrundlagen, soweit sich diese nicht bereits aus den Angaben

nach Z 2 ergeben, und

3a. die Erklärung, ob die Datenanwendung einen oder mehrere

der in § 18 Abs. 2 Z 1 bis 4 oder § 50c Abs. 1 zweiter Satz

genannten Tatbestände für die Vorabkontrollpflicht erfüllt, und

4. die Kreise der von der Datenanwendung Betroffenen und

die über sie verarbeiteten Datenarten und

5. die Kreise der von beabsichtigten Übermittlungen

Betroffenen, die zu übermittelnden Datenarten und die zugehörigen Empfängerkreise - einschließlich allfälliger ausländischer Empfängerstaaten - sowie die Rechtsgrundlagen der Übermittlung und

6. - soweit eine Genehmigung der Datenschutzbehörde notwendig ist - die Geschäftszahl der Genehmigung durch die Datenschutzbehörde sowie

7. allgemeine Angaben über die getroffenen

Datensicherheitsmaßnahmen im Sinne des § 14, die eine vorläufige Beurteilung der Angemessenheit der Sicherheitsvorkehrungen erlauben.

...

(4) Eine Meldung ist mangelhaft, wenn Angaben fehlen, offenbar unrichtig, unstimmig oder so unzureichend sind, daß Einsichtnehmer im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer Rechte nach diesem Bundesgesetz keine hinreichende Information darüber gewinnen können, ob durch die Datenanwendung ihre schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt sein könnten. Unstimmigkeit liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Inhalt einer gemeldeten Datenanwendung durch die gemeldeten Rechtsgrundlagen nicht gedeckt ist.

Prüfungs- und Verbesserungsverfahren

§ 20. ...

(3) Meldungen, die der Auftraggeber als vorabkontrollpflichtig bezeichnet hat oder von diesem zulässigerweise nicht im Wege der Internetanwendung (§ 17 Abs. 1a) eingebracht wurden, sind auf Mangelhaftigkeit im Sinn des § 19 Abs. 4 zu prüfen.

(4) Ergibt die Prüfung nach § 19 Abs. 4 eine Mangelhaftigkeit der Meldung, so ist dem Auftraggeber innerhalb von zwei Monaten nach Einlangen der Meldung die Verbesserung unter Setzung einer angemessenen Frist aufzutragen. Im Verbesserungsauftrag ist auf die Rechtsfolgen einer Nichtbefolgung nach Abs. 5 hinzuweisen.

(5) Wird dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen, ist die Registrierung der Meldung durch eine schriftliche Mitteilung abzulehnen. In die Mitteilung sind aufzunehmen:

1. die Punkte, in denen der Verbesserungsauftrag nicht

erfüllt wurde und

2. der Hinweis, dass innerhalb von zwei Wochen ab

Zustellung bei der Datenschutzbehörde ein Antrag gestellt werden kann, über die Ablehnung mit Bescheid abzusprechen.

Nach Absendung der Mitteilung erstattete Verbesserungen sind nicht zu berücksichtigen.

Registrierung

§ 21. (1) Meldungen gemäß § 19 sind in das Datenverarbeitungsregister einzutragen, wenn

1. das Prüfungsverfahren nach § 20 Abs. 1 keinen Fehler ergeben hat oder

2. das Prüfungsverfahren nach § 20 Abs. 2 und 3 keine Mangelhaftigkeit der Meldung ergeben hat oder

3. nach Einlangen einer auf Mangelhaftigkeit zu prüfenden

Meldung bei der Datenschutzbehörde zwei Monate verstrichen sind, ohne dass ein Verbesserungsauftrag gemäß § 20 Abs. 4 erteilt wurde oder

4. der Auftraggeber die aufgetragenen Verbesserungen (§ 20 Abs. 2 und 4) vorgenommen hat.

..."

Meldepflicht und Registrierungsverfahren

§ 50c. (1) Videoüberwachungen unterliegen der Meldepflicht gemäß den §§ 17 ff. Sofern der Auftraggeber nicht in der Meldung zusagt, die Videoüberwachungsdaten zu verschlüsseln und unter Hinterlegung des einzigen Schlüssels bei der Datenschutzbehörde sicherzustellen, dass eine Auswertung der Videoaufzeichnungen nur im begründeten Anlassfall durch eine bestimmte Stelle stattfindet, unterliegen sie der Vorabkontrolle (§ 18 Abs. 2). Bestimmte Tatsachen im Sinn von § 50a Abs. 4 Z 1 müssen bei Erstattung der Meldung glaubhaft gemacht werden. Soweit gemäß § 96a des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974 - ArbVG, BGBl. Nr. 22, Betriebsvereinbarungen abzuschließen sind, sind diese im Registrierungsverfahren vorzulegen.

