VwGH vom 23.11.2016, Ra 2015/15/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des W H in L, vertreten durch die Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG in 1090 Wien, Porzellangasse 4-6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100312/2010, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war im Jahr 2007 Inhaber eines nicht protokollierten Einzelunternehmens. Unternehmensgegenstand war der Vertrieb von Telekommunikationslösungen an Geschäftskunden, und zwar sowohl Klein- und Mittelbetriebe als auch Großunternehmen mit Filial- und Nebenstellennetzen, vorwiegend in Österreich.
2 Der Revisionswerber machte in seinen Abgabenerklärungen für 2007 Ausgaben und Vorsteuern für die Teilnahme an Veranstaltungen (Beteiligung an Rennveranstaltungen für Hobbyfahrer mit Teilnehmern aus der Wirtschaft sowie prominenten Persönlichkeiten) geltend.
3 Mit Bescheiden vom wurden Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 zunächst erklärungsgemäß veranlagt.
4 Im Jahr 2009 erfolgte eine Außenprüfung. Die Aufwendungen in Zusammenhang mit den Rennen wurden als nicht abzugsfähige Aufwendungen im Sinne des § 20 EStG 1988 behandelt, da der Unterhaltungscharakter der Veranstaltungen überwiege; Produktpräsentationen hätten nicht stattgefunden. Das Finanzamt schloss sich der Beurteilung der Außenprüfung an und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Bescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Bescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, der getätigte Aufwand für die Rennveranstaltungen werde vom Revisionswerber auf ein Marketingkonzept gestützt. Danach habe sich als werbewirksamste Methode die Teilnahme an erlebnisorientierten Veranstaltungen herauskristallisiert, um relevante Zielgruppen (Unternehmen) und Zielpersonen (Topmanagement, Inhaber von Klein- und Mittelbetrieben) effektiv zu erreichen. Durch gezielte Einladungen und persönliche intensive Kontakte in der Eventphase sollten vorrangig potentielle Neukunden gewonnen und bestehende Kunden weiter gebunden werden. In untergeordnetem Ausmaß sollte das Unternehmen mit seinen Produkten auch bei anderen Eventteilnehmern bekannt gemacht und die Marke allgemein platziert werden.
7 Nach bereits zwei Teilnahmen in den Jahren 2005 und 2006 habe sich der Revisionswerber 2007 neuerlich mit mehreren Teams aus Mitarbeitern und Kunden/Händlern an drei in Österreich abgehaltenen Rennveranstaltungen beteiligt. Diese Rennen seien von einer darauf spezialisierten professionellen Eventagentur veranstaltet und organisiert worden. Gegen Zahlung der Startgebühr sei die erforderliche Infrastruktur samt technischen Einrichtungen (wie etwa Fahrzeugen) vom Veranstalter zur Verfügung gestellt worden. Der Veranstalter habe das Event in diversen lokalen Medien beworben. Den teilnehmenden Teams sei im Vertrag die Möglichkeit eingeräumt worden, den Zuschauern und übrigen Teilnehmern ihr Unternehmen bzw. ihre Produkte auf eigene Kosten durch Anbringung von Werbebotschaften am Fahrzeug, an der Bekleidung und an den Rückwänden der Boxen zu präsentieren. Bei einer Veranstaltung sei ein vom Revisionswerber zur Verfügung gestelltes Rennstandinformationssystem zum Einsatz gekommen. Dabei habe für Teilnehmer und Zuschauer die Möglichkeit bestanden, telefonisch die aktuelle Rennposition der Teams bzw. Fahrer mit Hilfe eines Spracherkennungssystems abzufragen. Für die Erteilung der Auskünfte seien bekannte Stimmimitatoren engagiert worden. Am Veranstaltungsgelände seien Flyer mit dem Logo des Revisionswerbers und der Einwahlnummer verteilt worden. Als Service für die Rennteilnehmer sei ein SMS-Nachrichtensystem eingesetzt worden, mit dem diese zur Vereinfachung des Rennablaufes via SMS vom Veranstalter Informationen zu aktuellen und bevorstehenden "Agenda-Punkten" erhalten hätten.
8 Für Zwecke der internen Teamkommunikation und zur Überwachung rennrelevanter Positionen seien im Boxenbereich Sender installiert, das in den Boxen befindliche Betreuungspersonal mit Funk- und mobilen Systemgeräten ausgestattet und während der Rennen zwischen Fahrer und Betreuungspersonen kommuniziert worden. Zusätzlich habe sich im Boxenbereich eine IT-Ausstattung befunden, mit der die Renninformationssysteme verwaltet und rennrelevante Daten laufend erfasst und analysiert worden seien. Für eine Veranstaltung sei ein mit dem Logo des Revisionswerbers beschrifteter Truck mit Abstellflächen für die Fahrzeuge und einem Aufenthaltsraum für die Mannschaft angemietet worden, der am Renngelände platziert worden sei.
9 Kriterien für eine Einladung durch den Revisionswerber seien ein nicht näher determiniertes Umsatzpotential sowie Interesse am Motorsport mit einer "entsprechenden Teamfähigkeit" gewesen. Bei einem nicht unerheblichen Anteil der Teilnehmer sei Sportbegeisterung vorhanden gewesen; manche Teilnehmer hätten auch wiederholt teilgenommen. Ihre Erwartungshaltung sei vorrangig auf ein spannendes Rennereignis und gesellschaftliche Belange gerichtet gewesen.
10 Den Teilnehmern seien im Vorfeld Kundeneinladungsmappen übergeben worden. Diese hätten beinahe ausschließlich Informationen zur Rennveranstaltung enthalten (Zeitablaufpläne für Rennwochenenden sowie zu einem vorgelagerten Trainingsaufenthalt, Beschreibungen zur Rennstrecke, Kontaktdaten der Teilnehmer, Rennreglement).
11 Die strittigen Aufwendungen beträfen vorwiegend Leistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer von einer professionellen Veranstaltungsagentur organisierten Veranstaltung stünden, an der der Revisionswerber selbst sowie einige Mitarbeiter und Kunden teilgenommen hätten. Im Rahmen dieser Veranstaltungen sei die eingeräumte Möglichkeit für die Platzierung von Werbemitteln genutzt worden.
12 Die Veranstaltung biete nur für einen geringen Prozentsatz der in Betracht kommenden Kunden eine Teilnahmemöglichkeit; rund die Hälfte der Teilnehmer aus dem Kundenkreis habe wiederholt daran teilgenommen. Mit der eingeschränkten Teilnahmemöglichkeit werde den Anforderungen eines an ökonomischen Zielvorgaben ausgerichteten professionellen Marketingkonzeptes und an eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Werbung nicht Rechnung getragen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild dominiere der Veranstaltungs- bzw. Programminhalt der Eventplattform und nicht die Produkt- und Unternehmenspräsentation der Unternehmen, die sich dieser Plattform bedienten. Produktpräsentationen mochten zwar in die Veranstaltung eingeflossen sein, der Fokus der Teilnehmer und Zuschauer sei aber bei der Rennveranstaltung selbst gelegen. Dass Gespräche zum Unternehmen oder Erfahrungsberichte stattgefunden hätten, werde nicht in Abrede gestellt. Diese machten aber die Veranstaltung noch nicht zu einer Werbemaßnahme. Die genutzte Eventplattform biete weder vom Inhalt bzw. den Vertragsbedingungen noch von den örtlichen Verhältnissen - laut eigener Aussage habe sich der bedeutendste Teil in der Boxengasse abgespielt - einen geeigneten Rahmen für die Vermittlung von auf spezielle Kundenanforderungen abgestellten Telekommunikationslösungen. Zu den eingesetzten Geräten bleibe anzumerken, dass diese auch der Renninszenierung bzw. Rennoptimierung gedient hätten.
13 Es werde nicht in Abrede gestellt, dass mit dem Einsatz der Renninformationssysteme bei den Teilnehmern Aufmerksamkeit erweckt worden sei. Ob damit aber den interessierten Teilnehmern tatsächlich der Nutzen und die Einsatzmöglichkeiten von Produkten des Revisionswerbers habe bewusst gemacht werden können, könne in Anbetracht der Tatsache, dass diese Systeme vorrangig als Service für Rennteilnehmer und Zuschauer gedacht gewesen seien und mit den Stimmimitatoren Unterhaltungswert gehabt hätten, dahingestellt bleiben. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse seien das Rennereignis und die damit in Zusammenhang stehenden Vorbereitungen und Rahmenveranstaltungen im Mittelpunkt gestanden.
14 Der Charakter der Veranstaltung und Programminhalt indizierten, dass nicht die Unternehmens- und Produktpräsentation im Vordergrund gestanden seien, sondern das Rennereignis selbst. Bestätigt werde dies auch mit der Berichterstattung in Medien und in Werbefoldern.
15 Die Veranstaltung sei demnach nicht als Werbung anzusehen, sondern als werbeähnlicher Aufwand. Es sei eine repräsentative Mitveranlassung gegeben gewesen.
16 Aufwendungen für Werbematerialien seien abzugsfähiger Werbeaufwand. Die Aufwendungen für Banner, Flyer, Aufnäher, Sticker sowie das für die Unterstützung der Renninformationssysteme eingesetzte Material seien nicht als unmittelbar durch die Rennen veranlasst anzusehen und fielen nicht unter das Aufteilungsverbot. Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2007 sei dahin zu ändern gewesen, dass anstelle der von der Außenprüfung im Schätzungsweg vorgenommenen Gewinnerhöhung die nicht abzugsfähigen Aufwendungen (Startgebühren, Kosten für VIP-Karten, Rennbekleidung, Kosten für Trainings einschließlich der verabreichten Bewirtungen/Nächtigungen) hinzuzurechnen seien. Die auf die nicht abzugsfähigen Aufwendungen entfallenden Kostenerstattungen seien aufgrund der unmittelbaren Zuordnung steuerfreie Erträge.