(2) Eine Videoüberwachung ist über § 17 Abs. 2 und 3 hinaus

von der Meldepflicht ausgenommen

1. in Fällen der Echtzeitüberwachung oder

2. wenn eine Speicherung (Aufzeichnung) nur auf einem

analogen Speichermedium erfolgt.

..."

19 2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2010, lauten auszugsweise:

"Zustimmungspflichtige Maßnahmen

§ 96. (1) Folgende Maßnahmen des Betriebsinhabers bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates:

...

2. die Einführung von Personalfragebögen, sofern in diesen

nicht bloß die allgemeinen Angaben zur Person und Angaben über die

fachlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte Verwendung des

Arbeitnehmers enthalten sind;

3. die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen

Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren;

...

Ersetzbare Zustimmung

§ 96a. (1) Folgende Maßnahmen des Betriebsinhabers bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates:

1. Die Einführung von Systemen zur automationsunterstützten

Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen. Eine Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die tatsächliche oder vorgesehene Verwendung dieser Daten über die Erfüllung von Verpflichtungen nicht hinausgeht, die sich aus Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag ergeben;

2. die Einführung von Systemen zur Beurteilung von

Arbeitnehmern des Betriebes, sofern mit diesen Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind.

(2) Die Zustimmung des Betriebsrates gemäß Abs. 1 kann durch Entscheidung der Schlichtungsstelle ersetzt werden. Im übrigen gelten §§ 32 und 97 Abs. 2 sinngemäß.

(3) Durch die Abs. 1 und 2 werden die sich aus § 96 ergebenden Zustimmungsrechte des Betriebsrates nicht berührt.

..."

20 3. Vorauszuschicken ist zunächst Folgendes: Die Revisionswerberin macht als Revisionspunkt eine Verletzung in ihrem Recht auf Registrierung der gemeldeten Datenanwendung geltend. Die belangte Behörde vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung dazu die Auffassung, dass es sich bei der Registrierung um eine faktische Amtshandlung handle, die nur die Datenschutzbehörde selbst vornehmen könne. Da das Verwaltungsgericht keine Registrierung vornehme, könne die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis in diesem Recht nicht verletzt sein.

21 Dem ist entgegenzuhalten, dass § 21 Abs. 1 DSG 2000 (bei Vorliegen eines der darin normierten Tatbestände) ein Recht auf Registrierung einräumt, weshalb die Revisionswerberin durch das - die Registrierung ihrer Meldung ablehnende - Erkenntnis in diesem Recht verletzt werden kann. Dass die Eintragung in das Datenverarbeitungsregister - auch in dem Fall, in dem das Verwaltungsgericht den die Registrierung ablehnenden Bescheid der Datenschutzbehörde für rechtswidrig erachten und beheben sollte - von der Datenschutzbehörde vorzunehmen wäre, vermag daran nichts zu ändern, weil das Verwaltungsgericht auch diesfalls in der Sache über das Recht auf Registrierung absprechen würde.

22 4.1. Das Verwaltungsgericht vertritt im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung, im Zuge der Behandlung der Meldung einer Videoüberwachung als Datenanwendung sei zu prüfen, ob die gemeldete Datenanwendung eine Betriebsvereinbarung gemäß § 96a ArbVG erfordere, bzw. sei die Registrierung der Meldung abzulehnen, wenn eine erforderliche Betriebsvereinbarung nicht vorgelegt werde.

23 4.2. Demgegenüber vertritt die Revisionswerberin - insbesondere in ihrer Replik zur Revisionsbeantwortung - die Auffassung, dass die Beurteilung der Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung nicht der Datenschutzbehörde, sondern den ordentlichen Gerichten obliege. Die Datenschutzbehörde könne sich eine Betriebsvereinbarung vorlegen lassen, sofern eine solche "vorhanden" sei, somit "tatsächlich besteht". Der Datenschutzbehörde die Prüfung zu übertragen, ob eine Videoüberwachung betriebsvereinbarungspflichtig sei, würde zu einer materiellen Erweiterung der datenschutzrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Genehmigung einer Videoanlage führen, die mit dem Gesetzeswortlaut des Datenschutzgesetzes 2000 nicht vereinbar wäre.

24 4.3. Dieser Auffassung der Revisionswerberin ist aus folgenden Erwägungen nicht beizutreten:

25 Nach Abs. 1 letzter Satz des - die Meldepflicht und das Registrierungsverfahren für Videoüberwachungen regelnden - § 50c DSG 2000 sind Betriebsvereinbarungen, soweit solche gemäß § 96a ArbVG abzuschließen sind, im Registrierungsverfahren vorzulegen. Die Vorlage ist dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber nicht freigestellt, sondern - bei Vorliegen der Voraussetzung - verpflichtend vorgesehen. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin stellt der Wortlaut des § 50c Abs. 1 letzter Satz DSG 2000 für die Verpflichtung zur Vorlage der Betriebsvereinbarung nicht darauf ab, ob Betriebsvereinbarungen tatsächlich bestehen, sondern ob sie gemäß § 96a ArbVG "abzuschließen sind".

26 Damit ist aber die Beurteilung, ob eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist, Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob eine solche vorzulegen ist. Insoweit werden - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - durch die Auffassung des Verwaltungsgerichtes auch nicht die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Videoanlage materiell erweitert. Vielmehr obliegt es ausgehend vom dargestellten Zusammenhang der Datenschutzbehörde (bzw. im Beschwerdeverfahren: dem Verwaltungsgericht), im Wege der Vorfragenbeurteilung zu prüfen, ob die gemeldete Datenanwendung gemäß § 96a Abs. 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und demnach eine Betriebsvereinbarung abzuschließen - und somit auch vorzulegen - ist (vgl. auch Löschnigg, Anmerkung zu BVwG W101 2017257-1, jusIT 2017/18).

27 Der - gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbare (siehe insoweit den hg. Beschluss vom , Ra 2016/11/0040, mwN) - § 38 AVG sieht vor, dass die Behörde berechtigt ist, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob eine Maßnahme nach § 96a Abs. 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf (und daher eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist), Hauptfrage in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren sein (siehe etwa die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom , 9 ObA 95/08y, und vom , 6 ObA 1/06z, denen zufolge die dem Betriebsrat durch § 96a Abs. 1 ArbVG zugewiesenen Mitwirkungsrechte durch Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch durchgesetzt werden können, sowie § 50 Abs. 2 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, dem zufolge betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten Arbeitsrechtssachen sind; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dessen, dass Verwaltungsbehörden Vorfragen beurteilen können, deren Lösung als Hauptfrage den Gerichten obliegt, siehe die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz. 4). Dass über die hier gegenständliche Vorfrage in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden wäre, wird nicht behauptet.

28 4.4. Auch die daran anschließende Auffassung des Verwaltungsgerichtes über die Konsequenzen der unterbliebenen Vorlage der Betriebsvereinbarung findet in den Regelungen des Datenschutzgesetzes 2000 Deckung.

29 Videoüberwachungen unterliegen gemäß § 50c Abs. 1 DSG 2000 jedenfalls der Meldepflicht nach den §§ 17 ff DSG 2000 und - abgesehen von einer fallbezogen nicht einschlägigen Ausnahme - auch der Vorabkontrolle nach § 18 Abs. 2 DSG 2000. Die Nicht-Vorlage einer - von der Datenschutzbehörde bzw. vom Verwaltungsgericht als erforderlich angesehenen - Betriebsvereinbarung im Registrierungsverfahren ist als Mangelhaftigkeit der Meldung im Sinn des § 19 Abs. 4 DSG 2000 anzusehen. Somit ist nach § 20 Abs. 4 und 5 DSG 2000 dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber die Verbesserung der Meldung aufzutragen und, wenn dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen wird, die Registrierung der Meldung abzulehnen.

30 Das Verwaltungsgericht ist somit grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Nicht-Vorlage einer gemäß § 96a ArbVG abzuschließenden Betriebsvereinbarung die Ablehnung der Registrierung zur Folge hat.

31 5.1. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, vorliegend sei eine Betriebsvereinbarung nach § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG abzuschließen gewesen, weil in den von der Videoüberwachung betroffenen Bereichen zwangsläufig auch Mitarbeiter aufgenommen würden. Auch wenn die Videoüberwachung nicht primär darauf abziele, Mitarbeiterdaten zu erfassen, könne eine derartige Datenerfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden.