17 Die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer für die Eventaufwendungen ergebe sich aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994.
18 Eine Revision sei nicht zulässig, weil die Rechtslage zur ertragsteuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Marketingevents von der Rechtsprechung geklärt sei. Die Frage, ob die Eventmarketingmaßnahmen unter den Begriff der Werbung fielen, sei eine auf Tatsachenebene im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffende Entscheidung, welche die jeweilige Rechtsfolge nach sich ziehe.
19 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
21 Die Revision ist zulässig und begründet.
22 Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.
23 Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach Z 3 dieser Gesetzesstelle dürfen Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben nicht abgezogen werden. Darunter fallen auch Aufwendungen oder Ausgaben anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden. Weist der Steuerpflichtige nach, dass die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwiegt, können derartige Aufwendungen oder Ausgaben zur Hälfte abgezogen werden.
24 Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten nicht als für das Unternehmen ausgeführt Lieferungen oder sonstigen Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 EStG 1988 sind.
25 Repräsentationsaufwendungen sind Aufwendungen, die zwar durch den Beruf des Steuerpflichtigen bedingt sind, aber auch sein gesellschaftliches Ansehen fördern, es ihm also ermöglichen, zu "repräsentieren" (vgl. , mwN). Aufwendungen, die ganz allgemein dazu dienen, geschäftliche Kontakte aufzunehmen und zu pflegen, bei (künftigen) Geschäftsfreunden eingeführt zu werden, um als möglicher Ansprechpartner bzw. potenzieller Auftraggeber in Betracht gezogen zu werden, fallen unter den Begriff der Repräsentationsaufwendungen (vgl. ).
26 Das grundsätzliche Abzugsverbot für Repräsentationsaufwendungen kommt dann nicht zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Aufwendungen Werbezwecken dienen und ein erhebliches Überwiegen der betrieblichen bzw. beruflichen Veranlassung vorliegt (vgl. , VwSlg. 7776/F, und , VwSlg. 7844/F). Bei Veranstaltungen im Bereich des Event-Marketings ist die Möglichkeit der weitaus überwiegenden beruflichen bzw. betrieblichen Veranlassung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. ).
27 Unter dem Begriff der Werbung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Produkt- und Leistungsinformation, also eine auf die betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit bezogene Informationserbringung zu verstehen (vgl. neuerlich ).
28 Soweit es sich um Aufwendungen, die mit der Teilnahme der Mitarbeiter des Revisionswerbers sowie dessen Kunden und Lieferanten verbunden waren, handelt, liegen nicht Kosten der privaten Lebensführung des Revisionswerbers vor. Es ist auch nicht erkennbar, dass betreffend diese Aufwendungen eine private Veranlassung (wie etwa Feiern aus Anlass eines Geburtstages; vgl. hiezu etwa ) vorläge. Entsprechend den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichtes beruhen diese Aufwendungen auf einem Marketingkonzept des Revisionswerbers. Die Teilnahme an erlebnisorientierten Veranstaltungen habe sich als wirksamste Methode herauskristallisiert, um relevante Zielgruppen effektiv zu erreichen. Damit ist aber zumindest von einem erheblichen Überwiegen der betrieblichen Veranlassung für diese Aufwendungen auszugehen.
29 Die Aufwendungen dienen Werbezwecken. Eine Produkt- und Leistungsinformation liegt im zu beurteilenden Fall - neben den ohnehin bereits vom Bundesfinanzgericht berücksichtigten Werbematerialien wie Aufnähern, Stickern usw. - vor allem hinsichtlich des Renninformationssystems vor, mit welchem der Revisionswerber ein (von ihm angebotenes) Telekommunikationssystem (mit Spracherkennung) den Teilnehmern (und auch den Zuschauern) vorstellen konnte.
30 Die Einbettung in ein (festliches) Rahmenprogramm steht dem Werbecharakter einer solchen Veranstaltung - und somit dem Betriebsausgabenabzug - nicht entgegen (vgl. Doralt , EStG11, § 4 Tz 330, "Event-Marketing"). Dass aufgrund der eingeschränkten Teilnahmemöglichkeit an einer derartigen Veranstaltung (jeweils) nur ein kleiner Teil der Kunden erreicht werden kann (nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes etwa 20 teilnehmende Kunden bei durchschnittlich 200 Kunden mit Umsätzen pro Jahr), ändert weder die betriebliche Veranlassung noch den Werbecharakter.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am