32 5.2. Demgegenüber bringt die Revisionswerberin vor, aus der Systematik der §§ 50a ff DSG 2000 in Verbindung mit § 96a ArbVG ergebe sich, dass im Fall einer intentional auf den Eigentumsschutz gerichteten Videoüberwachung für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung kein Raum verbliebe. Das Datenschutzgesetz 2000 anerkenne abseits des Verbotes der Videoüberwachung zum Zweck der Mitarbeiterkontrolle gemäß seinem § 50a Abs. 5 Fälle, in denen es zu einer "Befilmung von Arbeitsplätzen und (...) Mitarbeitern" kommen könne. Da diesfalls eine Vorlage von Betriebsvereinbarungen nur vorgesehen sei, "soweit" solche abzuschließen seien, müsse es auch Fälle geben, in denen keine Betriebsvereinbarungen abzuschließen seien. Diese "Drittkategorie" von "betriebsvereinbarungsfreien" Videoüberwachungen sei jene Form, die nur dem Eigentums- und Objektschutz diene. Ein solcher Fall liege gegenständlich vor, weil nur sicherheitssensible Bereiche wie Ein- und Ausgänge, nicht jedoch Arbeitsplätze überwacht würden. Die Videoüberwachung weise keinen Mitarbeiterbezug im dargestellten Sinn auf.

33 Diese Sichtweise werde nach Ansicht der Revisionswerberin auch durch die Standardanwendung SA032 der Standard- und Muster-Verordnung 2004 gedeckt. Demnach seien Videoüberwachungen zum Eigentumsschutz für bestimmte Betriebe ausgenommen, bei denen es typischer Weise zu Eigentumsverletzungen komme. Da somit sogar Videoüberwachungen mit Mitarbeiterbezug von der Verpflichtung zur Vorlage einer Betriebsvereinbarung ausgenommen seien, müssten Videoüberwachungen, die zwar nicht von der Standardanwendung SA032 erfasst seien, aber gleichfalls dem Eigentumsschutz dienten, ebenfalls von dieser Verpflichtung ausgenommen sein, wenn der durch die Standardanwendung SA032 definierte Mitarbeiterbezug - wie vorliegend - nicht überschritten werde.

34 5.3. Zu diesem Vorbringen der Revisionswerberin ist Folgendes festzuhalten:

35 Vorauszuschicken ist, dass Bilddaten wie etwa Videoaufnahmen grundsätzlich vom Begriff der personenbezogenen Daten umfasst sind (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/04/0011, mwN; dass eine Bestimmbarkeit der Identität der erfassten Personen auf Grund der mangelnden Auflösung des Bildes vorliegend nicht möglich sei, wird von der Revisionswerberin nicht behauptet).

36 § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG erfasst Systeme "zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten" Soweit die Revisionswerberin auf den von ihr mit der Videoüberwachung verfolgten Zweck des Objektschutzes verweist, ist dem zu entgegnen, dass die genannte Regelung nicht auf einen bestimmten, vom Arbeitgeber verfolgten Kontrollzweck der Datenanwendung abstellt. Insofern kann eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht pauschal mit dem von der Revisionswerberin als Ziel der Maßnahme ins Treffen geführten Eigentums- bzw. Objektschutz begründet werden. Vielmehr ist auf die objektive Eignung der Anwendung abzustellen (siehe zur Maßgeblichkeit der objektiven Eignung eines Systems die Nachweise bei Naderhirn, in Strasser/Jabornegg/Resch (Hrsg.), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (2013), § 96a Rz. 8, sowie Felten/Preiss, in Gahleitner/Mosler (Hrsg.), Arbeitsverfassungsrecht Bd. 3, § 96a Rz. 13; allgemein dazu siehe auch Löschnigg, Videoüberwachung iSd Entwurfs zur DSG-Novelle 2010 aus arbeitsrechtlicher Sicht, in Bergauer/Staudegger (Hrsg.), Recht und IT, 57 (62), sowie Hattenberger, Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis - Im Besonderen: § 50a Abs 5 DSG, in Jahnel (Hrsg.), Datenschutzrecht Jahrbuch 2010, 29 (39)). Dass die Erfassung von Mitarbeiterdaten gleichsam nur "beiläufig" erfolgt bzw. ein "Nebeneffekt" der Videoüberwachung ist, vermag eine Subsumtion unter § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG für sich genommen nicht zu verhindern (vgl. auch Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung (2015), 516). Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn es das Verwaltungsgericht in einer objektiven Betrachtungsweise als relevant ansieht, dass eine Mitarbeitererfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden könne.

37 Zu der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Standardanwendung SA032 der Standard- und Muster-Verordnung 2004, BGBl. II Nr. 312, ist festzuhalten, dass die Fragen, ob eine Datenanwendung gemäß der Standard- und Muster-Verordnung 2004 von der Registrierungspflicht ausgenommen ist und ob sie einer Betriebsvereinbarung nach § 96a ArbVG bedarf, zwei voneinander zu unterscheidende Beurteilungen erfordern. Schon deshalb können aus einer nach Ansicht der Revisionswerberin der Standardanwendung SA032 innewohnenden Wertung keine Rückschlüsse für die Auslegung des § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG abgeleitet werden.

38 6.1. Die Revisionswerberin bringt weiters vor, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend begründet, wieso es davon ausgegangen sei, dass die vorliegende Datenanwendung (im Sinn des § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG) über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person hinausgehe und nicht auf Grund von gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfolge. Nach Ansicht der Revisionswerberin werde als einzige mitarbeiterbezogene Information das Aussehen der Mitarbeiter erfasst. Nur in unsystematischen Anlassfällen (etwa bei einem gemeldeten Diebstahl) würde der Zeitpunkt des Betretens oder Verlassens des "befilmten Bereichs" festgestellt. Zudem erfolge die Datenanwendung vorliegend auf Grund der den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflicht nach § 1157 ABGB, von der auch die vermögensrechtlichen Interessen der Arbeitnehmer erfasst seien.

39 Schließlich wird die fehlende Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerügt. Diesbezüglich verweist die Revisionswerberin auf den in der Bescheidbeschwerde gestellten Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme mehrerer informierter Vertreter, aus dem sich ergebe, dass sie von ihrem Recht auf Beantragung einer mündlichen Verhandlung Gebrauch machen wollte.

40 6.2. Dieses Vorbringen führt die Revision im Ergebnis zum Erfolg:

41 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Antrag auf Einvernahme von Zeugen ein Verhandlungsantrag gestellt wird (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/07/0052, mwN). Vorliegend hat die Revisionswerberin in ihrer Bescheidbeschwerde die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt. Die auf den fehlenden Antrag abstellende Begründung des Verwaltungsgerichtes zur Unterlassung der Durchführung einer Verhandlung erweist sich somit als unzutreffend.

42 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen ist (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2017/04/0036, und vom , Ra 2014/12/0021, jeweils mwN). Im Hinblick auf die durch das Datenschutzgesetz 2000 erfolgte Umsetzung der Richtlinie 95/46 EG (Datenschutzrichtlinie; siehe zur Meldung von automatisierten Datenverarbeitungen insbesondere deren Art. 18 ff) geht es vorliegend um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte und ist somit keine Relevanzprüfung vorzunehmen (siehe Art. 47 in Verbindung mit Art. 51 GRC).

43 Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist, finden sich im angefochtenen Erkenntnis nicht. Für die Unterlassung der Durchführung der mündlichen Verhandlung fehlt es daher an einer nachvollziehbaren Begründung.

44 Dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedenfalls gegeben wären, ist fallbezogen auch nicht ersichtlich (grundsätzlich dazu vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/08/0009). In der Beschwerde wurde unter anderem vorgebracht, dass die Mitarbeiter ihre Arbeitsstätten abseits der "befilmten Bereiche" aufsuchen können und werden. In diesem Zusammenhang wurde die zeugenschaftliche Einvernahme mehrerer informierte Vertreter beantragt. Moniert wurden weiters fehlende Ermittlungen zur Art der ermittelten Daten sowie ein unterbliebenes Eingehen auf den (umfangmäßig eingeschränkten) Eventualantrag.

45 Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich - über die Ausführungen im bekämpften Bescheid hinausgehend - festgehalten, dass die überwachten Bereiche von den Mitarbeitern täglich stark frequentiert würden und dies auch für den Eventualantrag gelte. Schon im Hinblick darauf war aber nicht von vornherein anzunehmen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nichts zur Klärung der Rechtssache im Hinblick auf die in Rn. 38 angesprochenen Aspekte beitragen kann.

46 7. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

47 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

48 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

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